UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws DIE ZEIT Das neue Heft. Jetzt gratis testen! Weitere Informationen unter www.zeit.de/leo PREIS DEUTSCHLAND 5,50 € W O C H E N Z E I T U N G F Ü R P O L I T I K W I R T S C H A F T W I S S E N U N D K U L T U R 27. FEBRUAR 2020 No 10 108120_ANZ_10812000021186_25937186_X4_O20N.0P22.62 0 1 17:31 108120_ANZ_10812000021186_25937186_X4_O20N.0P22.62 0 2 17:32 CDU CORONAVIRUS Das Team bin ich! Vorsicht – aber Zwei wollen alle integrieren, einer will keine Panik! vor allem führen, und einer will der kopflosen Partei endlich wieder Orientierung geben: Laschet, Spahn, Merz Weltweit lässt sich die Krankheit und Röttgen treten an – und ein bisschen nach kaum noch aufhalten, doch sie kann Politik, Seite 2 und 3 eingedämmt werden. Dazu muss jedes Land etwas beitragen – und 5. 2.) auch jeder Einzelne m, 2 o R n ntin i WIRTSCHAFT UND WISSEN Passa T ( EI Z E DI ür ni f n Picci & mi Cai o: ot Titelf WIKILEAKS RECHTSEXTREMISTISCHE GEWALT Lebendig Bevor wieder Schüsse fallen begraben Assange darf nicht an die USA Terror beginnt schon da, wo gehetzt, bedroht und verächtlich gemacht wird. Das Hanauer Attentat muss bei Politik, ausgeliefert werden VON HOLGER STARK Ermittlungsbehörden und Gesellschaft eine fundamentale Wende bewirken VON GIOVANNI DI LORENZO Julian Assange, einst verehrter Held des Bei Redaktionsschluss stand noch nicht druck von robuster Meinungsfreude, die man nur nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrika- PROMINENT IGNORIERT digitalen Zeitalters, führt derzeit seinen fest, ob der Mann, der seinen Wagen in im Ausnahmefall einschränken dürfe – ganz zu nisierung, Orien ta li sie rung oder Islamisierung zu wichtigsten Kampf: dagegen, lebendig eine Menschenmenge in Volkmarsen fuhr schweigen von den Plattformen, die ihnen eine widersetzen«, dann kann eine solche Dikt ion einen begraben zu werden. Zuletzt hatte Ass ange und dabei offenbar einen besonderen Bühne bieten. vermeintlichen Einzeltäter dazu animieren, sich als viele Sympathien verspielt. Seiner beißen- Vorsatz zeigte, Kinder zu treffen, ein Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz kämpfende Avant garde des angeblich bedrohten den Kritik an den USA stand eine allzu anschmieg- politisch motivierter Verbrecher ist. Klar ist, dass haben reichlich spät jeweils eine Personalauf- Volkes zu fühlen. Und wer wie die AfD zu schwach same Haltung zu Russland gegenüber. Seine sich in unserem Land Schleusen des Terrors geöffnet stockung für den Kampf gegen Rechtsterrorismus oder nicht willens ist, sich von solchen Politikern Vendetta mit Hillary Clinton wurde von einer haben. 182 Todesopfer rechtsextremistischer Gewalt angekündigt. Aber zunächst einmal sind es Richter und ihrer fanatischen Gefolgschaft zu trennen, mit schummrigen Nähe zu D onald Trumps Umfeld gab es allein zwischen 1990 und 2020 (Dossier S. 15). und Staatsanwälte, die Verstärkung brauchen. Sie dem darf es auch auf keiner politischen Ebene eine flankiert. Im US-Wahlkampf 2016 gab er seine Aber selten hat es eine solch geballte Abfolge von sind zu wenige und bei der Bekämpfung von Hass- Zusammenarbeit geben. publizistische Unabhängigkeit auf, als er Trump Attentaten gegeben: Die Ermordung des Kasseler kriminalität eher ungeübt. Ihre Kompetenz wird Oft ist in den letzten Monaten die Analogie zu Gute Weile vorschlug, die australische Regierung solle ihn zum Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 jedoch dringend gebraucht, denn für die rechten Weimar gezogen worden. Meistens war sie falsch. neuen Botschafter in Washington ernennen. Und wurde dazu buchstäblich als Startschuss begriffen. Hetzer und Gewaltbereiten ist nichts so abschre- Und doch gibt es eine Warnung, die berechtigt ist, seine Verachtung für traditionellen Journalismus Es folgten die Anschläge in Halle und Hanau. ckend wie eine entschlossene Verurteilung. Öster- und zwar die vor dem Eindringen Rechtsradikaler Frida, Silas, Maja und Jon, vier hat er kaum je kaschiert. Die letzten Tage haben gezeigt: Die meisten reich, das an Rechten und Rechtsradikalen wahr- in Polizei, Bundeswehr und Justiz. Ausgerechnet Freunde in Bonn, hatten vor sieben All das ist allerdings ganz und gar unerheb- Menschen haben für den Nazi-Terror nur Abscheu lich keinen Mangel hat, wird vom rechten Terro- ein Polizist wurde zuletzt als Mitglied der Terror- Jahren eine Flaschenpost in den lich, wenn nun im Londoner Ma gis trate Court und Ekel übrig. Aber woher kommt er? Wo fängt rismus weniger getroffen als Deutschland. Hier gruppe S. enttarnt. Hier darf es nicht die geringste Rhein geworfen. Jetzt kam die Ant- über seine Auslieferung an die USA verhandelt er an? Und was hilft dagegen? Entweder finden hilft offenbar das 1992 aktualisierte sogenannte Toleranz geben. Gleichzeitig müsste die Arbeit der wort aus Auckland. Während die wird, als sei er ein Schwerverbrecher. Die US- Ermittlungsbehörden, Politik und Gesellschaft Verbotsgesetz, das drakonisch hohe Haftstrafen bei Ordnungskräfte gegen Extremisten aller Art stär- Post in die Nordsee schwamm, in Staats anwäl te werfen dem Wiki Leaks- Grün der jetzt darauf gemeinsame Antworten – oder der neonazistischen Umtrieben vorsieht. Wer sich zum ker gewürdigt werden. den Atlantik und dann ums Kap Verschwörung und Spionage vor, weil er 2010 Terror wird uns noch lange als Geisel halten. Beispiel der Brandlegung im »nationalsozialisti- Besonders schwer zu beantworten ist die Fra- Hoorn herum bis nach Neuseeland rund eine Dreiviertelmillion vertrauliche Doku- Es ist allerdings zu leicht, unter Terror nur schen Sinn« schuldig macht, muss mit einer Haft- ge, was dazu führt, dass es zu bestimmten Zeiten (oder gondelte sie durch den Pana- mente der US-Regierung veröffentlicht hat (zu- diese rassistisch und anti semi tisch motivierten strafe von bis zu 20 Jahren rechnen. Ob solches mal linksextremistische, mal islamistische, mal makanal?), sind aus den Kindern sammen mit diversen Journalisten, darunter der Angriffe zu verstehen oder die schwer bewaffnete Vorgehen auch Einstellungen verändert, ist zwei- rechtsextremistische Terrorwellen gibt. Ob sie längst Teenager geworden. Gut Verfasser dieser Zeilen). Die Ankläger haben und zum Bürgerkrieg bereite Neonazigruppe S., felhaft, aber Strafverfolgung ist immer noch besser Ausdruck eines subversiven Zeitgeistes sind oder Ding will Weile haben. GRN. dafür ein Anti- Spio nage- Ge setz hervorgekramt, die jüngst ausgehoben wurde. Die Wahrheit ist, als die Freiheit zur Straftat. gerade das Gegenteil – die brutalstmögliche Pro- das im Ersten Weltkrieg erlassen wurde, um dass wir seit Jahren mit einem ständig anschwel- vo ka tion wider den Zeitgeist. Und wahrscheinlich Kl. Bilder: dpa; imago (o. v. l.); DAVIDS; Shutterstock (u. v. l.); Shutterstock (u.) feindliche Agenten jagen zu können. Schon der lenden Alltagsterror leben: Für die Betroffenen ist Die Analogie zu Weimar ist oft falsch – findet sich da keine überzeugende Antwort. Neu Versuch, ihn als Spion abzustempeln, zeigt, wie es eine dauernde, oft ohnmächtig machende Pein. und doch gibt es eine berechtigte Warnung allerdings ist, dass jedem noch so verirrten Täter Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg politisch vergiftet dieser Prozess ist. Es fängt bei unfassbaren Beleidigungen in Mails eine perverse Form von Ruhm zuteilwird, durch Telefon 040 e 32 80 - 0; E-Mail: Julian Assange hat einst die Machtfrage und sozialen Medien an. Es setzt sich fort in Eine direkte Verbindung von einer am rechten die er wiederum Vorbild für weitere Terroristen [email protected], [email protected] gestellt. Die mächtigste Nation der Welt schlägt Bedrohungen. Und es endet mit lebensgefährli- Rand agierenden Partei zum Terrorakt zu ziehen ist sein kann – auch dank neuer und alter Medien. ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; nun, mit zehn Jahren Verzögerung, zurück. Ihre chen Angriffen auf Kommunalpolitiker wie jenen dagegen schwer. Aus guten Gründen sollte man in Was also hilft? ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de Anklage enthält eine Botschaft von Rache und auf die parteilose Bürgermeisterin von Köln, Hen- Demokratien damit auch vorsichtig sein. Dennoch Im Sommer 2005 starben in London 56 Men- Abschreckung: Rache an As sange, Abschreckung riette Reker, oder auf den CDU-Bürgermeister ist es richtig, wenn man die Waffe der Ächtung schen durch islamistische Bombenattentate. Die ABONNENTENSERVICE: von potenziellen Whistleblowern. Sie ist der von Altena, Andreas Hollstein. Jeder, der sich wieder schärft. Wer Mi gran ten, Juden, Andersden- Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus Tel. 040 e 42 23 70 70, Fax 040 e 42 23 70 90, Versuch, im Zeitalter digitaler Groß leaks ein heute auch nur im weitesten Sinne politisch so kende, sexuelle Minderheiten herabsetzt oder und Fremdenfeindlichkeit untersuchte, was danach E-Mail: [email protected] Exempel zu statuieren. exponiert, dass es Menschen mit rechtsradikaler bedroht, stellt sich ins gesellschaftliche Abseits. In geschah: Zunächst kam es zu einer neuen Welle Umso mehr muss die demokratische Öffent- Gesinnung nicht gefällt, muss damit rechnen, zur diesem Sinne kann auch jeder Einzelne äußerst von Hassverbrechen, dieses Mal gegen Muslime PREISE IM AUSLAND: lichkeit As sange jetzt gegen die drohende Auslie- Zielscheibe zu werden. Es kann einen Feuerwehr- wirksam tätig werden. Diese Form der Abwehr ver- und Einwanderer. Nachdem aber Spitzenpolitiker DK 58,00eFIN 8,00eE 6,80e ferung verteidigen. Denn wenn ein Publizist für mann treffen, Journalisten, die im Milieu recher- hindert das Entstehen einer entfesselten »Hetzmas- wie Premier Tony Blair und die Re li gions füh rer CAN 7,30eF 6,80eNL 6,00e A 5,70eCH 7.90eI 6,80eGR 7,30e die Veröffentlichung von Regierungsdokumen- chieren, Spitzenmanager oder Musiker. Es gibt se«, wie sie der Schriftsteller und Nobelpreisträger gemeinsam aufs Schärfste Po si tion bezogen hatten, B 6,00eP 7,10eL 6,00eH 2560,00 ten, die dramatisches Fehlverhalten enthüllen, als inzwischen unter prominenten Richtern und Elias Canetti in seinem Werk Masse und Macht ging die Zahl der Vorfälle wieder zurück. Auch o Spion verfolgt und mit 175 Jahren Haft bedroht sogar unter Klimaschützern Einzelne, die unter beschrieb; sie erst entwickelt eine »Zerstörungs- dieses Beispiel lehrt, was jetzt in Deutschland so N 10 wird, dann ist nicht nur dessen Leben in Gefahr, Personenschutz stehen und dies auch noch geheim sucht«, die jedes zivile Zusammenleben vernichtet. wichtig wäre: dass der Kampf gegen den Terror als sondern auch die Architektur der amerikanischen halten müssen, um sich nicht zusätzlich zu gefähr- Erst recht muss die Ächtung gegenüber jenen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen wird, Demokratie. Vertrauliche Dokumente entgegen- den. All das ist Ausdruck von nacktem Terror. gelten, die sich als Politiker eines nationalsozialisti- zu der übrigens auch die Solidarität mit den Opfern 75. JAHRGANG C 7451 C zunehmen, auszuwerten und zu publizieren zählt Und bis vor Kurzem schien es so, als finde man schen Vokabulars befleißigen. Wenn Thüringens und die Aus ein an der set zung mit den Hinterbliebe- zu den ureigensten Aufgaben von Med ien, die in sich damit ab. Nun hat die Bundesregierung einen AfD-Chef Björn Höcke schreibt, Deutschland wer- nen gehören. Es ist Zeit für eine Wende. den USA ebenso wie in Deutschland als Korrek- Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Hasskriminali- de zu seiner Erhaltung »nicht um eine Politik der Wann, wenn nicht jetzt? 10 tiv der Mächtigen gedacht sind. Das mag unbe- tät verabschiedet, endlich! Lange galten auch im ›wohltemperierten Grausamkeit‹ herumkommen«, quem sein. Aber ein Verbrechen ist es nicht. linken Milieu Beleidigungen aller Art eher als Aus- es werde »Volksteile« verlieren, »die zu schwach oder A www.zeit.deeaudio 4 190745 105507 UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 2 POLITIK 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 MACHT UND ... Nicht einmal mehr an die einfachsten eigentliche Unterschied zwischen dem Wahlergebnis Vorgaben halten sie sich in der CDU vom Sonntag und dem in Thüringen 2019 war: In jetzt noch. Eigentlich sollte beim Hamburg holten AfD und Linke zusammen 14,4 Treffen des Parteipräsidiums am Prozent, in Thüringen dagegen 54,5 Prozent. Wer es Montag dieser Woche eine neue nur mit einer winzigen AfD und einer schwachen Regel der Parteichefin gelten: Alle lassen ihr Handy Linken zu tun hat, muss sich um das Verhältnis zu aus! Zu oft wurden Interna in der Vergangenheit den beiden Enden des politischen Spektrums keine direkt aus der Sitzung heraus an Journalisten ge- Sorgen machen. Aber in Thüringen? simst. Aber auch an diesem Montag werden die »Nach Kemmerichs Ministerpräsidentenwahl hat Medien wieder gefüttert: Noch während Annegret man hier deutlich die Zerrissenheit der Gesellschaft Kramp-Karrenbauer mit ihren Parteikollegen den gespürt«, sagt Henry Worm, CDU-Abgeordneter Zeitplan für die Neuwahl des CDU-Vorsitzenden und Vizepräsident des Thüringer Landtags. »Auf der bespricht, meldet eine Nachrichtenagentur schon einen Seite bekamen wir Glückwünsche, super, end- die Details. lich Rot-Rot-Grün abgelöst. Im nächsten Moment Wenn der engste Kreis der CDU-Spitze dieser Wut: Wie könnt ihr nur, das geht gar nicht, hört Tage über sich selbst spricht, fällt gelegentlich das sofort auf!« Auch Worm gehört zu jenen, die Kem- Wort »Schlangengrube« – ein Beleg für das gegen- merich gewählt haben. Bei ihm bekommt man ein seitige Misstrauen, vor allem aber für das Durche in- Gefühl dafür, wie die CDU in Thüringen Stück für an der und die Führungslosigkeit in der Partei. Die Stück in die Nähe der AfD rutschte, weil sie, füh- CDU mag immer noch eine Parteichefin haben, und rungslos, weitgehend sich selbst überlassen war. sie stellt auch immer noch die Kanzlerin. Dennoch: Es gehört zu den absurden Folgen des Thürin- Zum ersten Mal überhaupt in ihrer Geschichte ist die ger Durch ein an ders, dass nun ausgerechnet ein größte deutsche Volkspartei kopf- und orien tie rungs- Politiker der Linken die äußere Einheit der CDU los. Man spürt dieses Durch ein an der in Berlin, wo wahren muss. Am 4. März soll Bodo Ramelow, sich das Kandidatenfeld für den Parteivorsitz binnen der Ex-Ministerpräsident der Linken, im Thürin- weniger Tage ganz neu sortiert hat – aber noch lange ger Landtag wieder ins Amt gewählt werden – nichts entschieden ist. Und man spürt es in Thürin- mit den Stimmen einiger CDU-Parlamentarier, gen, wo CDU-Politiker bei der nächsten Minister- aber ohne dass diese darüber reden. Das ist der präsidentenwahl heimlich für einen Linken stimmen Deal, und so etwas hat es auch noch nicht oft ge- wollen und im Livemodus zu besichtigen ist, wie ein geben. Gerade weil diese Vereinbarung so seltsam Landesverband komplett die Orien tie rung verliert. und damit kippelig ist, hat Ramelow in den ver- Bei der Hamburg-Wahl am vergangenen Sonntag gangenen Tagen viele SMS an seine rot-rot-grünen sagten 83 Prozent der Wähler, seit Angela Merkel den Koalitionspartner in spe geschickt, mit der Auf- Parteivorsitz abgegeben habe, wisse man nicht mehr, forderung, die Bundes-CDU bloß nicht weiter zu wer in der CDU das Sagen habe. 80 Prozent bemän- provozieren. Auf keinen Fall soll die Thüringer gelten, dass sich die CDU im Bund mehr um Per- CDU öffentlich erklären müssen, dass sie ihn, sonen und Ämter