Eihfiihrung in die kIassische Elektrodynamik von Dr. Johannes Fismer Dozent Mit 120 Ahhildungen Berlin Verlag von Julius Springer 1936 AIle Remte, insbesondere das der Vbersetzung in fremde Spramen, vorbehalten. ISBN-13: 978-3-642-89680-4 e-ISBN-13: 978-3-642-91537-6 DOl: 10.1007/978-3-642-91537-6 Copyright 1936 by Julius Springer in Berlin. Vorwort. Diese Schrift ist mit Bedacht eine Einfiihrung, nicht ein Lehrbuch genannt. Es soll damit ausgedriickt sein, daB ffu die Darstellung didaktische Gesichtspunkte besonders stark bestimmend waren. Ein Lehrbuch wird, sofern man von einem solchen in erster Linie erwartet, daB es alle zum Gegenstand gehorenden Gedanken in moglichster Vollstandigkeit iibermittelt, dieser Aufgabe Fragen der Methodik manchmal unterordnen miissen. So sehr es aber einerseits fraglich erscheint, ob es gegenwartig niitzlich ware, die Anzahl der Lehrbiicher der Elektrizitatslehre zu vermehren, so sehr sieht andererseits der Verfasser eine gewisse Rechtfertigung seiner Arbeit in der Erfahrung, daB das Vertrautwerden mit der Feldvorstellung dem Lernenden sehr haufig Schwierigkeiten bereitet. Das ist auch ganz natfulich so, handelt es sich doch hierbei urn das Eintreten in eine Gedankenwelt, die zunachst sehr weit entfernt zu sein scheint von dem von Jugend an vertraut und fast un bewuBtes Eigentum gewordenen Erfahrungs- und Vorstellungskreis der mechanischen Korperwelt. Entsprechender Sorgfalt bedarf auch die Art der mathematischen Dar stellung. Hier ist die Aufgabe der Einfiihrung nicht immer dankbar. Einerseits muB sie wohl auf eine den Lernenden leicht blendende "Eleganz" der Rechnung Verzicht leisten, andererseits darf sie nicht durch eine dem Lernenden an sich bequeme Weitlaufigkeit der Umformungen den Blick vom Ziel ablenken. In der Tatsache, daB die mathematische Pragung der Elektrodynamik durch ihre Kfuze, Klarheit und Folgerichtigkeit so reizvoll ist, liegt die Gefahr einer einseitigen Ein schatzung verborgen, als sei mit der Aneignung der mathematischen Ausdrucksweise auch der Gedankeninhalt erschopft. Hier gilt die beherzigenswerte Mahnung Emdes: "Bekanntlich ist es sehr leicht, sich die allgemeinen Gleichungen der Elektrodynamik anzueignen. Aber die Bedeutung dieser Gleichungen im Fall einfacher Experimente und allgemein bekannter Erscheinungen richtig zu erkennen, hat oft nicht nur Anfangern Schwierigkeiten gemacht." Es gehort wohl sicher zu den Aufgaben einer Einfiihrung, daB der Lernende das Wesen und den Wert einer naturwissenschaftlichen Theorie nicht etwa in der Sammlung der wichtigeren Berechnungen erblickt, die zu dem betrachteten Gebiet angestellt werden konnen, sondern vornehmlich in der methodischen Ord nung der Vorstellungen, in der Bildung und Begrenzung der Begriffe und in der biindigen, quantitativen Darstellung der Gesetze. Bei Goethe finden wir hierzu das Wort: "Kein Phanomen erklart sich an und aus sich selbst; nur viele zusammen iiberschaut, methodisch geordnet, geben zuletzt etwas, was fiir Theorie gelten konnte." Ein Wort zur Bezeichnung. Die Schrift solI einfiihren in die quantitative Dar stellung der elektromagnetischen Erscheinungen im GroBen. Wenn diese elektro magnetische Feldtheorie hier abkfuzend "klassische Elektrodynamik" genannt ist, so solI damit nicht im mindesten ein Werturteil nach irgendeiner Seite hin angedeutet, noch auch irgendein Zwiespalt kiinstlich