Helmut Hemmer Domestikation Verarmung der Merkwelt HelITlut HeITlITler Domestikation Veramlung der Merkwelt Mit 62 vierfarbigen und 75 einfarbigen Abbildungen Friedr. Vieweg & Sohn BraunschweigIWiesbaden CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hemmer, Helmut. Domestikation: Verarmung d. Merkwelt I Helmut Hemmer. - Braunschweig; Wiesbaden: Vieweg, 1983. ISBN 978-3-528-08504-9 ISBN 978-3-322-87819-9 (cBook) DOl 10.1007/978-3-322-87819-9 1983 Aile Rechte vorbehalten © Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1983 Die Vervielfaltigung und Obertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch ftir Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher vereinbart wurden. 1m Einzelfall muB tiber die Zahlung einer Gebtihr filr die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt ftir die Vervielfaltigung durch aile Verfahren einschlieBlich Speicherung und jede Obertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bander, Platten und andere Medien. Umschlaggestaltung: Horst Dieter Btirkle, Darmstadt Satz: Frohberg, Freigericht ISBN 978-3-528-08504-9 Inhaltsverzeichnis Vorwort ........ . VII 1 Wozu Haustiere? 1 2 Bunte Vielfalt .. 12 3 Ursprung der Haustiere 31 4 Verhaltenswandel 68 5 StreB .. . . . . .. . ........... . 76 6 Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung .. 84 7 Ubertragerstoffe zur Informationsverarbeitung .. ... . 94 8 Fellfarbung und Verhalten . . . . . . . . . . . .... . 99 9 Fellfarbungs-Auslese ......... . 107 10 Grenzen der Belastbarkeit ...... . ........ . 118 11 Zahmung und Verwilderung ............... . 127 12 Neudomestikationen 132 13 Domestikation und Evolution .. ..... 144 14 Zusammenfassende Gesamtiibersicht 151 Ausgewahlte Literatur 155 Verzeichnis der in Offentlichen Zoos und Tiergarten aufgenommenen Fotos ..... 160 Farbteil .............................................. nach 160 V Vorwort Biologische Systeme lassen sich nicht aHein aus der Beschreibung ihres gestaltlichen Auf baues verstehen, und sei diese auch noch so prazise. Sie sind genauso wenig aHein aus dem Wissen urn ihre hoch komplexen biochemischen Grundlagen zu begreifen, und schliealich auch nicht allein aus dem Einblick in ihre biomechanische Funktion. Ohne jeden Zweifel ist alles dies unumgangliche Voraussetzung zu einem erweiterten Verstandnis, aber nur die Zusammenschau erlaubt schliealich tiefer reichende Erkenntnisse tiber das Leben von Or ganismen. Aus den zahlreichen kleinen und kleinsten Mosaiksteinen, die von den Einzel disziplinen der biologischen Wissenschaften geliefert werden, ist zu versuchen, ein einheit liches Gesamtbild zu entwerfen. Je mehr einzelne Steinchen verftigbar sind, urn so weiter werden sich die zunachst allein erkennbaren groben Umrisse verfeinern und ausftillen und damit der vollen Bildaussage naher bringen lassen. Die Haustierkunde liefert ein gutes Beispiel fUr diese allgemeine Wissenschaftsproble matik des Erkenntnisfortschrittes sowohl durch Schaffung moglichst vieler kleiner Mo saiksteinchen tiber sorgfaltige Untersuchung von Einzelfragen aus allen Zweigen biologi scher Forschung als auch durch den immer wieder neuen Versuch, die zum jeweiligen Zeitpunkt verftigbaren Stein chen in einem Bild, einem Jeweilsbild, zusammenzuftigen. Die enorme Bedeutung, die dem Verstandnis des Haustieres als einem besonderen zoolo gischen Phanomen zukommt, wurde bereits von Charles Darwin im vergangenen Jahrhun dert gewiirdigt. Trotzdem erschopfte sich die Haustierforschung im Laufe der letzten hun dert Jahre in recht hohem Maae mit der zeitweise sehr umfangreichen Produktion ein zelner Mosaiksteinchen, die auch immer wieder einmal mehr oder minder katalogisiert wurden. Versuche zur Erreichung eines Gesamtkonzeptes, das