DIE WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN HERAUSGEBER: PROF. DR. DR. h. c. E. GUTENBERG. KÖLN Bisher sind folgende Lieferungen erschienen: 1. Lieferung: Prof. Dr. Dr. h. c. E. Gutenberg, Univ. Köln, "Einführung in die Betriebswirtschaf.tslehre" (203 S.) 2. Lieferung: Prof. Dr. Heinen, Univ. München, "Handelsbilanzen", I. Teil (156 S.) 3. Lieferung: Prof. Dr. Heinen, Univ. München, "Handelsbilanzen", 11. Teil (136 S.) 4. Lieferung: Prof,. Dr. W. Kilger, Univ. Saarbrücken, "Produktions- und Kosten theorie" (131 S.) Prof. Dr. E. Thieß, Freie Univ. Berlin, "Kurz- und mittelfristige Finanzierung" (91 S.) 5. Lieferung: Prof. Dr. E. Grochla, Wirtschaftshochschule Mannheim, "Material wirtschaft" (118 S.) 6. Lieferung: Prof. Dr. E. Sundhoff, Univ. Göttingen, "Absatzorganisation" (96 S.) 7. Lieferung: Prof. Dr. H. Böhrs, Handels-Hochschule St. Gallen, "Arbeitsleistung und Arbeitsentlohnung" (119 S.) Prof. Dr. H. Schumann, Univ. Münster, "Handelsrecht", I. Teil(154 S.) 8. Lieferung: Prof. Dr. H. Buddeberg, Univ. Saarbrücken, "Betriebslehre des Binnenhandels" (196 S.) 9. Lieferung: Prof. Dr. H. Schumann, Univ. Münster, "Einführung in die Rechts wissenschaft" (118 S.) Als nächste Lieferungen erscheinen: 10. Lieferung: Prof. Dr. M. Gürtler, Univ. Basel, "Betriebswirtschaftliche Probleme des Versicherungswesens" 11. Lieferung: Prof. Dr. K. F. Hagenmüller, Univ. Frankfurt, "Bankbetrieb und Bankpolitik" 12. Lieferung: Prof. Dr. Dr. R. Dahrendorf, Hamburg, "Betriebssoziologie" Eine Übersicht über die im zweiten Jahr erscheinenden Beiträge finden Sie auf der dritten Umschlagseite. Schumann, Einführung in die Rechtswissenschaft 9· Lieferung Reihe C (Rechtswissenschaft) / Bettrag Nr. r DIE WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN HERAUSGEBER: PROF. DR. DR. h. c. E. GUTENBERG, KÖLN DR. HANS SCHUMANN o. Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Münster Einführung in die Rechtswissenschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH ISBN 978-3-663-18763-9 ISBN 978-3-663-19010-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-19010-3 Verlags-Nr. 8811 Copyright by Springer Fachmedien Wiesbaden 1959 Ursprünglich erschienen bei Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1959 Vorwort Der Studierende der Wirtschaftswissenschaften mag fragen, warum er sich überhaupt mit einer "Einführung in die Rechtswissenschaft" befassen muß. Er will ja nicht Jurist werden! Zwischen Recht und Wirtschaft bestehen aber derart innige Beziehungen, daß es für den Wirtschaftswissenschaftler uner läßlich ist, sich mit dem Recht zu beschäftigen, wie auch der Jurist sich mit wirtschaftlichen Grundfragen vertraut machen muß. Die Rechtstheorie mag sich, vom rechtstechnischen Blickpunkt her gesehen, darauf beschränken, die Rechtssätze, ausgehend von ihrer unbezweifelten empirischen Geltung, auf ihren logisch richtigen Sinn zu untersuchen und sie in ein logisch widerspruchsloses System zu bringen. Es darf daneben jedoch nicht übersehen werden, daß das Recht eine Erscheinungsform des gesell schaftlichen Lebens ist, eine Regelung sozialen Zusammenlebens darstellt. Von der Soziologie her gesehen ist die Rechtsordnung dann kein Komplex logisch als "richtig" erschließbarer Normen, sondern ein solcher von faktischen Bestimmungsgründen realen menschlichen Handelns. Dieser soziologische Gesichtspunkt bildet den Anknüpfungspunkt zu den "Wirtschaftswissenschaften", stellt die höchst engen Verbindungen zwischen beiden Disziplinen her; denn die "Sozialökonomie betrachtet dasjenige tat sächliche Handeln des Menschen, welches durch die Notwendigkeit der Orien tierung am ,wirtschaftlichen Sachverhalt' bedingt ist, in seinen tatsächlichen Zusammenhängen" (Max Weber). Da aber das faktische wirtschaftliche Ver halten der Menschen einer Ordnung