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Echnaton und das Trauma des Monotheismus PDF

8 Pages·2001·9.4 MB·German
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Echnaton und der Monotheismus Von Jan Assmann, Professor am ägyptologischen Institut der Universität Heidelberg Originalveröffentlichung in: Welt und Umwelt der Bibel 4, 2001, S. 19-25 Echnaton und das Trauma des Monotheismus Echnaton scheint der Erste in der überlieferten Geschichte der Menschheit zu sein, der eine Neuerung in die Religionsgeschichte eingeführt hat, die die Tradition Mose zuschreibt: die Unterscheidung zwischen wahr und falsch. Er hatte als Erster die unglaubliche Kühnheit, gestützt auf diese Unterscheidung, die gesamte polytheistische Tradition des alten Ägypten zu verwerfen, zugunsten eines neuen Gottes, den er „die lebendige Sonne" nannte. Echnaton ist eine Figur der Geschichte und fiel nach seinem Tod einem vollständigen Vergessen anheim, aus dem ihn erst die Archäologie des 19. Jhs. wieder hervorzog; Mose dagegen ist eine Figur der Er­ innerung, von dem sich nie die geringste Spur einer geschichtlichen Existenz hat feststellen lassen. Sigmund Freud analysierte in seinem Feindseligkeit, das schlechte Gewissen, So erklärt Freud sowohl die lange „Latenz­ Buch Der Mann Moses und die mono­ man habe sich gegen Gott versündigt und phase“ des Monotheismus, der mehr als theistische Religion die traumatisierendenh öre nicht auf zu sündigen. sechs Jahrhunderte brauchte (vom Tod des Aspekte und Wirkungen des Monotheis­ Diesem mörderischen Vaterhass ist Mo­ Mose, den Freud gegen Ende des 14. Jhs. mus. Für ihn bedeutet der Monotheismus se, Freud zufolge, zum Opfer gefallen. datiert, bis zum Auftreten der Propheten die Wiederkehr des Urvaters, der - ermor­ Freud macht aus Mose einen Anhänger im 8. Jh.), um sich in Israel durchzusetzen, det, verdrängt, zum Totem und später zum Echnatons, der sich nach dem Tode des Kö­ als auch den Zwangscharakter der mono­ polytheistischen Pantheon erhoben - in nigs den im Delta siedelnden Juden ange­ theistischen Religion, die „erst das Schick­ Gestalt der monotheistischen Vaterreligion schlossen habe, um ihnen die in Ägypten sal der Verdrängung, den Zustand des Ver- zurückkehrt und dabei alle ambivalenten verfolgte monotheistische Religion weiter­ weilens im Unbewussten durchgemacht Reaktionen auslöst, die die Vaterbeziehung zugeben. „Während die zahmen Ägypter haben musste, ehe sie bei ihrer Wiederkehr kennzeichnen: warteten, bis das Schicksal die geheiligte so mächtige Wirkungen entfalten, die Mas­ Zum Wesen des Vaterverhältnisses ge­ Person des Pharao beseitigt hatte,“ um die sen in ihren Bann zwingen konnte“. hört die Ambivalenz; es konnte nicht aus- neue Religion zu beseitigen und ihre Spu­ Die Bibel bestätigt Freuds Rekonstruk­ bleiben, dass sich im Laufe der Zeiten auch ren zu verwischen, „nahmen die wilden Se­ tion. Sie weiß zwar nichts von einem wirk­ jene Feindseligkeit regen wollte, die einst miten das Schicksal in ihre Hände“ und lichen Mord an Moses, aber sie erzählt, die Söhne angetrieben hatte, den bewun­ räumten - unfähig, „eine so hoch vergei­ dass Mose zweimal nahe daran war, von derten und gefürchteten Vater zu töten. Im stigte Religion zu ertragen, den Tyrannen der aufrührerischen Volksmenge gesteinigt Rahmen der Moses-Religion war für den di­ aus dem Wege“. In diesem Mord habe sich zu werden. Die Tötungsabsicht reicht, wie rekten Ausdruck des mörderischen Vater­ die verdrängte Erinnerung an den ur­ wir von Freud selbst