Klaus Mliller-Ibold Einfiihrung in die Stadtplanung Band 1: Definitionen und Bestimmungsfaktoren w. Verlag Kohlhammer Stuttgart Berlin KOln Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Miiller-Ibold, Klaus: Einfiihrung in die Stadtplanung / Klaus Miiller-Ibold. - Stuttgart; Berlin ; KOin : Kohlhammer Bd. 1. Definitionen und Bestimmungsfaktoren. - 1996 ISBN 978-3-8348-1632-0 ISBN 978-3-322-97852-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-97852-3 Aile Rechte vorbehalten © 1996 Verlag W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin KOin Verlagsort: Stuttgart Satz: Klaus Miiller-Ibold Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. Stuttgart Vorwort Wer sich mit Stadtplanung auseinandersetzt, muB sich nach Jakob Maurerl fragen, ob Menschen fwig sind, kunftiges Geschehen zu beeinflussen und herauszufinden, was dazu zu tun ist. Ohne ErfuUung dieser Prfunissen - meint Maurer zu Recht - sei Planung sinnlos. Dem Verfasser sind immer wieder mal Bedenken gekommen, ob alle Entschei dungstrager der Planung fwig sind, die Prfunissen zu erfiiUen. Wiederholt haben sie mit "Nicht"- oder "Schein"-Entscheidungen versucht, "Leistungsnachweise" zu bringen. Sie hatten Angst vor Fehlentscheidungen, auch vor Kritik, der sie dadurch zu entgehen suchten. Oft basierte die Angst auf mangelnden Kenntnissen. Politi sche Entscheidungstrager konnen diese nur uber entsprechende Literatur erwerben, die fur kommunale Laienpolitiker und Planer notwendig ware, damit sie sich als Partner gemeinsam mit ihr auseinandersetzen konnen. Raumplaner mussen auBer dem nach Jakob Maurer2 fwig sein, mit verschiedenen Disziplinen intensiv zu sarnmenzuarbeiten. Deshalb sah ich mich veranlaBt, eine Reihe von drei Banden zu konzipieren, die mit dem Ziel einer "gemeinsamen Sprache" mit folgenden Ab sichten in die Stadtplanung einfuhrt, nfunlich - den aus unterschiedlichen Bereichen heraus in der Stadtplanung Kooperierenden eine "gemeinsame" Sprache anzubieten, damit sie nicht standig aneinander vor beireden, - den Studierenden der Raumplanung eine Einfuhmng zu liefem, - den Studierenden kooperierender Disziplinen fur ihr Wahlfach "Stadtplanung" dafur ein voUstandiges Lehrbuch zu bieten - und den standig mit Stadtplanung befaBten Laien eine fur sie lesbare Inforrnati- onsqueUe zu eroffnen. Jeder der drei Bande greift einen groBen Themenkomplex auf. 1m ersten Band (Definitionen und Bestimmungsfaktoren) werden als theoretische Grundlagen - die Grundbegriffe definiert und erortert, - die Ursachen, die zum Planungserfordemis fuhren, dargestellt, - diejenigen Faktoren behandelt, die fur die Planung rahmensetzenden Charakter haben (wie z.B. ihre politische Dimension) - und schlieBlich die Bedeutung von Werten und Ideen diskutiert, die wir als Vor- gaben fur die Planung ansehen mussen. 