konstruiert werden - etwa zwischen klassisch und modern -, sondern es solI damit lediglich ausgesprochen sein, daB nach unserem gegenwartigen Wissen die Kenntnis dieses Gebietes im wesentlichen abgeschlossen ist, und sein Inhalt samt den zu ziehenden Folgerungen einen wohl bekannten und abgegrenzten Platz einnimmt auf dem weiten Felde der Natur beschreibung. Zum Gegenstande selbst sei noch bemerkt: Zum heutigen Bestand der Elektrodynamik gehoren ohne jeden Zweifel Begriffe, die aus Bedfufnissen der Elektrotechnik heraus gepragt und entwickelt worden IV Vorwort. sind. Um eines von vielen Beispielen zu nennen, sei das Gesetz von Biot und Savart der Abschatzung des magnetischen Kreises nach Hopkinson gegeniiber gestellt: Dort eine Elementarregel zur Bestimmung eisenfreier Felder, hier eine Anwendung des Durchflutungsgesetzes in einem von Maxwell ausdriicklich hervor gehobenen Sinn, veranlaBt durch die Technik, und heute ein unentbehrlicher Grundpfeiler der Berechnung elektrischer Maschinen. Ganz ebenso verhalt es sich mit dem Begriff der Streuung. Es ist darum berechtigt, wenn der Elektrotechniker nach diesen Leistungen eine "eisenfreie" Elektrodynamik der quasistationaren Vor gange fiir unvollstandig halt. - Das Bediirfnis der Elektrotechnik, das Wesen des Induktionsvorganges vollstandig und klar zu erkennen, war es zweifellos, das Em d e dazu veranlaBte, in seinen beriihmten Arbeiten die Vorstellungen iiber den Induk tionsvorgang im Sinne der Feldtheorie weiter zu entwickeln und damit dieser an einer bei ihrem Schopfer etwas kurz weggekommenen Stelle einen letzten Baustein einzufiigen. - Das praktische Miesche MaBsystem hatte sich nicht so schnell in der Elektrotechnik eingebiirgert, wenn es nicht in so hohem MaBe der messenden Elektrotechnik und Physik entgegenkame, und die erstmals von Wallot erhobene Forderung nach einheitenfreier, maBunabhangiger Auffassung von Gleichungen entsprang nicht zuletzt dem praktischen Bediirfnis der Zahlenrechnung im Hinblick auf die Unzahl der erfundenen und erdenkbaren elektromagnetischen Einheiten. Dieser Wechselwirkung zwischen physikalischer und elektrotechnischer Begriffs bildung will diese Schrift an den entsprechenden Stellen Rechnung tragen. Wenn wirklich eine Einfiihrung in erhOhtem MaGe es mit Fragen der Methodik zu tun hat, so seien die folgenden Einzelheiten hierzu erwahnt: In einer Elektrodynamik sollte wohl auch deren SchOpfer zu Worte kommen. Worte Max wells sind entweder nach der alten V"bersetzung, oder nach der auszugsweisen V"bertragung Em des angefiihrt1• An den Anfang der Einfiihrung wurde nicht das Feld stationarer Stromung gestellt, sondern das elektrostatische Feld im leeren Raum. Mag das erste auch hinsichtlich gewisser Benennungen der Vektorenrechnung, wie "Flu.B" eines Vektors, der Vorstellung entgegenkommen, so bietet doch das statische Feld den erheblichen Vorteil, daB die Begriffsbildungen auf sehr einfache Gedankenexperimente gestiitzt werden konnen (man denke an die Wirbelfreiheit und an die Gleichung ~ = Q ij;); die im Innern der Materie vonstatten gehende Stromung ist dagegen dem unmittelbaren Experiment entzogen. DaB es einerseits fiir die Feldtheorie unerheblich ist, im einzelnen den Vorgang und das Wesen dessen, was nun eigentlich flieBt, zu kennen, und daB andererseits unsere Formulierungen der ZustandsgroBen im Innern der Stoffe letzlich der zweck