FORTSCHRI i -~I DER C H E M I S C H E N F O R S C H U N G : r e b e g s u a r e H .E Heilbronner • Z(irich U. Hofmann • Heidelberg KI. Sch~ifer • Heidelberg G. Wittig • Heidelberg Schriftleitung: oF Boschke • Heidelberg Band 5. Heft 2, Dez. 1965 EDELGAS-CHEMIE R. Hoppe Die Chemie der Edelgase G.v. B0nau Edelgasreaktionen in der Strahlenchemie Springer-Verlag Berlin Heidelberg NewYork Die Fortschritte der nehcsimehc Forschung erscheinen zwanglos in einzeln berechneten Hefien, die zu B.~nden vereinigt werden, lhre Aufgabe liegt in der Darbietung monographischer Fortschrirtsberichte iiber aktuefleThe- men aus allen Gebieten der chemischen Wissenschaft. Die ~Fortschritte" wenden sich an jeden interessierten Chemiker, der sich ~ber die Entwicklung auf den Nachbargebieten zu unterrichten wiinscht. In der Regel werden nur angeforderte Beitr~ige ver6ffendicht, doch sind die Herausgeber ftir Anregungen hinsichtlich geeigneter Themen jederzeit .dankbar. Beitr~ge k6nnen in deutscher, englischer oder franz6sischer Sprache ver6ffentlicht werden. Es ist ohne ausdrt~ckliche Genehmigung des Verlages nicht gestattet, photographische Ver- vielfiiltigungen, Mikrofilme, Mikrophoto u. .~ yon den Heften, yon einzelnen Beitr~gen oder yon Teflen daraus herzustellen. Anschriften: Prof. .rD .E ,rennorblieH Ziirich ,6 e~jartsstdtisrevinU 6 (Organische Chemie). .forP .rD .U Hofmann, 96 ,grebledieH elfartsnetragreiT (Anorganische Chemie). Prof. Dr. .lK ,refahcS 96 ,grebledieH elfartsnetragreiT (Physikalische Chcmie). Prof. Dr. G. V/inig, 69 ,grebledieH elfartsnetragreiT (Organische Chemie). Dipl. Chem. .F ,ekhcsoB 69 ,grebledieH Neuenheimer Landstrafle 28-30 (Springer-Verhg) galreV-regnirpS 69 Heidelberg L Postfach 3027 1 Berlin-Wilmersdorf, Heidelberger Platz 3 Fernsprecher l~ 19 10 Fernsprecher 38 30 10 Fernschreib-Nr. 04-61 723 Fernschreib-Nr. 01-83 913 New York, Fifth Avenue 571 Fernschreib-Nr. 0023-222 235 sinhciezrevstlahnI 5. Band 2. He~ ,eppoH .R Chemie der Edelgase ................. 312 Biinau, .G .v Edelgasreaktionen in der Strahlenchemie ..... 341 Die Wiederga~ yon Gebrauchsnan~n, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem 4eft berechtlgt auch ohne besondcrc Kennzeichnung nicht zu ced Annahme. daa; solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz- Gesetzgebung sla frei zu betrachten neri~w und reliaJ,, yon jedermann benutzt v.~rden d~rften. Fortschr. chem. Forsch. 5, Heft 2, S. 213--346 (1965) Die Chemie der Edelgase Prof. Dr. rer. nat. R. Hoppe Institut fiir Anorganische und Analytische Chemie der Universit~it GieBen Inhaltsiibersicht I. Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II. Einige Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Die Edelgase im Periodensystem . . . . . . . . . . . . 215 2. ,,Edelgasverbindungen" im weitesten Sinne . . . . . . . 216 3. <ere Versuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4. Entdeckung der ersten Verbindungen des Xenons . . . . 225 III. Darztellung yon Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . . 226 1. ,,Thermische" Synthese . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. DarstelIung unter Anregung durch Strahlen oder Funkenentladung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IV. Xenondifluorid, XeF 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 V. Xenontetrafluorid, XeF 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 VI. Xenonhexafluorid, XeF, . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 VII. Llber das Doppelfluorid XeF 2. XeF 4 . . . . . . . . . . . . 263 VIII. Zur Existenz weiterer bin~Lrer Xenonfluoride . . . . . . . . 267 IX. Ternlire Fluoride des Xenons . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Doppelfluoride Xe(l~cF~)n . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Doppelfluoride Xe(RuFe) n und Xe(RhFs) n . . . . . . . . 271 3. Doppelfluoride mit AsFs, SbFs, TaF 5 und BF 3 . . . . . . 272 4. Fluoroxenate (VI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 X. Oxide des Xenons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 XI. Oxidfluoride des Xenons . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Xcnonoxidtetrafluorid, XeOF 4 . . . . . . . . . . . . . 280 2. Weitere Oxidfluoride, XeOzF ~ und XeOF 2 . . . . . . . . 284 XlI. Verhalten yon Xenonverbindungen gegen Wasser . . . . . . 285 1. Verhalten yon XeF 2 gegen Wasser . . . . . . . . . . . 285 2. Hydrolytische Zersetzung yon XeF 4 dutch Wasser . . . . 287 3. Hydrolyse yon XeF 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4. E)arstellung wM3riger Xe(VIII)-LSsungen . . . . . . . . 290 5. Eigenschaften w~13riger Perxenat-LSsungen . . . . . . . 293 XlII. Eigenschaften fester Oxoxenate . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Bariumhexoxoxenat(VI), Ba3XeO 6 . . . . . . . . . . . 295 2. Natriumhexoxoxenat(VIII)-Oktahydrat Na4XeOd8H20.. 295 ,tardyhaxeH-)IIlV( 3. Natriumhexoxoxenat NaaXeO 0- 6 HtO . 297 4. KMiumhexoxoxenat (VlII)-Nonahydrat, K4XeO 6. 9HzO . . 304 5. Wasserfreies NalXeO s . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 XIV. Verbindungen des Kryptons . . . . . . . . . . . . . . . 307 1 Fortsehr. chem. Forseh., Bd. 215 213 R. Hoppe XV. Analytik von Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . . . 311 XVI. Thermochemie der Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . 311 1. Empirische Abschiitzungen volt Bildungsenthalpien .... 313 2. Zur Bildungsenthalpie yon XeF,, KrF 2 und XeC12 .... 314 3. Zur Bildungsenthalpie "con XeF, und XeF 6 . . . . . . . 318 4. Die ,,mittlere thermochemische Bindungsenergie" einiger Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 XVII. Zur chemischen I3indung in Edelgas-Verbindungen ..... 323 1. Benutzung yon dsp-Hybrid-Orbitalen zur Beschreibung der Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 2. Betrachtungen unter Berticksichtigung yon Korrelations- effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 3. Die chemische Bindung in Xenonfluoriden vom Standpunkt der MO-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 4. Betrachtungen mit Hilfe der VB-Theorie . . . . . . . . 332 5. Stand unserer Kenntnisse fiber die chemische Bindung in Edelgasverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 6. Messungen der Magnetischen Kernresoltanz und des M6ssbauer-Effektes an Edelgasverbindungen . . . . . . . 333 XVIII. Zur Darstellbarkeit weiterer Edelgasverbindungen ...... 336 XIX. SchluBwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 I. Vorwort Vor fast genau fiinfzig Jahren hat W. Kossel seine weittragende, auch heute noch nicht wesentlich eingeschr~inkte Idee yon der besonderen Stabilit~it abgeschlossener Elektronenkonfigurationen iiberzeugend dar- gelegt. Der vielfitltige Erfolg des Konzeptes der ,,Edelgaselektronen- konfiguration" hat, verbunden mit dem MiBerfolg vieler experimenteUer Versuche, Edelgasverbindungen darzustellen, weite Kreise iiberzeugt, dab es echte Verbindungen der Edelgase nicht geben