kümmere als um politische Inhalte. den Linken, in der kommenden Woche mit- Seit diesem Dienstag ist nicht nur klar, dass es einen wählen wird. offenen Wettbewerb um den Parteivorsitz geben wird, Angela Merkel hat sich zuletzt gar nicht mehr zu sondern welche relevanten Anwärter antreten wer- den Verwerfungen in Thüringen geäußert; die Kanz- den – und prompt haben sich die Kräfteverhältnisse lerin hielt sich – nachdem sie einmal, direkt nach der im Kandidatenfeld verschoben. Der parteipolitisch Wahl Kemmerichs, öffentlich interveniert hatte – mächtigste Mann, Armin Laschet, hat sich mit Jens zurück. Noch immer ist Merkel die Beliebteste unter Spahn verbündet und damit einen Konkurrenten an den deutschen Politikern, aber seit Längerem schon die Seite geholt. Norbert Röttgen – vergangene Wo- hat die CDU nichts mehr von dieser Popularität. Aus che noch als großer Herausforderer angesehen – ist den Niederungen der Innenpolitik hat sich Merkel auf einmal in die Außenseiterrolle gerutscht und will längst verabschiedet. nun als Doppelspitze zusammen mit einer Frau Umso mehr stellt sich für alle Kandidaten um den kandidieren. Und Friedrich Merz, der immer schon Parteivorsitz die Frage, wie es nach dem Sonderpar- alles allein machen wollte, wirkt noch mehr als loner, teitag im April weitergehen soll – wie lange Merkel als Einzelgänger. im Amt bleiben wird und wie ein vernünftiger Über- Viele in der CDU hoffen, die »tiefste Krise in der gang aussehen könnte. Es sei viel mit Merkel gespro- Geschichte der Partei« (Spahn) möge sich durch Per- chen worden, ist in diesen Tagen in Berlin zu hören. sonalentscheidungen lösen lassen. Aber allen schwant, Für Jens Spahn etwa, der die Aussichtslosigkeit dass es damit nicht getan sein wird. Denn hinter der Das neue Dreamteam: Armin Laschet hat sich Jens Spahn an die Seite geholt einer eigenen Bewerbung um das Amt des Parteivor- Führungskrise steckt eine fundamentale Orien tie- sitzenden erkannt und sich auf den Posten des Vize rungs kri se: Die CDU weiß nicht mehr, wer sie ist und hinter Laschet verlegt hat, hätte eine Teambildung wer sie sein will. mit Merz inhaltlich eigentlich nähergelegen. Partei- Wer sind wir – Genau deshalb wirkte Röttgens überraschende freunde spekulieren, dass Merz aber Spahn nichts zu Kandidatur, als habe jemand den Grauschleier bei- bieten gehabt habe – während Laschet, dessen Kan- seitegezogen: Klarheit, Entschiedenheit und eine didatur die Kanzlerin mit Wohlwollen betrachtet, innere Überzeugung sprachen da, die man aus der ihm womöglich im Zuge einer Kabinettsumbildung zerrissenen Union kaum noch kennt. Röttgen musste durch Merkel zum Amt des Innenministers ver- nicht in die Statuten schauen, um zu wissen, was die und wie viele? helfen könnte. CDU von der AfD trennt, und er musste nicht nach Wie also wollen es die Kandidaten mit der Kanz- der Sprache des Kalten Kriegs greifen, um die Unver- lerin halten, wenn einer von ihnen Parteichef ist? einbarkeit mit der Linkspartei zu beschreiben. Merkel zum Rücktritt drängen? Den Bruch inszenie- Aber schon in der Montagssitzung des Parteiprä- ren? Danach klingt es weder bei Laschet noch bei sidiums brach auch die Wut über Röttgen durch. Merz oder Röttgen. Aus dem Umfeld der Kanzlerin Eine »absolute Unverschämtheit« sei es, Absprachen Seit Wochen befindet sich die CDU im SPD-Modus: Personaldebatten, hört man auch, dass Merkel gar nicht daran denke, in der Parteispitze als »Hinterzimmer-Deals« zu be- ihr Amt aufzugeben. Sie sei schließlich für die volle zeichnen. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminis- Richtungsstreit und jede Menge Selbstzweifel. Doch jetzt scheint sich die Lage zu sortieren Legislaturperiode gewählt. ter Karl-Josef Laumann habe, so berichten Teil- Es brauche gute Gründe, eine Koa li tion aufzu- VON MARC BROST, MARIAM LAU UND MARTIN MACHOWECZ nehmer, mit der Faust auf den Tisch gehauen und kündigen und einen Bundestag aufzulösen. Die gerufen: »Der hat uns doch schon mal in die Scheiße Krise der CDU ist kein solcher Grund. geritten« – eine Anspielung auf die Wahlniederlage »weiß, männlich und westlichstes Westdeutsch- Dürfte allein die Thüringer CDU-Fraktion über go (r.) dsietzr eNndReWr w-CarD. U von 2012, als Röttgen Landesvor- lhaonldt «v,e drsaisc khleerbtete, edsa wscehrdone .m Uint dih amls »Lkaesicnheent wBireudcehr«- dscehne indäench, sMteenr zV hoärtstiet zscehnodnen g edweor nBnuenn.d Secsphaornt eiin ednetn- a e/im Weitere Spitzen folgten am Dienstag, als Jens mit der Ära Merkel geben, stand endgültig die ostdeutschen Wahlkämpfen des vergangenen Jahres ck Spahn und Armin Laschet vor die Presse traten. Frage im Raum, warum ein Weiter-so die richtige wurde er als der Heilsbringer bejubelt. Aber die Thü- hi Sc Man brauche keine »theoretischen Abhandlungen«, Antwort auf die »tiefste Krise unserer Geschichte« ringer CDU-Fraktion repräsentiert nicht den ge- ens um die Herausforderungen der aktuellen Weltlage sein sollte. Zumal die Partei nach dem Willen samten Osten, und von den ostdeutschen Befindlich- J o (l.); zu bestehen, sagte Laschet, als er seine Kandidatur Spahns zugleich »laufen lernen«, sich also von der keiten versteht Merz wenig. ag erklärte. Und auch Spahn erinnerte an NRW 2012, Kanzlerin emanzipieren soll. Durch keine andere Partei verläuft ein so tiefer m es (gr.); i dasN »socchhle cwhäthesrteen Ed rLgeabscnhise tu nusnedre rS pGaehsnch sipchratec«h.en, genUugn –d sFor iseudgrgicehri eMrteer ezr? bWeiä dree rm Aannk nüunrd eignutnscgh sieeidneenr Rpaisrst eziw uisncdh edne nO seti guennde nW Lesetu, tzewni.s cEhse nis td egre rBaudne ddeesr- g schlug ihnen der vorm Fernseher zuschauende Kandidatur am Dienstag –, dann gäbe es keine auf- Osten, der die ostdeutsche Kanzlerin Merkel inzwi- a m y I Röttgen ein kleines Schnippchen: »Die zweite Per- müpfigen Ostverbände, keine AfD, keine Neo nazis. schen scharf ablehnt – und mit ihr deren Nachfolge- Gett son in meinem Team wird eine Frau sein«, twitter- Die AfD halbieren, lautet Merz’ Versprechen – doch rin und Immer-noch-Parteichefin AKK. Es ist der Hitij/ te er. Ups! Frauen, Ostdeutsche, Menschen mit parteiintern wird das eher skeptisch gesehen. »Das Osten, der besonders konservativ tickt – und dessen aja Migrationshintergrund – selbstverständlich hätten bringt uns fünf Prozentpunkte«, sagt einer aus der Wahlergebnisse gleichzeitig besonders pragmatische M os: all diese in einer von ihm geführten Partei ihren CDU-Spitze, »aber was ist mit den zehn, die wir an Lösungen verlangen. Nach der Hamburg-Wahl Fot Platz, sicherte Laschet eilig zu. Aber das Etikett die Grünen verlieren?