. Barry B. Powell Einführung in die klassische Mythologie Übersetzt und bearbeitet von Bettina Reitz unter Mitarbeit von Anja Behrendt Mit 26 Abbildungen und Grafi ken Verlag J. B. Metzler Stuttgart · Weimar . Originaltitel: Barry B. Powell, A short introduction to classical myth, Upper Saddle River, New Jersey, 2002 © Pearson Education, Inc. Bibliografi sche Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografi e; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. ISBN 978-3-476-02324-7 ISBN 978-3-476-00470-3 (eBook) DOI 1 0.1 007/978-3-476-00470-3 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset- zungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2009Springer-Verlag GmbH Deutschland Ursprünglich erschienen bei J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2009 www.metzlerverlag.de [email protected] . Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis I. Defi nition und Theorie des Mythos ................................................. 1 1. Was ist ein Mythos? ......................................................................... 1 1.1 Mythos bei Homer und Hesiod ........................................................ 1 1.2 Mythos bei Pindar .......................................................................... 5 1.3 Mythos bei Platon ............................................................................ 8 1.4 Mythos bei Aristoteles ..................................................................... 12 1.5 Moderne Defi nitionen ..................................................................... 14 2. D ie Bedeutung des Mythos I: Theorien von der Antike bis zur Aufklärung .......................................................................... 17 2.1 Griechische Theorien ...................................................................... 18 2.2 Naturallegorie ................................................................................. 20 2.3 Historische Allegorie: Euhemerismus ............................................. 22 2.4 Moralische Allegorie ........................................................................ 23 2.5 Theorien aus Mittelalter und Renaissance ...................................... 25 2.6 Theorien der Aufklärung ................................................................. 27 3. Die Bedeutung des Mythos II: Moderne Theorien ........................... 30 3.1 Romantische Theorien .................................................................... 30 3.2 Anthropologische Theorien ............................................................. 32 3.3 Linguistische Theorien .................................................................... 35 3.4 Psychologische Theorien ................................................................. 37 3.5 Strukturalistische Theorien ............................................................ 41 3.6 Kontextuelle Ansätze ...................................................................... 43 3.7 Schluss ............................................................................................. 44 II. Entstehung des Mythos ................................................................... 49 4. Der kulturelle Kontext der griechischen Mythologie ...................... 49 4.1 Die griechische Geographie ............................................................. 49 4.2 Die Geschichte Griechenlands ......................................................... 51 4.3 Griechische Gesellschaft ................................................................ 60 4.4 Griechenland und Rom .................................................................... 64 5. Die Entwicklung antiker Mythen .................................................... 66 5.1 Die Wurzeln der mythoi in der Bronzezeit und im Nahen Osten .... 66 5.2 Die Sänger der mythoi ...................................................................... 68 5.3 Mythoi in der Archaik ...................................................................... 71 5.4 Mythoi in der griechischen Klassik .................................................. 74 5.5 Mythos im Hellenismus ................................................................... 77 5.6 Die römische Aneignung griechischer Mythen .............................. 79 V Inhaltsverzeichnis III. Themen des Mythos ........................................................................ 81 6. Mythos und Schöpfung: Hesiods Theogonie und ihre Quellen im Nahen Osten ............................................................................... 81 6.1 Göttermythen .................................................................................. 82 6.2 Hesiods Theogonie ........................................................................... 84 6.3 Der Triumph des Marduk ................................................................ 85 6.4 Das Hethitische Königtum im Himmel und der Gesang von Ullikummi ................................................................................. 90 6.5 Der Sukzessionsmythos bei Hesiod und im Nahen Osten .............. 92 7. G riechischer Mythos und griechische Religion: Persephone, Orpheus und Dionysos ................................................ 