k6nne. Da auch eine (in den Grundannahmen freilich nicht ganz zutreffende) Berechnung der Bildungsw~irme yon NeC1 die thermodynamische Instabilit~it dieser Ver- bindung belegte, ging die angebliche Nichtexistenz stabiler Edelgas- verbindungen in bekannte Lehrbticher ein. Seit dem Sommer 1962 weil3 man, dab es echte Verbindungen der Edelgase gibt. In Vancouver wurde im Mai 1962, yon einer Zufallsbeob- achtung inspiriert, eine Substanz dargestellt, deren Zusammensetzung (ursprtinglich zu XePtF e angenommen) nach neueren Untersuchungen der Formel Xe(PtFe)n mit n = 1-2 entspricht. In Miinster erhielt man An- fang Juli 1962, yon der thermodynamischen Stabilit~tt yon XeF 4 und XeF~ seit langem tiberzeugt, nach f3berwindung fiir Deutschland typi- scher Schwierigkeiten (Vgl. S. 226) als erste binSxe Verbindung eines Edelgases Xenondifluorid, XeF v In Argonne (USA) schlieBlich 15ste die 214 Die Chemie der Edelgase Publikation fiber,,XePtFs" Versuche aus, bei denen in den ersten August- tagen 1962 Xenontetrafluorid, XeF ,4 erhalten wurde. Dort in Argonne wurde dann nach der Entdeckung des XeF 4 eine bewundernswerte Reihe yon Untersuchungen durchgefiihrt und der grSgte Teil der jetzigen Kenntnisse fiber Edelgasverbindungen erarbeitet. Nach den ersten Publikationen dieser drei Arbeitskreise begann man sogleich auch anderen Orts, sich mit Edelgasverbindungen zu -fi~hcseb tigen, und publizierte mit Eifer. Es ist bemerkenswert, dab sich einige experimentell wohlausgerfistete und in der anorganischen Fluorchemie erfahrene Arbeitsgruppen taktvoll zuriickhielten. Der ,erste Goldrausch" auf dem Gebiete der Edelgasverbindungen ist vorbei. Noch unbekannte Verbindungen diirften weir schwieriger darzustellen sein als die zuerst erhaltenen. Uber nicht analysierte Stoffe wird hoffentlich nicht inehr publiziert. .II Einige Vorbemerkungen .1 Die Edelgase im Periodensystem Die Edelgase sind seit langem bekannt. Das Vorkommen des Heliums auf der Sonne wurde bereits 1868 bemerkt (J1, GT). In den Jahren 1892 bis 1898 haben dann Ramsay und Mitarbeiter das Argon, Krypton, Neon und Xenon entdeckt G( 1). Fiir die Erforschung der verschiedenen Ema- nationen waren Untersuchungen yon Ruther/ord, Ramsay und Soddy (G1) besonders wertvoll. Seither haben zahlreiche Forscher versucht, Verbindungen dieser Elemente darzustellen. Solche ~ilteren Versuche, beispielsweise Helium etwa mit Sauerstoff, Schwefel, Selen, mit Phosphor, Kohlenstoffverbindungen oder Oxyda- tionsmitteln wie Kaliumnitrat zur Reaktion zu bringen, zeigten, dab chemische Verbindungen der Edelgase so offenbar nicht zu erhalten sind. Ober die Frage, ob die Edelgase dementsprechend in eine nullte Gruppe des Periodensystems oder wegen ihrer yon den Halogenen zu den Alkalimetallen iiberleitenden Stellung im Periodensystem der Elemente in die .8 Gruppe einzuordnen ~iiren, ist mehrfaeh diskutiert worden (G1). So hat beispielsweise Panett~ (P1) ausdrticklich gegen die Ein- reihung der Edelgase in die 8. Gruppe pNdiert, da ihre Sonderstellung als nullwertige Elemente zu den siehersten experimentellen Ergebnissen gehSre. Andererseits hat .v Antropo~ (A l) immer an der ursprfinglichen Einreihung der Edelgase in die .8 Gruppe, wie es auch ihrer Elektronen- konfiguration entspricht, Iestgehalten. Die seit 1962 neu dargestellten Verbindungen vorzfiglich des Xenons best/itigen die Zweckm~iBigkeit seiner Auffassung. 