Mathematik Kompakt Manfred Einsiedler Klaus Schmidt Dynamische Systeme Ergodentheorie und topologische Dynamik Mathematik Kompakt Mathematik Kompakt Herausgegebenvon: MartinBrokate HeinzW.Engl Karl-HeinzHoffmann GötzKersting KristinaReiss OtmarScherzer GernotStroth EmoWelzl DieneukonzipierteLehrbuchreiheMathematikKompaktisteineReaktionaufdieUmstel- lungderDiplomstudiengängeinMathematikzuBachelorundMasterabschlüssen.Ähnlich wiedieneuenStudiengängeselbstistdieReihemodularaufgebautundalsUnterstützung derDozierendensowiealsMaterialzumSelbststudiumfürStudierendegedacht.DerUm- fang eines Bandes orientiert sich an der möglichen Stofffülle einer Vorlesung von zwei Semesterwochenstunden.DerInhaltgreiftneueEntwicklungendesFachesaufundbezieht auch dieMöglichkeiten der neuenMedien mitein.VieleanwendungsrelevanteBeispiele gebendenBenutzernÜbungsmöglichkeiten.ZusätzlichbetontdieReiheBezügederEin- zeldisziplinenuntereinander. Mit Mathematik Kompakt entsteht eine Reihe, die die neuen Studienstrukturen berück- sichtigtundfürDozierendeundStudierendeeinbreitesSpektrumanWahlmöglichkeiten bereitstellt. Manfred Einsiedler · Klaus Schmidt Dynamische Systeme Ergodentheorie und topologische Dynamik ManfredEinsiedler KlausSchmidt DepartementMathematik FakultätfürMathematik ETHZürich UniversitätWien Zürich,Schweiz Wien,Österreich ISBN978-3-0348-0633-6 ISBN978-3-0348-0634-3(eBook) DOI10.1007/978-3-0348-0634-3 SpringerBaselDordrechtHeidelbergLondonNewYork DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografie;detaillierte bibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. MathematicsSubjectClassification(2010):Primary:37-01,37A05,37A35,28D05,28D20,54H20;Secondary: 37A25,37A45,37A50,37C85 ©SpringerBasel2014 DasWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung,dienichtausdrücklich vomUrheberrechtsgesetzzugelassenist,bedarfdervorherigenZustimmungdesVerlags.Dasgiltinsbesondere fürVervielfältigungen,Bearbeitungen,Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerar- beitunginelektronischenSystemen. DieWiedergabevonGebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.indiesemWerkberechtigt auchohnebesondereKennzeichnungnichtzuderAnnahme,dasssolcheNamenimSinnederWarenzeichen- undMarkenschutz-Gesetzgebungalsfreizubetrachtenwärenunddahervonjedermannbenutztwerdendürften. Einbandentwurf:deblik,Berlin GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier SpringerBaselistTeilderFachverlagsgruppeSpringerScience+BusinessMedia www.springer.com Vorwort VieleSystemeausderPhysik,derBiologieoderderÖkonomiesindeinerZeitentwicklung unterworfen,derenasymptotischesVerhaltenvonzentralem Interesseist.Diemathema- tischeTheoriederdynamischenSystemebeschäftigtsichmitderUntersuchungvonMo- dellen derartiger Systeme, wobeimannormalerweiseannimmt, dasssich dasqualitative Verhalten des Systems im Laufe der Zeitentwicklung nicht ändert. Dabei wählt man als ZustandsraumdesSystemseineMengeXmiteinervorgegebenenStruktur(z.B.einento- pologischenRaumodereinenMaßraum),dieunterderZeitentwicklung erhaltenbleiben soll.WenndasSystemzueinemZeitpunkt t imZustandx ∈ Xist,dannbezeichnetman mitTxdenZustanddesSystemszumZeitpunktt +t.DiesodefiniertenAbbildungenT t t bildeneineHalbgruppe:Ts ○Tt = Ts+t füralles,t ≥ .Jenachdem,obmandieZeitent- wicklungkontinuierlich odernurzuVielfacheneinesgegebenen Zeitpunktes t verfolgt, sprichtmanvoneinem„kontinuierlichen“oder„diskreten“dynamischenSystem. Im Fall einer diskreten Zeitentwicklung wird ein dynamisches System also durch ein Paar(X,T)beschrieben,wobeiXeineMengeundT∶X (cid:6)→ XeineAbbildungist,diedie EntwicklungdesSystemsineinemZeitschrittbeschreibt.WennXeintopologischerRaum (hiermeistkompaktundmetrisierbar)undT∶X (cid:6)→Xstetigist,sosprichtmanvoneinem topologischendynamischenSystem.WennderZustandsraumeinWahrscheinlichkeitsraum (X,S,μ)undT∶X (cid:6)→ X einemaßerhaltendeTransformationist,soistmanimBereich der Ergodentheorie, die sich mit dem statistischen Verhalten des Systems oder eines zu- fälliggewählten „typischen“AnfangszustandsdesSystemsimLaufederZeitentwicklung beschäftigt. DieasymptotischenEigenschaften,andenenmanbeieinemdynamischenSystemin- teressiertist,hängennatürlichvonderStrukturdesSystemsab.Beieinemtopologischen dynamischen System kann man z.B. untersuchen, ob das System eine Bahn hat, die im Zustandsraum X