maBigen Definition entspringen, braucht nicht verheimlicht zu werden. Das grundsatzliche Fehlen mechanischer Erklii.rungen oder Hilfsvorstellungen pflegt dem Anfanger hinsichtlich des "Verschiebungsstromes im leeren Raum" besonders schmerzlich auf zufallen. Wenn man aber im BewuBtsein dieser Schwierigkeit den Verschiebungsstrom zu einer RechengroBe degradiert, die bequem und widerspruchslos ist, so hat man vergessen, daB die Elektrodynamik beschreibt, nicht erklii.rt, und nur eine Besinnung hierauf hilft weiter. Yom Standpunkt einer beschreibenden Feldtheorie aus kann es gar nicht entschieden werden, ob das magnetische Feld des Leitungsstromes oder des Verschiebungsstromes die unerklii.I:lichere und wunderbarere Tatsache ist. Damit hii.ngt zusammen, daB das Wort ".Ather" ganz aus dem Spiel bleibt. Mit ihIll ver· bindet sich dem Lernenden nur allzu leicht die Vorstellung des raumerfiillenden, hypothetischen ~ttels der verlassenen elastischen (mechanischen) Lichttheorie. Wenn Lorentz definiert: ".Ather ist das genannt, was man .sich, bei Abwesenheit ponderabler Materie, als Trager der in den elektromagnetischen Feldgleichungen vorkommenden ZustandsgroBen vorstellt" (Enz. d. math. Wiss. Bd.5 T.2 S.69), so ist in diesem Sinne das Wort eine der Verstandigung niitzliche Ab· kiirzung, ahnlich wie das Wort von der "induzierten EMK" eine abgekiirzte Redeweise iiber den Induktionsvorgang vorstellt; indessen brauchen wir hier doch iiberhaupt nicht mehr als Max wells klassische Formulierung: "Das elektrische Feld ist der Raum, der einen elektrisch geladenen Korper umgibt, auf seine elektrischen Eigenschaften hin betrachtet. Er kann mit Luft oder anderen Korpern erfiillt sein, er kann aber auch ein sogenanntes Vakuum sein, das heiBt ein Raum, aus dem alle Stoffe entfernt sind, auf die wir mit una zur Verfiigung stehenden Mitteln einwirken konnen. " Zu der Frage, ob im leeren Raum ij; und i) einerseits, S) und m andererseits wesensgleich oder wesensverschieden seien, wurde friiher haufig bemerkt, daB die Physik diese Felder als wesensgleich auffasse, wahrend die Elektrotechnik zur urspriinglichen Darstellung Maxwells neige, sie alB wesensverschieden zu betrachten {je nachdem erscheint dann das GauBsche oder 1 Ausziige aus J. C. Maxwells Elektrizitat und Magnetismus, iibersetzt von H. Barkhausen, herausgegeben von F. Emde, Braunschweig 1915. v Vorwort. das Miesche MaBsystem besonders einleuchtend). Diese Fragestellung trifft aber offenbar den Kern der Sache nicht. Es handelt sich einerseits, um mit Mie zu sprechen, zunachst darum, die unleugbare Tatsache anzuerkennen, daB es fur das elektrische Feld zwei grundsatzlich ver schiedene MeBverlahren gibt, und ebenso fiir das magnetische Feld. In beiden Fallen haben die beiden MeBverlahren zu zwei grundsatzlich verschiedenen, gleichberechtigten Definitionen ge fiihrt. Es geniigt weiter die Feststellung, daB wir z. B. fiir das elektrische Feld bei Anwesenheit nichtleitender Materie, und nur dann, zur vollstandigen Beschreibung der Erscheinungen notig haben entweder zwei Arlen von Feldvektoren und eine Sorte Elektrizitat, oder eine Art von Feld vektoren und zwei verschiedene Sorten Elektrizitat (wobei die Verschiedenheit der Dimensionen beider Sorten lediglich bei gewissen absoluten Einheiten verschwindet, nicht aber bei anderen). Der Unterschied in beiden Auffassungen "trifft wohl mehr