in der Lage ware, aIle we sentlichen Aspekte des Phlinomens Haustier als nur unterschiedliche Facetten eines einzi gen geschliffenen Steines erkennen zu lassen, blieben dabei weitgehend auf der Strecke. Rein menschlich ist eine solche Entwicklung verstandlich. Wer sich darauf beschrankt, mit erprobten Methoden einzelne Bausteine zu sammeln und zu bearbeiten, wird in der Regel deutlich weniger Fehler mach en als derjenige, der mit den sehr unterschiedlich vorberei teten Steinen auch zu bauen versucht. Er ist damit natiirlich weit weniger der Kritik aus gesetzt als jener, er lebt somit bequemer. Den Bauenden, an dessen Mosaikbild Lticken, unklare Passungen, Risse und Unebenheiten leicht zu erkennen sind, trifft hingegen viel rascher die volle Wucht der Kritik, vor aHem von denen, die selbst nur kleine Einzelsteine herstellen und damit relativ kritiksicher sind. Ftir das Phanomen Haustier mag ein einheitliches Gesamtkonzept tiber das rein wissen schaftliche Grundlageninteresse hinaus eminente praktische Bedeutung erlangen, ist doch, wie im ersten Kapitel darzustellen sein wird, das Haustier ein wesentliches Element menschlicher Kulturentwicklung. Das Verstandnis der Haustierwerdung als yom Menschen gesteuerter Entwicklungsprozea sollte in praxisgerechte Strategien zur gezielten Neuge winnung ganz bestimmter Haustierformen ummtinzbar sein, sei es zur Verbesserung der Nahrungsproduktion ftir Bevolkerungen an der Grenze des Existenzminimums, .sei es zum Ausbau alternativer Landnutzungsformen mit den dazugehorigen Wirtschaftszweigen, sei es zur Gewinnung neuer Versuchstiersysteme zur Bearbeitung brennender Probleme der medizinischen Forschung, wie etwa die Rolle psychischer Faktoren bei der Tumorgenese, VII oder sei es schlieBlich zu tierschutzgerechteren und gleichzeitig verbessert produktions wirksamen Neuziichtungen im Rahmen moderner Haustiermassenhaltung. Als AnstoB und als Grundlage hierzu mochte das hier vorgelegte Buch vor allem verstanden werden. Unter Nutzung einer Vielzahl von Mosaiksteinchen bisheriger Haustierkenntnis und mit der Be reitstellung zuvor noch fehlender Zwischenstiicke im Rahmen der Forschungstatigkeit der Arbeitsgruppe des Verfassers vor allem in den letzten zehn Jahren versucht es, in mog lichst allgemeinverstandlicher Form ein Gesamtkonzept des Phanomens Haustier mit einer teilweise recht neuen Sicht der Dinge zu entwerfen. Die Bearbeitung wurde dabei bewuBt auf die Klasse der Saugetiere beschrankt, nachdem in ihr die bei weitem groBte und auch bedeutsamste Haustiervielfalt vorliegt, den Saugetieren ein besonders breites Interesse entgegengebracht wird und an ihnen alle entscheidenden Probleme zu diesem Komplex studiert werden konnen. Der zentrale Punkt des Verstehens des Phanomens Haustier liegt in der Verhaltens struktur des Haustieres bzw. in den zugrunde liegenden Anderungen im Wildtierbezug. Hierfiir erwies es sich als auBerst fruchtbar, den von dem baltischen Zoologen und Begrun der der Umweltforschung Jakob von Uexkiill gepragten Begriff der "Merkwelt" neu zu beleben und inhaltlich noch zu erweitern. "Merkwelt" kennzeichnet hier die Gesamtheit der Wahrnehmung und der Bewertung der Bestandteile, Eigenschaften und Vorgange der Umwelt eines Tieres, mit anderen Worten das, wie es seine Welt erlebt. Es laBt sich ein weiter Bogen spannen von einerseits angeborenermaBen, andererseits auch durch Umwelt einfliisse verarmter bis hin zur angereicherten Merkwelt. Es wird ein Beziehungsnetz ge kniipft, das mit der Merkwelt zunachst so unabhangig voneinander erscheinende Dinge wie StreB und psychosoziale Toleranz, Verhaltensflexibilitat, Aktivitat und Handlungs intensitat, Vergesellschaftungsbefahigung und Differenziertheit sozialer Beziehungen, sexuelle