1m zweiten Band (Systeme, Leitgedanken und Strukturen) werden als konkreter Sachverhalt - die Aufgaben und RoUen der Stadtplanung in der hierarchischen Struktur des staatlichen Systems dargelegt, - die Inhalte und Strukturen der Stadtplanung erortert (insbesondere Art, MaB und Verteilung der Nutzung und Infrastruktur) - und schlieBlich Inhalte und Strukturen der wichtigsten Fachplanungen behan delt. Jakob Maurer: "Grundzuge einer Methodik der Raumplanung", Schriftenreihe des ORL-Instituts, Zurich 1973. 2 Jakob Maurer: "Die Integration der Geistes-und Sozialwissenschaften in die Ausbildung von In genieuren", in: DISP 77, ZUrich 1984. 5 1m dritten Band (Methoden, Instrumente und Vollzug) werden als Grundlage flir die Umsetzung der Planung in die Wirklichkeit - die verschiedenen Methoden und Verfahren behandelt, - die Untersuchungs- und Darstellungsmittel erHiutert, - die Instrumente flir Sicherung und Vollzug der Planung erortert - und schlieBlich die Schritte zur Verwirklichung beschrieben. Ich bin dem Kohlharnmer Verlag dankbar, daB er bereit ist, diesen Versuch zu un tersttitzen, und seinem Lektor Dr. Burkarth flir die hervorragende Zusarnmenar beit. 6 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 11 2. Planungsrelevante Definitionen 13 2.1 Definition der Planungsobjekte 13 2.1.1 Gemeinde, Dorf, Stadt und Stadtregion 13 2.1.2 Verstadterung 22 2.1.3 Urbanisierung 27 2.2 Definition von Planung 31 2.2.1 Definition von Planung im Allgemeinen 31 2.2.2 Definition spezifischer Planungsbegriffe 40 2.2.3 Definition von Komplementarbegriffen der Planung 41 2.2.4 Gegensatzpaare der Planungsbegriffe 44 2.2.5 Weitere Planungsbegriffe 48 2.3 Definition raumlicher Planung im Speziellen 49 2.3.1 Allgemeine Definition raumlicher Planung 49 2.3.2 Grenzen der raumlichen Planung 55 3. Faktoren als Ausloser von Planungserfordernissen 61 3.1 Allgemeine Faktoren als Ausl6ser von Ordnungsbedarfen 61 3.1.1 Gesellschaftliche Entwicklung als Ausloser von Veranderungsbedarfen 61 3.1.2 Anderungsbedarfe als Ausloser von Handlungsbedarfen 79 3.1.3 Handlungsbedarfe als Ausloser von Ordnungsbedarfen 80 3.2 Ordnungsbedarfe als Ausliiser von Planungserfordernissen 81 3.2.1 Erfordemisse raumlicher Orientierung 82 3.2.2 Erfordemis an Standortorientierungen von Aktivitaten 84 3.2.3 Erfordemis ordnender Bezugssysteme 86 3.2.3.1 Naturraumliche und klimatische Struktur als ordnendes Bezugssystem 86 3.2.3.2 Zentralitatsstruktur als ordnendes Bezugssystem 87 3.2.3.3 Wohnflachenverteilung als ordnendes Bezugssystem 94 3.2.3.4 Infrastruktur als ordnendes Bezugssystem 95 3.2.3.5 Die vorhandene Bausubstanz als ordnendes Bezugssystem 98 3.2.4 Erfordemis geordneter Grund-und Bodenverhliltnisse 99 3.3 Gesellschaftliche Bezugsfelder als Ausl6ser von Planungserfordernissen 101 3.3.1 Die Stadt als Raum sozialer Aktivitaten 101 3.3.2 Die Stadt als Raum von Wirtschaftsaktivitaten 105 7 Seite 3.4 Stadtver(all als Ausl6ser von Planungserfordernissen 108 3.4.1 Allgemeines 108 3.4.2 Aspekte zum physischen Verfall 108 3.4.3 Aspekte zum sozio-6konomischen Verfall 114 3.4.4 Aspekte zum 6kologischen Verfall 117 3.4.5 Riickstlindige Quartiere als Foige des Verfalls 117 3.5 Planungserfordernis, Planungspflicht und Planungsverantwortlichkeit 118 4. Allgemeine rahmensetzende Faktoren 119 4.1 