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Einführung in die Topologie PDF

87 Pages·2015·2.969 MB·German
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Einführung in die Topologie AndreasGathmann VorlesungsskriptTUKaiserslautern2013 Inhaltsverzeichnis 0. EinleitungundMotivation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. TopologischeRäume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. StetigeAbbildungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3. Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4. TrennungundKompaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 5. Quotientenräume. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 6. Homotopie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 7. DieFundamentalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 8. Überlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 9. AnwendungenderFundamentalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 0. EinleitungundMotivation 3 0. Einleitung und Motivation Anschaulich ausgedrückt ist die Topologie das Teilgebiet der Mathematik, das sich mit Deforma- tionen von Objekten beschäftigt — und mit Eigenschaften, die unter solchen Deformationen un- verändert bleiben. So behält z.B. ein Rettungsring seine Eigenschaft, ein „Loch“ zu haben, auch dann bei, wenn man ihn verformt oder die Luft heraus lässt und ihn irgendwie zusammendrückt. EinezusammenhängendeMengez.B.inderEbenebleibtzusammenhängend,wennmandieEbene beliebig deformiert. Zwei ineinander verschlungene Ringe lassen sich durch Deformationen nicht voneinandertrennen.DiesallessindtopologischeAussagen—undsiezeigen,dassdieTopologie vonderIdeeherwohleinesderanschaulichstenGebietederMathematikist. Schauen wir uns als konkretes Beispiel einmal das rechts abgebildetePuzzlespielan.DaseigentlicheGestell(alsodie PlatteuntenunddieinsgesamtsechsStangenmitderKugel bzw.denhorizontalenRingendrauf)istdabeiausHolzge- fertigtunddamitalsonichtbeweglich.DieschwarzeSchnur istandenEndenlinksaufderPlattebefestigtundverläuft um die letzte der sechs Stangen herum. Ziel des Spiels ist es, diese Schnur so um die Stangen und durch die Ringe zu fädeln, dass sie letztlich „frei“ ist und man den weißen Ring unten herausnehmen kann. Wir wollen dabei anneh- men,dassdieSchnurlanggenugist,umalledafürnotwen- digenBewegungenzuzulassen. Wenn man dieses Puzzlespiel konkret in der Hand hält und damit herumspielt, erscheint es einem aufdenerstenBlicksehrverwirrendundschwierig.DabeiistaustopologischerSicht,alsowennwir einmalDeformationendesRaumesbzw.desHolzgestellsbetrachten,einfacheinzusehen,dassund auchwiedasPuzzlelösbarseinmuss:beginnenwireinmalmitderKugelobenlinks.Esistklar,dass dieseKugelkeinerleiechteFunktionerfülltunddasProblemgenausoeinfachoderschwierigwäre, wenndieKugelnichtdawäre,alsowennmansieimmerkleinermachenwürdebissieschließlich verschwindet.DasselbegiltdannnatürlichauchfürdiegesamtelinkeStange,diemanimmerkürzer