Paula Nitschke Digitalisierung auf der Mesoebene Die Onlinekommunikation von Interessenorganisationen als Institutionalisierung Digitalisierung auf der Mesoebene Paula Nitschke Digitalisierung auf der Mesoebene Die Onlinekommunikation von Interessenorganisationen als Institutionalisierung Paula Nitschke Institut für Medien, Wissen und Kommunikation Universität Augsburg Augsburg, Deutschland Zgl. Dissertation an der Universität Leipzig, 2018 ISBN 978-3-658-27799-4 ISBN 978-3-658-27800-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27800-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa- tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany Danksagung Das vorliegende Buch ist eine gekürzte und leicht überarbeitete Fassung meiner an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig eingereich- ten und von ihr angenommenen Dissertationsschrift. Mein Dank geht an die Organisa- tionen, die es mir erlaubt haben die teilnehmende Beobachtung in ihren Kommunikati- onsabteilungen durchzuführen. Die Personen, die ich beobachten und mit denen ich sprechen durfte, gehen ihren Tätigkeiten mit hoher Professionalität, hohem Arbeitsein- satz und nicht zuletzt mit großer Überzeugung nach. Während der Beobachtungen ha- be ich großen Respekt vor dieser Arbeit entwickelt, die mit ihrer Direktheit und Schnelligkeit so ganz anders ist als das wissenschaftliche Arbeiten. Ich hoffe, dass mein Aufenthalt keine zu große Zumutung war und die Verantwortlichen weiterhin so offen für Forschungsanfragen sind, wie sie es bei mir waren. Herr Professor Dr. Patrick Donges hat die Arbeit als Erstgutachter betreut und Frau Professor Dr. Barbara Pfetsch hat das Zweitgutachten erstellt. Beiden möchte ich sehr herzlich danken. Ihre fachliche Unterstützung, Erfahrung und konstruktive Kritik ha- ben mir sehr geholfen, das Dissertationsprojekt zu konzipieren und umzusetzen. Gewidmet ist das Buch meinen Eltern. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung: Interessenorganisationen in der Onlinewelt ................................. 1 1.1 Technologischer Wandel und Interessenorganisationen ....................................... 1 1.2 Interessenorganisationen als analytische Kategorie ............................................. 2 1.3 Fragestellung, Relevanz und Zielsetzung ............................................................. 5 1.4 Aufbau der Arbeit ............................................................................................... 8 2 Interessenorganisationen Online: Stand der Debatte .................................... 11 2.1 Politische Kommunikationsforschung: Politics as Usual und Revolution .......... 11 2.2 PR-Forschung: Die instrumentelle Sicht auf Onlinekommunikation .................. 16 2.3 Organisationssoziologie: Strukturveränderungen und Repertoirewechsel .......... 19 3 Institutionentheoretische Fundierung: Organisationen als Makro-Meso- Mikro-Link ...................................................................................................... 25 3.1 Der Makro-Meso-Link: Organisationen und institutionelle Umwelt .................. 28 3.1.1 Umwelt und Legitimität als Quell- bzw. Zielpunkt organisationalen Handelns ................................................................................................... 29 3.1.2 Freiheitsgrade von Organsiationen ......................................................... 34 3.2 Der Mikro-Meso-Link: Lokale Institutionalisierung im Binnengefüge .............. 35 3.2.1 Institutional Work .................................................................................... 37 3.2.2 Translation ................................................................................................ 37 3.2.3 Logics in Action ....................................................................................... 39 3.3 Zwischenfazit: Onlinekommunikation als Anforderung der Umwelt und Anlass für Institutionalisierungsprozesse ...................................................................... 42 4 Eine Forschungsheuristik zur Untersuchung organisationaler Institutionalisierungsprozesse......................................................................... 45 4.1 Kombination der Institutionenkonzeption von Scott und Giddens’ Strukturationstheorie ......................................................................................... 46 4.2 Dimensionen des Institutionalisierungsprozesses............................................... 