Gesellscha(tliche Regulierungshedarfe als rahmensetzender Faktor 119 4.1.1 Legitimation, Autorisation und Pflicht des Staates zu raumlicher Ordnung 119 4.1.2 Planungs·, Bau-und Bodenrecht 122 4.1.3 Historische Entwicklung des Planungs-, Bau-und Bodenrechts 125 4.1.4 Stadtplanung im Schnittpunkt 6rt1icher und iiber6rtlicher Probleme 130 4.1.5 Aufgabenteilung nach Verfassungstheorie und Praxis 131 4.2 Freiflachensystem als rahmensetzender Faktor 132 4.2.1 Freiflachen und ihr Gefiige 132 4.2.2 Einzelfunktionen des Freifll1chensystems 133 4.3 Umweltschutz als rahmensetzender Faktor 134 4.3.1 Umweltbeziehungen 134 4.3.2 Belastungen des Umfeldes 137 4.3.3 Belastungen des Menschen 139 4.3.4 Belastungen des Oko-Systems 139 4.4 Siedlungsstrukturen als rahmensetzender Faktor 140 4.4.1 GroBraumige Sied1ungsstrukturen 140 4.4.2 Geopolitische Funktionen und Lagen von Stadtregionen 141 4.4.3. Hierarchische Strukturen der Stadt und ihrer Region 149 4.4.4 Struktur und Gliederung von Verdichtungsrllumen 151 4.4.4.1 Definition von Verdichtungsrl1umen (Ballungsraumen) 151 4.4.4.2 Verdichtungsrllume nach der Funktion 153 4.4.4.3 Verdichtungsrl1ume nach der rllumlichen Struktur 154 4.4.4.4 Struktur und Gliederung von Stadtregionen 156 4.5 Sozio-okonomische Strukturen als rahmensetzender Faktor 160 4.5.1 Allgemeines 160 4.5.2 Wirtschaftsstruktur 161 4.5.3 Soziale und demographische Struktur 162 4.5.4 Bezugsfelder fUr die Flachennutzungsstruktur 165 8 Seite 4.6 Entscheidungs-und Organisations prozesse als rahmensetzender Faktor 173 4.6.1 Allgemeines 173 4.6.2 Riium1iche P1anung als kontinuierlicher KorrekturprozeB 174 4.6.3 Riium1iche P1anung als Aufiosung komp1exer Prob1eme in einze1ne Entscheidungsschritte 180 4.6.4 Generelle Organisation der P1anung als Faktor 188 4.6.4.1 Eintei1ung und Zuordnung 188 4.6.4.2 Trager der Planung und ihre Organe 188 4.6.4.3 P1anungsadressaten 193 4.6.4.4 Rollen der planenden Organe 194 4.6.4.5 Bereich der Planung 195 4.6.4.6 Gebiet der Planung 196 4.6.4.7 Aufbau der P1anung 198 4.6.4.8 Wirkung der P1anung 199 4.6.4.9 Die Zeit als Faktor 199 4.7 Ausblick 201 s. Stadtideen und -systeme als rahmensetzende Faktoren 203 5.1 Allgemeines 203 5.2 Ideen zur Stadtfunktion 206 5.2.1 Idee der Marktfunktion 206 5.2.2 Idee der Herrschaftsfunktion 207 5.2.3 Idee der Veneidigungsfunktion 208 5.2.4 Idee der ortsgebundenen Standortfunktion 209 5.2.5 Idee der sozio-kulturellen Versorgungsfunktion 210 5.2.6 Idee der Entlastungsfunktion 214 5.2.7 Idee der Nachbarschaftsfunktion 220 5.2.8 Idee der Funktion als Stadtgliederungse1ement 223 5.3 Ideen zu raumlichen Stadtsystemen 227 5.3.1 Allgemeines 227 5.3.2 Systeme raumlicher Strukturen 228 5.3.3 Systemordnung 230 6. Schlu8bemerkung 234 Literaturverzeichnis 235 Stichwortverzeichnis 239 9 1. Einleitung In diesem Band sollen die Grundlagen der Stadtplanung behandelt werden. Kennt nisse fiber sie sind notwendig, weil ohne den theoretischen Unterbau insbesondere fiber die Entwicklungsprozesse die Zukunft irn wahrsten Sinne des Wortes nicht zu "begreifen" sein wird. Wenn wir