machenkönnte,ohnedasssichdaseigentlicheProblemändert.DasPuzzleinAbbildung(a)unten, beidemdielinkeStangefehlt,istalsopraktischäquivalentzumursprünglichen. (a) (b) 4 AndreasGathmann (c) (d) SetzenwirdieseDeformationsüberlegungenweiterfort,sosehenwirgenauso,dassmandenRing linksobenwieinAbbildung(b)auchsenkrechtstellenundkleinermachenkönnte,ohnedasswirdas eigentlicheProblemändern.DanachkönnenwirnatürlichauchdiedarunterliegendeStangeimmer kürzermachen,sodassderRingwieinAbbildung(c)letztlichdirektaufderBodenplattesitzt.Mit denselben Überlegungen für die anderen vier Ringe folgt also, dass unser ursprüngliches Puzzle effektiv dasselbe ist wie das in Abbildung (d) — das aber offensichtlich trivial ist, denn hier kann man den weißen Ring ja einfach herausnehmen. Wir können dieses Puzzle (und auch die meisten anderendieserArt,vondenenihrsicherschoneinigegesehenhabt)alsoletztlichalstopologisches Puzzle bezeichnen. Erstaunlicherweise hilft diese Erkenntnis den meisten Leuten allerdings noch nicht besonders viel bei der konkreten Lösung des ursprünglichen Puzzles: unsere ganzen oben gemachten Vereinfachungen in Schnurbewegungen um die „eigentlich überflüssigen“ Holzstangen undRingeumzuwandelnistinderPraxisnichtsoeinfach. TopologiewirdübrigensindereinenoderanderenFormauchinvielenanderenGebietenderMa- thematikbenötigt.WahrscheinlichsindeuchtopologischeKonzepteauchbereitsmehrfachinvorhe- rigenVorlesungenbegegnet:z.B.offene,abgeschlosseneoderzusammenhängendeMengeninden GrundlagenderMathematik,homotopeWegeinderFunktionentheorie,oderkompakteMengenin derFunktionalanalysis. WirwerdenunsindieserVorlesungdiewesentlichenKonzeptederTopologieerarbeiten.Ausma- thematischerSichtbedeutetdas„StudiumderDeformationen“einfach,dasswirstetigeAbbildungen betrachtenwollen.InderTatsinddiesogenanntentopologischenRäume (diewirgleichalsErstes inDefinition1.1einführenwerden)undstetigenAbbildungenzwischenihnenfürdieTopologiege- nausogrundlegendundzentralwiebeispielsweisedieVektorräumeundlinearenAbbildungeninder linearenAlgebra. Besondersbemerkenswertistdabeiübrigens,dassdiegrundlegendeDefinitioneinestopologischen RaumestrotzihreranschaulichenMotivationzunächstsoabstraktundallgemeinklingt,dassmanauf den ersten Blick gar nichtvermuten würde, dass dabei etwas Sinnvolles herauskommen kann. Wir werden uns aber sehr schnell vom Gegenteil überzeugen können und sehen, dass es gerade dieses WechselspielzwischenabstrakterTheorieeinerseitsundsehranschaulichenSätzenundBeispielen andererseitsist,dasdieTopologiesointeressantmacht. 