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Eine lange Pilgerreise. Leben und Lehre des Shivapuri Baba PDF

176 Pages·6.994 MB·German
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John G. BENNETT Eine lange Pilgerreise Leben und Lehre des SHIVAPURI BABA Verlag Bruno Martin Originaltitel: Long Pilgrimage The life and teaching of the Shivapuri Baba © Elizabeth Bennett Published by Arrangement with Turnstone Books, c/o Thorsons Publishing Co. Ltd. Denington Estate, Wellingborough Deutsche Erstveröffentlichung © Verlag Bruno Martin 2121 Südergellersen 1. Auflage 1985 Alle Rechte Vorbehalten Satz: ZERO, Typografischer Betrieb, Rheinberg Druck: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda ISBN 3-921786-43-6 Reihe Yoga-Bibliothek, Buch 4 Weitere Bücher der Yoga-Bibliothek: Buch 1: M. P. Pandit, Verborgene Aspekte im Leben Buch 2: J. W. Hauer, Der Yoga Buch 3: Krishnanand Saraswati, Die Bhagavad Gita im täglichen Leben Inhalt Seite Vorwort 7 Eins Die Suche 14 Zwei Lehre und Methode 36 Drei Rechtes Leben 58 Vier Die drei Disziplinen 80 Fünf Neues Licht auf alte Lehren 113 Sechs Ausräumung von Zweifeln 138 Verzeichnis der Sanskrit-Wörter 171 Vorwort Als Dr. Sarvepalli Radhakrishnan, Indiens geschätzter Präsident und führender Philosoph, im Frühjahr 1956 Nepal besuchte, um an der Krönung von König Mahendra teilzunehmen, erwartete man, daß er sich direkt in das Royal Guest House begeben würde, das speziell für ihn hergerichtet worden war. Doch sobald er das Flug­ zeug verlassen hatte, bat er stattdessen, man möchte ihn zu der Ein­ siedelei des Shivapuri Baba fahren, der zu dieser Zeit 130 Jahre alt war. Nach der üblichen förmlichen Begrüßung fand die folgende Unterhaltung statt: S. Radhakrishnan: Welches ist Eure Lehre? Shivapuri Baba: Ich lehre drei Disziplinen — die spirituelle, ethi­ sche und physische. S. Radhakrishnan: Die ganze Wahrheit in so wenigen Worten? Shivapuri Baba: Ja. S. Radhakrishnan (Wendet sich seinen Begleitern zu): Die ganze Wahrheit in so wenigen Worten! Shivapuri Baba: Ja. — Später sprach der Shivapuri Baba von diesem Besuch und sagte: „Dann erklärte er den anderen meine Worte ungefähr fünfzehn Minuten lang in höchst wunderbarer Weise. Eine solch brillante Er­ klärung habe ich noch nie in meinem Leben gehört. Ich selbst be­ neidete ihn um seine Fähigkeit zur Erklärung. Er ist ein Soldat der vedischen Literatur — selten in der Welt. Er hat keine destruktive Natur. Er hat nur eine konstruktive Natur. Menschliche Liebe hat er. Er blickt auf niemanden herab, haßt niemanden. Als er kam, machte er nur Namaskar (Handgruß) vor mir. Bevor er ging, legte er seinen Kopf auf meine Füße. So etwas ist äußerst schwierig für einen Mann in seiner Stellung. Als ich sagte: Ich lehre drei Diszipli­ nen usw., bemerkte ich, wie Gefühle der Scham und des Entsetzens in seinem Gesicht zu Tage traten — Scham, weil er bei all seiner Ge­ lehrsamkeit nicht verstanden hatte, was am Grund des Lebens ist, und Entsetzen, weil er fürchtete, er sei nun, wo er solange in einem anderen Glauben gelebt hatte, zu alt, um seine Lebensweise zu ändern.” Ein Buch über das Leben und die Lehre eines solchen Mannes wie des Shivapuri Baba zu schreiben, dem ich das erste Mal begeg­ nete, als er bereits 135 Jahre alt war, wäre eine unverzeihliche An­ maßung, gäbe es nicht zwei Faktoren, die dies doch möglich mach­ ten. Zum einen sagte der Shivapuri Baba selbst, ich solle über seine Lehre schreiben, und sah den Bericht über sein Leben im Manus- 7 kript, bevor er im Januar 1963 starb. Zum anderen hatte ich das Pri­ vileg, von Herrn Thakur Lai Manandhar, der seit fast dreißig Jahren sein Schüler war, Kopien von Notizen über Gespräche mit dem Mei­ ster zu bekommen, die er in dieser langen Zeitspanne führte. Herr Manandhar gab seine freundliche Zustimmung, daß sein Name zu­ sammen mit meinem auf der Titelseite