94 7.1 Religion: allgemeine Aspekte .......................................................... 95 7.2 In Mythen integrierte religiöse Bilder ............................................. 96 7.3 Demeter und Persephone ................................................................. 98 7.4 Die eleusinischen Mysterien............................................................ 100 7.5 Der Mythos und Kult des Dionysos ................................................. 103 7.6 Der Mythos und die Religion des Orpheus ...................................... 105 8. M ythos und Held: Die Legenden von Herakles und Gilgamesch ..... 108 8.1 Heldinnen und Helden .................................................................... 108 8.2 Herakles, der Sohn des Zeus ............................................................ 110 8.3 Der mesopotamische Held Gilgamesch ........................................... 113 8.4 Der Weg des Helden ......................................................................... 119 9. Mythos und Geschichte: Kreta und die Legende vom Trojanischen Krieg ................................................................... 122 9.1 Herodot, der Vater der Geschichtsschreibung ................................. 123 9.2 Mythos und Geschichte bei Thukydides ......................................... 127 9.3 Heinrich Schliemann und Troja ...................................................... 130 9.4 Archäologie und kretische Mythen ................................................. 133 10. Mythos und Märchen: Die Legende von der Rückkehr des Odysseus ................................................................................... 138 10.1 Märchen ........................................................................................... 138 10.2 Das Märchen von Potiphars Weib .................................................... 140 10.3 Die Perseusgestalt und ihre Beziehung zum Märchen .................... 142 10.4 Die Odysseusgestalt und ihre Beziehung zum Märchen ................. 144 10.5 Das Märchen von dem Mann, der zurückkehrte ............................. 148 11. Mythos und Gesellschaft: Die Legende der Amazonen ................... 152 11.1 Amazonen: Die Frauen, die die Männer hassten ............................. 152 11.2 Griechische Männer ........................................................................ 155 11.3 Griechische Frauen .......................................................................... 157 11.4 Die Bedeutung der Amazonen ......................................................... 161 12. Mythos und Gesetz: Die Legende von Orest .................................... 163 12.1 Ein Haus des Schreckens: Der mythische Hintergrund der Orestie ....................................................................................... 164 12.2 Der Agamemnon des Aischylos ....................................................... 168 12.3 Aischylos’ Choephoren ..................................................................... 170 VI Inhaltsverzeichnis 12.4 Aischylos’ Eumeniden ..................................................................... 171 12.5 Die Orestie: Eine Parabel des Fortschritts ........................................ 172 13. Römische Mythen und römische Religion: Ovids Metamorphosen ..................................................................... 175 13.1 Römische Religion und die Erfi nder römischer Mythen ................. 176 13.2 Ovids Metamorphosen ..................................................................... 180 14. Mythos und Politik: Der Theseusmythos und Vergils Aeneis ......... 188 14.1 Theseus von Athen .......................................................................... 188 14.2 Die römischen Familien- und Staatsgötter ....................................... 190 14.3 Die Aeneis: Ein Epos nationaler Wiedergeburt ................................ 192 15. Mythos und Kunst ........................................................................... 198 15.1 Griechische Mythen aus der Kunst des Ostens ................................ 198 15.2 Die griechische Erfi ndung der Mythenillustration .......................... 206 IV. Anhang ............................................................................................ 213 1 Das Pantheon der Griechen und Römer ........................................... 213 2 Mythologische Stammbäume .......................................................... 215 3 Karten .............................................................................................. 219 4 Auswahlbibliographie ..................................................................... 223 5 Nachweis der Übersetzungen der Quellentexte .............................. 226 6 Abbildungsverzeichnis .................................................................... 227 7 Namen- und Sachregister ................................................................ 