1. TopologischeRäume 5 1. Topologische Räume WieschoninderEinleitungerwähntwollenwirunsindieserVorlesungmitstetigenAbbildungen beschäftigen.AlsErstesmüssenwirunsdaherfragen,welcheStrukturdieStart-undZielräumeder betrachteten Abbildungen haben müssen, damit wir den Begriff der stetigen Abbildung zwischen ihnenüberhauptersteinmalsinnvolldefinierenkönnen. Ausden„GrundlagenderMathematik“wisstihraufdieseFragebereitseineersteAntwort:fürme- trischeRäume (alsoinsbesondereauchfürnormierteVektorräume)kannmanstetigeAbbildungen mitdemüblichen„ε-δ-Kriterium“einführenunduntersuchen[G2,Definition22.4und23.1].Inder Tat wollen wir die elementaren Eigenschaften solcher stetigen Abbildungen zwischen metrischen Räumenwiez.B.in[G2,Kapitel22und23]imFolgendenalsbekanntvoraussetzen. Beachtejedoch,dasseinmetrischerRaumfürunsereZweckeeigentlichschonzuvieleInformatio- nenenthält.Sohabenwirjaz.B.bereitsinden„GrundlagenderMathematik“beiderUntersuchung derÄquivalenzvonNormen[G2,Bemerkung22.15(a)und22.16]gesehen,dassverschiedeneMe- trikenaufRn durchauszugleichentopologischenEigenschaftenführenkönnen.DerGrundhierfür istletztlich,dasswirinderTopologiezweiRäumeX undY schonalsgleichwertigansehenkönnen, wenneszwischenihneneinebijektiveAbbildung f :X→Y gibt,sodasssowohl f alsauchdieUm- kehrabbildung f−1stetigist(sieheDefinition2.13undBemerkung2.14).Anschaulichbedeutetdies einfach,dassY eineDeformationvonX ist—undeineDeformationkannnatürlichproblemlosdie AbständezwischenPunktenändern.FürtopologischeUntersuchungensollteesalsoeigentlichgar nichterstnötigsein,AbständezwischenPunktenmessenzukönnen,d.h.eineMetrikfestzulegen. AberohneMetrikgibteskeineε-Umgebungen,unddamitkeinε-δ-Kriterium.Wiekannmandann trotzdem noch stetige Abbildungen definieren? Dazu erinnern wir uns daran, dass eine Abbildung f :X→Y zwischenmetrischenRäumengenaudannstetigist,wenndasUrbild f−1(U)jederoffenen MengeU ⊂Y wiederoffeninX ist[G2,Satz23.16].DiesbedeutetfürunszweiDinge: • Wennwirlediglichwissen,welcheTeilmengeneinesgegebenenRaumesoffensind,soge- nügtunsdies,umüberStetigkeitredenzukönnen. • Ist f :X →Y wieobenbijektiv,sodass f und f−1 beidestetigsindundX undY damitals topologisch gleichwertig anzusehen sind, so sind sowohl Bilder als auch Urbilder offener Mengen unter f wieder offen, d.h. f identifiziert die offenen Mengen von X genau mit denenvonY.DieInformationdarüber,welcheTeilmengenoffensind,bleibtimGegensatz zurMetrikunterderartigenAbbildungenalsoerhalten. DiesführtunmittelbarzurIdeeeinestopologischenRaumes,denwirnungenaudadurchdefinieren wollen,dasswirinihmfestgelegthaben,welcheTeilmengenoffenheißensollenundwelchenicht. Diese Festlegung können wir jedoch nicht völlig beliebig vornehmen, denn es sollten zumindest dieausdenGrundlagenderMathematikbekanntenStandardeigenschaftenoffenerMengengelten: nämlichdassbeliebigeVereinigungenundendlicheDurchschnitteoffenerMengenwiederoffensind [G2,Lemma22.19]. FüreineMengeX bezeichnenwirimFolgendenmitP(X)dieMengeallerTeilmengenvonX,die sogenanntePotenzmenge vonX. Definition1.1(TopologischeRäume). EsseiX eineMenge.EineMengeT ⊂P(X)vonTeilmen- genvonX heißtTopologieaufX,wenngilt: (a) 0/ ∈T undX ∈T; (b) sindU ∈T füralleiauseinerbeliebigenIndexmengeJ,soistauch(cid:83) U ∈T (d.h.„T i i∈J i istabgeschlossenunterbeliebigenVereinigungen“); 6 AndreasGathmann (c) sindU,V ∈T,soistauchU∩V ∈T (d.h.