die Ausdrucksweise, als die Sache. Er ist mehr philologischer, als physikalischer Natur" (Emde). Von manchen anderen Einzelheiten sei schlieBlich nur noch bemerkt: Wir halten es gegen wartig fiir einen einleuchtenden und erlolgreichen Weg, wenn der Lernende in der Experi. mentalphysik die Definitionen der magnetischen Vektoren aus jenen Messungen gewinnt, durch welche sie an die elektrischen GroBen angeschlossen werden konnen (S) als Strom/Langeneinheit, \8 als SpannungsstoB/Flacheneinheit). Hier, wie auch an manchen anderen Stellen, erhebt sich aber die Frage, ob der methodische Weg einer Einfiihrung in die Theorie Schritt fiir Schritt mit dem der Experimentalphysik iibereinstimmen miisse. Fiir die Einfiihrung der magnetischen Vektoren in die theoretische Darstellung hat sich der Verlasser von der "Oberlegung be stimmen lassen, daB mit dem gekennzeichneten Vorgehen wesentliche Ergebnisse der Theorie, namlich die Gesetze der Verkniipfung zwischen elektrischen und magnetischen ZustandsgroBen, zum Zwecke der Definition vorweggenommen werden. Hierzu ist man aber von seiten der theoretischen Begriffsbestimmung nicht genotigt; die Leistung der elektromagnetischen Theorie tritt vielmehr weit starker in Erscheinung, wenn die magnetischen Vektoren zunachst im un verkniipften, statischen Fall vorgestellt werden; der Lernende hat dabei zugleich die Genug tuung zu sehen, daB die in der Elektrostatik erworbenen Kenntnisse nicht auf elektrische Felder beschrankt sind. Gerade eine maBunabhangige Darstellung macht uns das Urteilleicht, daB die didaktisch richtige Definition der magnetischen Feldvektoren nicht mit jener identisch sein muB, durch die wir gegenwartig die magnetischen Einheiten an die elektrischen anschlieBen. Der Einfiihrung ist zum SchluB noch eine Behandlung der bisher gebrauchlichen Einheiten und MaBsysteme und ein MaBsystemschliissel beigefiigt, und zwar unabhangig von jeder grund satzlichen Stellungnahme aus der einfachen Erwagung heraus, daB die altere Literatur ohne Kenntnis der MaBsysteme unzuganglich ist. Die schlieBlich gegebene Zusammenstellung der Beziehungen der Vektorenrechnung macht als Gedachtnishilfe keinerlei Anspruch auf mathe matische Vollstandigkeit der Gedankengange. Karlsruhe i. B., im September 1936. Johannes Fischer. Inhaltsverzeichnis. Selte· Voraussetzungen. 1. Einfiihrung .................... . 1 2. Ziel und Voraussetzungen der klassischen Elektrodynamik 1 3. Geschichtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4. Physikalische GroBen in Gleichungen. . . . . . . . . . 3 I. Elektrische und magnetische Felder ohne wechselseitigen Zusammenhang. 5. Gleichgewichtszustand und Beharrungszl1Stand. . . . . . . . . . 5 Das elektrostatische Feld im leeren Raum. 6. Die elektrische Feldstarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5 7. Der elektrische FluB und die Quellen des elektrischen FElldes. . . . . . .. 7 8. Die elektrische Spannung und die Wirbelfreiheit des elektrostatischen Feldes. 10 9. Die Entstehung von Einheiten und MaBsystemen . . . . . . . . . . 12 10. Kapazitat. Kondensator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 14 11. Kraft und Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 16 Das elektrostatische Feld unter Beriicksichtigung der Nichtleiter. 