bedarf, um soziales Verhalten zu sein, bedarf die Wirtschaft des Rechts, und das Recht muß sich der Wirtschaft widmen. Die nachfolgende Darstellung will mit den Grundgedanken des Rechts und dem Wesen der Rechtsvorschriften vertraut machen. Sie beschränkt sich im wesentlichen auf eine Allgemeine Rechtslehre, ohne sich dabei in Einzel heiten zu verlieren, und verzichtet bewußt darauf, einen Überblick über die verschiedenen Rechtsgebiete und einzelnen Rechtsdisziplinen zu geben, da die wichtigsten von ihnen innerhalb des Gesamtwerkes ohnehin eingehend be handelt werden. Ein Literaturverzeichnis im Anhang enthält Angaben über bedeutende Werke auch aus den hier nicht behandelten Rechtsgebieten, so daß dem Studierenden die Möglichkeit eröffnet wird, sich weiter zu orientieren. Herrn Rechtsanwalt Dr. Fritz Fabricius, wissenschaftlichem Assistenten an der Universität Münster, danke ich auch an dieser Stelle herzlich für seine freundliche und fruchtbare Mitarbeit. HANSSCHUMANN Inhaltsverzeidmis Einleitung Seite Grundhaltung . . ..... . 9 Erstes Kapitel Recht und Rechtsordnung § 1 Begriff und Aufgaben des Rechts . . . . . . . . 13 § 2 Ordnungsprinzipien im allgemeinen; Gerechtigkeit . . . . . . . 15 § 3 Weitere Ordnungsprinzipien: Zweckmäßigkeit, Rechtssicherheit . 22 § 4 Das Recht und andere Normenbereiche. 28 § 5 Gliederung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Zweites Kapitel Rechtsvorschriften und Rechtsbefugnisse § 6 Quellen und Ursprung des objektiven Rechts im allgemeinen. 47 § 7 Quellen des geschriebenen Rechts 49 § 8 Das Gesetzesrecht im besonderen 53 § 9 Ungeschriebenes Recht; Rechtsprechung, Rechtswissenschaft. 62 § 10 Rangordnung und Geltungsbereich der Rechtsnormen. 72 § 11 Inhalt der Rechtsnormen . 79 § 12 Rechtsbefugnisse im allgemeinen; Pflichtbindungen . 88 § 13 Einzelfragen . 92 Drittes Kapitel Rechtsfindung und Rechtsanwendung § 14 Rechtsfindung . 101 § 15 Rechtsanwendung . 106 Literaturangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Einleitung Grundhaltung Fragt man einen Nichtjuristen, womit es der Berufsjurist- Richter, Staats anwalt, Verwaltungsjurist, Rechtsanwalt, Wirtschaftsjurist - eigentlich zu tun habe und was ihn charakterisiere, so zeichnet er meist ein ganz unvoll kommenes und schiefes Bild. Er meint, seine Aufgabe bestehe nur darin, für einen Fall den richtigen Paragraphen aufzusuchen und dann die Lösung aus dem Gesetz abzulesen. Dabei wird eine besondere Fähigkeit zu einem abstrakt logischen Denken, die Anwendung einer Art von Begriffsmathematik und ein kühl abwägender nüchterner Verstand unterstellt, der sich selbst genügt und für den die logische Korrektheit der Entscheidung oberstes Ziel ist. Man sieht im Juristen gewissermaßen eine Maschine, die, selbst seelenlos, tote Paragra phen verarbeitet, und betrachtet ihn als einen Menschen, der nicht danach fragt, ob seine Entscheidungen den Lebensbedürfnissen gerecht werden und dem die inneren Spannungen und Nöte derer gleichgültig sind, deren "Fall" er bearbeiten muß. "Was meinen Sie zu der Sache?" - "Nach gesundem Menschenverstand würde ich so urteilen, aber juristisch wird es wohl anders sein", lautet vielfach die Antwort. Die "natürliche" und die "juristische" Ent scheidung werden von vornherein als Gegensätze aufgefaßt, wobei die juristische Lösung dann menschlich eine Fehlentscheidung ist. Derartige Vor stellungen verzerren und verkennen das, was zum Juristen gehört und was er erstreben muß. Ganz abgesehen davon, daß seine Tätigkeit nicht nur in der Gesetzesanwen dung besteht - man denke an die Mitarbeit an der Gesetzgebung und an die Rechtsforschung -, beschränkt sich auch diese nicht auf ein stumpfsinniges Aufsuchen von Paragraphen mit klaren Tatbeständen und Lösungen. Die menschliche Unzulänglichkeit auch bei der Gesetzgebung bringt es mit sich, daß das Gesetz Lücken aufweist, daß Bestimmungen unklar und mehrdeutig sind. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse können sich seit dem Inkrafttreten eines Gesetzes so vollkommen verändert haben, daß seine Rege lung problematisch geworden ist. Manche Fragen hat das Gesetz bewußt offen gelassen, weil sie umstritten sind, z. B. die Frage nach dem Begriff des Ursachenzusammenhanges; für anderes wird mit Generalklauseln gearbeitet: Bezugnahme auf die guten Sitten, auf Treu und Glauben, wobei offen bleibt, was darunter zu verstehen ist. Auf Schritt und Tritt begegnet in der Rechts praxis die Frage, nach welchen Normen man einen Fall behandeln soll, wie man eine Gesetzesvorschrift verstehen soll und wie weit deren Anwendungs gebiet reicht. Bei allen diesen Zweifelsfragen beginnt erst- abgesehen von der Feststellung des unter Umständen zweifelhaften Sachverhalts - die eigentliche Arbeit und Kunst des Juristen. Sie setzt im einzelnen folgendes voraus: Rechtskenntnis, Lebenskenntnis und Menschenliebe. c 10 Einführung in die Rechtswissenschaft 1 1. Rechtskenntnis Es liegt auf der Hand, daß der Jurist den hier gegebenen Aufgaben nur metho disch und mit Sachkunde gerecht werden kann. Sicher muß er eine umfassende Rechtskenntnis besitzen. Er muß in der Lage sein, mit klarem Verstand ver worrene Tatbestände in ihren wesentlichen Elementen zu erfassen. Zweifellos kann nur der, welcher scharf zu denken vermag, die Technik des Auffindens der maßgebenden Bestimmungen, ihrer Auslegung und gegebenenfalls ihrer entsprechenden Anwendung erlernen und beherrschen. Das alles ist aber nur eine, wenn auch durchaus nötige Komponente der juristischen Arbeit. Zwei weitere Dinge sind jedoch nicht minder notwendig und erheblich. Sie müssen von vornherein mit so großem Nachdruck betont werden, daß auch der Anfänger sie über allen Schwierigkeiten nie vergißt, welche ihm die zunächst fremde rechtstechnische Seite bereiten muß. 2. Lebenskenntnis Das eine ist die Rücksichtnahme auf die sozialen und wirtschaftlichen Ver hältnisse. Keine Rechtsfrage entsteht gewissermaßen im luftleeren Raum als etwas Abstraktes, für sich allein Stehendes, und will man nicht weltfremd entscheiden, so muß man die Lebensverhältnisse in Betracht ziehen, die für sie wesentlich sind. Das setzt in erheblichem Umfang ein Wissen auf Gebieten voraus, die außerhalb der Gesetzesvorschriften selbst liegen. Wer z. B. einen strafrechtlichen Fall beurteilen will, wird der Tat und dem Täter oft nicht ohne Rücksichtnahme auf die Erkenntnisse der modernen Kriminalistik, der Psychologie und Psychiatrie gerecht werden können. Die Entscheidung staats und verwaltungsrechtlicher Fragen ist regelmäßig nicht ohne Kenntnis der politischen Verhältnisse und der Verwaltungspraxis möglich. Handelsrecht liehe und wirtschaftsrechtliche Vorschriften kann man kaum sinnvoll an wenden, ohne etwas von der Praxis des Handelsverkehrs und des Wirtschafts lebens zu verstehen. Überall ist der Jurist gezwungen, sich mit der Lebens wirklichkeit vertraut zu machen. Wer glaubt, mit irgendwelcher Paragraphen kenntnis auszukommen, die er beim "Einbüffeln" für ein Examen erworben hat, wird im praktischen Berufsleben schwer enttäuscht sein und erhebliches Lehrgeld zahlen müssen. Schon dem Studenten sei geraten, sich je nach seinem Interessengebiet mit diesen Dingen zu befassen. Wer z. B. das Ziel hat, "Wirt schaftsjurist" zu werden, kann sich nicht früh genug auch mit den Gebieten der Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft beschäftigen, und gewisse kauf männische Grundkenntnisse (Bilanzwesen!) sind für ihn unerläßlich. 3. Menschenliebe Schließlich und nicht zuletzt ist in Betracht zu ziehen, daß der Jurist oft von Menschen angerufen wird, die infolge irgendwelcher Unzulänglichkeiten mit