Realitätsbezüge im Mathematikunterricht Gilbert Greefrath Hans-Stefan Siller Hrsg. Digitale Werkzeuge, Simulationen und mathematisches Modellieren Didaktische Hintergründe und Erfahrungen aus der Praxis Realitätsbezüge im Mathematikunterricht Reihenherausgeber WernerBlum,UniversitätKassel RitaBorromeoFerri,UniversitätKassel GilbertGreefrath,UniversitätMünster GabrieleKaiser,UniversitätHamburg KatjaMaaß,PädagogischeHochschuleFreiburg MathematischesModellierenist einzentralesThemadesMathematikunterrichtsundein Forschungsfeld, das in der nationalen und internationalen mathematikdidaktischen Dis- kussion besondere Beachtung findet. Anliegen der Reihe ist es, die Möglichkeiten und Besonderheiten,aberauchdieSchwierigkeiteneinesMathematikunterrichts,indemRea- litätsbezügeundModelliereneinewesentlicheRollespielen,zubeleuchten.Dieeinzelnen Bände der Reihe behandeln ausgewählte fachdidaktische Aspekte dieses Themas. Dazu zählentheoretischeFragenebensowieempirischeErgebnisseunddiePraxisdesModel- lierens in der Schule. Die Reihe bietet Studierenden, Lehrenden an Schulen und Hoch- schulen wie auch Referendarinnen und Referendaren mit dem Fach Mathematik einen ÜberblicküberwichtigeErgebnissezudiesemThemenfeldausderSichtvonExpertinnen undExpertenausHochschulenundSchulen.DieReiheenthältsomitSammelbändeund LehrbücherzumLehrenundLernenvonRealitätsbezügenundModellieren. Die Schriftenreiheder ISTRON-Gruppeist nunTeil der Reihe„Realitätsbezügeim Ma- thematikunterricht“. Die Bände der neuen Serie haben den Titel „Neue Materialien für einenrealitätsbezogenenMathematikunterricht“. Gilbert Greefrath (cid:2) Hans-Stefan Siller (Hrsg.) Digitale Werkzeuge, Simulationen und mathematisches Modellieren Didaktische Hintergründe und Erfahrungen aus der Praxis Herausgeber GilbertGreefrath Hans-StefanSiller WestfälischeWilhelms-UniversitätMünster Julius-Maximilians-UniversitätWürzburg Münster,Deutschland Würzburg,Deutschland ISSN2625-3550 ISSN2625-3569(electronic) RealitätsbezügeimMathematikunterricht ISBN978-3-658-21939-0 ISBN978-3-658-21940-6(eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-21940-6 DieDeutscheNationalbibliothekverzeichnetdiesePublikationinderDeutschenNationalbibliografie;detaillier- tebibliografischeDatensindimInternetüberhttp://dnb.d-nb.deabrufbar. SpringerSpektrum ©SpringerFachmedienWiesbadenGmbH,einTeilvonSpringerNature2018 DasWerkeinschließlichallerseinerTeileisturheberrechtlichgeschützt.JedeVerwertung,dienichtausdrücklich vomUrheberrechtsgesetzzugelassenist,bedarfdervorherigenZustimmungdesVerlags.Dasgiltinsbesondere fürVervielfältigungen,Bearbeitungen,Übersetzungen,MikroverfilmungenunddieEinspeicherungundVerar- beitunginelektronischenSystemen. DieWiedergabevonGebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungenusw.indiesemWerkberechtigt auchohnebesondereKennzeichnungnichtzuderAnnahme,dasssolcheNamenimSinnederWarenzeichen- undMarkenschutz-Gesetzgebungalsfreizubetrachtenwärenunddahervonjedermannbenutztwerdendürften. DerVerlag,dieAutorenunddieHerausgebergehendavonaus,dassdieAngabenundInformationenindiesem WerkzumZeitpunktderVeröffentlichungvollständigundkorrektsind.WederderVerlagnochdieAutorenoder dieHerausgeberübernehmen,ausdrücklichoderimplizit,GewährfürdenInhaltdesWerkes,etwaigeFehler oderÄußerungen.DerVerlagbleibtimHinblickaufgeografischeZuordnungenundGebietsbezeichnungenin veröffentlichtenKartenundInstitutionsadressenneutral. VerantwortlichimVerlag:UlrikeSchmickler-Hirzebruch GedrucktaufsäurefreiemundchlorfreigebleichtemPapier SpringerSpektrumisteinImprintdereingetragenenGesellschaftSpringerFachmedienWiesbadenGmbHund isteinTeilvonSpringerNature. DieAnschriftderGesellschaftist:Abraham-Lincoln-Str.46,65189Wiesbaden,Germany Vorwort Mathematisches Modellieren ist in der didaktischen