Forschung fur die Praxis • Band 40 Berichte aus dem Forschungsinstitut fur Rationalisierung (FIR) und dem Lehrstuhl und Institut fur Arbeitswissenschaft (lAW) der Rheinisch-Westfalischen Technischen Hochschule Aachen Herausgeber: Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. R. Hackstein H. Abels DISKOVER II Ganzheitliche Bestimmung von Sicherheitsbestanden Mit 34 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg NewVork London Paris Tokyo Hong Kong Barcelona Budapest Dipl.-Ing., Dipl.-Wirt.-Ing. Helmut Abels Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsinstitut fOr Rationalisierung an der Rheinisch-Westtaiischen Technischen Hochschule Aachen Univ.-Prof. em. Dr.-Ing. Rolf Hackstein Bis zu seiner Emeritierung am 30.6.90 Inhaber des Lehrstuhls und Di rektor des Instituts fOr Arbeitswissenschaft, Direktor des Forschungs instituts fUr Rationalisierung an der Rheinisch-Westfalischen Techni schen Hochschule Aachen D 82 (Diss. TH Aachen) Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung von Sicherheitsbestan den unter BerOcksichtigung von Lagerabgangs- und Wiederbeschaf fungsschwankungen ISBN -13 :978-3-540-54289-6 e-ISBN-13 :978-3-642-84551-2 DOl: 10.1007/978-3-642-84551-2 Dleses Werk ist urheberrechtlich geschlitzt. Die dadurch begrilndeten Rechte, Insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahmen von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervlel1altigung auf anderen Wegen und der Spei cherung in DatenverarbeHungsanlagen, blelben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbeha~en Eme Vervlel1alligung dleses Werkes oder von Tellen dleses Werkes 1St auch 1m Elnzel1all nur In den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 In der jeweils gultigen Fassung zulassig. Sie 1St grundsatzlich vergOtungsp1lichtlg. Zuwlderhandlungen unterliegen den Stralbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 1991 Reprint of the original edition 1991 Ole Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in dlesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen 1m Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benu1zt werden durlten Sollte in dlesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlimen (z.B. DIN, VOl, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zHiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewahr 1ur Richtigkeit, Volistandigkett oder AktualiUit Obernehmen. Es empfiehH sich, gegebenen1alls fOr die eigenen ArbeHen die vollstandlgen Vorschnften oder Rlchtlinien in der jeweils gOHigen Fassung hmzuzuzlehen. Gesamtherstellung' Becker-Kuns . Druck + Verlag GmbH· Peliserkerstr. 86 . 5100 Aachen' Tel. 0241 ! 153767 2160! 3020·543210 Vorwort des Herausgebers Die Mechanisierung und Automatisierung der industriellen Produktion hat in den vergangenen Jahren weiter stiindig zugenommen. Begriffe wie "Flexible Fertigungssysteme", "Roboterein satz" oder "CNC-Maschinen" sind einige Deskriptoren dieser Entwicklung. Mit steigender Komplexitilt der eingesetzten Anlagen, Maschinen und Verfahren erhohen sich auch die Anforderungen an die Organisation des Zusammenwirkens von Mensch, Betriebsmitte1 und Material. Die Beherrschung und Verbesserung dieser Ablauforganisation wird mehr und mehr zum entscheidenden Faktor flir einen erfolgreichen Einsatz modemer Produktionstechnologien. Die Ablauforganisation in den Fabriken der Zukunft wird vom Einsatz der Information stechnik gepragt sein. Einen der Anwendungsschwerpunkte der Informationstechnik in der Ablauforganisation von Produktionsbetrieben bildet der Einsatz von Informationssystemen flir die Planung und Steuerung von Produktionsablaufen einschlief31ich des Transpones und der Lagerung. Der Erfolg soldier Informationssysteme ist in besonderem MaBe davon abhangig, wie gut es gelingt, bei der Entwicklung und beim Einsatz der Systeme gleicherma13en sowohl die technisch-organisatorischen als auch die humanen (arbeitswissenschaftlichen) Aspekte zu beriicksichtigen. Wahrend sich die technologische Entwicklung namlich auf dem Hardware Sektor aul3erst rasant vollzieht, ist zu beach ten, daB zwischen der durch die Hardware gebotenen Moglichkeiten und der durch entsprechende Anwendungen eine immer grol3ere Liicke entsteht, die als "Software-Liicke" bezeichnet wird. Erfolge beim betrieblichen Einsatz konnen weiterhin aber auch nur dann erreicht werden, wenn der Mensch die oben genannten Informationssysteme akzeptiert. Das aber gelingt nur, wenn der Mensch die sich ergebenden Veranderungen positiv bewaltigen kann. Da bisher zu wenig Beweglichkeit, Einfallsreichtum und Flexibilitat bei der Entwicklung