« wiesen viele CDU-Strategen darauf hin, was der Auf einmal Außenseiter: Norbert Röttgen Immer schon Einzelgänger: Friedrich Merz Operation Kanzleramt Ein Verlierer plant den Sieg: Wie Olaf Scholz nach dem SPD-Erfolg in Hamburg ganz nach oben will VON MARK SCHIERITZ Es gab einen Moment, da schien die Karriere neue Spitzenduo Esken/Walter-Borjans die SPD nach soll sogar die Schuldenbremse im Grundgesetz ein- Truppen. Scholz dagegen gehört zu den beliebtes- sie umarmen. Er stimmt sich trotz inhaltlicher Dif- von Olaf Scholz an ihrem Endpunkt ange- links rücken will, zeigt das gute Ergebnis in der malig ausgesetzt werden – bislang ein Tabu für die ten Politikern des Landes und hat als Finanzminis- ferenzen mit Walter-Borjans und Esken ab und ver- kommen zu sein. Noch im Dezember, nach Hanse stadt, dass die Partei nur mit einem Mitte-Kurs Koa li tion. Im Juli will er ein internationales Ab- ter regelmäßig mit den Regierungen von Trump, meidet Kritik. In einer Partei, in der das Lästern zum seiner Niederlage im Rennen um den SPD-Vorsitz, Wahlen gewinnen kann. Wohnungen bauen statt kommen auf den Weg bringen, damit Digitalkon- Putin und Johnson zu tun. Die Wähler schätzen guten Ton gehört, ist das keine leichte Übung. wirkte er wie jemand, der nicht mehr damit rech- Wohnungsbesitzer enteignen, Sozialarbeiter ein- zerne wie Google oder Face book ihre Gewinne nicht Kandidaten, die den Eindruck vermitteln, man Am Grundkonflikt zwischen der linken Partei- nete, dass er noch einmal aufsteigt. Keine zwei stellen statt über Sozialismus reden. Politik machen mehr so leicht in Steueroasen verschieben können. könne sich in einer unübersichtlichen Weltlage spitze und dem pragmatischen Vizekanzler ändert Monate später tigert derselbe Mann durch Wahl- also, wie Scholz sie stets gemacht hat: ordentlich und Scholz glaubt, dass er als Kanzlerkandidat mit auf sie verlassen. So sieht es Scholz. das zwar wenig. Doch Scholz kann darauf setzen, dass sendungen, gibt den großen SPD-Erklärer und solide, auch wenn andere das für langweilig halten. Heimvorteil in die nächsten Wahlen gehen könn- Das Problem: Wer Kanzlerkandidat der SPD niemand in der SPD Walter-Borjans oder Esken für schaut wieder hoffnungsfroh in die Zukunft. Scholz will nun beweisen, dass sich mit der Me- te. Wenn Merkel nicht mehr antritt, wäre er unter werden will, der muss von den Genossen aufgestellt aussichtsreiche Kanzlerkandidaten hält. Wohl nicht Scholz will es noch einmal wissen. Und er hat thode Hamburg auch im Bund etwas bewegen lässt. allen Mitbewerbern derjenige mit der größten po- werden. Und bei denen ist er weniger populär als im mal sie selbst. Und Franziska Giffey, bislang eine einen Plan, der ihn dorthin bringen soll, wo seiner Im März wird er ein Konzept zur Sanierung der Kom- litischen Erfahrung. Friedrich Merz? Schied aus Rest des Landes. Es wäre nicht der erste Karriereplan mögliche Konkurrentin, will nun Bürgermeisterin Meinung nach sein Platz ist: ins Kanzleramt. munalfinanzen vorlegen. Damit Städte und Gemein- der Politik aus, bevor das iPad auf den Markt kam. des Olaf Scholz, der daran scheitert. von Berlin werden. Scholz, der Verlierer des Jahres Die Wahl in Hamburg spielt dabei eine zentrale den wieder mehr investieren können, sollen deren Armin Laschet? Ein Mann fernab des Machtzen- Damit das nicht wieder passiert, folgt er nun dem 2019, könnte also der Gewinner sein, wenn Ende Rolle. Im Scholz-Lager glaubt man: Während das Schulden auf den Bund übertragen werden. Dazu trums. Norbert Röttgen? Ein Welterklärer ohne Leitsatz: Wer seine Gegner nicht besiegen kann, muss 2020 der Kandidat gekürt wird. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 3 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 ... V A K U U K a m p f k a n d i dga tur b ei d–er CD Ua, unglübckliche Doppelspitze bei M n e der S r P u D, z er z w a u r st e o r h C h ri h sti a i n ü L i n n d n ? e r F b e i d e r F D P – w a r u m e s h e u t e s o s c h w e r i s t , P a r t e Hat es das vi Die Metho- o schon r de Merkel be- s mal ge- i deute Komple- t z geben? e xitätsreduktion n Ein Führungsvaku- d durch Abwarten um, das nicht kommt e plus Situations- r und wieder geht, son- z geschick. Führung u dern sich ausdehnt. So s im tradi tionellen e weit, dass man sich ir- ni Sinne dagegen ver- gendwann sorgen muss, spricht Komplexitäts- V dass nach und nach alle Par- NO reduktion durch Ziel- teien eingesaugt werden. OR strebigkeit plus Entschei- B So ist jedenfalls die Lage RE dungslust. T im Februar 2020: Die CDU P Es ist ein Instrumentari- A U hat überhaupt keine Führung S um, das aus einer Zeit C H mehr, die FDP eine ziemlich zer- stammt, als vieles noch in Ord- zauste, die SPD eine, deren Macht nung schien, was heute im Argen kurz hinter den Mauern des Willy- liegt. Das beginnt mit den Regie- Brandt-Hauses endet, und die Linke ist rungsbündnissen, in denen es keinen froh, wenn gerade niemand so genau bei Koch mehr gibt mit seinem Kellner, ihr hinschaut. Umgekehrt bedeutet dies, sondern nur noch Sous-Chefs (Schwarz- wenn man die AfD einmal außen vor lässt, bei Grün) beziehungsweise nicht einmal Einigkeit der man ohnehin nie genau sagen kann, wer hier über das Rezept (Kenia, Jamaika). Und es endet eigentlich wen führt: Eine intakte Spitze besitzen auf der internationalen Ebene, wo es ebenfalls nicht in diesen Tagen nur zwei Parteien, die CSU und viel übersichtlicher zugeht. Auch die ruhigste Hand die Grünen. wenig. beginnt da ganz unweigerlich zu zittern. Und der Kein Wunder, dass in dieser Leere die Wünsche »Europa lösen. klare Kompass kann in die Irre führen. wachsen. »Was dieses Land braucht, ist Leader- muss jetzt« – Das Mo- Denn um mit all dem Neuen fertigzuwerden, ship«, sagt die Welt. Man müsse »mehr Autorität »Dieses Land hat dernitäts- bedarf es womöglich einer doppelten Dosis des wagen«, sagt der Spiegel. »Dieses Land braucht zu lange« – »Unsere und Mitglieder- Alten: Ausgleich, Moderation, Abwarten. poli tische Führung«, sagt Friedrich Merz. Partei braucht«. So begin- pathos, das sich die Es ist die Zeit von Führungssehnsucht und nen Merz-Sätze, und sie enden CDU in ihren basisbewegten Realitätsdemut Führungsromantik, von Orientierungsbedarf und eigentlich immer mit einem Ausrufezei- Zeiten gerade noch (vor 14 Mona- Entschiedenheitsprosa. Und in dieser Situation chen. Seine größte Stärke ist der Ents chie den heits- ten, um genau zu sein) antrainiert hatte, mag es helfen, das Geheimnis des politischen Füh- odem, den er verströmt, wann immer er seinen wollte man schleunigst wieder vergessen. Statt- Gibt es schließlich etwas, das Baerbock/Habeck auf rens von unterschiedlichen Seiten zu betrachten Kopf über ein Rednerpult irgendwo zwischen Kre- den wird, braucht es Führungspersönlichkeiten, dessen galt das umgekehrte Gesetz der poli- der einen und Markus Söder auf der anderen Seite und sich dabei ein paar Fragen zu stellen: feld und Cottbus neigt. die diese Spannungen aushalten, sie erträglich und tischen Partizipation: Je kleiner das Hinterzim- in ihrer Unterschiedlichkeit verbindet? Vielleicht, 1. Was steckt hinter der Sehnsucht? Zackigkeit als Methode, Sprechen als Prinzip, bearbeitbar machen. Die Obrigkeitsfixierung des mer, desto besser. Womöglich hätte die CDU ihr ohne Anspruch auf Vollständigkeit, vor allem zweier- 2. Was verspricht politische Führung? die Geste als Politik. So sähe er aus, der habituelle Konservatismus war, so betrachtet, stets weniger Heil tatsächlich in der Verbonnerung gesucht, lei: eine gewisse Realitätsdemut, gepaart mit norma- 3. Wo liegen die Widersprüche? Bruch mit den Merkel-Jahren. Bloß sollte man ein Ausdruck von Untertanengeist, sondern viel- hätte nicht Norbert Röttgen seine Kandidatur tiver und strategischer Orien tie rungs kraft. sich darauf einstellen, dass die Ästhetik der Klar- mehr ein politisch-psychologischer Selbstschutz. erklärt und damit eine »einvernehm liche« (im Nach seiner Beinahe-Wahlniederlage vor an- heit heute mit allerlei Widersprüchen und Unklar- Heute dagegen hat sich in Thüringen eine ge- Sinne von ausgekungelte) Lösung verhindert. derthalb Jahren hat Markus Söder bemerkenswert Das Zackigkeitsbedürfnis heiten zurechtkommen muss. samte Landtagsfraktion dazu entschlossen, konse- Jetzt gibt es immerhin unterschiedliche Kandi- offen eingestanden, was für alle zu erkennen war: quent das genaue Gegenteil von dem zu tun, was daten. Aber um Gottes willen keine Regionalkon- dass seine Partei mit der neuen Bedrohung durch Jede Sehnsucht beginnt mit dem, was ist. In die- die CDU-Spitze von ihr verlangt. Erst stimmte sie ferenzen, bitte keine Beteiligungsformate, sondern die AfD überfordert war. Und dass rechts reden, Antiautoritarismus von rechts sem Fall also die stilprägende Regierungstechnik gemeinsam mit der radikalen Rechten, um einen am besten einen möglichst kurzen