Diskussion zu einem innovativen MathematikunterrichtschonseitJahrzehntenetabliert.DarüberhinausistesinBildungs- standards für den Mathematikunterricht aller Schulstufen und in der Unterrichtspraxis berücksichtigt. DiemöglichenModellierungstätigkeitenimMathematikunterrichthabensichnichtzu- letztdurchdieExistenzvondigitalenWerkzeugenindenletztenJahrenverändert.Gerade beimUmgangmitrealitätsbezogenenProblemenkönnendigitaleWerkzeugesinnvollzur UnterstützungvonLehrendenundLernendensein.DigitaleWerkzeugehaben,insbeson- dere durch die fortschreitende technische Entwicklung, zunehmend an Bedeutung für denEinsatzimMathematikunterrichtgewonnenundmitihrerEinführungsindvielfältige HoffnungenaufgrundlegendeVeränderungendesUnterrichtsverbunden. DieserBandwidmetsichdemEinsatzdigitalerMedienimZusammenhangmitModel- lierungsprozessenimMathematikunterricht. In einem ersten Teil werden theoretischeund empirischeBeiträge zu diesem Thema zusammengefasst.ErbeginntmiteinemÜbersichtsbeitrag,derindieDiskussionzurNut- zungdigitalerWerkzeugeundSimulationenimZusammenhangmitRealitätsbezügenund ModellierungeinführtunddiegrundlegendenBegrifflichkeitendarstellt. DerEinführungsbeitragvonGreefrathundSillerverbindetdiebeidenAspektedesma- thematischenModellierensunddesWerkzeugeinsatzesundgibteinenÜberblicküberdie möglicheNutzungdigitalerWerkzeugebeimmathematischenModellierenimUnterricht. DazuwerdenauchtheoretischeModellezurNutzungdigitalerWerkzeugebeimModellie- ren vorgestelltundErkenntnisseausempirischen Untersuchungenbetrachtet. Außerdem wirddasSimulierenalsspezielleVerwendungdigitalerWerkzeugebeimmathematischen Modellierendiskutiert. DieverschiedenenAusgangspunktedigitaleWerkzeuge,Simula- tionenundmathematischesModellierenwerdensozusammengeführt. Im Weiteren finden sich speziellere theoretischeund empirischeStudien zu verschie- denenAspektendesLehrensundLernensvonmathematischemModellierenmitdigitalen MediensowieunterrichtlicheBeispieleaufderGrundlageeinschlägigerErfahrungen. Der Beitragvon Wörler arbeitetdenBegriffderSimulation theoretisch auf undleitet darauseinKonzeptzurDifferenzierungvonSimulationenundzurUmsetzungvonSimu- lationenab,dasdieAktivitätdesBenutzersbzw.dieMöglichkeitenseinesEinwirkensauf V VI Vorwort den Programmablaufzum Maßstab nimmt. Somit können einerseits bestehendeSimula- tionenhinsichtlich dieser Variationsmöglichkeitenanalysiertunddaraufaufbauendauch verglichenwerden.AndererseitskanndasKonzeptebensozurEntwicklungvonSoftware- implemetierungeinzelnerSimulationendienen. Sträßer beleuchtet die Rolle und Wirkung von Mathematik bei der Simulation be- rufsbezogener Kontexte. Der Beitrag geht anhand von Beispielen wie dem technischen Zeichnen,derBerechnungvonPreisenwieetwaZinsenundmakro-ökonomischerKreis- laufmodelle insbesondere auf die dienende Rolle der Mathematik bei Simulationen be- rufsbezogenerKontexteein.EswirdauchdieTatsachedesVersteckensvonMathematikin schwarzenKästen(„blackboxes“)berücksichtigt.Darüberhinauswerdenentsprechende Konsequenzen für berufsbezogeneSimulationen im Mathematikunterricht allgemeinbil- denderSchulenbeschrieben. Der Beitrag von Hankeln beschreibt eine qualitative Studie mit zwölf Schülerinnen undSchülern,inderanalysiertwurde,obbeiderBearbeitungvonModellierungsaufgaben spontaneSimulationsprozesseauftreten,ohnedassdieSchülerinnenundSchülerexplizit zudiesenaufgefordertwurden.AnhandvonfünfFallskizzenwirdaufgezeigt,dassSimu- lationsprozessevorallem,abernichtnurbeiderArbeitmiteinerDynamischenGeometrie- Software auftreten und dass ihre Effektivität unter anderem auch von der Sicherheit im Umgangmit demProgramm abhängt.Außerdemwird dieExistenz verschiedenerArten derSimulationauchempirischnachgewiesen. ImMittelpunktdesBeitragsvonBaum,BeckundWeigand stehteinMathematiklabor