„T istabgeschlossenunterDurchschnittenvon zweiunddamitauchvonendlichvielenMengen“). Mannennt(X,T)indiesemFalleinentopologischenRaumundschreibtihnaucheinfachalsX, wenndiebetrachteteTopologieausdemZusammenhangklarist. Die Mengen in T heißen offen bezüglich dieser Topologie. Eine Teilmenge A⊂X heißt abge- schlossen,wennihrKomplementX\Aoffenist. SindT undT zweiTopologienaufderselbenMengeX mitT (cid:40)T ,soheißtT gröberalsT 1 2 1 2 1 2 bzw.T feineralsT (woherdieserNamekommt,werdenwirinBeispiel1.21sehen). 2 1 Beispiel 1.2 (Metrische Räume sind topologische Räume). Ist (X,d) ein metrischer Raum [G2, Definition22.4]undbezeichnet U (a):={x∈X :d(x,a)<r} r für a∈X und r ∈R wie üblich die offene Kugel vom Radius r um a, so wissen wir aus den >0 „GrundlagenderMathematik“bereits,dassX dannzueinemtopologischenRaumwieinDefinition 1.1wird,wennwireineTeilmengeU⊂X offennennen(alsoU inT liegt),wenneszujedemPunkt a∈U einε∈R gibtmitU (a)⊂U [G2,Definition22.17(a)undLemma22.19].Wiemanleicht >0 ε nachprüft,sinddannz.B.alleKugelnU (a)offen[G2,Beispiel22.18(c)]. r DieseFestlegungistdieStandardtopologieaufmetrischenRäumen—wirwerdenmetrischeRäume imFolgendenalsoimmeraufdieseArtalstopologischeRäumeauffassen,sofernwirnichtsanderes angeben. IstXeineTeilmengevonRnfüreinn∈N ,sowollenwirdarüberhinausfestlegen,dasswirXohne >0 gegenteilige Angaben stets als metrischen Raum mit der euklidischen Metrik, und somit auch wie oben als topologischen Raum ansehen wollen. Dabei benutzen wir die folgenden in der Topologie üblichenStandardnotationen:esbezeichnetfürn∈N (a) I:=[0,1]⊂RdasEinheitsintervall inR,unddamitIn=[0,1]n⊂Rn denn-dimensionalen Einheitswürfel; (b) Dn:={x∈Rn:||x||≤1}dien-dimensionaleabgeschlosseneEinheitskugel indereuklidi- schenNorm||·||inRn; (c) Sn:={x∈Rn+1:||x||=1}dien-dimensionaleEinheitssphäre inRn+1. DieEinheitskreislinieS1⊂R2 unddenEinheitskreisD2⊂R2 werdenwirdabeiauchoftalsTeil- mengenvonCauffassen. Bemerkung1.3(EigenschaftenabgeschlossenerMengen). SindU Teilmengeneinestopologischen i RaumesXfüralleiineinerbeliebigenIndexmengeJ,sogeltenbekanntlichdiemengentheoretischen Beziehungen (cid:91) (cid:92) (cid:92) (cid:91) X\ U = (X\U) und X\ U = (X\U). i i i i i∈J i∈J i∈J i∈J DurchÜbergangzumKomplementerhaltenwiralsoausdenEigenschaften(a)bis(c)vonDefinition 1.1sofortdiefolgendenäquivalentenEigenschaftenfürabgeschlosseneMengen: (a) 0/ undX sindabgeschlossen; (b) beliebigeDurchschnitteabgeschlossenerMengensindabgeschlossen; (c) endlicheVereinigungenabgeschlossenerMengensindabgeschlossen; Bemerkung1.4. EsistinDefinition1.1wichtig,dasszwarbeliebigeVereinigungen,abernurendli- che DurchschnitteoffenerMengenwiederoffenseinmüssen.Natürlichhättenwiraucheineandere Definitionhinschreibenundz.B.verlangenkönnen,dassbeliebigeVereinigungenundDurchschnitte offenerMengenwiederoffensind—aberdannwärenichteinmalderRn mitdenüblichenFestle- gungenwieinBeispiel1.2eintopologischerRaumgeworden,denndortistjaz.B.derunendliche