uns vor Augen halten, daB das Grundziel der Pla nung darin besteht, mittels vorbereitender MaSnahmen ein Ziel zu erreichen, eine drohende Gefahr abzuwenden oder ein Problem zu losen, dann wird uns auch klar, daB wir bestirnmte Methoden der Vorausschau benotigen, urn unsere Absicht zu ver wirklichen. Die Bedeutung von Planung wird irnrner dann besonders klar, wenn bei spielsweise ein Unglfick mit schweren Schadensauswirkungen eingetreten ist, dessen Abwendung lediglich eine Frage vorbedachter GegenrnaSnahrnen gewesen ware. Je des Nachdenken vor einem antizipierbaren Ereignis, mag es sich urn ein Naturereig nis oder ein von menschlicher Hand erzeugtes Problem handeln, ist ein erster Ansatz zur Planung. Planung ist in ihrem Vorgang mit einem Puzzlespiel zu vergleichen, d.h. einzelne Teile mfissen so zusarnrnengesetzt werden, daB sie ein voUstiindiges und plausibles Bild ergeben. Es ist deshalb notwendig, daB wir die einzelnen Teile erkennen kon nen. Wir mfissen sie erkennen nach ihrer Bedeutung, ihrem Standort und in ihrern Wirkungspotential. In einem Puzzlespiel kornrnt es z.B. sehr darauf an, friih Schlfis selteile zu erkennen, z.B. Rand-und Ecksrucke. 1m gleichen Sinn sind notwendigerweise auch die Grundlagen der Planung zu er fassen, weil wir sonst das Puzzlespiel "Planung" nicht werden zusarnrnenkornponie ren konnen. Dem Planer geht es auch so wie dem Komponisten eines Musiksrucks, der dieses nicht komponieren konnte, wenn er keine Kenntnisse der Grundlagen so wohl der Musik als auch ihrer Instrumente hlitte. Deshalb gelten in der Planung zunachst die Fragen: Welches Ziel soU angestrebt werden, was wird darnit bezweckt, was soU zustande gebracht werden, wer ist zu beteiligen und wer entscheidet? In einem weiteren Schritt ist irnrner auch die Frage flillig, wann etwas zustande kornrnen solI. Die Ablaufstruktur von Planung kann des halb grob mit den Schlfisselworten: was, wo, wie, wer und wann (den fiinf "w") urn schrieben werden. Nach diesen Schlfisselworten ist in jedem Abschnitt eines Pla nungsablaufs vorzugehen. Deshalb werden wir uns irn ersten Band mit Grundlagen auseinandersetzen, nlirn lich - den Charakteristika der "Objekte" Gemeinde, Dorfund Stadt, - den Fragen "Was ist Planung?" und "Was ist Raurnplanung?", - den Faktoren, die ein Planungerfordernis auslosen, wie etwa die erforderlichen Verlinderungen in der Ordnung des menschlichen Urnfeldes, die sich aus Anforde rungen ergeben, die aus den Verlinderungen in der Gesellschaft heraus entstehen, - den Faktoren, die fiir die Planung Rahmen setzen, wie etwa die zu schfitzende Natur oder der Bedarf an Vorgaben zurn Schutz auch anderer Werte fiir den Men schen - und schlieBlich die Frage nach der Rolle, die Ideen und Wertsetzungen der Gesell- schaft (Grundwerte/Ethik/Religion) in der Planung spielen. Erst wenn wir diese Grundlagen erOrtert haben, sind wir in der Lage, Situationen, Entwicklungen, daraus entstehende Probleme und erforderliche Planungsziele in ih rem vollem Umfang wie auch wichtigen Einzelfragen zu erfassen und zu artikulieren. 11