gelernt haben, völlig hasses kein Raum; nur eine mächtige Re­ sprünglichen Vatermord manifestiert, die aus, um die von ihm rekonstruierten trau­ aktion auf ihn konnte zum Vorschein kom­ nicht wirklich erinnert und „durchgearbei­ matisierenden Wirkungen hervorzubrin­ men, das Schuldbewusstsein wegen dieser tet“, sondern lediglich „wiederholt“ wurde. gen und ein starkes Schuldgefühl zu er- Relief aus Amarna: Echnaton und Nofretete, gefolgt von einer ihrer Töchter, bringen Aton Libationsgefäße dar. Der König trägt die weiße Krone, die die Macht über Oberägypten symbolisiert. Rechts von der Szene erkennt man Blumensträuße, die auf kleine Altäre gelegt wurden. 105 x 50 cm, Ägyptisches Museum Kairo. © Dagii Orti echnaton und der monotheismus 19 weit und umweit der bibel 4/3001 y-.'ir -m&w ‘AtW. Eingravierte Darstellung Echnatons. Dieses Modell diente ohne Zweifel einem Bildhauer als Vorlage für sei­ ne Arbeit. Ägyptisches Museum findet in der Bibel expliziten Ausdruck. In sten Strafen des göttlichen Zorns nun un­ Berlin, ©m. Büsing 2 Kön 22-23 whd erzählt, wie bei Bauarbei­ ausweichlich geworden sind. Josia unter­ ten im Tempel ein Buch des Bundes ge­ nimmt unverzüglich eine durchgreifende funden wird, das sich als ein Werk des Mo­ kultische Säuberungsaktion. Die Altäre zeugen. Noch viel expliziter ist der bibli­ se herausstellt, darin alle Gesetze nieder­ und Heiligtümer kanaanäischer Gottheiten sche Text bezüglich der „Latenzphase“, die gelegt sind, nach denen das Volk im Lande werden geschleift, die Priester umgebracht, er als „Vergessen“ darstellt. Nachdem die Is­ leben soll. Dieser Fund stürzt König und der Tempel in Jerusalem von allen Spuren raeliten das Gesetz am Sinai empfangen Volk in tiefste Verzweiflung. Denn es ist kanaanäischen Götzendienstes gereinigt haben, haben sie es immer wieder verges­ klar, dass alle diese Gesetze vergessen und und als einziges Heiligtum des Judentums sen. Sogar die Wiederkehr des Verdrängten verletzt worden waren und die furchtbar­ eingesetzt. 20 weit und um weit der bibel 4/2001 In diesem Buch erkennt man allgemein der babylonischen Gefangenschaft. Das außerweltlichen Gott die Treue zu halten, das Deuteronomium, also dasjenige der ganze „deuteronomistische Geschichts­ sich unablässig, Tag und Nacht, zuhause fünf Bücher Mose, das dem Thema von Er­ werk“ ist der Versuch einer Verarbeitung und unterwegs die Worte der Tora ins Ge­ innern und Vergessen gewidmet ist und dieser Katastrophe im Zeichen der Schuld. dächtnis zu rufen und die verbotenen, aber das nicht eine ausgefeilte kulturelle Mne­ Die Schuld besteht im Vergessen des extra­ sinnlich evidenten und nahen Götter dieser motechnik entwirft, um das Gesetz und die territorialen Gesetzes und in der Assimila­ Welt vollständig zu vergessen. geschichtlichen Erfahrungen, die mit sei­ tion an die Sitten des Landes, besonders Das monotheistische Trauma ist daher ner Offenbarung verbunden sind, künfti­ aber im Dienst der Götterbilder. Es geht in zweifach; es liegt zum einen in der nie ganz gen Geschlechtern zu überliefern und vor den biblischen Texten also nicht nur um Er­ zu erfüllenden Verpflichtung, die Götter Vergessen zu bewahren, sondern das auch innern und Vergessen, sondern auch um dieser Welt zu vergessen, d. h. sich in die­ solches Vergessen unter fürchterlichste Schuld und Trauma, also um alle Themen ser Welt nie ganz zuhause zu fühlen, und Strafen stellt. Die geradezu sadistische der Freudschen Analyse. zum anderen in der gewaltsamen Verfol­ Schilderung dieser Strafen füllt