INAUGURAL - DISSERTATION zur Erlangung der Doktorw(cid:252)rde der Naturwissenschaftlich - Mathematischen Gesamtfakult(cid:228)t der Ruprecht - Karls - Universit(cid:228)t Heidelberg vorgelegt von Dipl.-Ing. Andreas Comouth aus Jena Tag der m(cid:252)ndlichen Pr(cid:252)fung: 18.04.2012 Kontrollierte Deposition synthetischer Nanopartikel auf Lungenzellen an der Luft-Fl(cid:252)ssigkeits-Grenzschicht f(cid:252)r toxikologische Untersuchungen Gutachter: Prof. Dr. Thomas Leisner Prof. Dr. Henning Bockhorn Kurzfassung In der Dosimetrie und Charakterisierung relevanter Materialeigenschaften sto- (cid:255)en etablierte Expositionsverfahren zur Bewertung der toxischen Wirkung von nanoskaligen Partikeln an ihre Grenzen. Zur Untersuchung der Wirkung inha- lierter Partikel wird daher zunehmend das Verfahren zur in vitro Exposition von Lungenzellen an der Luft-Fl(cid:252)ssigkeits-Grenzschicht eingesetzt. In dieser Arbeit wurde ein entsprechendes Expositionssystem aufgebaut, im De- tail charakterisiert und f(cid:252)r die Untersuchung von Nanopartikeln eingesetzt. Zur Vorhersage der Depositionse(cid:30)zienzen wurde ein (cid:29)uid-dynamisches Modell f(cid:252)r Partikelgr(cid:246)(cid:255)en zwischen 20 nm und 2 µm entwickelt und experimentell validiert. Die relativ geringe Depositionse(cid:30)zienz der Expositionskammern von ca. 1% wur- de durch ein elektrostatisches Feld um mehr als eine Gr(cid:246)(cid:255)enordnung erh(cid:246)ht, so dass die Simulation akut erh(cid:246)hter Partikelbelastungen m(cid:246)glich ist. Die Funktionst(cid:252)chtigkeit des Expositionssystems wurde mit luftgetragenen Me- talloxidnanopartikeln (TiO , SiO ) und Ru(cid:255)aerosol demonstriert. Dazu wurden 2 2 verschiedene Aerosolerzeugungsverfahren getestet und die Aerosole insbesonde- re bez(cid:252)glich ihres Agglomerationszustands und Residualpartikelanteils charakte- risiert. Zur Bestimmung der deponierten Dosis wurden verschiedene Methoden untersucht und deren Anwendungsbereiche eingegrenzt. Die aus den Expositions- versuchen ermittelten wirksamen Dosen wurden mit realistischen Partikelbela- stungen verglichen und den beobachteten Reaktionen der A549 Lungenzelllinie gegen(cid:252)bergestellt. Akute in(cid:29)ammatorische und zytotoxische Zellreaktionen wur- den nur nach Exposition mit unnat(cid:252)rlich hohen Dosen an SiO Nanopartikeln 2 beobachtet. Abstract Established exposure procedures reach their limits in the assessment of toxic hazard of nanomaterials regarding dosimetry and characterisation of relevant ma- terial properties. Hence in vitro procedures for cell exposure of lung cells at the air liquid interface are used more frequently to evaluate the toxic impact of inha- led particles. In this work an according exposure setup was build, characterized, and applied for the investigation of nanoparticles. In order to predict the deposition e(cid:30)ciency a (cid:29)uid dynamic model was developed and validated for particle sizes between 20 nm and 2 µm. The deposition e(cid:30)ciency of the exposure chamber of about 1% was increased by more than one order of magnitude by applying an electrostatic (cid:28)eld. This allows now simulation of acute increased particle levels. The operational reliability of the exposure system was demonstrated with metal oxide nanoparticles and soot aerosols. Various procedures for aerosol generati- on were tested. Agglomeration state and residual fraction of the particles were characterized. Di(cid:27)erent methods for determination of deposited doses and their range of application were investigated. The e(cid:27)ective dose values determined in ex- posure experiments were compared to realistic particle loadings of human lungs and related to reactions of A549 lung cells. Acute in(cid:29)ammatory and cytotoxic cell reactions were only observed after exposure to extremely high doses of SiO 2 nanoparticles. Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 1 2 Biologischer Hintergrund 3 2.1 Dosimetrie und relevante Dosisgr(cid:246)(cid:255)en . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Zellmodellsysteme f(cid:252)r in vitro Versuche . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.3 Submerse Exposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.4 Exposition an der Luft - Fl(cid:252)ssigkeits - Grenzschicht . . . . . . . . 10 2.5 Biologische Endpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 3 Methodische Grundlagen 14 3.1 Nanopartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3.1.1 Kinetik der Agglomeratbildung . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.1.2 Verfahren zur Deagglomeration . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.1.3 Methoden zur Stabilisierung (cid:29)(cid:252)ssiger Suspensionen . . . . 18 3.2 Deposition luftgetragener Nanopartikel auf Lungenzellen . . . . . 22 3.2.1 Aerosolerzeugung mit dem Elektrospray und Atomizer . . 23 3.2.2 Aerosolcharakterisierung und Dosisbestimmung . . . . . . 25 3.3 Simulation der Depositionse(cid:30)zienz . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4 Aufbau, Modellierung und Versuchsdurchf(cid:252)hrung 35 4.1 Aerosolerzeugung und Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . 35 4.1.1 Erzeugung stabiler Partikelsuspensionen . . . . . . . . . . 37 4.1.2 Synthese von SiO Partikeln zur direkten Exposition . . . 39 2 4.1.3 Charakterisierung der Agglomerat- und Residualanteile . . 41 4.2 Aufbau der Expositionseinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.1 Modi(cid:28)kation der Expositionskammer zur elektrostatischen Deposition von Nanopartikeln . . . . . . . . . . . . . . . . 45 4.2.2 Messung der Depositionse(cid:30)zienz . . . . . . . . . . . . . . 46 4.2.3 Simulation der Depositionse(cid:30)zienz . . . . . . . . . . . . . 48 4.3 Durchf(cid:252)hrung der Expositionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.3.1 Blindversuche mit Partikelfreier Luft . . . . . . . . . . . . 51 4.3.2 Exposition mit SiO Nanopartikeln . . . . . . . . . . . . . 52 2 4.3.3 Exposition mit TiO Nanopartikeln . . . . . . . . . . . . . 55 2 4.3.4 Exposition mit Kohlensto(cid:27)partikeln . . . . . . . . . . . . . 55 5 Resultate 58 5.1 Residual- und Agglomeratanteil der Aerosole . . . . . . . . . . . 58 5.1.1 Stabilisierte kommerzielle Suspensionen . . . . . . . . . . . 59 5.1.2 Resuspendierte Metalloxide aus der Gasphasensynthese . . 65 I Inhaltsverzeichnis 5.1.3 Fl(cid:252)ssigabgeschiedene SiO Partikel aus der Mikrowellen- 2 plasmasynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.1.4 Direkte Erzeugung von SiO Nanopartikeln f(cid:252)r Expositi- 2 onsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.1.5 Reproduzierbarkeit und Stabilit(cid:228)t der Aerosole . . . . . . . 79 5.2 Agglomeratstruktur der Aerosolpartikel . . . . . . . . . . . . . . . 81 5.3 Zellvertr(cid:228)glichkeit der Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.4 Depositionse(cid:30)zienz der Expositionskammer ohne Elektrode . . . . 92 5.4.1 Gr(cid:246)(cid:255)enabh(cid:228)ngigkeit der Depositionse(cid:30)zienz . . . . . . . . 93 5.4.2 Dichteabh(cid:228)ngigkeit der Depositionse(cid:30)zienz . . . . . . . . . 96 5.4.3 Depositionse(cid:30)zienz fraktal(cid:228)hnlicher Agglomerate . . . . . 98 5.4.4 Experimentelle Validierung der Simulation . . . . . . . . . 99 5.5 Depositionse(cid:30)zienz mit Elektrode . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5.6 Zytotoxische und In(cid:29)ammatorische Wirkung verschiedener Nano- partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 5.6.1 SiO Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2 5.6.2 TiO Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2 5.6.3 Kohlensto(cid:27) Partikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.7 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.7.1 Gefahr durch Nanopartikel? . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 6 Zusammenfassung 127 7 Ausblick 130 II 1 Einleitung 1 Einleitung Aufgrund ihrer besonderen physikalischen, chemischen und biologischen Eigen- schaften werden Nanopartikel in einer Vielzahl von Verfahren und Produkten angewendet. Sie erm(cid:246)glichen unter anderem die Herstellung und Entwicklung neuer Verbundwerksto(cid:27)e mit besonderen mechanischen, thermischen, magneti- schen oder elektrischen Eigenschaften [Wegner et al., 2004]. Die vielen Vorteile bei der Anwendung nanoskaliger Materialien sind unumstritten. Epidemiologi- sche Studien belegen allerdings auch eine gesundheitssch(cid:228)dliche Wirkung durch inhalierte feine und ultrafeine Partikel [Ibald-Mulli et al., 2002], [Pope et al., 2004], [Pope and Dockery, 2006], [Stoelzel et al., 2007], [Pope et al., 2009]. Die zunehmende Anwendung von Nanopartikeln erfordert daher auch eine sinnvolle Risikobewertung der damit einhergehenden Exposition von Mensch und Umwelt. Da Partikel dieser Gr(cid:246)(cid:255)enordnung in der Lage sind im alveolaren Bereich