neuer Bedingun gen fiir die Gestaltung der Arbeitszeit, des Arbeitsplatzes, des Arbeitskrafteeinsatzes, der Arbeitsorganisation und ahnlichem festzustellen ist, zeigt sich hier eine zweite, immer groBer werdende Liicke, die vielfach als "Akzeptanzliicke" bezeichnet wird und die in ihren negativen Auswirkungen der "Software-Liicke" sicherlich nicht nachsteht. Dariiber hinaus ist es heute im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit von Neuen Technologien noch allzu hiiufig Ublich, daB man unter der Forderung nach "geringeren Kosten" vorzugs weise "geringere Produktionskosten" und unter "haherer Leistung" vorzugsweise "hahere menschliche Anstrengungen" versteht. Es erhebt sich aber vor dem Hintergrund der Massenarbeitslosigkeit die Frage, inwieweit man heute Neue Technologien als Ersatz fUr Alte Technologien vorzugsweise dUTCh Reduzierung der Personalkosten anstreben muB und man hahere Leistung vorzugsweise nur dUTCh Erhahung der menschlichen Anstrengung erreichen kann. Industrielle FUhrungskriifte sollen hingegen wissen, daB gerade die mit dem Begriff des Computers verbundenen Neuen Technologien so gestaltbar sind, daB dem Menschen nicht htihere Anstrengungen zugemutet wird, sondem der Computer die Arbeit des Menschen so unterstlitzen kann, daB das Leistungsergebnis -und darauf kommt es ja an -verbessert wird. Es ist folglich zu priifen, welche Neuen Technologien geeignet sind, sowohl die Wirt schaftlichkeit zu steigem, als auch den Personalfreisetzungseffekt zu vermeiden. Die Arbeiten der beiden yom Herausgeber bis 1990 geleiteten Institute, des Forschungs institutes flir Rationalisierung (FIR) an der RWTH Aachen und des Lehrstuhls und Institutes flir Arbeitswissenschaft (IA W) der RWTH Aachen, sind vor diesem Hintergrund darauf gerichtet, Beitrage zur SchlieBung der angezeigten Llicken und zur Realisierung der genannten Forderungen zu leisten. Zur Umsetzung gewonnener Erkenntnisse wird die Schriftenreihe "FlR-IAW-Forschung filr die Praxis" herausgegeben. Der vorliegende Band setzt diese Reihe fort. Die bisher erschienenen Titel sind am SchiuB dieses Bandes aufgeflihrt. Dem Verfasser danke ich flir die geleistete Arbeit, dem Verlag fUr die Aufnahme dieser Schriftenreihe in sein Programm und allen anderen Beteiligten flir ihren Beitrag zum Gelingen des Bandes. Rolf Hackstein Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . .................. . 2. Begriffsbestimmungen und Abgrenzungen ................... 4 2.1 Sicherheitsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.2 Unsicherheiten bei der Bedarfsennittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6 2.3 Unsicherheiten bei der Wiederbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 6 2.3.1 Liefennengenabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 2.3.2 Liefertenninabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9 2.4 Lieferbereitschaft ................................... 10 3. Bisherige Ansiitze zur Bestimmung eines Sicherheitsbestandes unter Beriicksichtigung von Lagerabgangs- und Wiederbeschaffungs- schwankungen ..................................... 12 3.1 LOsungsansiitze zur expliziten Berechnung eines Sicherheitsbestandes 15 3.2 Losungsansiitze, bei denen ein Sicherheitsbestand implizit in den Berechnungen beriicksichtigt wire! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 3.3 Zusammenfassende Beurteilung der bisherigen LOsungsansiitze zur Bestimmung eines Sicherheitsbestandes unter Beriicksichtigung von Lagerabgangs- und Wiederbeschaffungsschwankungen ...... 46 4. Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung von Sicherheits bestiinden unter Beriicksichtigung von Lagerabgangs- und Wieder- beschaffungsschwankungen ............................ 47 4.1 Anforderungen an das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 47 4.2 Ennittlung der Gesamtfehlmenge einer Lieferung .. . . . . . . . . . .. 48 4.2.1 Bestimmung der Fehlmenge aufgrund einer Liefertenninabweichung 48 4.2.2 Bestimmung der Fehlmenge aufgrund einer Mengenabweichung . .. 50 4.2.3 Bestimmung der Gesamtfehlmenge einer Lieferung . . . . . . . . . . .. 52 II 4.3 Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsbestandes 54 4.3.1 Voriiberlegungen zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes . . . . . . 54 4.3.2 Entwicklung eines Verfahrens zur Bestimmung des Sicherheits- bestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4.3.2.1 Errnittlung der zu erwartenden mittleren Fehlmenge 61 4.3.2.2 Berechnung des erforderlichen Sicherheitsbestandes 64 4.3.3 MaBnahmen zur Minimierung des erforderlichen Sicherheits- bestandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.3.3.1 Vorziehung des Soll-Lieferterrnins ....................... 