Von Anarchie bis Zeitgeist Krisengebiete Dr. B. Reiters Lexikon des philosophischen Alltags Philosophisches Wissen für den Alltag in vier Bänden : Krisengebiete Übersinnliches Wesen Zustände Dr. B. Reiters Lexikon des philosophischen Alltags K risengebiete von Anarchie b is Zeitgeist J. B. Metzler Verlag Der Herausgeber Dr. B. Reiter lebt als freier Autor in Stuttgart. Unter anderem beantwortet er als Spezialist für philosophische Aufklärung regelmäßig Leserfragen im Journal für Philo- sophie der blaue reiter und bei facebook. Bibliografi sche Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese P ublikation in der Deutschen Nationalbibliografi e ; detaillierte biblio- grafi sche Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-476-02687-3 Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrecht- lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts gesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt ins besondere für Ver vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 2 016 J. B. Metzler Verlag GmbH, Stuttgart www.metzlerverlag.de [email protected] Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Einbandgestaltung : F inken & Bumiller Typografi e und Satz : Tobias Wantzen, Bremen Druck und Bindung : TenBrink, Meppel, Niederlande Inhalt Vorwort 7 Aggression 11 Anarchie und Anarchismus 16 Arbeitslose 21 Betteln, Bettler, Bettel 27 Doping 32 Einparken, rückwärts 37 Ethischer Egoismus 44 Freiheit der Information 50 Fremdgehen 55 Gefängnis 59 Gerechter Krieg 62 Klatsch 69 Krise, Wirtschaftskrise 76 Menschenrechte 81 Monopoly 85 Paradigmenwechsel 89 Peepshow 94 Philosophie als Wissenschaft 98 Revolution 104 Shopping 110 Sodomie 115 Tabu 122 Vaterland 127 Verstand und Vernunft 133 Völkerfreundschaft 139 Wachstum 143 Welt 150 Zeitgeist 153 Zins, Wucher und Zinsverbote 154 Inhalt ▮ 5 Vorwort Das 21. Jahrhundert gilt weithin als Zeitalter von Bildung und Wissen. Während Sokrates sich nach eigenem Bekunden mit dem Wissen beschied, nichts zu wissen, hält es unsere Zeit eher mit Francis Bacon, der konstatierte : Wissen ist Macht ! Entspre- chend feierte das Onlinelexikon Wikipedia einen unvergleich- lichen Siegeszug. Sind die dort gespeicherten, beständig aktua- lisierten Informationen doch jederzeit kostenlos abrufbar. Nach über 15 Jahren eifrigen Wirkens sogenannter Schwarm- intelligenz mutierte Wikipedia zwischenzeitlich allerdings zu einem Monument der Überproduktion sinnentleerter Daten. Die interessantesten wie die banalsten Sachverhalte werden in uferl oser Ausführlichkeit erläutert. Wehe dem, der meint, mit- tels Wikipedia lernen zu können, was ein grammatisches Sub- jekt oder ein mathematisches Integral ist. Er wird sich in einem Urwald aus Querverweisen verirren ! Urteilskraft oder gar Weis- heit, diejenigen Vermögen also, die Antworten darüber liefern, wann welche Informationen und welche Formen des Wissens relevant sind, wird solchermaßen nicht vermittelt. Damit der Einzelne der Macht des Wissens nicht ohnmäch- tig gegenüber steht, benötigt er neben Fakten vor allem ein Wissen über die Gründe seines Handelns. Darüber hinaus muss jeder lernen, die Datenfl ut des Alltags zu sortieren und in sinn- volle Zusammenhänge zu bringen. Denn die Rede vom glück- lichen und gelingenden Leben meint nicht, wie eine Maschine mittels Algorithmen und messerscharfer Logik sein Leben zu bestreiten, sondern dieses nach seinen eigenen Maßgaben zu gestalten. Erst solchermaßen wird der Mensch als Subjekt er- kenntlich und kann im Gegensatz zu einem Kleinkind für sein Tun und Lassen auch verantwortlich gemacht werden. Die Erfahrung, dass wir nur allzu oft bis an die Zähne mit Faktenwissen bewaff net den Widerfahrnissen des Lebens rat- los gegenüber stehen, fasste Wilhelm Busch in unvergleich- licher Klarheit in einen Vierzeiler : Vorwort ▮ 7 Zwei mal zwei gleich vier ist Wahrheit. Schade, dass sie leicht und leer ist, Denn ich wollte lieber Klarheit Über das, was voll und schwer ist. In der Tat mangelt es in unserer Zeit weniger an wissenschaft- lichen Wahrheiten und lebensfernem Spezialistentum als viel- mehr an einer philosophischen Auseinandersetzung mit dem an schwierigen Problemen und Fallstricken so reichen Alltag. Ist es doch allemal besser, in einem Topf voll Sahne, aus dem es kein Entkommen gibt, so lange zu strampeln, bis man sich ge- mütlich auf einem Butterberg ausruhen kann, als in einer sah- negleichen, genauso leicht verdaulichen wie sinnlosen Flut an Informationen zu ertrinken. Wenden wir uns also dem Alltag zu, am besten gleich dem der Philosophen. Dem Schönen, Wahren und Guten verpfl ich- tet, wandeln sie in der festen Überzeugung, dass die »Köni- gin der Wissenschaften« zu allem etwas zu sagen hätte, dan- dygleich mit stolz geschwellter Brust durch