12. Dielektrizitatskonstante. Elektrische Verschiebung. Eigenschaften der Nicht. leiter. Polarisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 13. Ver~le.ich des Feldes im leeren und im dielektrischen Raum. ttbergang der Feld· lmlen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 14. Energie und Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 15. Die Faraday.MaxweUschen Spannungen und die mechanischen Krii.fte 26 16. Der Gleichgewichtszustand des elektrostatischen Feldes ........ 29 Rechnerische Verfahren der Elektrostatik. 17. Die Differentialgleichung des skalaren Potentials 31 18. Energie und Potential ........ 34 19. Teilkapazitaten. . . . . . . . . . . . . 35 20. Aquipotentielle Flachen besonderer Form . 36 21. Das komplexe Potential. . . . . . . . . 39 22. Bestimmung von Feldern durch Zeichnung 40 Das magnetostatische Feld. 23. Die Vektoren des magnetisclien Feldes . . 41 24. Die magnetischen Eigenschaften der Stoffe 45 Das elektrische Stromungsfeld in Leitern. 25. Die elektrische Stromung in homogenen Leitern. Beharrliche elektrische Stromung 48 26. Die elektrische Stromung bei eingepragten Kraften . . . 51 27. Die elektrische Stromung in linearen Leitern . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Elektrische und magnetische Felder in wechselseitiger Verkettung. Die Ver kettungsgesetze. 28. Das magnetische Feld beharrlicher elektrischer Leitungsstromung. Durch· flutungsgesetz. Der magnetische Kreis. . . . . . . . . . . . . 58 29. Die elektrische Verschiebungsstromung. Erste (Maxwellsche) Hauptgleichung bei ruhenden Korpern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 30. Die Verkniipfung des elektrischen Feldes mit einem veranderlichen magnetischen Felde. Induktionsgesetz. Zweite Hauptgleichung bei ruhenden Korpern . 69 31. Die beiden Hauptgleichungen bei bewegten Korpern. . . . . . . . . . . . 74 Quasistationare Vorgange. 32. Kennzeichnung des quasistationaren elektromagnetischen Feldes . 81 33. Die magnetische Energie. Induktionskoeffizienten . . . . . . . 82 34. Anwendungen des vektoriellen Potentials . . 87 35. Mehrere Stromkreise. Magnetische Streuung 92 36. Magnetische Krii.fte, Energie und Arbeit . . 97 vn Inhaltsverzeichnis. Seite 37. Der elektrische Schwingungskreis. . . . . . 103 38. Der Transformator . . . . . . . . . . . . 111 39. Stromverdrangung (Wirbelstromung, Hautwirkung). 117 Aus breitungsvorgange. 40. Kennzeichnung des elektromagnetischen Feldes im allgemeinen Falle. 126 41. Energiebeziehungen im .allgemeinen Fall. Energiestromung . . . . . ... 127 42. Ausbreitung elektromagnetischer Storungen in gleichformigen Stoffen. Wellen- gleichung und Warmeleitungsgleichung. . . . 132 43. Ebene Wellen in einem gleichformigen Nichtleiter 136 44. Das Verhalten der Halbleiter und Metalle. 142 45. Reflexion und Brechung .......... . 147 46. Vorgange langs Leitungen . . . . . . . . . . . . . . . . 152 47. J?J.D&mische Kapazitat ................ . 158 48. Allgemeine LOsung. Ausstrahlung eines schwingenden Dipols 160 m. Verschiedenes. 1'. Die MaBsysteme der Elektrizitatslehre ........ . 169 (Entstehung, MaBsystemschliissel, Weiterentwicklung.) 2'. Darstellung periodischer Vorgange ......... . 181 3'. Formeln der Vektorenrechnung .......... . 184 (Einfache Operationen, Vektorfelder, Rechenregeln.) Bedeutung der Formelzeichen 192 Namen- und Sachverzeichnis ............. . 