Prozess. um die Rechten zu bekämpfen, ein Kalkül war, der Ära Merkel, die man sich noch einmal kurz ins Linken zu verhindern. Nun will sie den Linken Und wer sollte es der Union verübeln? Schließ- das nicht aufging. Das Angenehme, etwa im Gedächtnis rufen muss: Macht durch Moderation, Die Führungsparadoxien beginnen schon mit ihrer wählen, um Neuwahlen zu verhindern. Und wäh- lich zeigte die SPD erst vor einigen Wochen, dass Gegensatz zu Chris tian Lindner nach dem Problemlösung mittels Pragmatismus. Das Ideo- zentralen Herausforderung: dem modernen Populis- rend in Erfurt die Äquidistanz zum Anything goes auch das Gegenmodell nicht zum Erfolg führen Thüringen- Debakel, war, dass Markus Söder sein logisieren, Argumentieren, Erklären besser bleiben mus. Gern wird er in erster Linie als Autoritarismus wird, steht im Konrad-Adenauer-Haus ein er- muss. Das größte und schönste Partizipationsfeuer- Versagen nicht wegnuschelte, sondern besprach, lassen. Damit macht man sich nur angreifbar. begriffen, was wiederum die »Führung« als ein wirk- schöpft dreinblickender Generalsekretär und sagt werk aller Zeiten hat die wohl wackligste Führung um aus der Läuterung umgehend eine Stärke zu Politik, so formulierte es einmal sinngemäß ein sames Gegenmittel erscheinen lässt. Doch stimmt Beschlusslagensätze, die mit jedem Tag ein biss- in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie machen. Die eigene Unfertigkeit anzuerkennen einflussreicher Merkel-Berater, solle die Menschen das höchstens zur Hälfte. Der Politikwissenschaftler chen mehr wie Folklore klingen. hervorgebracht. Die Revolte hatte sich bereits erle- kann befreiend wirken. Und auch der Zweifel möglichst nicht mit Politik belästigen, und es ist Torben Lütjen hat die radikale Rechte zuletzt treffend Ist das noch Chaos oder schon Agonie? Es ist je- digt, bevor das Establishment einmal »Grundrente« lässt sich politisieren (wobei Söder gewiss eher ein verständlich, dass in den Abendstunden einer Ära als im Kern antiautoritäre Bewegung beschrieben. denfalls ganz sicher mehr als »Führungsversagen«. sagen konnte. Selbst ein Maximum an Mitbestim- taktischer Zweifler ist). ein entgegengesetztes Bedürfnis zu spüren ist. Sie zielt auf eine Ermächtigung des Einzelnen gegen- Vielmehr scheint es heute nicht mehr ganz ausge- mung kann zu einem Minimum an Macht führen. Ähnlich ist es auch bei der Grünen-Spitze, die Unterargumentiertes Regieren erzeugt Ar gu men- über »bevormundenden« Strukturen, sie kennt keine schlossen, dass sich Teile der grundvernünftigen Partizipation garantiert keine Legitimation. Sie ga- (vielleicht ein bisschen zu) offen zugibt, auf die eine ta tions sehn sucht. Nichtsprechen fördert den Ge- heiligen Texte, keine letzten Wahrheiten, ja nicht CDU von der Institutionenfeindlichkeit, dem anar- rantiert überhaupt nichts. oder andere Frage noch keine abschließende Antwort sprächsbedarf. So weit, so nachvollziehbar. einmal wirklich starke Führer. chischen Eigensinn der Rechten stärker angezogen Das Rätsel politischer Führung bleibt einstweilen zu haben. Auch wenn sich dieses Prinzip nicht ewig Aber worum geht es bei all den Führungsdebat- Die scheinbar autoritären Anführer der heuti- fühlen, als man es für möglich gehalten hätte. In ungelöst: Die Demokratisierung der Entscheidungs- durchhalten lässt: Womöglich stimmt es eben nicht, ten eigentlich? gen Zeit sind im Verhältnis zu ihren eigenen An- Erfurt regierte schließlich in den vergangenen Wo- prozesse führt zu Spaltung, die Feudalisierung zu dass sich Wähler ausschließlich Politiker wünschen, An dieser Stelle noch einmal zurück zu dem hängern keine strengen Vaterfiguren, sondern eher chen nicht nur die Planlosigkeit, sondern auch ein Frustration. Statt Legitimation durch Verfahren gibt die nie um eine Antwort verlegen sind und die nach- Mann, auf den sich gerade die Sehnsucht konzen- »moderne Kumpelväter« (Lütjen). Sie verlangen sehr energischer Widerstandsgeist, der Wunsch, die es lauter Verfahren, aber keine Legitimation. her alles vorher gewusst haben wollen. Vielleicht ist triert. Friedrich Merz’ Chancen auf den CDU-Vor- ihren Wählern nichts ab. Sie fordern sie nicht he- Dinge selbst in die Hand zu nehmen und sich von in Zeiten der Unsicherheit eine Frage hin und wieder sitz sind vor allem deshalb so gut, weil man ihm raus, sie wollen nichts von ihnen, sondern bestäti- »Berlin« nicht länger vorschreiben zu lassen, was zu die bessere Antwort. Kellnernde Köche zutraut, die rechtsdrehenden Teile der Partei wieder gen sie vielmehr in ihrem Zorn auf alles, was als tun oder zu lassen sei. Unversehens zählt die gewählte Sowohl Söder als auch Baerbock/Habeck er- einzufangen, die AfD zu bekämpfen und insbeson- Zumutung empfunden wird. Nicht du musst dich Parteiführung zur abgehobenen Elite. füllen das Bedürfnis nach öffentlichem Sprechen, dere im Osten des Landes verlorenes Unionst err ain an die Welt anpassen, sondern die Welt muss sich Alle wollen Führung, aber niemand will sich Wenn man die Regierungsmethode von Angela ohne dass es bei ihnen als Selbstzweck erscheint. zurückzuerobern. Nur zur Erinnerung: Merz ist an dich anpassen, so fasst der Soziologe Steffen führen lassen. Das Reaktionäre ist revolutionär, das Merkel nicht psychologisch, sondern politisch er- Sie übertönen die Realität nicht, sondern lassen Wirtschaftsliberaler (Stichwort: Sorgen und Nöte), Mau das populistische Versprechen zusammen. Autoritäre anarchisch. Wie kommt man da heraus? klären will, stößt man rasch auf das Problem, das sich auf sie ein. Sie vermitteln Orien tie rung, ohne er ist Transatlantiker (Stichwort: Dialog mit Putin), Dieser Antiautoritarismus von rechts ist zum jede Führung auch in Zukunft bearbeiten muss: herrisch zu wirken. und er fliegt ein Privatflugzeug (Stichwort: die da einen ein Problem für alle, die mittels gemäßigt Komplexität. Autorität braucht Elastizität. Und weil nicht Legitimation und Frustration oben). Der westd eutschest e und elitärste Politiker, autoritärer Führung Wähler von der AfD abwer- In ihrer Kanzlerschaft war Angela Merkel jeder alles zugleich sein kann, wie etwa Markus der sich derzeit finden lässt, soll nun also der Retter ben wollen. Zum anderen ist er eine invasive Ideo- mit Ausnahmesituationen konfrontiert, die Söder, gibt es in der CDU neben dem herkömm- Tfür einen abstiegsb es orgt en und identitätsgeplagten logie, die insbesondere den Konservatismus unter Wer Klarheit sucht, braucht Verfahren. Doch sich nicht abwechselten, sondern aufaddierten. lichen nun auch ein ganz neues Führungsmodell: EI E ZOsten sein. Spannung setzt. Denn von jeher waren gerade für ausgerechnet im Prozeduralen offenbart sich für Sie musste mit einer Weltordnung umgehen, die ideologisch quotierte hängende Doppelspitze. ür DI Dass dies nicht sofort völlig abwegig klingt, legt die Konservativen starke Figuren an der Spitze von die Prozeduralpartei CDU ihr ganzes Drama. Erst die ihren Namen nicht mehr verdiente, und Armin Laschet und Jens Spahn als sein oberster hl fden Schluss nahe, dass es in der Führungsfrage we- besonderer Bedeutung. einigte sich die Parteispitze vor zwei Wochen da- mit der Erkenntnis, dass der Kontrollverlust in Stellvertreter versprechen Kontinuität und Auf- ü hbniger um die viel zitierte geistige Orien tie rung geht Als Weltanschauung, die es sich zur Aufgabe rauf, ihre Führungsfrage im Dezember zu klären, der Politik etwas Alltägliches sein kann. Prak- bruch, Erneuerung und Weiter-so im Paket. Wo- c e Broder gar um Inhalte. Vielmehr geht es um Gesten. gemacht hatte, das Vergehende zu bewahren, lei- um wenige Stunden später zu bemerken, dass die- tisch folgte daraus: Krisenbewältigung als möglich ist das alles zu viel Paradoxie. Aber viel- h