1" 215 R. Hoppe Kossel (K l), zeigte dab zahlreiche Elemente besonders best/tndige, meist auch leicht darstellbare Verbindungen bilden, wenn sie in diesen eine edelgasiihnliche Elektronenkonfiguration besitzen. Dieses Konzept der besonderen Stabilitiit der abgeschlossenen Elektronenkonfiguration hat sich in der Chemie seither vielf~tltig und auf das beste bew~ihrt. Es ist aueh heute, naeh der Entdeckung der Edelgasverbindungen, wei- terhin wichtig und im allgemeinen gtiltig. Es sei nur daran erinnert, dab sich nicht nur einfaehe, aus Ionen anfgebaute Verbindungen, sondern beispielsweise auch viele Carbonyl- und Nitrosylverbindungen und zahl- reiche Komplexe der 13bergangselemente weitgehend in Zusammenset- zung und Eigensehaften diesem Konzept unterordnen. .2 ,,Edelgasverbindungen" im weitesten Sinne Schon seit l~tngerem sind durch Versuche, echte chemische Verbindungen der Edelgase herzustellen, StoRe bekannt geworden, die teils nur vor- iibergehend als Verbindungen aufgefa0t wurden, tells auch heute noch als ,,Edelgasverbindungen" im weitesten Sinne des Wortes ange- sehen werden k6nnen. Von diesen sollen hier drei Gruppen erwghnt werden: a) ,,Metallverbindungen" der Edelgase (,,Helide ~' etc.). Zerst/iubt man bestimmte MetaUe (beispielsweise Platin) durch Funkenentladungen in einer Edelgasatmosph~ire (fast ausschlieBlich wurde Helium, zweck- gi3liim unter erh6htem Druck, vervcendet), so entstehen dunkel aus- sehende, Ieste Stoffe wie ,,WH%" (B )1 und ,,Pt3,3He" D( ,)1 die zeitweise yon manchen Autoren als Verbindungen angesehen wurden. Offensichtlich ist hier iedoch das Edelgas nut am dispersen Metall adsorbiert. Typisch ist z.B. der Befund, dab das Debyeogramm yon ,,Pt3.3He" dem des kol- loiden Platins weitgehend entspricht D( ,7 S .)1 Man wird diese seiner- zeit vielfach diskutierten Stoffe daher n i c h t zu den Verbindungen der Edelgase im weiteren Sinne des Wortes zu rechnen haben. )b Molekeln, die Edelgasatome enthalten. Es gibt eine Reihe yon di- atomaren Molekeln, die Edelgasatome enthalten (H .)7 Diese kennt man jedoch nur im Gaszustand, und alle ungeladenen Teilchen dieser Art sind im Grundzustand thermodynamisch instabil gegen einen Zerfall in andere Stoffe. Hier seien als Beispiel genannt: Die Molekel H% ist, wie auch theoretisch begriindet wurde C( ,)1 im Grundzustand instabil gegen den Zerfall gi~meg He 2 -+ 2 He; )1( jedoch sind zahlreiche angeregte Zust~inde, die keinem Abstol3ungs- term entspreehen, spektroskopisch wohlbekannt (L .)1 612 Die Chemie der Edelgase Instabil ist auch die Molekel HHe; sie zerfAllt nicht nur, was man auf jeden Fall erwarten wiirde, nach 2 HHe ~-- H~ + 2 He 2( a ) in die Elemente, sondern auch nach HHe *-- H + He (2b) in die Komponenten, da nach Wigner-Witmer gem/il3 He (xS) + H )S2( = HHe (2Z) (3) nur ein einziger Zustand, 2Y,, fiir HHe als Grundzustand folgt, der nach Heitler und London einem AbstoBungsterm entspricht (H 7). Dagegen ist das Molekfilion HHe + - wie man aus der Analogie zur H2-Molekel bereits qualitativ folgern kann -- stabil gegen den Zerfall nach HHe+ = H+ + He oder H + He+; (4) die Dissoziationsenergie wurde zu D O = 2,02 eV = 46,59 kcal/Mol be- rechnet (B2), vgl. beztigl, anderer Arbeiten auch (H1). Es ist auffAUig, dab das mit dem gegen Zerfall instabilen HHe isoelektronische Molektil- ion He + thermodynamisch stabil ist gegen einen Zerfall gem/ii3 He+ ~ He + He+. Die Dissoziationsenergie yon He + betr~tgt 71,5 kcal/Mol = 3,1 eV; der Normalwert der freien Enthalpie des Zerfalls ist also stark positiv, vgl. z.B. (L 1). Dieser Unterschied