195 Bemerkungen zur Schreibweise. Die Art eines Integrales wird am Integranden erkannt, wir schreiben nur einfache J. .. J. .. J. .. Integralzeichen, also ds Linienintegral, df Flachenintegral, d-r: Raum f ... f ... integral, ds Randintegral, df Hiillenintegral. s Kurve, f Flache, -r: Raum. Das vektorielle Langenelement ist haufig d r ge schrieben. Idrl = ds. - t Zeit. Vektoren sind mit deutschen, Skalare mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Das vektorielle (auBere) Produkt ist durch eckige Klammem bezeichnet. Runde Klammem und Punkte sind in gleicher Weise bei Vektoren und Skalaren angewandt. Die Komponente eines Vektors in bezug auf eine Richtung ist als Skalar definiert, wir schreiben sie daher mit lateinischem Buchstaben, ebenso den Betrag des Vektors. A = I~ list der Betrag von ~; ~2 = A 2; Ar ist die Komponente von ~ in Richtung r, dagegen ist ~r = ~ Ar ein Vektor in Richtung von r vom Betrage Ar. (So gelegentlich r in den Abbildungen.) f == rO ist ein V~ ktor in Richtung r vom Betrage Eins. Einheitsvektoren haben den Betrag Eins. n und t sind normal und tangential gerichtete Einheitsvektoren. Die Einheitsvektoren i, j, f bilden ein rechtwinkeliges, rechtswendiges System, wie die Achsen x, y, z. An Unstetigkeitsflachen, wenn nl/2 der von Gebiet 1 nach Gebiet 2 weisende Normalenvektor ist (In1/21 = 1), gilt! Grada=nl/2 (a2-~) Differenz (Vektor) der Werte eines Skalars; Div ~ nl/2 (~2 - ~l) Differenz (Skalar) der Normalkomponenten eines Vektors; Rot ~ = [nl!2 (~2 - ~l)] Differenz (Vektor) der Tangentialkomponenten eines Vektors. Rechtswendige' Zuordnung ("Rechtsschraubehregel") kommt in Gleichungen durch positives Vorzeichen zum Ausdruck! Steile Buchstaben stellen die Benennungen in bezug auf der Art nach bestimmte Grundeinheiten, insbesondere solche fiir Ladung (Strom), Spannung, Lange, Zeit, Q, Q) U, L, T dar. P.M.S.: praktisches Miesches MaBsystem. In den Abbildungen bedeutet 0 einen zur Zeichenebene normalen, nach vom (auf den Beschauer zu) gerichteten, und ® einen zur Zeichenebene normalen, nach hinten (vom Beschauer weg) gerichteten Vektor. Die Gleichungen und ebenso die Abbildungen sind abschnittsweise durchgezahlt. In den Verweisungen ist zu der Nummer der Gleichung oder Abbildung jeweils die Nummer des Abschnittes angegeben. Die Abschnittsnummern findet man in den Seiteniiberschriften innen, die Seitenzahlen auBen. 1 F. Emde: Anhang der "Ausziige", vgl. Anm. I, S. IV. Voranssetzungen. 1. Einfiihrung. Wer als erster auf einem Gebiet der Naturbeschreibung aus dem Befund messender Versuche zu einer theoretischen Begriffsbildung kommen will, geht so vor, daB er in der groBen Zahl der beobachteten Tatsachen das Gememsame zu erkennen und auf diese Weise die Vielfaltigkeit der Erscheinungen auf wenige einfache Vorstellungen und Begriffe zuriickzufiihren versucht. Wir konnen und wollen in dieser Einfiihrung auf einem leichteren und einfacheren Weg vorgehen. Wir wollen unter Voraus setzung der Kenntnis der wichtigsten Beobachtungstatsachen1 eine besonders kenn zeichnende und vor allem hinreichend einfache Grundtatsache oder einen geniigend klar und einfach in Gedanken zu vollziehenden Versuch jeweils zum Ausgangspnnkt machen, urn von hier aus den neu zu bestimmenden Begriff oder das neu zu gewinnende physikalische Gesetz zu finden. Das Ergebnis dieses Vorgehens muB natiirlich einerseits die Erscheinungen in V ollstandigkeit beschreiben, andererseits sowohl sich allen vorher gefundenen Anschauungen