Man hat sich entschieden - für Polly Young-Eisendrath zeigt auf, wie den einzig wahren Partner, den man sich aus dieser Beziehungsfalle Menschen, mit dem man sein ganzes befreien kann. Wie man es schafft, das Leben verbringen möchte, weil er es ist, eigene Selbst durch die Beziehung und der unsere Erwartungen erfüllen, unsere durch das Gespräch mit dem anderen Träume wahrmachen kann. Und dann? besser zu erkennen und zu entwickeln, Dann lebt man mit ihm und stellt fest, die unausbleiblichen Desillusionie- daß das alles gar nicht so einfach ist. rungen zu bewältigen und dadurch So einfach kann das auch gar nicht wirkliche Nähe und echte Vertrautheit sein, sagt die amerikanische Psy- zu gewinnen. chologin Polly Young-Eisendrath. Es gibt zu vieles, was wirkliche Nähe, die Voraussetzung für eine glückliche Partnerschaft, verhindert, was zwischen Männern und Frauen steht und die Beziehung belastet. Kaum jemandem gelingt es, erwachsen zu werden, ohne dabei bestimmte Ideal- oder Klischee- vorstellungen zu entwickeln – das Bild von der Traumfrau, vom Traummann –, die einerseits geprägt sind von persönli- chen Lebensumständen und Erfahrun- Die Psychologin Polly Young-Eisendrath, gen und andererseits von kulturellen eine Analytikerin Jungscher Prägung, ist Phantasien und Stereotypen. Diese po- Dozentin am Bryn Mawr College und sitiven oder negativen Klischees wirken, arbeitet als Therapeutin. Mit zahlrei- ob wir es wollen oder nicht, auf unsere chen Veröffentlichungen, vor allem auf realen Bindungen ein, sie beeinflussen dem Gebiet der Paartherapie, hat Polly unsere Empfindungen und unser Han- Young-Eisendrath sich einen Namen deln in der Zweierbeziehung. Anstatt gemacht. mit dem realen Partner kommunizieren wir, ohne uns dessen bewußt zu sein, h c mit einem Bild, das wir uns von ihm ma- fli u chen, reden wir – womöglich jahrelang ä k r – an ihm vorbei. e v n u V. 04027 Polly Young-Eisendrath Du bist ganz anders, als ich dachte Den Partner wirklich lieben lernen Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann Droemer Knaur Originaltitel: You’re Not What I Expected Originalverlag: William Morrow, New York Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Young-Eisendrath, Polly: Du bist ganz anders als ich dachte: den Partner wirklich lieben lernen / Polly Young-Eisendrath. Aus dem Amerikan. von Ulrike Wasel und Klaus Tim- mermann. – München: Droemer Knaur, 993 Einheitssacht. : Dream lovers ‹dt› ISBN 3-426-26670-9 Copyright für die deutschsprachige Ausgabe bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. , München 993 © Copyright by Polly Young-Eisendrath 993 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmun- gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Agentur ZERO, München Satz: DTP im Verlag Druck und Bindung: Mohndruck. Gütersloh Printed in Germany 5 4 3 2 ISBN 3-426-26670-9 Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 . Das Natürlichste von der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Verliebtheit und Desillusionierung 3 – Die Paare 35 – Fremdes Geschlecht und Traumpartner 47 – Projektionen: Senden und empfangen 54 – Biologisches Geschlecht, soziales Geschlecht und Geschlechtsunterschiede 82 – Zusammenbleiben kontra zusammenkommen 85 2. Den Fremden in sich erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Psychologische Komplexe 96 – Traumpartner und ihre einzigartige Bedeutung 05 – Psychologische Erkenntnisfähigkeit und mythische Traditionen 07 – Traumpartner und ihre mythischen Bilder 5 – Die Fremden im Mann 5 – Die Fremden in der Frau 25 – Moderne Theorien zur Psychologie der Geschlechter 39 – Quintessenz 49 3. Das Beziehungsselbst von Frauen und Männern …. 52 Reife Abhängigkeit 54 – Die Entwicklung der Abhängigkeit 59 – Das Beziehungsselbst 63 – Arbeitsmodelle für die Abhängigkeit 74 – Unterschiede und Zusammenhänge 80 – Schritte zu einer reifen Abhängigkeit 83 4. Kämpfen – um zusammenzubleiben . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Die Destruktivität der reinen Gemeinheit 96 – Trennungsangst 207 – Weitere gefährliche Gesprächsstile 84 – Wut: Die moralische Emotion 25 – Was man sagen sollte und was nicht 226 – Passive aggressive Männer 235 – Die Macht der Gefühle 244 5. Sex als Verlangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Das Problem des sexuellen Verlangens 26 – Der Schreckliche Vater 266 – Die Schreckliche Mutter 28 – Die »Hure« 29 – Vertrauen 302 – Neid und Verrat 32 – Liebe und Macht 32 6. Partner in Geld- und Erziehungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . 324 Eltern-Komplexe und finanzielle Abhängigkeit 329 – Geld als Vertrauensgrundlage 34 – Die Klärung individueller Ansprüche 359 – Drehbücher der Großen und Schrecklichen Eltern 373 – Vertrauenserhalt und Elternschaft 373 – Scheidung und gemischte Familien 380 – Gleichberechtigung ohne Gerechtigkeit 386 7. Fernsehen oder nicht fernsehen – das ist die Freizeitfrage . . . 390 Zusammen spielen gleich zusammenbleiben? 397 – Freizeitgestaltung und Geschlechtsunterschiede: Eine Untersuchung unter Ehe- paaren 404 – Gesprächsstile 406 – Fernsehen oder Reden 40 – Vergnügungsfahrt im Auto 43 – Aktive oder passive Frei- zeitgestaltung 46 – Wie »sollten« Paare sein? 2 – Religion und Spiritualität 428 – Unterschiede, die man tolerieren kann 436 8. Aufhebung der Geschlechterspaltung . . . . . . . . . . . . . . . 44 Unterschiede und gemeinsame Basis 449 – Vorsichtiger Optimismus 458 – Weitere Implikationen der Geschichten über das soziale Geschlecht 475 – Gegenseitiger Respekt und Beschränkung 496 – Soziales Geschlecht und »Spaltung« 498 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Einleitung Dieses Buch behandelt ein grundlegend neues Thema: Intimität zwischen den Geschlechtern. Grundlegend? Neu? Ist das Thema nicht mittlerweile in sämtlichen Medien überstrapaziert worden? Therapeuten und Psychologen bieten ständig »Heilmittel« gegen die Enttäuschungen heterosexueller Beziehungen an, wobei sie gleichzeitig einräumen, daß die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen über glückliche Ehen bislang nicht gerade beeindruckend sind. Vermutlich sind Ihnen die Statistiken be- kannt, aus denen sich ablesen läßt, daß in der Ehe die Frauen die Dummen sind. Und sicherlich ist es für Sie nichts Neues, daß Männer bindungsscheu sind und Angst vor einer engen Beziehung haben. Aber es wäre doch denkbar, daß enge Beziehungen in hetero- sexuellen Partnerschaften bisher einfach noch nie ausprobiert wurden. Erst in den letzten zwei Jahrzehnten haben verheira- tete Paare sich um Intimität bemüht. Früher wurde die Ehe als Vertragssache betrachtet, und die Beziehung selbst hatte eher geschäftlichen Charakter. Wenn die Sache auch noch angenehm war, so war es ein Glücksfall, aber davon ging man im allgemei- nen nicht aus. Denken Sie an die Ehe Ihrer eigenen Eltern: War ihnen ihre »Beziehung« wichtig? Hatten sie das Gefühl, einander »die besten Freunde« zu sein? Vermutlich nicht. Meine Eltern waren mit Menschen ihres Bekanntenkreises befreundet, nicht mit ihrem Ehepartner, und bei den meisten anderen Eltern, die ich kannte, war es genauso. Eine dauerhafte enge Freundschaft beruht auf Gleichberechti- gung. Und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ist erst heute überhaupt vorstellbar. Ein solches Intimitätsverhältnis 7 zueinander wurzelt in Vertrauen, gemeinsamen Interessen und im Gedankenaustausch. Zum erstenmal in der Geschichte ist der als Meinungsaustausch verstandene Dialog zwischen Männern und Frauen möglich. Bis vor kurzem noch war es für Frauen nicht möglich, »Rednerinnen« zu sein. Sie konnten nicht für sich selbst sprechen, weil sie keine eigene Kultur hatten, meist der gehobenen Sprache des geschriebenen und gedruckten Wor- tes nicht mächtig waren, keine eigene Geschichte besaßen und über keinerlei Darstellungen ihrer Erfahrungswelt verfügten. Sie konnten nur andere für sich sprechen lassen (wie zum Beispiel in der Trauungszeremonie, wenn der Vater seine Tochter zum Altar führt und dem Bräutigam »übergibt«) oder Worte und Begriffe der Männer übernehmen. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre haben sich die Dinge geändert, und mittlerweile sind die Frauen nicht mehr zu überhören. Sie fangen an, ihre eigene Erfah- rungswelt darzustellen, und verfügen über ein neues Bewußtsein ihrer Geschichte und ihrer Identität als Geschlechtsgruppe. Zum allererstenmal haben Männer und Frauen die Möglichkeit, einen Dialog zu führen, der aus Geben und Nehmen besteht, bei dem beide Gesprächspartner einen eigenen Standpunkt vertreten und gezwungen sind, sich gegenseitig zuzuhören und zu verstehen. Während der Vorbereitung zu diesem Buch hatte ich den Wunsch, mehr über den Dialog als Lern- und Entwicklungsme- thode zu erfahren, die bei den griechischen Philosophen ihren Anfang nimmt und durch die Jahrhunderte hindurch bis in die Gegenwart fortbesteht. Daher suchte ich bei den Geisteswis- senschaften nach Vorbildern, angefangen von der Philosophie bis zur Theologie, Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Die Modelle, die ich fand, waren Dialoge zwischen Männern, zwi- schen Männern und Gott, zwischen Mensch und Natur, zwi- schen Seele und Körper, zwischen Gefühl und Verstand, aber 8 nicht zwischen Mann und Frau. Offenbar hatte für ein solches Modell kein Bedarf bestanden – bis heute. Wenn Frauen nicht das Recht hatten, ihre Stimme zu erheben, mußten Männer auch nicht darüber nachdenken, wie sie von ihnen lernen konnten oder wie ein Gedankenaustausch möglich wäre. Ich glaube, wir haben ungewollt einen Wendepunkt in der Geschichte erreicht, und zwar in erster Linie durch zwei Umstände – durch eine bedrohliche globale Krisensituation und die Feminismuswelle in den letzten Jahren. Die Überbevölkerung und der Raubbau an der Natur haben uns Angehörige der Spezies »Mensch« an den Rand einer Katastrophe gebracht, und daher benötigen wir neue Geschichten und eine neue Lebensform. Viele, wenn nicht sogar die meisten alten Geschichten handeln von Eroberung, Macht und Herrschaft über andere, die Erde und uns selbst. Die alten Geschichten bringen uns heute in Schwierigkeiten. Wir suchen nach neuen Geschichten. Manchmal vergleiche ich zum Spaß die »Suche nach außerirdischer Intelligenz« mit der »Suche nach heterosexueller Intimität«. Geschichten, die sich mit dem ersten Thema beschäftigen, tragen uns über die Grenzen der Schwerkraft oder die Grenzen von Zeit und Raum hinaus, wäh- rend Geschichten, die das zweite Thema zum Inhalt haben, uns helfen, die Grenzen von Vertrauen, Neid und Macht zwischen den Geschlechtern zu überwinden. Die Geschichten in diesem Buch, die mir von unzähligen Paa- ren erzählt wurden, verweben sich zu einer neuen Erzählung, die von Begrenzung, Kooperation und gleichem Einfluß handelt. Wenn unsere globale Krise das Ende von Herrschaft und Un- terwerfung erzwingt, was meiner Ansicht nach der Fall sein wird, dann eröffnet das Bemühen um heterosexuelle Intimität eine Möglichkeit zur Adaption. Da ich den Erfindungsreichtum menschlicher Adaption kenne, bin ich der Überzeugung, daß 9 wir mit diesem neuen, umfassenden Bemühen nach Intimität zwischen den Geschlechtern unbewußt unser Überleben sichern. Selbst den radikalsten Sexisten unter uns kommt allmählich die Notwendigkeit zu Bewußtsein, den Wunsch nach Nähe und Ka- meradschaft mit einem Lebensgefährten auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Machtteilung zu verwirklichen. Der amerikanische Psychiater Harry Stack Sullivan war der erste Theoretiker, der eine klare Definition von Intimität formu- lierte. Er beschrieb sie als eine besondere Art von Beziehung, die auf Gegenseitigkeit, Vertrauen und Gleichberechtigung gründet. Nachdem er während seiner beruflichen Tätigkeit überwiegend mit psychisch gestörten Jugendlichen gearbeitet hatte, kam Sullivan zu dem Schluß, daß viele Menschen auf eine solche Beziehung nicht vorbereitet sind, weil sie nie Vertrauen erlebt haben, das auf Gegenseitigkeit beruht. Ein derartiges Vertrauen erfährt man zuallererst in der Liebe zu einem gleichberechtigten Partner. Zwischen Eltern und Kind kann dieses Vertrauen nicht entstehen, da sie keine gleichberechtigten Partner sind. Es ent- steht dadurch, daß man einen anderen Menschen ebenso liebt wie sich selbst, nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir Glück haben, erfahren wir dieses Vertrauen erstmals in der Kindheit, in den Beziehungen zu unseren »allerbesten Freunden«. Wir lernen uns selbst durch ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen kennen und entdecken so, ohne es zu wollen, den Wert von Gleichberechtigung. Das vorliegende Buch beschäftigt sich zwar mit alltäglichen Dingen wie Streitereien, Sex und Kindererziehung als Bestand- teilen einer Zweierbeziehung, doch es greift darüber hinaus. Es handelt von den Möglichkeiten und Grenzen sexueller Gleichbe- rechtigung, wie sie von Männern und Frauen erlebt werden, die ein intimeres und lustvolleres Verhältnis zueinander wünschen. 10