das 28. Ka­ Um das monotheistische Trauma zu ver­ gung und Destruktion der zu „Götzen“ er­ pitel des Deuteronomiums, das sich gar stehen, ist es nicht nötig, auf die Mytholo­ klärten verbotenen Götter, d. h. im gewalt­ nicht genug tun kann in der Ausmalung gie des Urvaters zurückzugreifen. Dertrau- samen und „theoklastischen“ Charakter grauenhaftesten Unheils. Dieses Kapitel ist matisierende Charakter der monotheisti­ eine einzige „Todesfuge“, eine Vorwegnah­ schen Religion liegt in der Unterscheidung Talatat aus Kalkstein, gefunden in Amarna. me von Auschwitz. Man möchte es einen von wahr und falsch, in der Vorstellung, es Er stellt Hofdamen dar, die bei einem Fest traumatisierten Text nennen. Dahinter könne falsche Götter geben und der Trinkschalen vor ihren Mund halten. steht die Erfahrung der Vernichtung des Mensch sei ständig versucht, sich der Welt Ursprünglich bezeichnet der Begriff „Talatat" Nordreichs durch die Assyrer, der Zerstö­ zu assimilieren und ihre Götter anzubeten, schmale Sandsteinblöcke, die von Pylonen des Atontempels in Karnak stammen. rung Jerusalems durch die Babylonier und statt dem Einen, fernen, unsichtbaren und Dieser Name wurde ihnen von den ägypti­ schen Steinarbeitern nach dem arabischen talatat (=drei) gegeben.©m. Busing 21 weit und umweit der bibel 4/2001 gen und korrekten Durchführung der Riten abhängig weiß, bedeutet, wenn plötzlich die Riten eingestellt, die Feste abgeschafft, die heiligen Stätten entweiht, die Bilder zer­ stört, die Kulte verboten, die Priester ver­ folgt und die ganze überlieferte Götter- und Normenwelt zu Lug und Trug, Teufelswerk und Götzendienst erklärt werden. Diese Er­ fahrung haben die Ägypter im 14. Jh. v. Chr. gemacht, vermutlich als die Ersten in der Geschichte. Ich kann sie mir nicht anders als traumatisch denken. Die Verfolgung der alten Götter wurde als eine unaussprechli­ che Sünde empfunden, die Echnaton eine damnatio memoriae eintrug und die die Ver­ nichtung aller sichtbaren Spuren seiner Häresie zur Folge hatte. Echnaton versank in der tiefsten „Latenz“, aus der er erst ge­ gen Ende des 19. Jhs. wieder aufzutauchen begann. Es ist natürlich nur allzu verführerisch, Echnaton einfach an die Stelle Moses zu setzen und den Propheten ohne Geschich­ te durch den König ohne Tradition zu er­ setzen. Wie soll man sich aber nun wirklich die Verbindung von Echnaton und Mose denken? Meiner Ansicht nach gibt es keine Kausalbeziehung zwischen dem mono­ theistischen Umsturz des Echnaton und dem biblischen Monotheismus. Wenn wir Hände aus einer Figurengruppe,Teil el-Amarna, um 1350 v. Chr. ©bkpBerlin aber den Begriff der Kausalität durch den der Emergenz (Weiterentwicklung) erset­ zen, ergibt sich sehr wohl ein Zusammen­ hang. Diese Beziehung liegt nicht im Ur­ sprung des Monotheismus, wo Freud sie der „Mosaischen Unterscheidung“ zwi­ tons zu machen? Fast möchte man glau­ gesucht hatte, sondern hat sich erst im Lauf schen wahrer und falscher Religion. Ich sa­ ben, die beiden seien identisch. Denn seiner Entwicklung herausgebildet. Ech­ ge „Mosaische Unterscheidung“, aber man Echnaton ist, wie eingangs festgestellt, eine naton, der vergessene Häretiker, und Mose, darf natürlich nicht vergessen, dass es Figur der Geschichte, die vergessen wurde der legendäre Prophet, Religionsstifter, Ge­ Echnaton, nicht Mose war, der diese Unter­ und aus der Tradition verschwand, Mose setzgeber und Volksgründer, sind erst scheidung zuerst in die Religion eingeführt dagegen ist eine Figur der Tradition, von nachträglich, aber