und agressive Reaktionen und schlieBlich Pigmentierung und korperliche Ent wicklung in ein eng verflochtenes System bindet. DaB dieses Beziehungsnetz yom Pha nomen Haustier ganz unabhangig auch dem tieferen Verstandnis menschlicher Wesenheit dienen mag, sei hier nur am Rande vermerkt. Dem aufmerksamen Leser werden die Paral len - und eventuell davon abzuleitende Oberlegungen - nicht verborgen bleiben. Fur die Entstehung des hier vorgelegten Gesamtkonzeptes spielte das gemeinsame Vor antasten in der sich allgemein mit Fragen der Saugetierkunde, speziell mit solchen der Haustierkunde beschaftigenden Arbeitsgruppe des Verfassers eine wichtige Rolle. Zwar wechselten die Personen in diesem Kreis im Laufe der Jahre mehrfach, aber es blieb das gemeinsame Ziel des Verstehenlernens, das schlieBlich immer weiter und weiter gehende Einsichten ermoglichte. In Anbetracht sehr unterschiedlicher Wichtigkeit jeweiliger Bei trage sei hier darauf verzichtet, eine Liste einzelner Mitarbeiter aufzustellen, die irgendwie einmal beteiligt waren. Diejenigen, die fur den Zusammenbau bedeutsame Mosaikstein chen schufen, sind an den betreffenden Stellen im Text g~wiirdigt. Fiir die sorgfaltige Aus fuhrung der in diesem Buch verwendeten Zeichnungen gilt der Dank Frau Kathe Reh binder. SchlieBlich kommt dem Vieweg-Verlag das Verdienst zu, durch sein Eingehen auf die Ausstattungswunsche die das Erfassen des Inhaltes sicherlich sehr erleichternde groB ziigige Form ermoglicht zu haben. Mainz, im August 1982 Helmut Hemmer VIII 1 Wozu Haustiere? Haustiere - das sind Tiere, die der Mensch im Umfeld seiner Behausung halt und zuchtet, urn in standigem Gebrauch Nutzen aus ihnen zu ziehen. In Form zahlloser Hunde und Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Goldhamster finden wir solche Tiere in den Hochhauswohnungen moderner GroBstadte. Wir treffen sie auf den Bauernhofen Europas an, wo Rinder, pferde und Esel, Schafe und Ziegen, Schweine, Hunde und Katzen, Ganse, Enten und Huhner gehalten werden. In wechselnder Zusammensetzung der Arten begeg nen wir ihnen ahnlich bei den Hutten und Dorfern der altweltlichen Tropenlander. Wir sehen sie in Gestalt von Kamelen, pferden, Schafen und Yaks zwischen den Zelten und Jurten zentralasiatischer Hirtennomaden und in Form groBer Rentierherden bei den Vol kern des hohen Nordens Europas und Asiens. Sowohl hier, wie auch bei den Eskimos der Eiswiiste in der Polarzone des nordamerikanischen Kontinents, bei den polynesischen Ur einwohnern der Sudseeinseln, bei den Buschleuten der Kalahari oder bei den Indianern der sudamerikanischen Tropenwalder stoBen wir auf den Hund als der am weitesten uber aile Lander und Kulturen verbreiteten Haustierart. Kurz, wir begegnen Haustieren uberall dort, wo der Mensch uberhaupt seine Behausung aufgeschlagen hat. Sie erweisen sich als universal zum Menschen gehorig (Bilder 1.1-1.4: Farbtafeln II-III). Nicht als Haustiere konnen solche Tiere bezeichnet werden, die der Mensch zwar eben falls im Haus halt, die er aber nicht generationenlang zu einem bestimmten Nutzzweck zuchtet und dabei einer wie auch immer gearteten Auslese unterwirft. In sol chen Fallen kann lediglich von gefangen gehaltenen und eventuell gezahmten Wildtieren gesprochen werden, wie beispielsweise bei kleinen Affen oder tropischen Wildkatzen, bei europa ischen Stubenvogeln oder bei Echsen und Schildkroten. Solche Tiere unterliegen in der Regel nicht dem ProzeB der Haustierwerdung, der Domestikation. Dies gilt im Prinzip genauso fur Zootiere. Mit Haustieren haben selbstverstandlich auch solche Tiere nichts zu tun, die yom Men schen unerwiinschtermaBen im Haus leben, wie Ratten und Mause, Fliegen und Mucken, Schaben und Wanzen. Haustiere stellen zumindest seit