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Ein Mann wird älter PDF

362 Pages·1994·1.27 MB·German
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Italo Svevo Gesammelte Werke inEinzelausgaben Herausgegeben von ClaudioMagris, GabriellaContini, Silvana de Lugnani Rowohlt Italo Svevo Ein Mann wird älter [Senilità] Roman Übersetzt von Piero Rismondo Rowohlt Der Text folgt der bei Enrico dall'OglioEditore, Milano unter dem Titel«Senilità» erschienenen Ausgabe Das Vorwort vonLene Waage-Petersen wurde aus dem Dänischen von Ingeborg Zint übersetzt, das VorwortItalo SvevosvonPiero Rismondo. Der Aufsatz «Die Stadt Triest in ‹Ein Mann wird älter› und der Anhang wurden von RagniMaria Gschwend übersetzt. Frontispiz nach einer Zeichnung von Georgieff Schutzumschlag- und Einbandgestaltung Klaus Detjen 1.Auflage März1985 Copyright© 1960, 1985by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg «Senilità» Copyright©by Enrico dall'OglioEditore, Milano 1954, 1969 Alle deutschen Rechte vorbehalten Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN3 498 06174 7 (cid:246) scan by macska†, pdf by párduc 2001/2002 Inhalt Vorwort vonLene Waage-Petersen 9 Vorwort vonItalo Svevo zur zweiten italienischen Ausgabe31 Ein Mann wird älter35 Anhang Anmerkungen und Erläuterungen309 Entstehung und Rezeption313 Silvana deLugnani Die Stadt Triest in ‹Ein Mann wird älter›338 Biographischer Abriß351 Bibliographie356 Vorwort Beim Erscheinen der dänischen Ausgabe von ‹Ein Mann wird älter› 1964schrieb Anders Bodelsen, ein Schriftstel- ler der jüngeren Generation: «Es kann nicht deutlich ge- nug hervorgehoben werden, daß ‹Ein Mann wird älter› zu den Hauptwerken des zwanzigsten Jahrhunderts gehört - auch wenn es zwei Jahre vor dessen Beginn geschrieben wurde. In der Schärfe der psychologischen Analyse wird es nicht übertroffen von Schriftstellern, die aus der gesam- ten psychologischen Literatur des zwanzigsten Jahrhun- derts schöpfen konnten.» Die Originalität von ‹Ein Mann wird älter› liegt jedoch nur mittelbar in der eindringlichen psychologischen Schil- derung der handlungsunfähigen Hauptperson, in dem un- glaublichen Wissen um die Mechanismen der Psyche, in der Vivisektion des Ich. Die eigentliche Größe des Romans besteht darin, daß Svevo hier mit Hilfe künstlerischer Ver- einigung von rationaler und leidenschaftlicher Einsicht zur Erkenntnis und Beschreibung einer neuen psychologi- schen Struktur beiträgt, zu einem neuen Ich-Bewußtsein. Und daß seine Beschreibung dieses irrationalen Bewußt- seins, dieser unabänderlichen Spaltung zwischen dem Ich und seiner Wirklichkeit noch heute unserer Erkenntnis von uns selbst und unserem Verhältnis zur Wirklichkeit entspricht. Nach der dominierenden Verfälschung des ganzen Wertesystems in den dreißiger Jahren und nach der Illusion der Nachkriegszeit, durch den Existentialis- mus die Spaltung zu überwinden, richten wir heute wie- 9 der den Blick auf den Anfang des Jahrhunderts, wo große Schriftsteller wie Thomas Mann, Svevo, Proust, Kafka und Musil den Zerfall einer Weltordnung zum Thema hat- ten, die Auflösung des humanistischen Ich und das Ge- fühl der Unwirklichkeit, die das Lebensgefühl durch- drang. Ihre Erkenntnis der Auflösung ist auch heute noch die unsere. Svevo ist nicht nur ein Klassiker in dem Sinne, daß er etwas Universelles repräsentiert, sondern er ist auch unser Zeitgenosse. In seinen Werken finden wir eine der wissendsten, verzweifeltsten und doch lebendig viel- schichtigsten Beschreibungen des modernen Bewußtseins. Die Verunsicherung, die er in uns hervorruft, das Gefühl von etwas nie Endgültigem im Aufdecken der unendlichen gedanklichen und sprachlichen Schichten ist fesselnd und faszinierend. Svevos Romane haben alle drei einen Titel, der das Selbst-Erleben in den Mittelpunkt rückt. Wegen ihres dichten Gehalts und ihrer Vielschichtigkeit bieten sie Schwierigkeiten bei der Übersetzung in andere Sprachen. Die beiden ersten Titel Ein Untauglicher (Uninetto) ,wie der Roman umAlfonso Nittiursprünglich heißen sollte, und ‹Ein Mann wird älter› (‹Senilità›) charakterisieren das Ich-Bewußtsein überwiegend negativ, während diese Sicht im‹Zeno Cosini›überwunden ist—jenes Bewußtsein liegt vielschichtig vor dem Leser. Svevo gelangte allmählich zu der Erkenntnis, daß die Lebensuntüchtigkeit des einzelnen nicht nur das