DurchschnittoffenerMengen (cid:92) U (0)={0} ε ε>0 1. TopologischeRäume 7 nichtoffen. Wieihreuchvermutlichschondenkenkönnt,istderBegriffeinestopologischenRaumessehrall- gemeinundlässtnochvielmehrFällezualsdieStandardtopologieaufRnoderanderenmetrischen Räumen. Um etwas Gefühl dafür zu bekommen, wie topologische Räume aussehen können, ist es daherwichtig,weitereBeispielekennenzulernen,dievondieserStandardtopologiemöglichststark abweichen.EinpaarsolcherBeispielewollenwirjetztuntersuchen. Beispiel1.5(BeispieletopologischerRäume). (a) (SNCF-Metrik oderfranzösischeEisenbahnmetrik)Wiemanleichtnachprüft,definiert (cid:40) 0 fürx=y, d(x,y):= ||x||+||y|| fürx(cid:54)=y, eine Metrik auf X =Rn, wobei ||·|| wieder die euklidische Norm bezeichnet. Man nennt sie SNCF-Metrik oder französische Eisenbahnmetrik, da in Frankreich gerüchteweise alle ZugverbindungenüberParis(den„Nullpunkt“)laufenunddieMetrikjageradebeschreibt, dassderAbstandzweierverschiedenerPunktexundygleichderSummederAbständevon xzu0undvon0zuyist.WirwerdeninAufgabe2.7nochsehen,dassdievondieserMetrik auf Rn erzeugte Topologie sehr verschieden von der Standardtopologie ist, also dass hier ganzandereMengenoffensindalsindergewöhnlichenTopologie. (b) Auf jeder beliebigen Menge X ist T =P(X) trivialerweise eine Topologie; sie heißt die diskreteTopologieaufX.SieistdiefeinstemöglicheTopologieaufX:inihristjede Teil- mengevonX offen(unddamitauchjedeTeilmengeabgeschlossen). AnalogistauchT ={0/,X},d.h.wennnurdieleereMengeunddergesamteRaumoffen sind,aufjederMengeX eineTopologie.SiewirddieindiskreteTopologieaufX genannt. DadieleereMengeunddergesamteRaumnachDefinition1.1(a)immeroffenseinmüssen, istdiesdiegröbstemöglicheTopologieaufX. (c) AufjederbeliebigenMengeX definiert T ={0/}∪{U ⊂X :X\U istendlich} offensichtlich eine Topologie auf X; in ihr sind also neben der leeren Menge genau die KomplementeendlicherMengenoffen.WirnennensiedieKomplement-endlich-Topologie aufX.Analogistauch T ={0/}∪{U ⊂X :X\U ist(endlichoder)abzählbar} eineTopologie,diewirdieKomplement-abzählbar-TopologieaufX nennen. Konstruktion1.6(Teilraumtopologie). Esseien(X,T )eintopologischerRaumundY ⊂X eine X beliebigeTeilmengevonX.Wirsetzen T :={Y∩U :U ∈T }, Y X d.h. nennen eine Teilmenge vonY genau dann offen, wenn sie der Schnitt vonY mit einer in X offenenMengeist.DannistT eineTopologieaufY,denndiedreiAxiomeausDefinition1.1sind Y schnellüberprüft: (a) 0/ =Y∩0/ undY =Y∩X sindoffeninT ,weil0/ undX offeninT sind; Y X (b) sindU ∈T füri∈J,alsoU =Y∩V fürV ∈T ,soistauch(cid:83) U =Y∩(cid:83) V ∈T ; i Y i i i X i∈J i i∈J i Y (c) sindU ,U ∈T ,alsoU =Y∩V undU =Y∩V fürV ,V ∈T ,soistauchU ∩U = 1 2 Y 1 1 2 2 1 2 X 1 2 Y∩(V ∩V )∈T . 1 2 Y WirnennenT die(vonT induzierte)TeilraumtopologieoderRelativtopologieaufY.DieTeil- Y X raumtopologie ist die Standardtopologie auf Teilmengen topologischer Räume. Sofern wir nichts anderes angeben, werden wir Teilmengen topologischer Räume in Zukunft also immer mit dieser Teilraumtopologiebetrachten. 