anderUniversitätWürzburg,dasesSchülerinnenundSchülernabder10.Jahrgangsstufe ermöglichtmitrealenundvirtuellenModellenzuexperimentieren,alsoSimulationenaus- zuführenunddamitEntdeckungenzu generieren,Ergebnissezu überprüfen,Sonderfälle zu untersuchenundFragestellungenzu erweitern. Beispielehierfürsind der Bagger,der ScheibenwischeroderdasEinparkeneinesAutos,aberauchmathematischeInstrumente wieParabel-oderEllipsenzirkeloderdurchmathematischeIdeenangeregteModellewie etwa „Gleichdicks“ oder Origami. An Beispielen werden Möglichkeiten des Einsatzes eines digitalen Werkzeugs bei Simulationen inner- und außermathematischer Problem- stellungenaufgezeigt. Im zweiten Teil des Bandes liegt der Schwerpunkt auf Erfahrungen aus der Praxis desSimulierensunddesmathematischenModellierensmitdigitalenWerkzeugen.Dabei werden zum einen konkret durchgeführte Projekte vorgestellt und zum anderen daraus auch allgemeine Erkenntnisse bezüglich bestimmter Inhalte, Methoden und Medien im ZusammenhangmitrealitätsbezogenenProblemenabgeleitet.DieModellierungsprojekte stammenteilweiseausdemMathematikunterrichtderSchule,teilweiseauchausModel- lierungswochenanHochschulenbzw.auseinemSeminaranderHochschule. Bock und Bracke zeigen auf, wie eineräumliche und zeitliche Krankheitsdynamik in der Sekundarstufe 2 behandelt werden kann. Sie beschränken sich auf Krankheiten, die vonMenschzuMenschübertragbarsind,wieetwaGrippeundEbola.DabeispieltdieSi- mulationamComputereinezentraleRolle.DiebenutztenMethodenhierbeisindzelluläre AutomatenundexpliziteEuler-AlgorithmenzurLösungvonDifferentialgleichungen. Vorwort VII ImBeitragvonFrank,Richter,RoeckerathundSchönbrodtwirddieFragestellung,wie dieGPS-Positionsbestimmungfunktioniert,untersucht.EswerdenmathematischeHinter- gründederPositionsbestimmungmittelsGPSundeinekonkretedidaktisch-methodische UmsetzungimRahmeneinescomputergestütztenWorkshopsfürSchülerinnenundSchü- ler der Oberstufe vorgestellt. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten mit realen vor Ort aufgenommenenSatellitendatenunderlebensehranschaulich,wiesicheinModellimmer weiterverbessert.DieModellverbesserungwirdsichtbar,indemsichdieermitteltePositi- onaufeinerKarteimmerweiterdertatsächlichenPositionderDatenaufnahmeannähert. ImBeitragvonGöttlichwirdeineModellierungsaufgabevorgestellt,diewährenddes Bachelor- und Masterseminars Modellierung und Simulation von einer Gruppe Studie- render an der Universität Mannheim bearbeitet wurde. Ziel dieser Aufgabe war es, das Einstiegsverhalten von Passagieren in ein Flugzeug hinsichtlich der Boarding-Zeiten zu analysieren. EswurdenverschiedeneStrategien entwickeltundmit Hilfevon sogenann- ten zellulären Automaten simuliert und miteinander verglichen. Das Thema ist an der SchnittstelleMathematik/InformatikverankertundbietetsichbeispielsweiseimRahmen einesprojektorientiertenUnterrichtsan. EinUnterrichtsprojektstehtimMittelpunktdesBeitragsvonLendzianundKörner.Da- rinübernehmenSchülerinnenundSchülereinerzehntenKlassedieArbeiteinerFirma,die Klimaschutzprojektedurchführt.DiesesKlimaschutzprojektsollzunächstmitHilfeeiner Finanzkalkulationevaluiertwerden.DaserstelltenumerischeModellderfinanziellenEnt- wicklungdesProjektesbasiertdabeiaufInformationenausdiversenQuellen.Diegrößte mathematische Schwierigkeit beschränkt sich auf einfache Zinsrechnung. Aufgabe der SchülerinnenundSchülerwaresalsonicht,ineinerdidaktischreduziertenLernumgebung neueFachinhalte kennenzu lernen oder zu üben, sondern in einer inhaltlich erweiterten LernumgebungFachkompetenzenvergangenerJahrgangsstufenrealitätsnahanzuwenden. DerBeitragvonRiemer zeigt,wiemanbeschreibendeStatistik, Wahrscheinlichkeits- rechnungundbeurteilendeStatistikdurchExperimentierenundSimulierenvonAnfangan