folgerichtig einreihen, also auch mit allen weiter hinzukommenden ohne Widerspruch bestehen. Wenn wir auf diese Weise versuchen, die Vorstellungen und quantitativen Beziehungen zu einem moglichst vollstandigen und widerspruchslosen System, einer Theorie, zusammen zubauen, so ist der einzige Beweis fiir die Richtigkeit der Theorie und der aua ihr zu ziehenden Folgerungen der messende Versuch (wahrend in der Mathematik der Beweis letzten Endes in der logischen Unanfechtbarkeit beruht); gleichwohl mag man sich bewuBt bleiben, daB das Experiment lediglich beweist, daB die Theorie richtig ist, nicht daB sie die einzig richtige ist: Die physikalischen Tatsachen, die Naturvorgange, bestehen nach unserer thierzeugung fest und unabanderlich auBer halb jeder willkiirlichen Begriffsbildung; die Theorie aber ist, wie das Wort selbst sagt, unsere "Anschauung" dieser Tatsachen. 2. Ziel und Voraussetzungen der klassischen Elektrodynamik. Die klassische Elektrodynamik gibt nicht Antwort auf die Frage: "Was ist das Wesen der Elektrizitat 1", sondern auf die andere: "Wie gehen die elektrischen und magnetischen Erscheinungen vor sich 1" ~ie sucht also nicht nach der Ursache, sondern nach der vollstandigen Beschreibung dieser Erscheinungen. Nach ihrer Absicht solI eine solche Beschreibung in erster Linie die Erscheinungen im groBen (makroskopisch, summarisch) betreffen; die klassische Elektrodynamik befaBt sich also nicht damit, das Wesen und die Tatigkeit eines einzelnen Elektrizitatsatomes zu erforschen, sondern nimmt es als Voraussetzung hin, daB gewisse elektrische Zustande verkniipft sind mit dem Auftreten elektrischer Ladungen, und es ist ihr ganz gleichgiiltig, welche Vorstellungen wir im einzelnen von der Natur elektrischer Ladungen haben. Sie verhaIt sich darin ahnlich, wie die klassische Warmelehre, die auch nicht die Warmebewegung der einzelnen Molekiile betrachtet, sondern das ortliche und zeitliche Verhalten von Temperatur und Warmestromung im groBen zum Gegenstand hat. Die klassische Elektrodynamik befaBt sich demnach mit der Be schreibung der elektrischen und magnetischen Erscheinungen im groBen. Daraus ergibt sich aber mit Notwendigkeit, daB die klassische Elektrodynamik auch die elektrischen und magnetischen Eigenschaften der Stoffe als gegeben hin nimm.t, und sich nicht darum bekiimmert, wie diese durch das Zusammenwirken 1 Als Lehrbucher seien hervorgehoben: G. Mie: Le1ll'buch der Elektrizitat und des Magne- tismus; R. W. Pohl: Einfiihrung in die Elektrizitatslehre. . Fiscber, Elektrodynamlk. 1 2 1Voraussetztulgen. 2. einzeIner kleinster Teilchen (mikroskopisch) zustande kommen. Dieser Standpunkt bringt unserer Theorie den einzigartigen Vorteil, daB sie ihre Giiltigkeit behalt, auch wenn sich unsere Vorstellung iiber diese Dingeim einzeInen wandeIn. Unsere Erkenntnisse iiber die verwickelten mikroskopischen Vorgange und den Feinaufbau der Stoffe sind gegenwartig keineswegs abgeschlossen; gegeniiber dem Wunschziel, die elektrischen und magnetischen Eigenschaften aller Stoffe bis in jede Einzelheit etwa aus Konfiguration und Bewegung der kleinsten Teilchen berechnen zu konnen, sind wir gegenwartig weitgehend auf praktische Messungen dieser Eigenschaften angewiesen. Damit soll natiirlich nicht ausgesprochen werden, daB die klassische Elektro dynamik nicht mit Vorteil von den grundlegenden Vorstellungen iiber die Vorgange in