229 VII Jeff Walter gewidmet animae dimidium meae (Horaz, Carmina 1, 3, 8) It’s all new t’ me, Like some mystery, It could even be like a myth. Bob Dylan: I Don’t Believe You (She Acts Like We Never Have Met), 1964 Inhaltsverzeichnis Vorwort Klassische Mythologie ist ein weites Feld, und ein unübersichtliches dazu, durch die große Anzahl der lateinischen und griechischen sowie orientalischen Quel- len. In diesem kurzen Buch möchte ich dem Leser die Ursprünge des Begriffs Mythos nahe bringen sowie die Vielzahl von Interpretationsansätzen beschrei- ben, die auf Mythen angewendet worden sind: Die ersten davon fi nden sich be- reits in der Antike, bevor der Begriff sich überhaupt vollständig etabliert hatte. Ich möchte versuchen, den gesellschaftlichen und historischen Hintergrund darzustellen, ohne den die literarischen Klassiker im Leeren stehen. Schließlich möchte ich den literarhistorischen Hintergrund bereitstellen, den der Leser benö- tigt, um antike Mythen in den Primärquellen, bei Homer, Hesiod, den Tragödien- dichtern, den Historikern, Ovid, Vergil und in der griechischen Kunst zu verste- hen. Obwohl ich natürlich Autoren, die vor mir über Mythen geschrieben haben, viel verdanke, enthält dieses Buch auch Originalmaterial, besonders meine Be- trachtungen zu Mythos und Märchen und zu Mythos und darstellender Kunst. Beschäftigung mit Mythen ist auch immer Beschäftigung mit den Wurzeln und der Geschichte der westlichen Zivilisation. Aus diesem Grund gibt es auch kein faszinierenderes oder dankbareres Thema, aber die Materie ist auch komplex und oft verwirrend. Ich hoffe, dass dieses Buch Schülern, Studenten und dem inte- ressierten Leser dabei helfen wird, einen Weg durch das Dickicht der klassischen Mythologie zu fi nden. Den folgenden Personen, die unschätzbare Vorschläge zur Verbesserung dieses Buches gemacht haben, möchte ich herzlich danken: Susan Price, University of Colorado; Rachel Kitzinger, Vassar College; Peter Struck, University of Pennsyl- vania; William C. West III, University of North Carolina-Chapel Hill und David Engel, Penn State University. Vor allen anderen möchte ich J. Philip Miller vom Verlag Prentice-Hall danken, der den Bedarf für ein solches Buch erkannte und mich auf jedem Schritt meines Weges unterstützt hat. Meine Frau Patricia hat die mühsame Arbeit auf sich genommen, Abdruckgenehmigungen einzuholen und die besten Illustrationen zu fi nden. Dankbar nenne ich die folgenden Quellen, die mir den Abdruck der Abbildun- gen für Kapitel 15 ermöglicht haben: Archaeology Receipts Fund (TAP), Athen, Abb. 3, 6, 11, 13; British Museum, Abb. 1, 2, 5, 7, 10; Elvehjem Museum of Art, University of Wisconsin-Madison, Abb. 12; J. Paul Getty Museum, Los Angeles, Abb. 9; Oriental Institute, University of Chicago, Abb. 8, 14; Soprintendenza per i Beni Archeologici per la Basilicata, Potenza, Abb. 15; Soprintendenza per i Beni Archeologici per l’Etruria meridionale, Rom, Abb. 4; University of Wisconsin Pho- to Archive, Abb. 16. B.B.P. Madison, 2001 IX I.1 Defi nition und Theorie des Mythos I. Defi nition und Theorie des Mythos 1. Was ist ein Mythos? 2. Die Bedeutung des Mythos I: Theorien von der Antike bis zur Aufklärung 3. Die Bedeutung des Mythos II: Moderne Theorien 1 | Was ist ein Mythos? Was ist ein Mythos? Angesichts erheblicher Defi nitionsprobleme vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dem Wort »Mythos« läge überhaupt kein einheitli- cher Begriff zugrunde, weder in der Antike noch in irgendeiner anderen Epoche. Wäre das wahr, gäbe es wenig Stoff für dieses Buch. Es ist allerdings unbestritten, dass die Geschichte des Wortes kompliziert ist. Im Laufe der Zeit hat das Wort zahlreiche Neuinterpretationen erfahren, und auch heute deckt es eine große Bandbreite von Bedeutungen ab. Für uns bedeutet das Wort Mythos heute oft einfach »eine unwahre Geschichte«. Aber der Mythos ähnelt dem Seegott Proteus aus einem griechischen Mythos, der die verschiedensten Gestalten annehmen und trotzdem immer derselbe Gott bleiben konnte. Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten Formen des Mythos behandelt. Da unsere Gedankenwelt aus Wörtern besteht, gäbe es den Begriff »Mythos« nicht ohne das Wort Mythos. Ein solches Wort existierte allerdings in keiner vor- griechischen Kultur (ebenso wenig wie ein Wort für Religion, die oft mit Mythos verwechselt wird). Selbst die wissensdurstigsten und gebildetsten der Gelehrten der alten Babyloni er oder Ägypter hätten die Mythen (oder die Religion) ihrer eigenen Völker unter Benutzung dieser Wörter nicht beschreiben und disku- tieren können. Um Mythen verstehen zu können, ist es notwendig, sich mit der Geschichte des Wortes und verwandter Wörter zu beschäftigen. Entstand der Begriff »Mythos« aus dem griechischen Wort mythos (muqv o~) oder existierte er bereits vorher und wartete nur darauf, von den Griechen entdeckt zu werden, so wie wir heutzutage Quarks und Quasare entdecken? 1.1 | Mythos bei Homer und Hesiod Die Etymologie des Wortes mythos ist nicht bekannt. Es fi ndet sich bereits bei Homer, der seine großen Epen , die Ilias und die Odyssee, im 8. Jahrhundert v. Chr. diktiert zu haben scheint, vielleicht dem Erfi nder des griechischen Alphabets selbst (so die eigene Theorie des Autors zum Ursprung des griechischen Alpha- bets, s. Literatur. Allerdings werden die Fakten vielfach auch anders interpre- tiert.) Bei HOMER bezieht sich mythos offenbar auf eine emphatische Äußerung 1
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