47 4.2.1 Artefakte ................................................................................................... 47 4.2.2 Arbeitsroutinen und Arbeitsregeln .......................................................... 48 4.2.3 Beziehungsnetzwerke und Koordination ................................................ 50 4.2.4 Sprachbasierte Sinnwelten ...................................................................... 51 VIII Inhaltsverzeichnis 5 Moderatoren im Institutionalisierungsprozess .............................................. 55 5.1 Konkurrierende Handlungslogiken in der politischen Sphäre ............................ 56 5.1.1 Logiken in der Mediatisierungsforschung .............................................. 56 5.1.2 Verbändeforschung: Bezugslogiken und Stakeholder ........................... 60 5.2 Ausdifferenzierte Organisationsstruktur und interne Politisierung ..................... 66 5.2.1 Ausdifferenzierung nach Aufgabengebiet .............................................. 66 5.2.2 Ausdifferenzierung nach beruflichen Gruppen ...................................... 69 5.3 Digitalisierung, Datafizierung und Quantitative Sensemaking ........................... 74 5.3.1 Digital Traces: Digitalisierung und Datafizierung ................................. 75 5.3.2 Digitalisierung, Quantifizierung und Wettbewerb ................................. 77 5.3.3 Quantitative Sensemaking: Politisierung und Onlinezahlen ................. 79 5.4 Zwischenfazit: Neoinstitutionalismus als integrative Theorie: Der Einbezug spezifischer Kontexte ........................................................................................ 83 6 Zusammenfassung der theoretischen Konzeption und Forschungsfragen ... 85 7 Empirische Umsetzung: Organisationsfallstudien mit Beobachtung ........... 91 7.1 Interviewstudie mit Kommunikationsverantwortlichen...................................... 91 7.2 Organisationsfallstudien im Mehrmethodendesign ............................................ 92 7.2.1 Auswahl und Rekrutierung der Organisationen ..................................... 94 7.2.2 Vorbereitende Organisations- und Kommunikationsanalyse ................ 96 7.2.3 Teilnehmende Beobachtung .................................................................... 98 7.2.4 Feldinterviews während der teilnehmenden Beobachtung .................. 102 7.2.5 Dokumentenanalyse von Feldmaterialien ............................................ 102 7.2.6 Projektdatenbank und Auswertung ....................................................... 103 8 Befunde der empirischen Untersuchung ...................................................... 105 8.1 Organisationsstruktur und Kommunikationsrepertoire ..................................... 105 8.1.1 Umweltorganisation ............................................................................... 106 8.1.2 Hilfsorganisation .................................................................................... 109 8.2 Institutionalisierung in der Dimension Artefakte ............................................. 111 8.2.1 Anlässe für Planung, Produktion und Veröffentlichung ..................... 111 8.2.2 Ziele und Zielgruppen............................................................................ 114 8.2.3 Beschränkungen ..................................................................................... 120 8.3 Institutionalisierung in der Dimension Arbeitsroutinen und Arbeitsregeln ....... 121 8.3.1 Routinen im Arbeitsalltag ..................................................................... 121 8.3.2 Schriftlich verfasste Regeln für Onlinekommunikation ...................... 130 Inhaltsverzeichnis IX 8.4 Institutionalisierung in der Dimension Beziehungsnetzwerke .......................... 132 8.4.1 Der Einfluss von Beziehungsnetzwerken auf Onlinekommunikation 132 8.4.2 Die Neuordnung von Beziehungsnetzwerken durch Onlinekommunikation ........................................................................... 137 8.5 Institutionalisierung in der Dimension Sprachbasierte Sinnwelten ................... 141 8.6 Fazit der empirischen Untersuchung................................................................ 145 9 Konklusion: Entgrenzung durch Digitalisierung und Onlinekommunikation .................................................................................. 151 9.1 Entgrenzung durch algorithmische Vernetzung ............................................... 151 9.2 Entgrenzung durch Personalisierung organisationaler Kommunikation ........... 