Korpern, die einem elektrischen oder magnetischen Zustand unterworfen sind, Gebrauch machte, vielmehr haben diese bei ihrer Entstehung entscheidend mit gewirkt. Der geschilderte summarische Standpunkt bedeutet natiirlich eine gewisse Beschrankung; es leuchtet ein, daB die Einwirkung elektrischer und magnetischer Zustande auf die Stoffe, deren Aufbau im kleinsten so verwickelt ist, lediglich mit Hilfe der drei Stofikonstanten, welche die klassische Elektrodynamik benutzt, nicht in jeder Einzelheit vollstandig beschrieben werden kann. Es zeigt sich vielmehr, wie hier vorwegnehmend bemerkt sei, daB die makroskopische Elektrodynamik die Vorgange im leeren Raum am vollkommensten beschreibtl, und daB sie dann, wenn Materie vorhanden ist, die Erscheinungen mit um so groBerer Genauigkeit wiedergibt, je kleiner und geringfiigiger die Storungen sind, welche durch die vorhandene Materie gegeniiber den Vorgangen im leeren Raum verursacht sind. Die grundlegenden Vorstellungen betreffen: die elektrische Ladung, Leiter und Nichtleiter. Elektrische Ladung. Nimmt man zwei Korper aus verschiedenen Stoffen auseinander, nachdem man sie vorher in innige Beriihrung gebracht hatte (z. B. durch gegenseitige Reibung fester Korper, durch Eintauchen eines festen Korpers in eine Fliissigkeit), so sind in ihrer Umgebung vorher nicht wahrgenommene Krafte (Bewegungsantriebe) nachweisbar. Diese Erfahrung hat man zunachst dahin erklart, daB die beiden Korper durch die geschilderten MaBnahmen Trager eines Etwas geworden sind, das die Ursache dieser Krafte ist, und das Elektrizitat genannt wurde. Weiterhin laBt sich eine groBe Menge experimenteller Erfahrungen dahin deuten, daB die Elektrizitat das Wesen einer stofflichen Menge besitzt. Die Elektrizitat tritt immer in zwei Arten auf, die man positiv und negativ nennt, und die korperlich voneinander getrennt werden konnen. Die Summe aller Elektrizitatsmengen, die an einem Vorgang in einem abgeschlossenen Gebiet beteiligt sind, ist konstant (die gleiche Eigenschaft besitzen auch die Materie und die Energie). Diesen Begriff der Elektrizitatsmenge gebraucht die klassische Elektrodynamik; daB wir una die Elektrizitat aus kleinsten, nicht weiter teilbaren Stiicken bestehend, also atomistisch geartet denken, tritt in ihr kaum in Erscheinung. Hinsichtlich der elektrischen Eigenschaften stofflicher Korper geht die klassische Elektrodynamik von Folgendem aus: Wird ein Lei t er einem bestimmten elektrischen Zustand ausgesetzt, so verbraucht er fortwahrend Energie (wie die Reibung von Gegenstanden aneinander), unter gleichen Umstanden wird im Nichtleiter (Isolator, Dielektrikum) Energieaufgespeichertund beiAufhOren des elektrischen Zustandes wieder abgegeben (entsprechend der Beanspruchung einer elastischen Feder). In beiden Fallen hangt die GroBe der Euergie von der Art des Stoffes und dem elektrischen Zustand abo Um dieses Verhalten zu erklaren, hat man sich die summarische Vorstellung gebildet, daB die an dem Aufbau des betreffenden Stoffes beteiligten, in Wechselwirkung mit dem angelegten elektrischen Zustand stehenden elektrisch geladenen Teilchen beimNichtleiter elastisch an ihren Ort gefesselt sind, beim Leiter dagegen dem elektrischen Zustand fortwahrend nachgeben. So entsteht unter 1 Sofern man hierbei von jenen grtuldsatzIichen Punkten absieht, an denen die weitere Entwicklung der Physik eingesetzt hat.