Produkt einer Zeit und einer spätbürger- lichen Gesellschaft ist; durch seine Analyse löst er diese Gesellschaft von innen her auf und läßt so seinen «Helden» überleben. Von dem dritten Roman an wird die Krankheit des Bewußtseins, das Älterwerden, nicht mehr als eine Ver- dammung des Individuums aufgefaßt: Die Dinge, das Le- ben selbst tragen die Krankheit in sich. Paradoxerweise jedoch wird es gerade das kranke Bewußtsein des Prot- agonisten sein, das als Heilmittel gegen ein Leben, welches 10 krank ist, welches ja Krankheit ist, Wirksamkeit zeigt. Wenn das Leben, wie Svevo sagen wird, eine Krankheit der Materie ist, so wird das Bewußtsein, das sich über diese in ihr selbst liegende Krankheit im klaren ist, auch fähig sein, sie zu ertragen und bis auf den Grund dieses neuen, irrationalen und - wie Svevo sagt - originellen Rei- ches zu schauen. Welche Bedeutungskomponenten sind nun im italieni- schen Titel‹Senilità›enthalten, den wederValéryLarbaud nochEugenio Montalefür glücklich hielten, den aber Svevo nicht aufgeben wollte? Das Gefühl des Altwerdens hat nichts mit dem physi- schen Alter zu tun (die Hauptperson Emilio ist35Jahre alt), sondern mit einem Zustand und einer Gemütsverfas- sung. Altsind die Schwarz- und Grautöne, die die Wesens- konturen von Emilio und seiner Schwester verschleiern, ganz im Gegensatz zur goldenen Ausstrahlung des Mäd- chens Angiolina: «Zuviel Licht» (S.81),murmelt Emilio, der Mann der Dämmerung, von ihr geblendet; alt sind die Lebensangst der Geschwister und ihr Dahinvegetieren am Rande des Lebens, in «trostloser Untätigkeit». ‹Stille Exi- stenzen› sind sie, wie wir sie bei dem großen dänischen Schriftsteller jener Zeit,Herman Bang,finden. Alt ist die Zivilisation, alt ist das Bewußtsein, alt ist, im weitesten Sinne, das Wissen um die existentielle Lebensunlust, die die europäische Kultur in jenerFin de siècle-Epochebe- fällt. Erst später wird Svevo den Begriff der«Senilità» in denjenigen des Alters weiterentwickeln, der paradoxer- weise einen positiven Bedeutungsgehalt haben wird. Ze- nos Neurose läßt ihn die Absurdität des Lebens erahnen und gleichzeitig sich vor ihr schützen. Wenn das Indivi- duum im Leben immer und auf jeden Fall ein Versager ist, dann gibt ihm das Alter erst das Recht, ein Versager zu sein; dann ist es vor der Pflicht geschützt, lebensfähig zu sein, die Existenz auf sich nehmen zu müssen. Es schafft 11 dank seines Alters eine Freizone, in der der Wille noch Raum findet. 1895schrieb Svevo:«...ich...glaubte, daß ich das letzte Produkt des Gärprozesses eines Jahrhunderts wäre, ein Produkt ohne Zukunftsperspektive, weil es nach nichts anderem Verlangen weiß als nach Ruhe oder kurzer Befriedigung.»Die Hauptperson Emilio in ‹Ein Mann wird älter› ist die Projektion dieses Gefühls; sie ist in diesem Sinne ein Nachfahre des Turgenjewschen nutzlosen Men- schen. Svevos Werk steht in einem kulturellen Klima zwi- schen beispielsweiseHerman BangsRoman mit dem be- zeichnenden Titel ‹Hoffnungslose Geschlechter› (1880) und Thomas Manns Geschichte vom Verfall einer Familie, den ‹Buddenbrooks› (1901) -gehört also zu einer Litera- tur, die ausgerichtet ist auf den Zerfall, auf die Willens- auflösung und auf das Kreisen um sich selbst. In dieser Literatur vollzieht sich die Auseinandersetzung mit dem europäischen Gefühl der Sicherheit und Allmacht. Sie regi- striert den Zusammenbruch einer ganzen Kultur und findet die Ursache vor allem in einer inneren Schwäche und Lebensuntüchtigkeit, in einem Gefühl, abseits des Lebens zu stehen, von ihm getrennt zu sein durch eine unsichtbare Glaswand. Svevos Werke ordnen sich in die mitteleuropäische Kul- tur der Jahrhundertwende ein. Bis1918gehörte Triest zu dem damals bereits untergehenden österreichisch-ungari- schen Kaiserreich und hatte in dessen letzter glanzvoller Zeit, die dem Zerfall vorangegangen war, noch eine bedeu- tende Rolle gespielt. Die habsburgische Kultur war eine Kultur, die sich selbst in der Luft stehen sah, die entdeckte, daß die Realität jedes Grundes und jedes Wertes beraubt war und die auf dem Nichts ruhte, wie die Parallelaktion Musils oder die leere Loge Brochs aufdecken-die Loge, die für den Kaiser, der nie erscheint, vorbereitet ist. Das Wirk- liche ist auf Abwesenheit, auf Leere errichtet. 12

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