dicht liegt, oder obsogarjede Bahndes Systems dicht in X liegt. Eine weiterewichtigeFragebetrifftdieAuswirkunggeringfügigerÄnderungendesAnfangszu- standsaufdieBahndesZustands:Wennx,yverschiedeneAnfangszuständedesSystems sind,könnendiePunkte Tkx,Tky füralle k ≥ nahebeisammenliegen?DerartigeFra- genwerdenimerstenKapiteldiesesBuchesuntersucht,wobeiwirbesonderesAugenmerk auftopologischeMischungs-undRekurrenzeigenschaften,MinimalitätsowiedieExistenz undmöglicheEindeutigkeitinvarianterWahrscheinlichkeitsmaßelegen. V VI Vorwort Beimaßtheoretischen dynamischenSystemenistmananqualitativen undquantitati- venAussagenüberdiestatistischeKomplexitätdesSystemsundseinertypischenBahnen interessiert.DaszweiteKapiteldiesesBuchesbieteteineEinführungindieErgodentheorie mit den klassischen Ergodensätzen und Mischungseigenschaften sowie mit einigen An- wendungenaufGleichverteilung,ZiffernentwicklungenundstochastischeProzesse. DieKap.3und4behandelndieEntropiedynamischerSysteme.Derursprünglichaus derstatistischenPhysikstammendeBegriffderEntropieistaufdemWegederInformati- onstheoriezuzentralerBedeutungfürdieDynamikgelangt,woerdieKomplexitäteines dynamischenSystemsquantifiziert.DasdritteKapitelistdenDefinitionenundEigenschaf- tensowiederBerechnungdermaßtheoretischenEntropieergodischerTransformationge- widmet. Das vierte Kapitel bietet eine Einführung in die topologische Entropie stetiger TransformationenunddenZusammenhangzwischentopologischerundmaßtheoretischer Entropie. IndenletztenJahrzehntenbetrachtetdieTheoriederDynamischenSystemeinzuneh- mendem Maße nicht nur „lineare“ Zeitentwicklungen, sondern auch Wirkungen mehr- dimensionalerSymmetriegruppen aufSystememathematischenoderphysikalischenUr- sprungs.DabeiergebensichQuerverbindungennichtnurzurstatistischenPhysik,sondern überraschenderweise auch zu mathematischen Disziplinen wie der klassischen Zahlen- theorie und der Algebra. In Kap. 5 wenden wir uns zwei Beispielen aus der mehrpara- metrischenDynamikzu,dieeinenerstenEinblickintiefearithmetischeZusammenhänge bieten,dieindenletztenJahrenzubemerkenswertenmathematischenForschungsergeb- nissengeführthaben. DerInhaltdiesesBuchesentsprichteinerVorlesungfürStudierendedesletztenStudien- jahrsdesBachelorstudiumsundfürStudierendedesMasterstudiums,wobeisicheineden InteressenderStudierendenangepassteThemenauswahlempfiehlt.DieerstenbeidenKa- pitelvermittelndieGrundbegriffeundsinddamitVoraussetzungfürdiespäterenKapitel. DieKap.3und4sindderEntropietheoriegewidmet.DasKap.5istgrößtenteilsunabhängig vondenKap.3und4undkanndaher(mitkleinenAbstrichen)unmittelbaraufbauendauf dieerstenbeidenKapitelbehandeltwerden.Abschnitt5.4inKap.5stelltweitereVerbin- dungenzurZahlentheorieherundkommtzwarohneweitereVorkenntnisseaus,istaber inderMethodiketwasanspruchsvolleralsdieerstenKapiteldesBuches. DerTextbeinhaltetüber100ÜbungsaufgabenunterschiedlicherSchwierigkeit,dieder Vertiefungderdargestellten Theoriedienen,sowieeinegroßeZahlvonBeispielenzurIl- lustrationdesunterschiedlichenVerhaltensdynamischerSysteme. DieAutorensindFranzHofbauerzuDankverpflichtet,derwesentlicheBeiträgezuei- nerfrüherenFassungdiesesManuskriptsgeleistethat. ZürichundWien,Jänner2013 ManfredEinsiedler KlausSchmidt Inhaltsverzeichnis 1 TopologischeDynamik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 TopologischedynamischeSysteme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.1 Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1.2 TopologischeMischungseigenschaftenundRekurrenz . . . . . . . . 8 1.2 SymbolischeDynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.3 InvarianteMaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.3.1 DerRaumderWahrscheinlichkeitsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.3.2 ExistenzinvarianterMaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1.3.3 InvarianteMaßeaufShifträumen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.3.4 EindeutigeErgodizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1.3.5 ExistenzergodischerMaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2 Ergodentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.1 Ergodensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.2 Mischungseigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.3 AnwendungenderErgodensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.3.1 EindeutigeErgodizitätundGleichverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.3.2 Ziffernentwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.3.3 StochastischeProzesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3 Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.1 ZumBegriff„Entropie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3.2 EntropieeinerZerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.3 EntropieeinerTransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3.4 DerErgodensatzderInformationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3.5 BerechnenderEntropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.6 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 VII VIII Inhaltsverzeichnis 4 TopologischeEntropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.1 DefinitiondertopologischenEntropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.1.1 DefinitionmittelsÜberdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.1.2 Definitionmittelsε-dichterundε-getrennterMengen . . . . . . . . 109 4.2 ExpansiveHomöomorphismen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.2.1 DieEntropietopologischerMarkovshifts . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4.3 DieEntropieabbildungunddasVariationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.3.1 DieEntropieabbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.3.2 DasVariationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4.3.3 MaßemitmaximalerEntropie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.4 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5 MehrparametrischedynamischeSysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.1 Gruppenaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.2 FurstenbergsFrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.3 AktionenmittelbarerGruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 5.4 EinBeispiel:EineAktionderGruppeSL (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5.4.1 DasHaarmaßaufSL (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 5.4.2 EinerechtsinvarianteMetrikaufSL (R). . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 5.4.3 EinGitterinSL (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.4.4 DieErgodentheorievonSL (R) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.4.5 GleichverteilungssätzefürdenhorozyklischenFluss. . . . . . . . . . 146 5.5 Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Topologische Dynamik 1 1.1 TopologischedynamischeSysteme 1.1.1 Grundbegriffe Es seien X ein nichtleerer kompakter metrisierbarer Raumund T∶X (cid:6)→ X einestetige Transformation.Dannnenntman(X,T)eintopologischesdynamischesSystem.Wenn T surjektivist,sonenntmandasSystem(X,T)surjektiv.WennT bijektivist,dannistauch T−stetig,daXkompaktist.DamitistTalsoeinHomöomorphismusunddasdynamische System(X,T)heißtinvertierbar. WirkönnenXalsdenRaumallermöglichenZuständeeinesgegebenenphysikalischen SystemsunddieTransformationTalszeitlicheEntwicklungdesSystemsauffassen.Istx∈ X der Zustanddes SystemszumZeitpunkt 0,dannist Tn(x)für n ≥ der Zustanddes Systems zum Zeitpunkt n. Wir sind hier am Langzeitverhalten des Systems interessiert, also am asymptotischen Verhalten der Folge (Tn(x))n≥ für einen beliebigen Punkt (= Anfangszustand)xdesSystems.WiesichschoninsehreinfachenBeispielenzeigt,können sichverschiedene(oftsogarbeliebignahe)Anfangszuständex ∈ X aufsehrverschiedene (undnichtimmerexplizitbeschreibbare)Weiseentwickeln,sodassmanzurFragenachder zeitlichenEntwicklungeines„typischen“PunktesoderAnfangszustandsgeführtwird. Die nun folgenden Definitionen stellen einen Teil des Vokabulars dar, mit Hilfe des- senwirAussagenüberdasasymptotischeVerhalteneinzelnerZuständeoderdesganzen Systemsformulierenkönnen. DieMengeO+(x)={Tn(x)∶ n≥}heißtdieBahndesPunktesx ∈ XunterT.IstT T bijektiv, dannkannmanauchdiezweiseitigeBahnO (x) = {Tn(x) ∶ n ∈ Z}vonx be- T trachten,wobeiZdieMengederganzenZahlenbezeichnet.DerPunktxheißtperiodisch, wennein p≥existiertmitTp(x)= x.DiePeriodevonx istdaskleinste p≥mitdieser Eigenschaft.Wenn T(x) = x gilt, dannistx einFixpunkt,alsoein Zustand,der sichim LaufederZeitentwicklungnichtändert. M.Einsiedler,K.Schmidt,DynamischeSysteme,MathematikKompakt, 1 DOI10.1007/978-3-0348-0634-3_1,©SpringerBasel2014