des Buches erscheine. Ich muß jedoch gleich klarstellen, daß ich die Verantwortung für den Text trage. Der Shivapuri Baba forderte mich auf, seine Lehre darzustellen, damit sie von Europäern ebenso leicht wie von Indern verstanden würde. Ich mußte daher eine sorgfältige sprachliche An­ passung vornehmen, um einen übermäßigen Gebrauch von techni­ schen Begriffen der Hindu-Philosophie zu vermeiden, wie sie in der Bhagavad Gita Vorkommen. Ich legte das Manuskript Herrn Ma­ nandhar vor, und er korrigierte freundlicherweise alles, wo immer er fand, daß ich beträchtlich von der Intention des Shivapuri Baba abwich. Nichtsdestoweniger muß vieles so bleiben, wie ich es durch meine Ohren hörte und mit meinem — hartnäckig westlichen — Herz und Geist verstand. Die Lehre eines Mannes wie des Shivapuri Baba nimmt nicht die Form einer festgefügten Doktrin an, die auf alle Lebensumstände paßt und für immer unwandelbar bleibt. Wie er selbst in einem sei­ ner Gespräche ausführt, hängt die Vitalität jeder Lehre von der Kombination einer unwandelbaren Grundlage der Wahrheit ab und einem sich ständig wandelnden Überbau von Vorstellungen und Methoden. Die Grundlage ist Rechtes Leben, Svadharma, was stets vom Menschen gefordert wurde und immer gefordert werden wird als eine Grundbedingung für sein Wohlergehen in diesem Leben und im Jenseits. Der Shivapuri Baba faßt den Gedanken des Rech­ ten Lebens aber nicht so allgemein, daß er beinahe für jede Lehre geeignet wäre. Er verknüpft ihn spezifisch mit den drei Disziplinen für Körper, Mental (mind) und Geist (spirit). Die Grunderforder­ nisse der drei Disziplinen sind dieselben für alle Menschen, alle Zei­ ten und Lebensumstände, doch ihre praktische Anwendung variiert von Zeitalter zu Zeitalter, von Nation zu Nation, von Individuum zu Individuum, und selbst für dasselbe Individuum unter verschie­ denen Umständen zu verschiedenen Zeiten. Daraus folgt, daß jeder, der das Privileg hatte, Anleitung von ei­ nem großen Weisen wie dem Shivapuri Baba zu empfangen, etwas anderes zu berichten haben wird. Ich besuchte ihn zweimal, im Ab­ stand von einem Jahr. Das zweite Mal sprach er anders und gab mir anderen Rat als beim ersten Mal. Ich hoffe, dies bedeutet, daß ich assimiliert hatte, was er mir bei meinem ersten Besuch sagte, und daß ich bereit war für stärkere Kost. 8 Wenn dieselbe Person verschiedenes zu verschiedener Zeit hört, wieviel mehr wird dies dann der Fall sein für Menschen verschiede­ ner Rasse und religiöser Herkunft, wie es bei Herrn Manandhar und mir selbst der Fall war. Das Erstaunlichste ist, daß es uns mög­ lich war, in wesentlichen Punkten Übereinstimmung zu finden, und ich bin ihm sehr dankbar für seine verständnisvolle Sympathie bei einer Aufgabe, die ich nicht zu seiner oder meiner Zufriedenheit zu vollbringen hoffen konnte. Achtundzwanzig Jahre lang besuchte Thakur Lai Manandhar den Heiligen regelmäßig einmal die Woche, oder häufiger, wenn möglich. Er brachte seine Söhne zu ihm und zog sie groß unter sei­ nem Rat. All diese Jahre hingabevollen Dienstes widmete er seinem Guru*, wie nur ein Hindu es zu tun vermag. Was konnte ich, ein Besucher aus dem Ausland, der den ältlichen Heiligen vielleicht ein dutzendmal traf, aus seiner Lehre zu machen hoffen? Nur einen Vorteil kann ich für mich beanspruchen: fast fünfzig Jahre lang ha­ be ich die Wahrheit gesucht und eifrig die Spiritualität aller großen Traditionen studiert. Daher erschien mir nichts was ich hörte, selt­ sam oder überraschend — außer dem einfachen und praktischen Charakter seiner Darlegung. In einem einzigen halbstündigen Ge­ spräch konnte er einem Besucher alles sagen, was notwendig zur Regulierung des Lebens und der Erlangung von Gottverwirk­ lichung war. Daraus folgt nicht, daß auch alles verstanden wurde. Er war stets bereit, Zweifel zu lösen und Schwierigkeiten zu klären, doch dabei