EricMerz, das ist das Leadership-Versprechen auf eins det der Konservatismus naturgemäß an einem ge- ser Plan in etwa so praxistauglich war wie ein Daueraufgabe, mühsames Austarieren von leicht ist es auch die widersprüchliche Lösung, die n: neunzig, das ist erdbebensicheres Selbstvertrauen wissen Vergeblichkeitsschmerz. Permanent muss Äquidistanzbeschluss. wachsenden Abstoßungskräften, Integration es in widersprüchlichen Zeiten braucht. o Illustratiueinnd RIecdhn-Veer-rRgreödßneerru, ndge rm liitetbeelsr Rzuh evtioerli ks.a gMt earlsz zisut ehra ts,i cuhn edi ndvaemrleitib deine,s wnaics hetr agless tKerrnän nkoucnhg b eemkäpmfupnf-t riegIen ddearr aZnw, isichhree nFzeüiht rmuancghstfer asgiceh udniet eFrü hsircuhn gzsu- vnoenn Ianlst eerreksesnenn,e nd ike amnnan. manchmal mehr erah- A www.zeit.de/audio UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 4 POLITIK 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 p d d A/ C A B A y/ c n e g A u ol d a n A as/ b os H d mi a h ul d b A o: ot F Fritz Keller mit Jugendlichen des Fußballvereins Türkiyemspor Berlin »Der DFB muss weiblicher werden« Präsident Fritz Keller will mit dem Deutschen Fußball-Bund dem Rechtspopulismus entgegentreten – aber AfDler nicht zwangsläufig ausschließen DIE ZEIT: Herr Keller, vor Ihrer Wahl zum DFB- ZEIT: Aber eine besonders interessante. erhob im August 2019 Anklage gegen die ehema- hinfahren und das sagen, was wir denken, um so in ziert beschrieben. Kann es sein, dass Sie über den Präsidenten haben Sie gesagt: »Wer mich wählt, Keller: Hochinteressant. Hier arbeiten gut ausge- ligen Funktionäre. Zwanziger und Schmidt wird einer konservativen Umgebung progressive Kräfte Fußball die Anerkennung bekommen haben, die der wählt die Veränderung.« Wie weit sind Sie? bildete Menschen, viele von ihnen haben offenbar Betrug in Mittäterschaft vorgeworfen, Niersbach zu unterstützen. Ihnen von Ihrem Vater verwehrt geblieben ist? Fritz Keller: Wir sind mittendrin. Gleich nach darauf gewartet, abgeholt zu werden. Gehilfenschaft zu Betrug. Werden Sie das auch ZEIT: Wie könnte das konkret aussehen? Keller: Da ist schon was dran. Mein Vater hat auf meinem Amtsantritt haben wir eine Generalinven- ZEIT: Wo lauern die Gefahren bei diesem »Draht- intern aufarbeiten? Keller: Ich habe die Vergabe der WM an Katar der einen Seite wundervolle Dinge gemacht, in tur beschlossen. Ihr Ziel ist die Antwort auf die seilakt«, wie Sie das genannt haben, zwischen dem Keller: Das haben wir bereits getan und werden es immer kritisch betrachtet, sehe aber auch die Umweltfragen zum Beispiel hat er sich in einer Frage: Wo und wofür steht dieser Verband eigent- »sportlich Notwendigen und dem politisch sowie weiter tun, sobald es neue Erkenntnisse gibt. Ju- konkreten Verbesserungen, etwa der Arbeitsbedin- Zeit vorbildlich engagiert, als das noch nicht en lich? Außerdem gibt es, um nur eine der Einzel- gesellschaftlich Unverzichtbaren«? ristisch betrachtet gilt jedoch die Unschuldsver- gungen, die bisher durch den Fokus auf Katar vogue war. Leider hatte er aber auch die für diese maßnahmen zu nennen, nun eine Gleichstellungs- Keller: Wo ich der Versuchung erliegen würde, als mutung. bereits erzielt wurden. In Katar und im Vorfeld der Zeit typische Unfähigkeit, mit der nächsten Gene- beauftragte, Hannelore Ratzeburg, ihre Rolle im Fußballfunktionär Fragen zu beantworten, auf die ZEIT: Teilen Sie diese Vermutung? WM werden wir, wie es der DFB auch in Russland ration umzugehen. Da war er ja kein Einzelfall, das Präsidium unseres Verbandes haben wir dadurch selbst die Gesellschaft keine Antwort hat, dann Keller: Ich möchte nicht ins Detail gehen, aber getan hat, den Dialog mit der Zivilgesellschaft und waren die kranken Geister einer kaputt gemachten deutlich gestärkt. könnte die Luft dünn werden. offensichtlich ist da etwas grundsätzlich schiefge- mit Nichtregierungsorganisationen führen und Nation. ZEIT: Frau Ratzeburg ist noch immer die einzige ZEIT: Das klingt sehr vage und eher nicht nach laufen. Verdrängen hilft da nicht. dabei beides ansprechen: positive Veränderungen ZEIT: Ihr Vater wurde 1927 geboren. Frau im Präsidium. Ist das nicht ein Skandal? klarer Haltung. ZEIT: Sind die verschärften Compliance-Regeln und bestehende Missstände. Keller: Er wurde in den letzten Kriegstagen noch Keller: Das ist sehr bedauerlich. Aber ich kann Sie Keller: Wir sind nicht unpolitisch und nicht neu- eine direkte Reaktion auf die unzureichende Auf- ZEIT: Ein Missstand ganz anderer Art ist für viele als Jugendlicher in den Osten nach Königsberg ge- beruhigen, das wird sich ändern. tral. Ich weiß um die enorme Kraft des Fußballs – klärungsarbeit? der Einsatz des Videoassistenten in den Profil igen. schickt. Ich glaube, er hat manche Sachen nicht ZEIT: Ihr Verband wirkt nach außen noch immer gerade in Richtung der jungen Generation. Natür- Keller: Sie sind eine Reaktion auf die gesamten Müsste der Fan im Stadion die Entscheidungen verarbeitet, das muss man zur Entschuldigung wie ein reiner Männerverein. lich will ich die nutzen, um unsere Werte zu trans- Vorkommnisse. Ich kann so viele Regeln aufstellen, des Assistenten nicht nachvollziehen können? sicher sagen. Jedenfalls war es nicht einfach für Keller: Da gibt es nichts zu beschönigen: Auch der portieren. wie ich will, wenn ich Mitarbeitern keinen Mut Keller: Es gibt ein Kommunikationsproblem mit mich, Fußball zu spielen. Mein Vater hat es mir DFB muss weiblicher werden. Ein wichtiger Schritt ZEIT: Da waren Sie schon einmal präziser: In ei- mache, ohne Angst vor ungerechtfertigten Kon- dem Fan, das ist offensichtlich und wurde uns verboten, weil es seiner Meinung nach eine Droge war die Bündelung des wirtschaftlich orientierten nem Interview mit der Badischen Zeitung sagten Sie sequenzen Fehler zu erkennen und diese offenzu- auch im Dialog von Fanorganisationen so gespie- sei, der man nicht verfallen dürfe. Damals brauch- Geschäftsbetriebs in einer GmbH. Das haben wir nach Ihrem Amtsantritt, Sie wollten Rechtsextre- legen, helfen auch keine 25 Compliance-Officer. gelt. Mich nervt es auch, wenn ich im Stadion te man für die Spielberechtigung noch eine sport- gemacht, um das Gemeinnützige vom Wirtschaft- mismus und Populismus entgegentreten. Was heißt 2006 war ich mit meinen Söhnen im Stadion, nicht weiß, ob ich jubeln darf oder heulen muss. ärztliche Bescheinigung mit Unterschrift eines Er- lichen zu trennen. Aber ich verspreche mir davon das konkret? überall, wo wir hinkamen, herrschten Euphorie Ich war, als über die Einführung des Videoassis- ziehungsberechtigten. Meine Mutter wollte ich da auch, den Verband jünger, effizienter und weibli- Keller: Wir treten entschieden ein gegen jede und Lebensfreude. Wir haben so lange gewartet, tenten entschieden wurde, sehr skeptisch. Es gab nicht mit reinziehen, deshalb konnte ich erst spie- cher zu machen. Form der Diskriminierung. Übrigens gemeinsam dieses Bild vom lebensfrohen, fröhlichen Deut- damals eine Enthaltung, ich weiß, wer das war. len, als ich seine Unterschrift zu fälschen wusste. ZEIT: Das müssen Sie erklären. mit den Vereinen und der überwältigenden Mehr- schen zeigen zu können. Das alles wurde durch Aber die Vereine haben mit überwältigender ZEIT: Sie haben schon mit acht Jahren im Famili- Keller: Im DFB haben wir den Frauenanteil an der heit der Gesellschaft, wie wir jüngst nach den An- ein paar wenige kaputt gemacht, und diese weni- Mehrheit für die Einführung gestimmt. Der Vi- enbetrieb ausgeholfen. Wünschten Sie sich manch- Belegschaft zuletzt auf 30 Prozent erhöhen kön- schlägen von Hanau in allen Ligen erlebt haben. gen sollten endlich mal offenlegen, welchen An- deoassistent hat den Fußball objektiv gerechter mal auszubrechen? nen. Auch