bereits in der Antike zu und alle Gottheiten der traditionellen Reli­ der es keine geschichtlichen Spuren gibt. einer einzigen Figur verschmolzen wor­ gion zu falschen Götzen erklärt hatte. Er Die beiden ergänzen sich also hervorra­ den. war es, der als Erster die religiöse Tradition gend. Echnaton aber ist es, der genau das Der ägyptische König ist nämlich nicht verworfen, die Namen und Bilder der Göt­ Schicksal erfuhr, das Freud Mose zu­ vollständig verschwunden aus dem kollek­ ter ausgelöscht, die Tempel geschlossen schrieb; bei ihm kann man in der Tat von tiven Gedächtnis des alten Ägypten. Er wur­ und die Kulte der als inexistent erklärten Verdrängung und Latenz sprechen. de vielmehr „verdrängt“ - was, wie Freud Götter verboten hat. Wenn man einmal von Die Verdrängung Echnatons hat indes­ gezeigt hat, eher eine Form der Bewahrung allen inhaltlichen Unterschieden ihrer reli­ sen nichts zu tun mit Vatermord und mit als des Verschwindens ist - und tauchte giösen Lehre absieht, hat Echnaton diesel­ dem mörderischen Hass gegen die Pro­ später unter einem anderen Namen in selt­ be revolutionäre Tat vollbracht, die die Bibel pheten, sondern vielmehr mit dem Trauma samster, aber noch durchaus wieder er­ Mose zuschreibt. Echnatons Unterschei­ des Theoklasmus. Nicht die Einführung ei­ kennbarer Form in einer ägyptischen Le­ dung ist dieselbe wie die des Mose. Diese nes neuen Gottes, aber das Verbot und die gende aus hellenistischer Zeit wieder auf, Feststellung lädt dazu ein, auf Freuds The­ Verfolgung aller alten Götter muss ein die sich auf den Exodus der Juden bezieht. se zurückzukommen, dass es zwischen schwerer Schock gewesen sein. Hier haben Diese Legende zirkulierte in der hellenisti­ dem „Mono-Atonismus“ Echnatons und uns die Erfahrungen unserer eigenen Zeit schen Historiographie in einer Fülle sehr dem „Mono-Jahwismus“ des Mose eine und der Postkolonialismus die Augen dafür unterschiedlicher Fassungen, was auf eine kausale Beziehung gegeben habe. Was liegt geöffnet, was es für eine Mentalität, die den verbreitete, teilweise mündliche und je­ näher als Moses zu einem Jünger Echna­ Fortbestand der Welt von der regelmäßi­ denfalls weit zurückreichende Tradition 22 echnaton und der monotheismus weit und umweit der bibel 4/2001 hindeutet. Der früheste Autor, der diese Führer einer Gruppe Aussätziger macht. men bei ihm der verdrängte Ketzerkönig Verbindung zwischen Echnaton und Mose Der König hat diese Aussätzigen in Kon­ und der jüdische Erzprophet zusammen. vollzieht, ist Manetho, ein ägyptischer zentrationslagern interniert und zur Des weiteren befestigte Osarsiph-Mose die Priester des frühen 3. Jhs. v. Chr., aus des­ Zwangsarbeit verpflichtet. Eine Weissa­ Stadt, eroberte Ägypten und terrorisierte sen verlorenem Werk über die ägyptische gung hat ihm mitgeteilt, die Aussätzigen das Land 13 Jahre lang in der schlimmsten Kultur und Geschichte sich in Josephus Fla- würden das Land verunreinigen und da­ Weise. Die Aussätzigen verbrannten die vius’ Streitschrift Contra Apionem zwei um­ durch verhindern, dass er, König Ameno- Städte und Tempel, zerstörten die Götter­ fangreiche Exzerpte erhalten haben. Mane­ phis, die Götter schauen könne. Osarsiph bilder, verwandelten die Sanktuare in Kü­ tho erzählt von einem ägyptischen Priester verhandelt mit dem König und erreicht chen und brieten die heiligen Tiere am namens Osarsiph, der sich zu Zeiten Ame- freien Abzug in die alte Hyksosstadt Avaris Spieß. 