sämtliche Bereiche des Wissens. Als Wissenschaftstheoretiker erklären sie den Naturwissenschaftlern, auf welch dünnem theoretischen Fun- dament diese die Welt mit ihren Experimenten zu ergründen suchen, als Technikfolgenabschätzer zeigen sie der Industrie unablässig Chancen wie Gefahren von deren Tun auf, als Ethi- ker belehren sie Mediziner darüber, was diese in welchen Le- bensphasen ihrer Patienten tun und unterlassen sollten und gegenüber den Th eologen postulierte schon mancher gar ei- nen eigenen Gott, den »Gott der Philosophen«. Doch während Techniker unter Zuhilfenahme der Erkenntnisse von Mathe- matik, Physik und Chemie so nützliche Geräte wie Atombom- ben, elektrische Zahnbürsten und Epiliergeräte konstruieren, Mediziner zwischenzeitlich schon bei Säuglingen Herztrans- plantationen vornehmen und Th eologen auf wundersame Weise Sinn auch für noch so von den Tatsachen des Lebens De- primierte zu erzeugen vermögen, scheinen Philosophen vor 8 ▮ Vorwort den Anforderungen des wirklichen Lebens kläglich zu versa- gen. Das Verdikt, geistesabwesende Schöngeister zu sein, die für die Lebenswirklichkeit keinen Sinn hätten, eilt ihnen vo- raus. Die Entdeckung eines Sterns, dessen Existenz nicht in die Th eorie seines Systems passte, kommentierte der Geistesheroe Georg Wilhelm Friedrich Hegel vorgeblich lapidar mit : Umso schlimmer für den Stern ! Entsprechend werden Philosophen nicht immer ohne Anlass oder Grund gleichermaßen als Geis- tesriesen verehrt wie als Lebenszwerge verspottet. Doch ge- nau darin liegt ihre Qualifi kation begründet ! Denn wenn sich das Philosophieren im Allgemeinen und Philosophen im Be- sonderen im Alltag bewähren müssen, ist dies seit Jahrtausen- den nur im Krisenmodus möglich. Philosophinnen und Philo- sophen sind also entgegen ihrem Ruf nicht Mägde der Th eolo- gie und auch nicht Steigbügelhalter der Naturwissenschaften, sondern Spezialisten für die Krisengebiete des Alltags. Wer also wäre aus Erfahrung berufener, ein philosophisches Lexikon für den Alltag zu verfassen, als ebendiese ? Während Fachgelehrte einem gefl ügelten Wort Egon Fridells zufolge Menschen sind, die nur die eine Seite irgendeiner Wahrheit erblickt haben, be- währten und bewähren sich Philosophen allzeit als Spezialis- ten für die umfassende und dauerhafte Krise, die weithin Le- ben genannt wird. Entsprechend sind ihnen als Mädchen für alles weder Schoßgebete noch Feuchtgebiete fremd, wissen sie über Diät, Doping und Dagobert Duck ebenso zu parlieren wie über den Klatsch, das Gefängnis und den gerechten Krieg. D abei kennen sie kein Tabu und berichten im vorliegenden ersten Band der Reihe Dr. B. Reiters Lexikon des philosophischen Alltags über Krisengebiete wie Peepshows, Sodomie und Shopping genau - s o Erhellendes wie über das Gesellschaftsspiel Monopoly, das Vaterland, die Völkerfreundschaft oder den Zins. Wo das Leben beginnt, hört die Wissenschaft auf, und wo die Wissenschaft beginnt, hört das Leben auf – dieser Einsicht folgend, soll die vorliegende Zusammenstellung von Lexikon- artikeln aus dem halbjährlich erscheinenden Journal für Philo- Vorwort ▮ 9 sophie der blaue reiter (www.derblauereiter.de) nicht nur Philo- sophen eine Brücke bauen in das, was wir Alltag und Leben nennen. Das vorliegende Buch verdankt sich dem unermüdlichen Be- mühen der Redaktion und der Autoren des halbjährlich er- scheinenden Journals für Philosophie der blaue reiter, philo- sophisches Denken über die engen Grenzen des universitären Rahmens hinaus einem breiten Publikum nahezubringen. Nur so konnte ein Lexikon des philosophischen Alltags entstehen, das wissenschaftlich fundiertes philosophisches Denken für den Alltag fruchtbar macht. Überaus dankbar bin ich auch allen Testlesern des Journals für Philosophie der blaue reiter, denen es immer wieder gelingt, die Philosophen auf den Boden der Tatsachen zu holen, sowie allen Mitarbeitern des zugehörigen Verlags der blaue reiter, die mithalfen, dass dieses Lexikon erscheinen konnte. Namentlich erwähnt sei hier vor allem Monika Urbich, die in mühevoller Kleinarbeit die Texte aus den Druckdateien des Journals extra- hierte und das Manuskript in eine druckfähige Fassung über- führte. Nicht zuletzt bin ich dem Leiter des Verlags J. B. Metzler, Dr. Jörn Laakmann, zu Dank verpfl ichtet, der das Wagnis ein - g ing, ein so außergewöhnliches Projekt zu realisieren, s owie der tatkräftigen Unterstützung von dessen Mitarbeitern. Dank s chulde ich vor allem der Lektorin für Philosophie, Franziska Remeika, die sich für die Idee eines Lexikons des philo sophi- schen Alltags sofort begeistern ließ und wesentliche Ideen zur Konzeption und zur Gestaltung desselben beisteuerte. Dr. B. Reiter ▮ 10 ▮ Vorwort
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