8 AndreasGathmann Aufgabe1.7. EsseiY einebeliebigeTeilmengeeinesmetrischenRaumesX.Wirhabendannoben zweiArtenkennengelernt,wiemanaufY einenatürlicheTopologiedefinierenkann: (a) Y istmitderEinschränkungderMetrikaufX auchselbsteinmetrischerRaumundhatdamit einezugehörigeStandardtopologiewieinBeispiel1.2. (b) Y isteineTeilmengedestopologischenRaumesX undhatdamiteinezugehörigeTeilraum- topologiewieinKonstruktion1.6. Zeige,dassdiesebeidenTopologienaufY übereinstimmen.EskönnenalsokeineMissverständnisse entstehen,wennwirTeilmengenmetrischerRäumeinZukunftohneweitereAngabenalstopologi- scheRäumebetrachten. Beispiel1.8. (a) ImtopologischenRaum[0,2]⊂RistdieTeilmenge[0,1)offen,dennsieistderDurchschnitt von[0,2]mitderinRoffenenMenge(−1,1). (b) In Z⊂R ist jede einpunktige Menge {a}=Z∩(a−1,a+1) für a∈Z offen. Da Ver- 2 2 einigungen offener Mengen wieder offen sind, ist damit also jede Teilmenge von Z in der TeilraumtopologievonZoffen:dieTeilraumtopologievonZinRistdiediskreteTopologie. Aufgabe1.9. EsseiY eineTeilmengeeinestopologischenRaumesX.Manzeige: (a) EineTeilmengevonY istgenaudannabgeschlosseninderRelativtopologievonY,wennsie vonderFormY∩AfüreineinX abgeschlosseneMengeAist. (b) IstY offen, so ist eine Teilmenge vonY genau dann offen in der Relativtopologie vonY, wennsieoffeninX ist. (c) IstY abgeschlossen,soisteineTeilmengevonY genaudannabgeschlosseninderRelativ- topologievonY,wennsieabgeschlosseninX ist. UmnochweitereTopologieneinfacherkonstruierenzukönnen,benötigenwirdenBegriffderBasis einerTopologie.DieIdeehierfürkommtausdemfolgendenLemmafürmetrischeRäume. Lemma1.10(OffeneMengeninmetrischenRäumen). EineTeilmengeU einesmetrischenRaumes X istgenaudannoffen,wennsieeineVereinigungvon(offenen)Kugelnist. Beweis. „⇒“:EsseiU ⊂X offen.NachBeispiel1.2bedeutetdies,dassesumjedenPunkta∈U eineKugelU (a)gibt,dienochganzinU liegt.Dannistaber εa (cid:91) U ⊂ U (a) (denna∈U (a)fürallea∈U) εa εa a∈U ⊂U (wegenU (a)⊂U). εa AlsogiltdieGleichheit,d.h.U isteineVereinigungvonKugeln. „⇐“:DajedeKugeloffenist,isteineVereinigungvonKugelnnachDefinition1.1(b)natürlichauch offen. (cid:3) InderTatistesinvielentopologischenRäumenmöglich,alleoffenenMengenauseinereinfache- renKlassevonTeilmengenzuerzeugen,indemmanbeliebigeVereinigungenbildet.Wirdefinieren daher: Definition1.11(BasiseinerTopologie). Essei(X,T)eintopologischerRaum.EineMengeB⊂ P(X)vonTeilmengenvonX heißtBasisvonT bzw.von(X,T),wennfüralleU ⊂X gilt,dass U genaudannoffenist(alsoinT liegt),wennU eineVereinigungvonElementenausBist. Bemerkung1.12. (a) Nach Lemma 1.10 bilden die offenen Kugeln in einem metrischen Raum eine Basis der Topologie. 