70 4.3.3.2 Erhohung der Soll-Lieferrnenge ......................... 72 5. Praktische Anwendung des Verfahrens (DISKOVER II) ........ 74 5.1 Beschreibung der Unternehmen ......................... 74 5.2 Diskussion der Ergebnisse ............................. 76 5.2.1 Ergebnisse flir Unternehmen A 76 5.2.2 Ergebnisse flir U nternehmen B 83 6. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 90 7. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 92 8. Wichtige Symbole und Sonderzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 99 9. Anhang ......................................... 101 1. Einleitung und Zielsetzung Steigende Variantenvielfalt, zunehmende Produktkomplexitat und abnehmende Produktlebenszeiten gestalten die Bestandsplanung von Rohmaterialien, Halbfabrika ten und Fenigwaren immer schwieriger (vgl. Abbildung I-I). Gleichzeitig steigen die Forderungen der Kunden nach hoher Lieferbereitschaft bei immer ktirzeren Lieferzei ten bis hin zu Iust-In-Time-Anlieferungen (vgl. EVERSHEIM u.a. 1987, S. 119). I Variantenviellall Produktlebens2 eiten I~! ~-, C..J..5...l 5lj , ,..., .970 '970 U90 Produktkompl exlt§t gelorderte Llelerzeiten 1910 .lIII0 .9')0 1110 1980 1990 Abb. 1-1: EinfluBgroLlen auf die Materialbestandsplanung (EVERSHEIM u.a. 1987, S. 119) Hohe Kapitalbindung im Lager, Umsatzausfalle durch Fehlbestande, haufige und kurzfristige A..nderungen der Bedarfsmengen und -termine sind nur einige der Folgen, mit denen sich die Unternehmen heute stiindig konfrontiert sehen. Zur Sicherstellung einer moglichst hohen Lieferbereitschaft erhoht man daher Lagerbestiinde und Bestellmengen urn entsprechende Sicherheitszuschlage, wobei den Disponenten aufgrund der ihnen zugebilligten Markt- bzw. Produkterfahrung freie Hand gelassen wird. 2 Die "Erfahrung" der Disponenten reicht bei umfang- und variantenreichen Sortimen ten jedoch alleine nicht mehr aus, urn aIle dispositionsrelevanten Faktoren richtig zu beurteilen. Die Folgen sind Aussagen wie "350 Milliarden DM binden deutsche Untemehmen heute noch in der Vorratshaltung" oder ". .. die MaterialfluBkosten betragen derzeit noch zwischen 10 und 30 % der Gesamtkosten", die die Materialbestande als "Kostenfaktor Nummer eins" in deutschen Unternehmen eindeutig identifizieren (vgl. EVERSHEIM u.a. 1990, S. 42). Wichtigste Aufgabe der Materialbestandsplanung ist es daher, die Lagerbestande so zu planen, daB die Kapitalbindung so gering wie mtiglich ist, wiihrend gleichzeitig die Lieferbereitschaft gesichert wird (vgl. REFA 1985, S. 124). Die Lieferbereitschaft sowie die Kapitalbindungskosten hiingen dabei in besonderem MaGe von der Htihe des Sicherheitsbestandes ab (vgl. HACKSTEIN 1988, S. 130). Mathematische Modelle, die versuchen, eine Bestimmung des Sicherheitsbestandes unter Beriicksichtigung aller Planungsunsicherheiten durchzuflihren, sind flir den Einsatz im Betrieb hiiufig zu komplex (vgl. KRAUS 1989, S. 78). In der Praxis kommen daher immer wieder einfache Methoden zur Anwendung, die viele verfiig~ bare Informationen nicht nutzen und dadurch wesentlich an Effektivitat verschenken (MARKIEWICZ 1988, S. 5). Ziel dieser Arbeit ist es nun, ein Verfahren zur praxisorientierten Bestimmung des erforderlichen Sicherheitsbestandes zu entwickeln. 3 Praxisorientiert solI dabei bedeuten, daB - das Verfahren einfach und schnell durchzuftihren ist, - alle Unsicherheiten der Materialbestandsplanung, sofem sie nicht sinnvollerweise dUTCh andere MaBnahmen unterbunden werden kannen, bei der Bestimmung des Sicherheitsbestandes beriicksichtigt werden, - ein zu erzielender Lieferbereitschaftsgrad vorgegeben werden kann und das Verfahren in Verbindung mit bereits bestehenden Dispositionsmethoden wie z.B. der bedarfsorientierten Disposition oder einer aus einem Lagerhaltungsmodell abgeleiteten kostenoptimalen Bestellpolitik eingesetzt werden kann. In Kapitel 2 werden im Hinblick auf diese Zielsetzung zunachst die zu betrachtenden GraBen bestimmt und abgegrenzt. Kapitel 3 gibt anschlieBend einen Uberblick tiber bestehende LOsungsansatze zur Bestimmung der Sicherheitsbestande. Die EntwiCk lung und Vorstellung des Verfahrens zur Bestimmung des Sicherheitsbestandes erfolgt dann in Kapitel 4. 1m AnschluB daran wird in Kapitel 5 die exemplarische Anwendung des Verfahrens in zwei Untemehmen vorgestellt. AbschlieBend gibt Kapite1 6 nach einer zusammenfassenden Betrachtung einen Ausblick auf noch offene Fragen und magliche Erweiterungen des Verfahrens.