13 Jahre entspricht ungefähr der Be­ nophis' III. (also des Vaters des aus den Kö­ im Ostdelta. Dort organisiert er seine Aus­ siedlungsdauer von El-Amama. Die Hand­ nigslisten gestrichenen Echnaton) zum sätzigen in einer Leprakolonie und gibt ih­ lung spielt in der Amarnazeit. Offenkundig nen Gesetze. Das erste Gebot befiehlt: die bewahrt diese Legende eine vage und ver­ Götter dürfen nicht angebetet werden. Das schobene Erinnerung an die monotheisti­ zweite befiehlt das Essen der heiligen Tiere sche Episode der Amarnazeit, deren theo­ Wand aus bemalten Sandstein-Talataten. und die Missachtung sonstiger Speiseta­ klastischen Charakter sie deutlich genug Das in Karnak errichtete Monument war dem bus. Das dritte verbietet den Umgang mit zum Ausdruck bringt. Aton geweiht. Echnaton und Nofretete erhe­ Außenstehenden. Zuletzt, heißt es, nimmt Manetho beleuchtet die Unterscheidung ben Opfergaben zu Aton. Echnaton trägt ein Osarsiph den Namen „Moyses“ an. So kom­ zwischen wahr und falsch von der Gegen- Tuch als Perücke, Nofretete (kleiner) eine Pe­ rücke mit zwei Federn. Museum von Luxor. © Dagli Orti mt 23 weit und um weit der bibel 4/2001 seite, der Seite der Heiden. Aus dem Gebot, mit Mose ermöglicht haben. Zum Weiterlesen: keine anderen Götter anzubeten, wird bei Die Legende lehrt uns außerdem, dass ihm das Verbot, überhaupt Götter anzube­ man die Bedeutung des Ursprungs nicht ten. Aus dem Bilderverbot wird das Gebot, überschätzen darf. Als Ausgangspunkt ha­ die Bilder zu zerstören und die heiligen Tie­ ben wir den Monotheismus Echnatons und Sigmund Freud, re zu schlachten. Aus der Exklusivität des den biblischen Monotheismus anzusetzen, Der Mann Moses und die Gesetzes wird bei ihm das Verbot des Ver­ zwei Ereignisse, die aller Wahrscheinlich­ monotheistische Religion, kehrs mit Außenstehenden. Vor allem sto­ keit nach nichts miteinander zu tun haben. Gesammelte Werke, Bd. XVI, ßen wir hier erstmals auf die Sprache der Zumindest gibt es keine Kausalbeziehung 101-246. Bibliothek Suhrkamp, Krankheit. Aus der Sicht der traditionellen zwischen der Revolution von Amarna und Religion, die auf der Unterscheidung von der Entstehung des biblischen Mono­ Bd.131, Frankfurt 1964. rein und unrein beruht, erscheint die neue theismus sechs bis acht Jahrhunderte spä­ Religion mit ihrer Zerstörung der Götter ter. Inhaltlich handelt es sich in beiden Fäl­ Jan Assmann, und Bilder als die schlimmste Form von len um grundverschiedene Dinge. Ech- Moses der Ägypter, Entziffe­ Unreinheit, als Aussatz. Die Kirchenväter naton geht es um einen Monotheismus der rung einer Gedächtnisspur. übernehmen später diese Sprache und Erkenntnis. Dahinter steht ein neues Welt­ wenden sie auf die Heiden und Götzendie­ bild, das alles Sein, die gesamte Wirklich­ Fischer-Taschenbuch, ner an. Eusebius spricht von der „ägypti­ keit, auf das Wirken der Sonne zurück­ Frankfurt 2000. schen“, Theodoret von der „griechischen führt, die durch ihre Strahlung Licht und Krankheit“. Idolatrie (Bilderverehrung) ist Wärme, und durch ihre Bewegung die Zeit in ihren Augen eine Seuche und vor allem hervorbringt. Aus dieser Entdeckung, dass eine Sucht, gegen die das Gesetz als eine die Sonne nicht nur das Licht, sondern Entziehungskur wirken soll. In der Sprache auch die Zeit generiert, zog Echnaton den der Krankheit, insbesondere der Suchtme­ Schluss, dass die anderen Götter für die Er­ tapher, artikuliert sich das bewusste Wissen zeugung und Aufrechterhaltung der Welt um die traumatischen Aspekte der mono­ überflüssig, und daher inexistent, Lug und Texte des hellenistischen Ägypten