zwischen He + und HHe h~tngt offen- bar mit der h6heren Symmetrie ,con He2 im Vergleich zu HHe zusammen. SchlieBlich ist auch fiber Molekeln wie HgHe (M 1) berichtet worden, wie sie bei der Funkenentladung im Edelgas (praktisch immer He +) in Gegenwart bestimmter Metalle spektroskopisch beobachtet wurden. Aber in allen F~illen wurden keine definierten Festk6rper isoliert, und die thermodynamischen Zustandsgr6i3en solcher Partikel wie He + etc. schlieBen auch ans, dal3 feste Verbindungen entsprechender Zusammen- setzung zu erwarten sind. Im chemischen Sinne hegen also hier, wie bei so manchen anderen Gasmolekeln, keine Verbindungen vor. )c Einschluflverbindungen red Edelgase. Am ehesten sind vom Stand- punkte des experimentell arbeitenden Chemikers aus gesehen noch jene Stoffe als Verbindungen der Edelgase im weiteren Sinne des Wortes an- zusehen, die man als Clathrate (vgl. die gute Obersicht bei (M2)) oder EinschluBverbindungen bezeichnet. Ihre am l~ngsten bekannten und wohl bemerkenswertesten Vertreter sind die ,,Edelgashydrate", die be- reits seit 1896 bekannt sind (V 7, F 7). Ihre Zusammensetzung, ursprtinglich als E-6 H20 angenommen (E = Ar, Kr, Xe, Rn, aber nicht: He, Ne), ist komplizierter Ms dieser einfachen 217 R. Hoppe Formel entspricht. Sie kann offenbar auch in gewissen Grenzen yon Probe zu Probe variieren. Das hiingt mit der Kfistallstruktur zusammen, vgl. Abb. .1 () ----"--0 0--- (cid:14)9 def rede~e#o#aogqtaef (cid:12)9 " " reaTdtilfnhezre'~ redea'~edodnogatneP renh&lfnhezreT'l Abb. .1 Zur Kristallstruktur der Edelgashydrate Nach den r6ntgenographischen Untersuchungen v. Stackelbergs (St J) liegt, wie auch Claussen (C2) vorschlug, eine groBe kubiscbe ZeUe (Raum- gruppe Of-Pm3n) vor, in der, um 0,0,0 und ,{ l, (cid:1)89 als Zentrum, jeweils zwanzig H20-Molekeln ein Pentagondodekaeder aufspannen, wobei jedes Sauerstoff-Teilchen O der H20-Molekel im IdealfaU drei gleich weit ent- fernte O-Nachbarn des gleichen Polyeders besitzt (Abstand O-O = 2,8 A). In der Elementarzelle sind zus/itzlich zu den erw~ihnten vierzig H~O-Molekeln sechs weitere H20-Molekeln vorhanden, dutch welche die Pentagondodekaeder charakteristisch miteinander verkntipft werden; jedes O-Teilchen der Pentagondodekaeder erhitlt so einen vierten O- Nachbarn und ist damit fast regul~tr-tetraedrisch yon insgesamt vier O umgeben. Jedes der verkntipfenden O-Teilchen hat seinerseits vier O- Nachbarn aus Pentagondodekaedern (Abstand O-O = 2,8 A) in eben- falls tetraedrischer Anordnung. Der charakteristische Unterschied zwischen dieser Strukturvariante des H~O, die durch den Einbau der Edelgasatome ,,stabilisiert" wird, und der Struktur yon Eis I bzw. yon ,,kubischem Eis" liegt also nicht in der Koordinationszahl der H20-Molekeln. Er ist auch nicht allein dutch die kleinere Raumerftillung begrfindet. Man erkennt aus der Tab. ,1 dab es nicht nut eine unterschiedliche Packungsdichte tier HzO-Teilchen ist, 812 Die Chemie der Edelgase die den Einbau der relativ grol3en Edelgasatome (AbstS~nde niichster Nachbarn im festen Edelgas: Ne-Ne: 3,20/~; Ar-Ar: 3,84 A; Kr-Kr: 4,02/~; Xe-Xe: 4,41 A) gestattet. Vielmehr ist die Packung der H,O im Edelgashydrat so, dab bei etwas schlechterer Raumerffillung statt vieler kleiner nun weniger, abet daitir groBe Liicken (pro )lekeloM-O.