dem Neolithikum, der Jungsteinzeit, entscheidende Grundlagen zur Stillung elementarer Bedurfnisse des Menschen. So nimmt es nicht wun der, daB der Verlauf der gesamten Geschichte seit Jahrtausenden eng mit der Geschichte der Haustiere verknupft ist. Mit der Haustierwerdung der Wiederkauer Schaf und Ziege, Rind und Kamel konnte sich ein Hirtennomadentum entwickeln, das von Anfang an im Streit urn die Landnutzung in Gegensatz zum seBhaften Bauerntum trat. Aus der Fruh zeit der Oberlieferung weist schon die Kain-und-Abel-Erzahlung des Alten Testaments auf diese Rivalitat zwischen dem Ackerbauern- und dem Hirtentum hin. 1m Blick auf die Hirtenkultur, in der jene gleichnishafte Geschichte zunachst weitergegeben wurde, er scheint die Verkorperung des Guten im Hirten Abel und des Bosen im Ackerbauern Kain voll verstandlich. Dieses gespannte Verhaltnis zieht sich bis in die Auseinandersetzungen zwischen Farmern und Cowboys bei der landwirtschaftlichen Eroberung des nordameri kanischen Westens durch die Jahrtausende. Nach der Haustierwerdung des pferdes kam es durch ReitervOlker aus den wei ten Steppengebieten Osteuropas bis ins ostliche Zentral asien immer wieder zu gewaltigen AnstoBen der Geschichte. Die Verbindung mit dem pferd ermoglichte den Hyksos urn 1650 v. Chr. die Eroberung des agyptischen Mittleren Reiches, den Hunnen an der Schwelle yom Altertum zum Mittelalter im 4. und S. nach- 1 Bild 1.5 In den IndustrieHindern dient die hoch rationalisierte Schweinemast auf engem Raum zur Sicherstellung der Fleischversorgung. christlichen Jahrhundert den die Wanderungsbewegungen in dieser Zeit bestarkenden Druck auf die Volker Europas, den Mongolen unter Dschingis-Chan zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Schaffung eines ungeheueren Weltreiches yom Osten Europas bis zum chinesischen Meer. Sieerleichterte den Spaniern zu Beginn des 16. Jahrhunderts schlieglich noch die Niederwerfung der grogen siid- und mittelamerikanischen Indianerreiche der Inka und Azteken. Die universelle Verbreitung und weitgeschichtswandelnde Bedeutung von Haustieren beruht auf dem vielfachen Nutzen, den der Mensch aus ihnen zu ziehen versteht. Er kommt am besten in den Weitbestanden einiger wichtiger Arten zum Ausdruck: jeweils iiber eine Milliarde Rinder und Schafe, iiber eine halbe Milliarde Schweine, gegen eine hal be Milliarde Ziegen. Ein elementares Bediirfnis, fiir dessen Deckung Haustiere eine ent scheidende Grundlage bieten, ist die Nahrung (Bilder 1.5-1.7). Anstelle der mehr Krafte bindenden und mit Unsicherheitsrisiken des Migerfolges behafteten Fleischbeschaffung durch die Jagd trat allmahlich mehr und mehr die weniger miihsame Deckung dieses Be diirfnisses durch die Haltung standig verfiigbarer Haustierherden. Die meisten Haustier arten werden oder wurden zumindest zu einem friiheren Zeitpunkt ihrer Geschichte als Schlachttiere zur Fleischproduktion genutzt. 1978 beispielsweise lag die Weltproduktion an Fleisch bei 132,4 Millionen Tonnen, wovon 48,1 Millionen Tonnen auf Rindfleisch und 48,7 Millionen Tonnen auf Schweinefleisch entfielen. Mehrere groge Pflanzenfresser arten liefern dane ben Milch und die aus deren Weiterverarbeitung gewinnbaren Produkte, wie etwa Butter und Kase. Die Weit-Milcherzeugung betragt nunmehr iiber 450 Millionen Tonnen jahrlich (Bild 1.8). Bei den Massai Ostafrikas wird das lebende Rind sogar durch 2 Bild 1.6 Nur knapp hinter dem Schwein liegt das Rind in der Welt-Fleischproduktion an zweiter Stelle. Der Jungbullenmast kommt dabei groBe Bedeutung zu. regelmiiRige Blutentnahme als weitere Nahrungsquelle genutzt. Eier spielen als wichtiges Produkt des Hausgefliigels eine ebenso uniibersehbare Ernahrungsrolle wie die Milch der Rinder und anderer