des Atemtrakts zu deponieren und dort nur eine sehr d(cid:252)nne Epithelbarriere vorliegt, kann davon ausgegangen werden, dass die Lunge eine der wesentlichen Pforten f(cid:252)r Nanopartikel in den menschlichen K(cid:246)rper darstellt [Society, 2004], [Curwin and Bertke, 2011]. Die epidemiologischen Studien geben allerdings keinen Auf- schluss (cid:252)ber die f(cid:252)r eine gesundheitssch(cid:228)dliche Wirkung verantwortlichen Parti- keleigenschaften oder Wirkmechanismen. Das Aufstellen gesetzlicher Regularien im Umgang mit Nanomaterialien zum wirksamen Schutz der Bev(cid:246)lkerung und von Arbeitnehmern erfordert aber gerade ein Verst(cid:228)ndnis der zugrundeliegenden physiologischen Wirkmechanismen. Neben der Beurteilung der Exposition durch spezi(cid:28)sche Partikelsorten ist dabei insbesondere die Bestimmung des toxischen PotentialszurBewertungdervonihnenausgehendenGefahrerforderlich.Ausdie- sem Grund machte sich das durch die Deutche Forschungsgemeinschaft, im Rah- men des Schwerpunktprogramms 1313 gef(cid:246)rderte, NANO-SYNCC Projekt (Na- noparticles: Synthesis, characterisation, and cellular e(cid:27)ects) die Beurteilung der toxischen Wirkung von Nanopartikeln auf alveolare Epithelzellen und Makropha- gen, sowie die Identi(cid:28)zierung der daf(cid:252)r verantwortlichen Partikelparameter und zugrundeliegenden Mechanismen zur Kernaufgabe. Da gasphasensynthetisierte Metalloxide derzeit die kommerziell relevantesten und neben Kohlensto(cid:27)verbin- dungen am h(cid:228)u(cid:28)gsten synthetisierten Nanomaterialien darstellen [Wegner et al., 2004], [Society, 2004] lagen sie im Fokus der im NANO-SYNCC Projekt durch- gef(cid:252)hrten Untersuchungen. Daher wurden vom Engler Bunte Institut des Karls- ruher Instituts f(cid:252)r Technologie (KIT) ma(cid:255)geschneiderte Metalloxidnanopartikel in einem niederdruck Flammensyntheseverahren hergestellt und charakterisiert [Nalcaci et al., 2011]. Die toxische Wirkung dieser Partikel wurde vom Institut f(cid:252)r Toxikologie und Genetik des KIT durch die Exposition von Lungenzellen mit (cid:29)(cid:252)ssigenNanopartikelsuspensionencharakterisiert.Dadasalssubmersbezeichne- te Verfahren mit (cid:29)(cid:252)ssigen Nanopartikelsuspensionen ein sehr unrealistsiches Ex- positionsszenario darstellt und die Partikeleigenschaften sowie deponierten Dosen 1 1 Einleitung nur unzureichend charakterisiert werden k(cid:246)nnen, wurde es in erster Linie als Aus- wahlpr(cid:252)fverfahren zur Identi(cid:28)zierung besonders toxisch wirkender Partikelsorten eingesetzt.ZurUntersuchungdertoxischenWirkungunterdeutlichrealistischeren und wohl de(cid:28)nierten Bedingungen wurden, in Zusammenarbeit des Intituts f(cid:252)r Meteorologie und Klimaforschung, sowie dem Institut f(cid:252)r Technische Chemie des KIT, Expositionsversuche an der Luft-Fl(cid:252)ssigkeits-Grenz(cid:29)(cid:228)che (ALI) mit den im Submersverfahrenalsbesonderspotentidenti(cid:28)ziertenPartikelndurchgef(cid:252)hrt.Ein in dieser Arbeit behandelter Schwerpunkt liegt in der Bereitstellung der f(cid:252)r ALI Expositionsversuche notwendigen Aerosole. Diese erfordern eine reproduzierba- re Resuspendierung der gasphasensynthetisierten Partikel in einem (cid:252)ber mehrere Stunden stabilen Aerosol mit einem de(cid:28)nierten Agglomeratzustand. Weiterhin d(cid:252)rfen die Aerosole keine toxischen Gase, Nebendprodukte oder zu gro(cid:255)e Antei- le an Residualpartikeln enthalten, welche die biologische Wirkung beein(cid:29)ussen k(cid:246)nnen. Aufgrund der schwachen Zellreaktionen nach einer Metalloxidnanoparti- kelexposition sind au(cid:255)erdem hohe Partikeldosen erforderlich. Da stabile Konzen- trationen luftgetragener Partikel nat(cid:252)rlichen Grenzen unterliegen ist ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit die Erh(cid:246)hung der Depositionse(cid:30)zienz einer kommerzi- ellerh(cid:228)ltlichenExpositionskammerdurcheinelektrostatischesFeld.DesWeiteren wird eine auf dieser Expositionskammer basierende Expositionsanlage zur Durch- f(cid:252)hrung von ALI Experimenten unter stabilen zellvertr(cid:228)glichen Bedingungen vor- gestellt. Insbesondere wird auf die Charakterisierung der Depositionse(cid:30)zienz zur Bestimmung der deponierten Dosis eingegangen. Diese ist erforderlich zur Be- stimmung der deponierten Dosis der im Rahmen dieser Arbeit durchgef(cid:252)hrten Expositionsversuche 2
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