153 9.3 Entgrenzung durch Marketization.................................................................... 154 9.4 Reflexion des Vorgehens und Schlussfolgerungen .......................................... 156 Anhang ................................................................................................................... 161 Literaturverzeichnis .............................................................................................. 177 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Untersuchungsebenen im Neoinstitutionalismus................................... 28 Abbildung 2: Quell- und Zielpunkte organisationalen Handelns ................................ 31 Abbildung 3: Geschäftsstelle Umweltorganisation ................................................... 107 Abbildung 4: Geschäftsstelle Hilfsorganisation ....................................................... 110 Abbildung 5: Wortwolken ....................................................................................... 144 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Forschungsheuristik zur Untersuchung der Institutionalisierung von Onlinekommunikation. ............................................................................. 53 Tabelle 2: Normative Logik und Marktlogik im Vergleich. ....................................... 60 Tabelle 3: Gebrauchsweisen des Logikbegriffs im Vergleich ..................................... 66 Tabelle 4: An der Kommunikation mit Stakeholdern beteiligte Abteilungen .............. 68 Tabelle 5: Perspektiven auf Profesionen. ................................................................... 73 1 Einleitung: Interessenorganisationen in der Onlinewelt Die vorliegende Studie hat Digitalisierungsprozesse auf der Mesoebene zum Thema und untersucht diese Prozesse am Beispiel der Onlinekommunikation von Interessen- organisationen. Das Erkenntnisinteresse liegt darin, zu beschreiben, wie Interessen- organisationen langfristig auf die Verbreitung von Onlinekommunikation als Bestand- teil der Digitalisierung reagieren. 1.1 Technologischer Wandel und Interessenorganisationen Sowohl in der öffentlichen Debatte, als auch in der wissenschaftlichen Auseinander- setzung wird der gegenwärtige Medienwandel – und dabei besonders der Phänomen- komplex aus Digitalisierung, Computerisierung und Internet – häufig als historische Zäsur bewertet, die eine Restrukturierung nahezu aller gesellschaftlichen Teilbereiche und des sozialen Lebens insgesamt bedeutet. Diese Restrukturierung wird mitunter als so tiefgreifend beschrieben, dass von einem neuen digitalen Zeitalter oder einer digi- talen Revolution gesprochen (und gewarnt) wird (siehe z. B. Helbing et al. 2017). Auch in der politischen Kommunikationsforschung wird der strukturelle Wandel poli- tischer Kommunikation durch Onlinemedien als Zeitenwende bewertet, die „ver- gleichbar ist mit der Entstehung bürgerlicher Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit oder ihrer Transformation zur modernen Öffentlichkeit industrieller Massengesellschaften“ (Dohle et al. 2014, S. 435). Die Konsequenzen des strukturellen Wandels für politische Akteure sind vielfältig. So stellt der technologische Wandel einerseits ein neues Akti- onsfeld für die Politik dar. Ob nun für echte Regulierungsmaßnahmen oder für sym- bolpolitische Profilierung sei dahingestellt und mag von Themenaspekt zu Themenas- pekt variieren. In jedem Fall steht die Digitalisierung auf der politischen Agenda weit oben. Schlagworte in diesem Zusammenhang sind beispielsweise das Netzwerkdurch- setzungsgesetz, Uploadfilter, die Digitale Agenda oder Forderungen nach einem Grundrecht auf schnelles Internet (wie es Peter Altmaier gefordert hat, siehe FAZ 3. 11.2017). Andererseits, und darum geht es in der vorliegenden Arbeit, ist Digitalisie- rung nicht nur ein Aktionsfeld der Politik, sondern technologischer Wandel und On- linekommunikation beeinflussen umgekehrt auch die Handlungen, Strukturen und Prozesse politischer Akteure. So führen Ministerien Unterabteilungen für Social Media ein, MdBs kommentieren die Parlamentsarbeit live auf Twitter, die Zivilgesellschaft organisiert sich über Onlinenetzwerke und politische Organisationen nutzen das Inter- net, um ihre Mitglieder anzusprechen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren oder Spenden zu sammeln. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 P. Nitschke, Digitalisierung auf der Mesoebene, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27800-7_1