somiteinandervernetzenkann,dasszentrale(Grund-)VorstellungenbeurteilenderStatis- tikfrühangelegtundkontinuierlichausgebautwerden.Zufallsschwankungenundaktives Modellieren werden hier ab Klasse 7 als integraler Bestandteildes Wahrscheinlichkeits- konzeptserlebt.WennLernendeanschließendZufallsschwankungenuntersuchenundver- suchen, diese der Größe nach zu ordnen, erfinden sie Abweichungsmaße, die mithilfe vonSimulationenzu TestgrößenwerdenunddenGrundlegenfürdas„KonzeptdesBe- zweifelns“.DarunterwirdeineintuitiveingängigeVorstufedesTestensvonHypothesen, welchedurchvorläufigenVerzichtaufdieBegriffeNullhypotheseundSignifikanzniveau zentraleIdeenbeurteilenderStatistikschoninderSekundarstufeIhervortretenlässt. Produkttestsund-rankingsspielenimAlltageinewichtigeRolle.ImBeitragvonRuzi- ka,KlöcknerundGeckswirddasgängigeVerfahrenzumErstellenvonRankingsinFolge vonProdukttestsinersterLiniemathematischuntersucht.DabeiwerdenalsHintergrund- wissen fachmathematische Überlegungen zum Kontext dargelegt und anschließend eine didaktischeBetrachtungderThematikvorgenommen.DiekonkreteUmsetzungimUnter- richtwird skizziert. Darüberhinaus wird die Frage, ob es einen stabilen Testsieger gibt, VIII Vorwort alsoeinProdukt,dassbeivielenverschiedenenGewichtungenalsTestsieger hervorgeht, diskutiert. Schülerinnen und Schüler können mit Hilfe einer Simulation einen solchen Testsieger finden und für Produkttests mit zwei oder drei Kategorien eine geometrische Deutungvornehmen. Der Beitrag von Weitendorf widmet sich der Simulation einer Fußballbundesligasai- son, da diese Situation eher der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler nahekommt. Dabei steht weniger im Vordergrund, dass die Simulation ein hinreichend exaktes Er- gebnis liefert, sondern dass Schülerinnen und Schüler erfahren wie Simulationen mit HilfevonZufallsgeneratorendurchgeführtwerdenkönnen.FürdieSimulationenwerden verschiedeneAnnahmenvorausgesetzt.EinersterSchrittgehtdavonaus,dassalleMann- schaftengleichstarksind.DieserAnsatzentsprichtsichernichtderRealität.Soergibtsich imzweitenAnsatzdieFrage,welchevorhandenenDatenfürdieSimulationdesAusgangs vonSpielen–nebendemZufall–eineRelevanzhaben.DieseDatensindfüreinmathe- matischesModellentsprechendzugewichten.EinweiteresProblemstelltdieUmsetzung indieentsprechendeTechnologiedar. Wirhoffen,mitdemvorliegendenBandüberzeugendzeigenzukönnen,dassmandigi- taleWerkzeugezumModellierenundSimulierensinnvollundgewinnbringendeinsetzen kann.WirfreuenunsüberdieVerwendungderMaterialienundIdeeninSchuleundHoch- schule. MünsterundWürzburg GilbertGreefrath imMärz2018 Hans-StefanSiller Inhaltsverzeichnis TeilI TheoretischeundempirischeBeiträge 1 DigitaleWerkzeuge,SimulationenundmathematischesModellieren . . . . 3 GilbertGreefrathundHans-StefanSiller 2 Computersimulationen zum Lernen von Mathematik – Analyse und KlassifizierungdurchInteraktionsgradeund-möglichkeiten . . . . . . . . . 23 JanFranzWörler 3 MathematikundSimulationinberufsbezogenenKontexten . . . . . . . . . 49 RudolfSträßer 4 WievielSimulierenstecktimModellieren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 CorinnaHankeln 5 Experimentieren,MathematisierenundSimulierenimMathematiklabor. 91 SabineBaum,JohannesBeckundHans-GeorgWeigand TeilII ErfahrungenausderPraxis 6 ModellierungundSimulationvonKrankheitsausbreitungen . . . . . . . . . 121 WolfgangBockundMartinBracke 7 Wie funktioniert eigentlich GPS? – ein computergestützter Modellierungsworkshop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 MartinFrank,PascalRichter,ChristinaRoeckerathundSarahSchönbrodt 8 SchnellesBoardingleichtgemacht: EineSimulationsstudiemitzellulärenAutomaten . . . . . . . . . . . . . . . . 165 SimoneGöttlich 9 FinanzanalyseeinesKlimaschutzprojektes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 HeinerLendzianundHenningKörner IX