GroBsauger. Eine ahnliche grundlegende Notwendigkeit fiir den Menschen wie die Nahrung stellt zumindest in den auBertropischen Gebieten die Kleidung als Kalteschutz dar. Hierzu lie fern Haustiere Haute zur Weiterverarbeitung zu Leder fiir die verschiedensten Zwecke yom Schuhwerk bis zum Mantel. Sie spenden Felle als Pelzwerk, wobei unter den klassi schen Haustieren das Schaf und das Kaninchen im Vordergrund stehen, aber auch Hund und Katze ihren Anteil stellen und schlieBlich die erst in unserem Jahrhundert in den Haustierstand iiberfiihrten ausgesprochenen Pelztiere, wie Fuchs und Nerz, wesentliche volkswirtschaftliche Bedeutung erlangt haben. So wurden zum Beispiel im Jahr 1976 4,75 Millionen Nerzfelle fiir 242,9 Millionen DM und 6,20 Millionen Schaffelle, vor allem Persianer, fiir 278,5 Millionen DM in die Bundesrepublik Deutschland importiert. Das dritte bedeutende Rohprodukt zur Herstellung von Bekleidung ist die Wolle vor allem des Schafes, dann der Ziege und des Alpakas. Neben der Kalteschutzwirkung der aus ihr ge fertigten Kleidungsstiicke spielt Wolle als Material zur Teppichherstellung eine weitere Rolle zur Warmeisolation des Bodens innerhalb der Behausung. Die Weltwollproduktion liegt bei iiber 1,5 Millionen Tonnen jahrlich. Das menschliche Warmebediirfnis kann noch auf andere Weise unmittelbar oder mittel bar von Haustieren befriedigt werden. Dingos, die urspriinglichen, meist verwildert anzu treffenden australischen Haushunde, bieten australischen Ureinwohnern in der Kalte der Wiistennacht in engem Zusammenliegen lebende Warmequellen. In mehreren Wiisten-und 3 Bild 1.7 Die aus dem holstein-friesischen Niederungsraum stammenden schwarzbunten Rinder haben als eine der weltbesten Mi1chrinderrassen mit Jahresmi1chleistungen von iiber 5 500 kg pro Kuh heute weite Verbreitung gefunden. Trockengebieten laBt sich der getrocknete Dung von Kamelen, Lamas oder Yaks als Brennmaterial zur Unterhaltung des Feuers nutzen. Hierbei ist mit der Warmeerzeugung gleichzeitig eine Lichtquelle gegeben. Haustierprodukte spenden Licht als Fett in 01- lampen und in erster Linie als Kerzen aus dem Wachs der nach bisheriger Definition ebenfalls zu den Haustieren zu zahlenden Honigbiene. In vielfaltigster Weise wurden Haustie"e bei der Gewinnung von Heilmitteln herangezo gen. In der griechisch-romischen Medizin wurden dazu beispielsweise fast aile Teile des Hundekorpers eingesetzt. So sollte Hundefett, spater auch Katzenfleisch, gegen Schwind sucht helfen. Der Gebrauch von Katzenfellen bei rheumatischen Erkrankungen reicht bis in unsere Zeit. Viele Teile des Ziegenkorpers hatten in der Volksmedizin Bedeutung. Heu te sind Haustiere uneriaBlich als Lieferanten mehrerer Hormone, wie Insulin zur Behand lung der Zuckerkrankheit oder Thyroxin fur die Therapie von Schilddrusenerkrankungen. Mit Haustieren werden Heilseren zur Schutzimpfung gewonnen. Schweinehaut kann vor ubergehend als Hautersatz bei Verbrennungen nutzbar gemacht werden, aus Herzklappen von Schweineherzen sind kunstliche Herzklappen herstellbar. Aus Organ en von Haus tieren werden in groBem Umfang Enzyme zu unterschiedlichen Verwendungszwecken isoliert. Einen wesentlichen Sektor der Haustiernutzung stellt die Gewinnung von Rohstoffen fur eine reiche Palette unterschiedlicher Produkte dar. Neben seiner Rolle fur die Beklei dung nahm Leder aus den Hauten der Schlachttiere zu allen Zeiten einen breiten Raum fur andere Verwendungszwecke ein. Heute reichen diese unter anderem vom Bezugsma terial fur Polstergarnituren oder Autositze uber den Grundstoff fur Taschen und Koffer bis hin zum Bucheinband. Aus Ziegenleder konnte Pergament als zeitweise wichtiges Schreibmaterial hergestellt werden. Ganze Haute der kleinen Wiederkauer Ziege und 4