1. TopologischeRäume 9 (b) IstBeineBasiseinestopologischenRaumes(X,T),somussnatürlichauchjedesElement vonB (alseinelementigeVereinigungvonsichselbst)offensein.EsistalsostetsB⊂T. HatmaneinekonkreteBasisBvonT gegeben,sowerdendieMengeninBdaherauchals basis-offeneMengenbezeichnet. (c) Der Begriff einer Basis einer Topologie hat nichts mit dem Begriff einer Basis eines Vek- torraumszutunund„verhältsichauchnichtanalog“.EineBasisgemäßDefinition1.11hat nämlich keinerlei Minimalitätseigenschaft — so ist z.B. die Menge B =T aller offenen Mengen immer eine Basis von T (wenn auch eine ziemlich langweilige). Es stimmt also z.B.auchnicht,dasssichjedeoffeneMengeeindeutig alsVereinigungvonMengenausB schreibenlassenmuss(wiemanaufgrunddesBasisbegriffsinderlinearenAlgebravielleicht vermutenkönnte). Die eigentliche Bedeutung von Basen kommt daher, dass man mit ihnen gut Topologien konstru- ieren kann, indem man eine möglichst einfache Basis angibt. Dazu müssen wir natürlich wissen, welcheMengensystemeB⊂P(X)hierfürgeeignetsind,alsowirklicheineBasiseinerTopologie darstellen.DiesklärtderfolgendeSatz. Satz1.13(KonstruktionvonTopologienausBasen). EsseienX eineMengeundB⊂P(X)eine MengevonTeilmengenvonX mitdenfolgendenbeidenEigenschaften: (a) (cid:83)U∈BU =X („dieVereinigungallerMengenausB istderge- samteRaum“); W (b) füralleU,V ∈Bunda∈U∩V gibteseinW ∈Bmita∈W ⊂ U a U∩V (sieheBildrechts). V Dann ist B Basis einer eindeutigen Topologie T auf X. Man nennt T dievonBerzeugteTopologie. Beweis. WirbetrachtendasMengensystem T :=(cid:110)(cid:91)U :U ∈BfüralleiineinerIndexmengeJ(cid:111) i i i∈J aller Teilmengen von X, die sich als Vereinigung von Elementen aus B schreiben lassen. Nach Definition 1.11 kommt natürlich nur dieses T als Topologie mit Basis B in Frage — was bereits dieEindeutigkeitzeigt.Wirmüssenalsonurnochzeigen,dassT wirklicheineTopologieist,also diedreiEigenschaftenausDefinition1.1erfüllt: (a) 0/ ∈T istklar;X ∈T giltnachVoraussetzung(a). (b) folgtunmittelbarausderDefinitionvonT. (c) EsseienU,V ∈T unda∈U∩V.DaU undV VereinigungenvonMengenausBsind,gibt esU(cid:48),V(cid:48) ∈B mit a∈U(cid:48)∩V(cid:48) ⊂U∩V. Nach Voraussetzung (b) existiert also eine Menge W ∈Bmita∈W ⊂U(cid:48)∩V(cid:48)⊂U∩V.VereinigenwirnundieseMengenfürallea∈U∩V, a a so erhalten wir natürlich (cid:83) W =U∩V und damitU∩V ∈T nach Definition von a∈U∩V a T. (cid:3) 01 Bemerkung1.14. Beachte,dassdieBedingung(b)ausSatz1.13insbesonderedannerfülltist,wenn B abgeschlossenunterendlichenDurchschnittenist,alsomitU,V ∈B auchstetsU∩V ∈B gilt (soferndieseMengenichtleerist):dannkönnenwirnämlichimmerW =U∩V wählen.Invielen konkretenBeispielen,wiez.B.denfolgendenKonstruktionen,istdiesderFallundvereinfachtdie Situationdamitnocheinmal. Konstruktion1.15(Produkttopologie). EsseienX undY zweitopologischeRäume.Wirbetrachten dasSystem B={U×V :U ⊂X offen,V ⊂Y offen} vonTeilmengenvonX×Y.DieserfülltdieEigenschaften(a)und(b)ausSatz1.13: 10 AndreasGathmann (a) istklar,dadergesamteRaumX×Y bereitseineMengeinBist. (b) folgtausBemerkung1.14,dafürzweiMengenU ×V undU ×V inB ihrDurchschnitt 1 1 2 2 (U ∩U )×(V ∩V )nachDefinition1.1(c)auchwiederinBliegt. 