entspre­ theistischen Religion mit ihrer Unterschei­ Trug sind. Daher wurden unter Echnaton chen den anti-idolatrischen und anti-poly­ dung zwischen wahr und falsch. Vor allem ihre Tempel geschlossen, ihre Kulte und theistischen Texten der biblischen Tradi­ aber zeigt sich, dass der ägyptische Antiju­ Feste abgeschafft, ihre Bilder zerstört und tion, die ihrerseits immer aggressiver wird. daismus in der Tat auf einer Verdrängung, ihre Namen ausgehackt. Der biblische Es handelt sich um einen gegenseitigen also einer kollektiven psychischen Störung Monotheismus dagegen ist ursprünglich Hass. Die biblischen Texte - Jes 45, Jer 10, basiert. In der Begegnung mit dem jüdi­ ein Monotheismus der Bindung. Dahinter Ps 115, Wsh 13-16 - stellen die Bildverehrer schen Monotheismus erlebten die Ägypter steht — ursprünglich — nicht die Erkennt­ als Toren und Wahnsinnige dar, so wie die eine Wiederkehr des Verdrängten, auf die nis, dass es nur einen Gott gibt, sondern ägyptischen Legenden die Bildzerstörer als sie mit heftigen Abwehrmechanismen rea­ der Wille, sich nur an einen Gott zu binden, Aussätzige zeichnen. Beiden Seiten gilt die gierten. nur einen Gott als verbindlich anzuerken­ jeweils andere als „gottlos“. Während aber Der Bericht des Manetho kann uns zwei nen. „Höre, Israel, JHWH, unser Gott, ist für die Monotheisten Gottlosigkeit darin Dinge lehren. Er zeigt uns zunächst, dass EIN JHWH. Du sollst keine anderen Götter besteht, falsche Götter anzubeten, erbli­ Begriffe wie „Trauma“, „Verdrängung“ und haben neben mir.“ All das besagt, dass Is­ cken die Kosmotheisten Gottlosigkeit dar­ „Latenz“ sich durchaus auch auf kulturelle, rael sich nur diesem Einen Gott anschlie­ in, den Göttern, gleich welchen, Anbetung und nicht nur psychische Phänomene be­ ßen soll. Mose geht es nicht um ein neues zu verweigern. Für sie, die „Heiden“, gibt es ziehen können. Die Verdrängung Echna- Weltbild, sondern um eine neue politische keine „falschen“ Götter. Alle Götter haben tons bestand in der vollkommenen Tilgung Ordnung, um Gesetzgebung, Verfassung, Anspruch auf Verehrung, und die Angst aller Spuren der Amarnazeit einschließlich Bündnis und Bindung. geht eher dahin, es gegenüber irgendwel­ des Namens aus der Königsliste, so dass es Die Beziehungen, die sich dennoch zwi­ chen, vielleicht unbekannten Göttern an unmöglich wurde, die traumatischen Er­ schen diesen beiden ursprünglich so ver­ Verehrung fehlen zu lassen, als die fal­ innerungen dieser Zeit zu identifizieren, schiedenen Ansätzen am Ende einer lan­ schen Götter anzubeten. Während die Ju­ zu datieren und zu lokalisieren, die daher gen Tradition herausgebildet haben, sind den alle Bilder entfernen müssen, um den immer vagere und legendenhaftere Züge das Ergebnis einer Semantik, die man nicht Kontakt mit ihrem Gott nicht zu verlieren, annahmen. Auf diese Weise stellte sich ein mit dem Anfang, sondern mit dem Ende müssen die „Heiden“ umgekehrt die Bilder Zustand der Latenz ein. Nach ein oder zwei dieses Prozesses verbinden muss. Diese Se­ vervielfältigen und wie ihren Augapfel hü­ Generationen wusste man nicht mehr, mit mantik entwickelt sich im Umkreis der ten, um mit ihren Göttern in Verbindung welchem Namen man die theoklastische Unterscheidung zwischen wahrer und fal­ zu bleiben. Revolution verbinden sollte. Dennoch wur­ scher Religion, d. h. der Begriffe „Idolatrie“ In Ägypten besitzen wir über die Exo­ den der Name und die Person Echnatons und „Ikonoklasmus“. Zwischen der Ver­ dusüberlieferung hinaus vor allem im her­ nicht vollkommen unterdrückt; unter der teufelung der Bilderverehrung und der Ver­ metischen Buch Asclepius ein Zeugnis die­ Maske des „Osarsiph“ haben sie überdauert teufelung des Bildersturms herrscht eine ser Mentalität. Man hat bisher die berühm­ und im Gedächtnis des Volkes eine „Kryp­ Beziehung der Inversion. Die anti-ikono- te Asclepius-Apokalypse nicht als einen ta“ gebildet die zuletzt ihre Identifizierung klastischen und anti-monotheistischen anti-ikonoklastischen Text erkannt, weil 24 echnaton und der monotheismus weit und umweit der bibel 4/2001 man den Kontext nicht beachtet hat. Die „Denn die Gottheit wird von der Erde ben, und so wird Ägypten, der Menschen Apokalypse schließt unmittelbar an ein wieder zum Himmel aufsteigen und und Götter beraubt, wüst und leer sein...“ Loblied auf die Standbilder der Götter an, Ägypten verlassen. Dieses Land, einst der Ich halte hier inne; der Text fährt in die­ „die beseelt sind, voller Geist und Pneuma, Sitz der Religion, wird nun der göttlichen ser Weise noch seitenlang fort. Es scheint die große und gewaltige Taten vollbringen, Gegenwart beraubt sein. Fremde werden mir offenkundig, dass diese Apokalypse Standbilder, die die Zukunft vorherwissen dieses Land bevölkern, und die alten Kul­ sich auf die christlichen Ikonoklas- und sie durch Los, Seher, Träume und vie­ te werden nicht nur vernachlässigt, son­ ten/Theoklasten bezieht, deren Erfolg sich le andere Dinge Voraussagen, die den Men­ dern, was schlimmer ist, gleichsam durch im Ägypten des späten 3. Jhs., als dieser schen Schwächezustände bereiten und sie Gesetze werden unter Strafandrohung Text entstand, bereits deutlich abzuzeich­ heilen, Trauer und Freude bereiten, je nach Religion, Frömmigkeit und Kult der Göt­ nen begann. Ein expliziteres Zeugnis für Verdienst. Oder weißt du nicht“, fährt der ter verboten." (Hier haben wir das erste den traumatischen Aspekt, unter dem der Text fort, „dass Ägypten das Abbild des Gebot des Mose alias Osarsiph).„Dann Monotheismus vom aussterbenden Hei­ Himmels ist, oder, was der Wahrheit mehr wird dieses allerheiligste Land, die Stätte dentum betrachtet und erfahren wurde, entspricht, dass hierher all das, was es im von Heiligtümern und Tempeln, übervoll lässt sich nicht wünschen, und es spricht Himmel an Lenkung und Aktivitäten gibt, sein von Grabstätten und Toten. 0 Ägyp­ manches dafür, dass das Volk bereits auf übertragen und herabgeführt wurde? Und ten, Ägypten, allein die Erzählungen über den monotheistischen Umsturz Echnatons wenn man es noch richtiger sagen soll, ist deine religiösen Gebräuche werden übrig in ähnlicher Weise reagierte, cvn unser Land der Tempel der ganzen Welt.“ bleiben und sie werden deinen Nach­ Offensichtlich sind es die Götterbilder, de­ kommen unglaubwürdig erscheinen, und ren Gegenwart Ägypten in den Tempel der allein Worte, in Steine gehauen, die von Welt verwandelt, den Sitz der Götter. So ver­ deinen frommen Taten berichten, wer­ steht sich von selbst, dass es die Zerstörung den übrig bleiben ... die Götter suchen dieser Götterbilder ist, die die im Folgenden wiederden Himmel auf;von ihnen ver­ Blick über das Gelände von Achet-Aton/ geschilderte Katastrophe nach sich zieht. lassen, werden die Menschen alle ster­ Amarna.Von der „Wüstenhauptstadt“ Echna­ tons und Nofretetes sind nur die Ruinen übrig, denn Aketaton wurde nach dem Tod des Königs aufgegeben. ©h.champoiiion/Top echnaton und der monotheismus 25 weit und umweit der bibel 4/2001

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