~H vorhanden sind. Es ist dabei wolff nicht yon prinzipieller Bedeutung, dab es im Edelgashydrat zwei Sorten etwas verschieden groBer Liicken gibt. Immerhin ist dieser Unterschied abet doch daffir verantwortlich, dab nicht alle Gashydrate, die zu diesem Typ geh6ren, genau der Zusammen- setzung 8E.46H20, also E.5,75H,O, entsprechen, sondern (wie im Falle der Hydrate yon CI,, HaS oder Br2) wasserreicher sind: die gr6Be- ren Molekeln, die hier statt der Edelgasatome eingebaut sind, besetzen vorzugsweise die gr6Beren Lficken (entsprechend 6E.46H,O = E-7-8 H~O). Auch bei den Edelgashydraten selbst kann man sich vorstellen, dab bei nicht sorgf/iltig hergestellten Proben die kleineren Lticken u.U. nut partiell besetzt sind. Der Aufbau der Doppelhydrate mit der auf Grund ihrer KristaU- struktur zu erwartenden idealen Zusammensetzung R- 2 E. 17 HaO (R = CH3COOH, CH2C1 ,~ CHC13, CCla und E = Ar, Kr bzw. Xe) ist/ihnlich, vgl. hierzu (St 1). Nicht nur dutch ihre Kristallstruktur, sondern auch durch ihre son- stigen Eigenschaften weisen sich diese Edelgashydrate als ,,Verbindun- Tabelle 1. Zur Pachungsdichte yon H~O in Eis und in den Edelgashydraten t ,,kubisches" Eis Eis I Edelgashydrat Elementarzelle kubisch hexagonM kubisch Hoch-Cristobalit Tridym~ Gitterkonstanten a = 6,350 h a ~ 4,527 A a = 12,00 A bei -1300C c = 7,367A bei 0~ gahl der O-Teilchen/ eUeZ 4 46 ktirzester Abstand 2,75 h 2,76 h 2,8A O-O (angenommen) Zellvolumen 256,0/k 3 130,6 h 8 1728/k 8 yon H20 ,,erfiillter Raum" 87,1 h a 44,0 h 3 7.155 sA Raumerfifllung 34,0% 7,33 % 31,9% der Hohlr~ume 57,2 h 3,14/k 5,2A 5,9& (Zahl/Zelle) (8x) (4 x) (2x) (6x) H,O/Hohlr~ume i} = 5,75 1 3erechnet (H2) nach Zahlenangaben (bzgl. der H~O-Modifikation) bei Wyckol (W 1) bzw. (bzgl. der Edelgashydrate) yon v. Stackelberg (St 1 ). 219 R. Hoppe gen" aus, deren Bauzusammenhalt nur durch van der Waalssche Kriifte bewirkt wird, in denen also unverlindert E d e 1 g a s a t o m e vofliegen. Es ist bekannt, dab die interatomaren Kfiifte in festen und fliissigen Edelgasen stark mit steigender Entfernung der in Wechselwirklmg be- findlichen Atome abnehmen; bier liegen typische Beispiele fiir die van der "~/ga~ / ~ r Abb. 2. Zusammenhang | ~ zwischen reziproker Ioni- / - / " - u.a ~L 0,~e Siedepunkt bei den Edel- ~0t r r r r ~ ~ gasen (nach Bagge und 5 6 7 s s m 1~ 21 Harteck 1946) e~orp/zer zunnapss72zme/sinol d x 01 ~ (/n )~-K Waalsschen Kr~tfte vor. Damit hfi_ngt z. B. zusammen, daB, wie die Abb. 2 zeigt, nach Bagge und Harteck (B3) die kritische Temperatur der Edel- gase eine lineare Funktion der reziproken ersten Ionisierungsspannung ist. Ferner ist (H2) der Siedepunkt der Edelgase eine einfache Funktion tier Polarisierbarkeit bzw. der Molekularrefraktion, vgl. Abb. 3. Erwiihnt sei schlieBlich ill diesem Zusammenhang noch, dab wegen solcher Be- ziehungen z.B. auch ein einfacher linearer Zusammenhang zwischen den Siedepunkten der Edelgase und der Halogene besteht (H2), vgl. Abb. 4. ztA .~ oos 002 KO a.s a~, s,~ I a,2 I 4s I ~ ot ~~ N? eNt I ~A? I ~K| i eXf L ~Rt l/ekrgbV rei~lra/of ")jniluaf.n( ~ 0 05 001 051 00d ~ #lnuped%,.. sed sesag~eirE Abb. 3. Zusammenhang zwischen Siede- Abb. 4. Zusammenhang zwischen den Sie- punlrt und Polarisierbarkeit der Edelgase depunkten bei Halogenen und Edelgasen Die Abb. 5 l~iBt nun erkennen, dab die Zersetzungstemperaturen der Edelgashydrate (bei p = I arm) in einfacher Beziehung zu den Siede- punkten der Edelgase stehen (H2). Man wird durch solche und andere Argumente in der bereits durch die KristaUstruktur der Edelgashydrate belegten Aussage best~tigt, dab bier nur ,zwischenmolekulare" Kriifte den Zusammenhalt vermitteln. 220