1 2 1 2 Nach Satz 1.13 erzeugt B also eine Topologie auf X. Sie wird die Produkttopologie auf X×Y genannt und ist die Standardtopologie auf Produkten topologischer Räume. Ihre offenen Mengen sindalsogenaudieVereinigungenvonMengenderFormU×V,wobeiU undV offeninX bzw.Y sind.NatürlichlässtsichdieseKonstruktionstattfürzweiauchfürmehrereFaktorendurchführen. Aufgabe 1.16. Mit Konstruktion 1.15 haben wir auf Rn jetzt neben der Standardtopologie noch eine weitere natürliche Topologie eingeführt, nämlich die von R induzierte Produkttopologie auf Rn=R×···×R.Zeige,dassdiesebeidenTopologienübereinstimmen,sodasseshieralsonichtzu Missverständnissenkommenkann. Beispiel1.17(Sorgenfrey-Topologie). EsseiB={[a,b):a,b∈Rmita<b}⊂P(R)dieMenge allerlinksabgeschlossenenundrechtsoffenenIntervalleinR.DannerfülltB dieVoraussetzungen vonSatz1.13: (a) istklar,dabereitsdieVereinigungderIntervalle[n,n+1)fürn∈ZgleichRist. (b) folgt aus Bemerkung 1.14, weil nicht-leere Durchschnitte von zwei links abgeschlossenen undrechtsoffenenIntervallenwiedervondieserFormsind. DiedamitnachSatz1.13vonBaufRerzeugteTopologieT wirdSorgenfrey-Topologiegenannt. Wir werdensie imFolgenden immermal wiederals nicht-triviales Beispiel einer Topologieauf R betrachten,dienichtgleichderStandardtopologieist.InderTatistsiefeineralsdieStandardtopo- logie: • IstU⊂RoffeninderStandardtopologie,sogibtesnatürlichzujedema∈U einhalboffenes Intervall[a,a+ε )⊂U.DieVereinigung(cid:83) [a,a+ε )istdannoffensichtlichgleichU, a a∈U a undgleichzeitigSorgenfrey-offenalsVereinigungvonMengenausB. • Das halboffene Intervall hingegen [0,1) ist Sorgenfrey-offen, aber nicht offen in der Standardtopologie. DieSorgenfrey-TopologieistabernatürlichgröberalsdiediskreteTopologie,denndieeinpunktige Menge{0}kannnichtalsVereinigungvonMengenausBgeschriebenwerden. Zum Abschluss dieses Kapitels wollen wir nun noch einige bereits aus den „Grundlagen der Ma- thematik“bekanntetopologischeKonzepteaufdieoffensichtlicheArtaufallgemeinetopologische Räumeübertragen. Definition1.18(Inneres,AbschlussundRand). EsseienX eintopologischerRaum,a∈X einPunkt undM⊂X eineTeilmengevonX. (a) aheißtinnererPunktvonM,wenneseineoffeneMengeU gibtmita∈U ⊂M.Indiesem FallnenntmanMaucheineUmgebungvona.DieMengeallerinnerenPunktevonMwird ◦ mitMbezeichnetunddasInnerevonMgenannt. (b) a heißt Berührpunkt von M, wenn jede offene Menge U mit a∈U einen Punkt aus M enthält. Die Menge aller Berührpunkte von M wird mit M bezeichnet und der Abschluss vonMgenannt. (c) aheißtRandpunktvonM,wennjedeoffeneMengeU mita∈U sowohleinenPunktaus M alsaucheinenausdemKomplementX\M enthält.DieMengeallerRandpunktevonM wirdmit∂MbezeichnetundderRandvonMgenannt. Bemerkung1.19. InallendreiTeilenderDefinition1.18kannderBegriff„offeneMengeU“durch „basis-offeneMengeU“ersetztwerden,wenndieTopologieaufX durcheineBasisBgegebenist. WirzeigendieshierexemplarischfürTeil(a),alsodieÄquivalenz esgibtU ⊂X offenmita∈U ⊂M ⇔ esgibtV ∈Bmita∈V ⊂M.

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