stellte sich gewöhnlich heraus, daß Zweifel und Schwie­ rigkeiten auf unzureichende Aufmerksamkeit seitens des Zuhörers zurückzuführen waren. Hätten wir wirklich hören können, was er zu sagen hatte, so wäre es nicht notwendig gewesen, ihn zweimal zu fragen. Seine Worte trugen die immense Kraft seines Wesens in sich. Er war ein wahrer Heiliger, der einen unmittelbaren und erhöhenden Effekt auf jeden hatte, der in seine Gegenwart kam. Diese Wirkung kann nicht in einem Buch mitgeteilt werden und es wäre töricht, dies zu versuchen. Es schien mir immer, daß jene, die versuchten, die Gefühle mitzuteilen, die sie in der Gegenwart eines der großen indischen Heiligen hatten, gewöhnlich den Eindruck einer törichten Sentimentalität hinterließen, einer übertriebenen Verehrung der Person, anstelle eines Verstehens seiner Botschaft. Jetzt, wo ich ei­ nem solchen Heiligen begegnet bin, habe ich mehr Sympathie für die Autoren. Nur zu sehr wünschte ich, ich könnte die Sprache ei­ nes Dichters aufbieten, um das Gefühl der Freude, des Staunens * Obgleich der Shivapuri Baba, wie später deutlich wird, nicht die Rolle des Guru akzeptieren wollte und daher keine .Schüler’ hatte. 9 und tiefen Friedens mitzuteilen, das wir schon empfanden, als wir nur in seine Waldung eintraten, bevor wir ihn selbst sahen. Doch dies wäre sicher nicht sein Wunsch, denn er unterstrich stets, daß seine Person nichts sei und nur seine Botschaft zähle. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in der Nähe von Kathmandu, der Hauptstadt von Nepal, in einem Wald, den die Regierung heiligen Männern zur Verfügung stellte, die sich dort frei niederlassen konnten, ohne sich um Steuern oder andere lästige Dinge kümmern zu müssen. Wir flogen Ostern 1961 von Delhi in einer Dakota der nepalesi­ schen Fluggesellschaft und überquerten die Berge nach Kathman­ du. Wir sahen dabei zum ersten Mal die Himalayas, seltsam ferne weiße Gipfel, die halb verhüllt waren von hohen Wolken. Die Ber­ ge, die die Ebenen Indiens vom Tal Nepals trennen, sind fast un­ passierbar: eine enge Straße windet sich von Joch zu Joch. Ich konnte nun gut verstehen, warum es den Menschen in der Tiefebe­ ne nie gelang die Gefahren zu sehen, die vom Norden drohten, vom weiten Raum Zentralasiens, wo so viele Invasionen vorbereitet wur­ den. Man kann leicht vergessen, was jenseits der Berge liegt, und Indien als eine abgeschlossene Welt für sich betrachten. Wir lande­ ten alsbald im grünen Tal des Baghmati-Flusses, um zwei Freunde zu treffen die uns geholfen hatten, die Verbindung mit dem Heili­ gen herzustellen. Sie sagten uns, die Einsiedelei des Shivapuri Baba in Dhruvastha- li sei nur fünf Minuten vom Flughafen entfernt, und schlugen vor, wir sollten ihm einen Besuch abstatten, bevor wir in unser Hotel gingen. Nach dem Flug von vierundzwanzig Stunden waren wir müde und abgespannt, doch wollten wir uns nicht die Gelegenheit entgehen lassen, ihn einen Tag früher als erwartet zu sehen. Wir fuhren fünf Minuten mit einem Jeep und durchquerten ein Gurkha-Quartier. Ein kurzer Fußmarsch durch eine immergrüne Lichtung führte uns dann zu einem Drahttor an einem hohen Drahtzaun, der seine Einsiedelei umschloß. Hermione* rüttelte an dem Tor. Als keine Antwort kam, rief sie unsere Namen. Nach ein paar Minuten kam ein schlanker Junge von etwa zwölf Jahren und mit einem weißen Turban auf dem Kopf, breit lächelnd den Pfad entlanggelaufen, öffnete das Tor und verbeugte sich vor uns. So­ bald wir in die Waldung eintraten, hatten wir alle dieselbe Empfin­ dung einer Gegenwart, die stark und doch sehr friedvoll war. Die Vögel im Wald sangen mit voller Stimme; wir hörten den Kuckuck der Himalayas, den Koyeli-Vogel. * eine meiner Begleiterinnen 10 Der Pfad wand sich zweihundert Meter sanft durch die Bäume und führte zu einer Lichtung, in deren Mitte eine Holzhütte stand, die nur einen Raum hatte und von neuen Ziegelstein wänden um­ schlossen war. Wie wir erfuhren, waren diese erst vor kurzem er­ richtet worden, um den geschwächten alten Mann vor den strengen Wintern der Himalayas zu schützen. Die Erde war glatt, sie war of­ fenbar vor ein paar Stunden gefegt worden. Es befanden sich dort kleine Blumenbeete, unscheinbar, doch sehr gepflegt. Die ganze Stätte zeugte von der liebenden Sorgfalt der Inder, die sie an Orten aufwenden, wo sich Schreine oder Tempel von besonderer Heilig­ keit befinden. Als wir um die Ecke bogen, sahen wir, wie er sich vorbeugte, uns lebhaft anschaute, und uns in der gewohnten indischen Art mit zu­ sammengelegten Handflächen begrüßte. Der erste Anblick seines Gesichtes brachte eine Reaktion des Erstaunens. Es hatte eine über­ irdische Schönheit; sein Haar und sein Bart von feinster Beschaf­ fenheit wirkten wie ein Heiligenschein, und seine Augen hatten et­ was Durchdringendes, das in einem das Gefühl erweckte, man stün­ de in der Gegenwart eines Wesens von einer anderen Welt. Und doch verhielt sich Shivapuri Baba nicht so, wie man das von einem Heiligen Mann erwartete. Während unserer zahlreichen Ge­ spräche machte er nie eine Andeutung, daß er zu verehren oder an­ ders zu behandeln sei als ein gewöhnlicher Mensch. Sein hohes Al­ ter ruhte leicht auf ihm, und doch kann man nicht daran zweifeln, daß er die genaue Wahrheit sprach, als er uns sagte, er sei 1826 ge­ boren. Ich bin in meinem Leben einigen wirklich bemerkenswerten Menschen begegnet, aber noch keinem, der so offensichtlich einer Welt angehörte, die von der unseren verschieden war. Obwohl ich seine Altersangaben glaubte, fragte ich mich doch insgeheim, ob er nicht gar älter war, als er selbst sagte — so alt, wie er es nach An­ sicht der Einheimischen war. Der Shivapuri Baba, oder Sri Govindananda Bharati — unter diesem letzteren Namen war er bekannt während seiner Pilgerfahrt um die Welt, die er im späteren Teil des letzten Jahrhunderts unter­ nahm — ist wenig bekannt im Westen und scheint selbst in Indien weniger bekannt zu sein als einige der großen indischen Heiligen, die in den vergangenen hundert Jahren die Welt so tief beeindruckt haben. Nichtsdestoweniger betrachteten ihn jene, die ihn kannten, als einen sehr großen Heiligen. Kurz nach meinem Besuch bei ihm reiste ich nach Kalkutta und besuchte das prächtige neue Gebäude der Ramakrishna Mission, wo ich den Vizepräsidenten, Herrn Mukharji, den obersten Richter von Bengalen, traf. Er sprach mit Achtung und Zuneigung vom Shivapuri Baba und nannte ihn einen 11 der größten indischen Heiligen und Weisen unserer Zeit — viel­ leicht den größten von ihnen allen. Yoga-Bücher für westliche Leser enthalten oft eine Überfülle von Sanskrit-Begriffen, die den Leser mangels einer klaren Interpreta­ tion häufig mehr verwirren als erleuchten. Dies mag nicht der Feh­ ler des Autors sein, denn es ist charakteristisch für das asiatische Denken, eine präzise Festlegung von Bedeutungen zu vermeiden. Zudem ist Sanskrit die älteste Sprache, die sich noch in Entwick­ lung befindet. Wörter, die tausende von Jahren alt sind, müssen immer wieder ihre Bedeutung gewandelt haben. Es fand ein allmäh­ licher Bedeutungswandel statt, der für Wörter, die jetzt in der Phi­ losophie gebraucht werden, eine nachvollziehbare Entwicklung aufweist. Zunächst wurden natürliche Gegenstände, inspirierte reli­ giöse Vorgänge und Worte in rituelle Formeln gefaßt. Die heilige Eigenschaft der Wörter führte dazu, daß man sie aufgriff, um uni­ versale, abstrakte Vorstellungen auszudrücken. Die Überzeugung, daß die Welt sich im Menschen widerspiegelt, verleitete zu psycho­ logischen Interpretationen. Indessen übernahmen wir dieselben Wörter in unsere Sprache und sie erhielten ganz gewöhnliche, kon­ krete Bedeutungen. Schriften wie die Bhagavad Gita, die beim Volk und bei den Gelehrten einen großen Anklang fanden, legten schließlich gewisse Bedeutungen fest, die wahrscheinlich zu der Zeit, wo sie gebraucht wurden, allgemein verstanden wurden, doch nun obskur sind. Gelehrte Kommentatoren mit festen Überzeugun­ gen, wie Shankarächärya, schrieben Interpretationen, die sich weit von der ursprünglichen Einfachheit der Texte entfernten. Eines der großen Verdienste des Shivapuri Baba ist es, die früheren Bedeu­ tungen wieder freigelegt und den Text zu einer schlichten Aussage darüber gemacht zu haben, worum es im Leben geht. Ich hätte gern alle technischen Sanskrit-Begriffe eliminiert, doch da er sie so freizügig gebrauchte, konnte ich dies nicht tun, ohne seine Äußerungen zu entstellen. Ein weiterer, jedoch nicht unbe­ trächtlicher Nutzen, den ich aus dieser Überarbeitung seiner Erklä­ rungen zog, war, daß ich meine Sanskrit-Kenntnisse wieder auffri­ schen und die Bhagavad Gita von neuem studieren mußte. Dies war eine wunderbare Erfahrung. Ich habe mehr gefunden in dem himmlischen Lied, als ich je vermutete, und kann verstehen, warum Shivapuri Baba sagte, die Gita allein könne uns einen hinreichen­ den Leitfaden für alle Probleme des Lebens bieten. Um dem Leser zu helfen, habe ich ein Verzeichnis aller Sanskrit-Begriffe, die im Text Vorkommen, angefertigt. Ich habe dabei die alten und allge­ meinen Bedeutungen zugleich mit dem speziellen technischen 12 Sinn angegeben, mit dem der Shivapuri Baba die Wörter ge­ braucht. Leser, die sich auf die Botschaft des Heiligen an die west­ liche Welt beschränken möchten, können das 5. Kapitel überschla­ gen, in dem ich so weit wie möglich das Material zusammengestellt habe, das von besonderem Interesse für Hindus ist. Es war unmöglich, die Einheit der Abhandlung zu erreichen, die ich gern angestrebt hätte, da Shivapuri Baba je nach Herkunft und Verständnis des Gesprächspartners verschieden sprach. Mit Thakur Lai, der tief geschult war in der Weisheit der Bhagavad Gita, sprach er die Sprache der Gita. Mit Vittachi sprach er die Sprache von Subud. Mit den Anhängern von Gurdjieff sprach er in einer solchen Weise, daß einige meinten, er sei einer der Lehrer Gurd- jieffs gewesen. An Radhakrishnan richtete er einen Satz, und das war alles, was er brauchte. Mir wiederum sagte er Dinge, die zahl­ lose Gedanken und Erfahrungen einer Lebenszeit integrierten und beleuchteten. Einen solchen lebendigen Reichtum in logische Kon­ sistenz zu zwingen, hieße, den Leser ganz der Aussicht zu berau­ ben, mit einer der größten Seelen unseres Zeitalters in Kontakt zu kommen. Es ist seltsam, daß ein Mann von solch immenser Weisheit und spiritueller Kraft relativ unbekannt bleiben konnte in einer Welt, die so sehr eine Lehre benötigte, welche einfach, praktisch und zu­ gänglich ist für Menschen aller Glaubensrichtungen oder keines Glaubens, einer Lehre, der man ohne den geringsten Kompromiß mit unseren eigenen religiösen Überzeugungen und sozialen Pflich­ ten folgen kann. Wenn dieses Buch selbst nur einige wenige Leser zu der Erkenntnis führen kann, daß Svadharma, Rechtes Leben, dasselbe für einen Christen, Juden, Muslim oder Buddhisten be­ deuten kann wie für einen Hindu, dann werde ich einen kleinen Bei­ trag geleistet haben zu der größten Aufgabe unserer Zeit: der spiri­ tuellen Wiedervereinigung der Menschheit. Über einen solchen Mann zu schreiben, ist ein Privileg, dessen ich unwürdig bin, und ich kann nur jenen danken, die mir geholfen haben. Herr Thakur Lai Manandhar ist mehr als ein Helfer, und ich verdanke ihm und seinem Sohn Manandhar die meisten Photos. Frau Marjorie von Harten hat mir die freundliche Genehmigung er­ teilt, ein Photo abzubilden, das sie 1962 aufnahm. Ich muß auch jenen Freunden danken, die einen Teil der finanziellen Bürde tru­ gen, und dadurch meine beiden Besuche in Nepal ermöglichten. 13

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