die Anzahl der Frauen in Führungsposi- ZEIT: Der Bundesligist Eintracht Frankfurt hat teil sie daran haben. Das erwarte ich jenseits des gemacht. Wir sollten mit dieser doch immer noch Keller: Das bin ich ja in gewisser Weise, als ich auf tionen, also auf Team- und Abteilungsleiterebene, beschlossen, AfD-Mitgliedern die Vereinsmit- Prozesses, denn sie haben nicht nur dem Fußball, neuen Technik auch Geduld haben. Aber grund- ein Internat für schwer erziehbare Kinder kam. ist gestiegen und wird weiter steigen. Dies gilt auch gliedschaft zu entziehen oder sie gar nicht auf- sondern auch unserem Land Schaden zugefügt. sätzlich bin ich ein Fan der Idee des einen, alles Das hat zwar im Sinne meines Vaters nicht viel für unsere ehrenamtlichen Strukturen. Hier ha- zunehmen. Wie reagierten Sie, wenn ein Mitar- ZEIT: Könnte sich nicht auch die von Ihnen umfassenden Fußballs – von der Spitze bis zur gebracht, aber ich durfte dort immerhin Fußball ben wir – ebenso wie unsere Landesverbände – beiter des Deutschen Fußball-Bundes für die jüngst erst wieder verteidigte Entscheidung, bei Kreisliga. Und ich fände es schön, wenn für alle spielen. Nachholbedarf. Zu oft wurden Männer von Män- AfD Parteiwerbung machen würde? der Fußball-WM 2022 in Katar anzutreten, als die gleichen Regeln gelten würden. ZEIT: Wo waren Sie? nern in Gremien gewählt. Frauen hatten wenig Keller: Es wäre zunächst unsere Aufgabe, ihn von großer Fehler erweisen? ZEIT: Sie haben vor dem Hintergrund der Gewalt Keller: In Fürstenstein im Bayerischen Wald. Bei Chancen. Deswegen haben wir unter anderem unseren Werten zu überzeugen, anstatt ihn auszu- Keller: Das glaube ich nicht. Wir werden dort gegen Amateurschiedsrichter den Kampf gegen den Nonnen. Für mich bedeutete das Freiheit. Ir- Leadership-Programme für Frauen im DFB und grenzen. Wir stehen für Vielfalt und Integration spielen. den Werteverfall im Profifußball aufgenommen. gendwie war ich schon immer davon überzeugt, in den Landesverbänden auf den Weg gebracht. aller Menschen aus allen gesellschaftlichen Kreisen. ZEIT: In jedem Fall? Sowohl das Protestieren als auch jedes andere dass Freiheit Kreativität fördert. So habe ich dann ZEIT: Vielleicht sollten besser die Männer geschult ZEIT: Gibt es eine rote Linie? Keller: Ja. Außer, wir qualifizieren uns nicht. aggressive Verhalten gegenüber dem Schiedsrichter auch versucht meine drei Söhne zu erziehen. werden ... Keller: Klar könnte ich jetzt sagen: Wir nehmen ZEIT: Wie lässt sich das mit den Werten, über die bis hin zum Zeitspiel wird nun sofort mit einer ZEIT: Die alle in Ihre Fußstapfen getreten sind. Keller: Solange wir keine sichtbaren Veränderun- keinen AfDler auf. Aber so einfach ist es nicht. Sie vorher sprachen, verbinden? Karte geahndet. Spieler und Verantwortliche kriti- Keller: Aber nicht, weil ich sie dazu gezwungen gen erreichen, können wir nicht zufrieden sein. Vieles, was diese Partei verbreitet, ist ebenso Keller: Ein Boykott bringt gar nichts. Wir werden sieren, Sie würden dem Sport so die Emotionen habe. Der eine arbeitet im Scouting beim SC Frei- ZEIT: Wäre die Quote eine Option für Sie? grundfalsch wie brandgefährlich. Aber durch eine nehmen. Haben Sie sich verschätzt? burg, der Jüngste ist gerade zur Weiterbildung als Keller: Wenn es gar nicht anders geht: ja. Wir pauschale Ausgrenzung erreichen wir nichts. Wer Keller: Nein, mit der Kritik habe ich gerechnet. Koch in Asien und der Dritte wurde mit mir zu- müssen mit allen Mitteln versuchen, den Frauen- unsere Werte teilt, ist in unserer Gemeinschaft Betroffene finden Änderungen immer nervig. Wir sammen 2018 zum Winzer des Jahres gewählt. anteil in den Führungspositionen unserer Mitglie- willkommen. Wer sich aktiv dagegenstellt, muss bekommen für diese Linie aber viel mehr Zu- Das ist ein Riesengeschenk für mich. derstruktur anzupassen. Von unseren 7,1 Millio- außen vor bleiben. spruch als Kritik. ZEIT: Hätten Sie Ihren Kindern erlaubt, an den Fußball und nen Mitgliedern sind 1,1 Millionen Frauen. ZEIT: Zurück zum DFB. Mehrere Staatsanwalt- ZEIT: Dabei haben Sie sich in Ihrer Funktion als Fridays-for-Future-Protesten teilzunehmen? ZEIT: Klingt gut, aber verändert eine Gleichstel- schaften haben sich mit der Affäre um die Vergabe Wein ehemaliger Präsident des SC Freiburg selbst ein Keller: Ich hätte nichts dagegengehabt – aber nur, lungsbeauftragte gleich eine ganze Kultur? der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland be- paarmal für alle sichtbar über Schiedsrichterent- wenn sie danach ihre Hausaufgaben noch gemacht Keller: Nicht allein, aber als Signal ist das mehr als schäftigt. Trotzdem hat man nicht den Eindruck, scheidungen aufgeregt. hätten. Bildung ist das, worauf wir auch im Fußball ein Einzelfall. Insgesamt benötigen wir jedoch der Fall sei geklärt. Keller: Stimmt. Ich weiß ja, wie schnell man emo- aufbauen müssen. Und Fußball, so wie ich ihn ver- dringend auch einen neuen Umgang mit Fehlern Keller: Es wurde auch intern versucht, den Dingen Keller wurde 1957 in Freiburg tional werden kann, wenn man sich falsch behan- stehe, nämlich als Mannschaftssport, ist Bildung: in diesem Haus. auf den Grund zu gehen. geboren und ist nach seinem delt fühlt. Trotzdem bleibe ich dabei: Der Respekt Gemeinsam mit anderen zu gewinnen, und auch zu ZEIT: Von denen es ja eine Menge gab in den letz- ZEIT: Nicht in jeder Phase schien dieser Versuch Patenonkel Fritz Walter benannt, muss wieder einkehren. Deshalb empfehle ich, bei verlieren, aus dieser Erfahrung erwachsen verant- ten Jahren ... der lückenlosen Aufklärung verpflichtet. dem Fußballweltmeister von 1954. den Fußballlehrer-Lehrgängen auch wieder den wortungsvolle Menschen für unsere Gesellschaft. Keller: Nur wer arbeitet, macht auch Fehler. Krea- Keller: Aus der Distanz konnte der Eindruck ent- Schiedsrichterschein einzuführen. Jeder, der Trai- Sometimes you win, sometimes you learn. Der Satz tivität funktioniert nur in Verbindung mit Frei- stehen, dass immer nur das eingeräumt wurde, was Mit seiner Frau Bettina übernahm er ner werden will, sollte in Zukunft auch fünf Spiele stammt nicht von mir, aber ich mag ihn sehr. Ent- heit, mit der Freiheit der Gedanken, dann fallen bereits geleakt worden war. Das war in der Tat 1990 das elterliche Weingut und ist pfeifen. Am meisten hasse ich es übrigens, wenn weder gewinnst du, oder du lernst das Beste daraus. Schranken, das ist meine Erfahrung als Unterneh- nicht besonders glaubwürdig, und hier hätte grö- heute einer der berühmtesten Winzer ein Athlet schauspielert auf dem Platz. Dieses Wenn wir das bezogen auf Bildung und Haltung mer. Aber ich glaube, ich hätte auch so festgestellt, ßere Transparenz sicher geholfen. und Gastronomen in Deutschland. Täuschen des Schiedsrichters und der Zuschauer für unsere jungen Spielerinnen und Spieler hinkrie- dass wir hier alles auf den Kopf stellen müssen. ZEIT: Am 9. März stehen Ihre Vorgänger Theo ist mir zuwider. gen, dann haben sie gewonnen – und wir dazu. ZEIT: Wie lange wäre es beim DFB noch gut ge- Zwanziger, Wolfgang Niersbach und der frühere Bis 2019 war Keller Präsident des ZEIT: Lassen Sie uns noch ein persönliches Thema gangen ohne eine kulturelle Revolution? Generalsekretär Horst R. Schmidt in Zürich vor Bundesligisten SC Freiburg. ansprechen. Das Verhältnis zu Ihrem Vater, der Die Fragen stellten Keller: Das ist eine hypothetische Frage. Gericht. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft wie Sie Winzer war, haben Sie selbst als kompli- Cathrin Gilbert und Moritz Müller-Wirth UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 5 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 S ehr verkürzt könnte man sagen: Recht auf Roger Kusch gegründet hatte. Sie alle können nun Freie Bahn also für die Roger Kuschs und Der Gesetzgeber hat es sich zu erst einmal jubeln – nur die schwerkranken Kläger andere Sterbehelfer? Keineswegs. Die Debatten einfach gemacht mit dem Le- nicht mehr, die bereits vor dem lang erwarteten um die Möglichkeiten und Grenzen der bensende. Menschen, die ster- Urteil gestorben sind. Sterbe hilfe sind längst nicht zu Ende; sie wer- ben wollen, faktisch jede Chan- Die Karlsruher Richter haben nicht nur aus- den mit einiger Gewissheit neu beginnen. ce auf Hilfe bei der Selbsttötung drücklich ein »Recht auf selbstbestimmtes Ster- Denn das Bundesverfassungsgericht sagt aus- zu nehmen und die sogenannte ben« anerkannt, sie haben auch explizit hinzu- drücklich auch, aus seinem Urteil folge nicht geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe bei gefügt, dass dieses Recht die Freiheit einschlie- etwa, »dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe Strafe zu verbieten – das ist ein allzu grobes In- ße, »sich das Leben zu nehmen und hierbei auf nicht regulieren darf«. strument, um den unendlich heiklen und inti- Tod die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen«, Die Richter sehen durchaus die Gefahren, men Fragen nach Leben und Tod zu begegnen, und zwar unabhängig vom Alter, vom Gesund- die eine Freigabe der Suizidhilfe mit sich bringt. mit denen viele Schwerstkranke, ihre Angehöri- heitszustand, von besonderen Motiven oder ir- Es sei ein legitimes Anliegen des Staates, schrei- gen und Ärzte konfrontiert sind. Jeder, der sich gendwelchen moralischen oder religiösen Er- ben sie, zu verhindern, »dass sich der assistierte mit dem Thema beschäftigt, findet sich umstellt wägungen. »Die selbstbestimmte Verfügung Suizid in der Gesellschaft als normale Form von Dilemmata. Es gibt keine einfachen Ant- über das eigene Leben«, so formuliert das Ge- der Lebensbeendigung durchsetzt«. Es könnten worten, keine klaren Lösungen, kein evident richt nicht ohne Pathos, sei ein, »wenngleich »soziale Pressionen« entstehen, sich aus ökono- richtig und offenkundig falsch. letzter, Ausdruck von Würde«. Und die Würde mischen oder anderen »Nützlichkeitserwägun- Gleichwohl trat Ende 2015 das Verbot »ge- des Menschen, das steht ganz am Anfang des gen« das Leben zu nehmen. Erwähnt wird schäftsmäßiger« Sterbehilfe in Kraft. Vorausgegan- Grundgesetzes, ist unantastbar. auch, dass in Ländern mit liberalen Sterbehilfe- gen waren heftige Debatten und eine Abstim- Das Urteil vom Mittwoch ist ein Hochamt regeln ein »stetiger Anstieg assistierter Selbst- mung im Bundestag, für die der Fraktionszwang der Autonomie, Ausdruck einer Gesellschaft, tötungen« verzeichnet werde. aufgehoben worden war. Der Gesetzgeber wollte die ganz auf das Individuum abstellt. Die Neue Regeln darf es also geben. Sie müssen damals vor allem die Tätigkeit von Sterbehilfe- Mehrheit der Bevölkerung ist entschieden für nur filigraner, geschmeidiger, weniger plump Vereinen unterbinden, die anmaßend und will- die Zulässigkeit der Sterbehilfe; das Gericht hat sein als der Paragraf 217. kürlich festlegen, wem sie beim Suizid assistieren sich einmal mehr auch als Medium der Zeit- Anders als in früheren Entscheidungen deu- und wem nicht. strömungen erwiesen. ten die Richterinnen und Richter in Karlsruhe Der neu geschaffene Paragraf 217 des Strafge- Faktisch laufe das Recht auf autonome Ent- aber nur an, was denkbar wäre, sie schreiben setzbuchs stellte die geschäftsmäßige Beihilfe zum scheidung über das eigene Ende wegen des Ver- dem Parlament nicht detailliert vor, wie ein Suizid unter Strafe. Geschäftsmäßig heißt dabei bots in Paragraf 217 leer, befand das Gericht. künftiges Sterbehilfegesetz aussehen sollte. Er- verwirrenderweise nicht notwendig kommerziell. »Verbleibende Optionen« böten »nur eine theo- wähnt werden etwa »Aufklärungs- und Warte- Eine Geschäftsmäßigkeit wird schon angenom- retische, nicht aber die tatsächliche Aussicht auf pflichten«, die verbindlich eingehalten werden men, wenn wiederholt Sterbehilfe geleistet wird; Selbstbestimmung«. Von der Strafvorschrift abge- müssten, ehe jemand Hilfe zum Sterben in An- auf ökonomische Interessen oder gar Profitmaxi- schreckt wurden nämlich nicht nur Sterbehilfe- spruch nehmen dürfe; in der mündlichen Ver- mierung kommt es nicht an. vereine, die das Gericht durchaus kritisch sieht. handlung vor dem Gericht im April 2019 wur- Diese Norm hat das Bundesverfassungsgericht Auch viele Ärzte hatten aus Sorge vor Anzeige und den gelegentlich Parallelen zu den Pflichtbera- in Karlsruhe am Mittwoch kurzerhand für ver- Anklage die Begleitung von Sterbewilligen ein- tungen vor einem Schwangerschaftsabbruch fassungswidrig und, was nicht häufig vorkommt, gestellt; nicht wenige Mediziner hatten früher diskutiert. Denkbar wäre auch, Angebote von auch gleich für »nichtig« erklärt, also für ungül- immer wieder in einer Grauzone zwischen Straf- Sterbehilfevereinen strenger zu kontrollieren tig von Anfang an. Dabei war die praktische recht und Barmherzigkeit agiert, die sich juristisch und die Anbieter strikt zu prüfen. Und die Bedeutung der Vorschrift gering: Soweit ersicht- wohl nie restlos ausmessen lässt. Auch die Grenzen Richter regen an, die berufsständischen Regeln lich, wurde von 2015 bis heute kein einziges zulässiger Palliativmedizin seien unklarer gewor- für Ärzte und Apotheker zu reformieren, um Strafverfahren aufgrund des Paragrafen 217 er- den, stellten Ärzte fest, weshalb einige ebenfalls ihnen die Hilfe für Sterbewillige zu erleichtern. öffnet. Der symbolische Rang der Entscheidung Verfassungsbeschwerde erhoben hatten. Jeder darf sich das Leben nehmen, das steht EIThingegen ist enorm. Insgesamt sei auf diese Weise eine »autono- in Deutschland außer Frage, aber mit den tech- Z E Mit dem Urteil endet, vorerst jedenfalls, ein miefeindliche« Situation entstanden, schreibt nischen Details der Selbsttötung und den Qua- DI ür erbittert und hochemotional geführter Streit über das Gericht, in der dem Einzelnen »keine ver- len, die den Wunsch nach Suizid auslösen kön- orff fdie Legalisierung der Sterbehilfe. Gegen den lässlichen realen Möglichkeiten verbleiben, einen nen, möchte die Gesellschaft möglichst nicht gdParagrafen 217 StGB hatten Sterbewillige, Ärzte Entschluss zur Selbsttötung umzusetzen«. Die behelligt werden. ur n Bsowie Vereine Verfassungsbeschwerde erhoben, staatliche Gemeinschaft dürfe die Bürger aber Das war bis Mittwoch der stillschweigende artidie in Deutschland und der Schweiz Suizidhilfe auch nicht »auf die Möglichkeit verweisen, im Konsens. Damit ist nun Schluss. M on: anbieten. Zu den Klägern gehört auch der Verein Machtwort aus Karlsruhe: Der Sterbehilfe-Paragraf im Ausland Angebote der Suizidhilfe in Anspruch IllustratiSantedrebreehnil dfee Dr eehuetmschalliagned H e.a Vm.,b duerng egre mJuesitnizssaemna mtoirt Strafgesetzbuch ist nichtig VON HEINRICH WEFING zdua s niseth zmue wn«e.n iEgi.n Notausgang in die Schweiz, Ldeers eKnl äSgiee ra uauchf Sdeaist eI n6t0erview mit einem ANZEIGE UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 6 POLITIK 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 Der doppelte Mike Unterwegs in ... Pate, Kenia Michael Bloomberg, Milliardär und Ex-Bürgermeister von New York, hält die demokratischen Kandidaten für zu Zu Besuch beim Gasunternehmen schwach und will selbst ins Weiße Haus. Sein Auftakt jedoch gerät zum Desaster VON KLAUS BRINKBÄUMER Es sollte nur eine Stippvisite werden. Ich re- cherchierte gerade auf der kenianischen Insel Pate, wie China seinen Einfluss in Ostafrika D er amerikanische Wahl- ausweitet, und wollte mir ein Gasfeld ansehen. kampf passt vortrefflich in Ein Motorradtaxi, auf Swahili Piki-Piki ge- unsere Zeit, da er eine Se- nannt, brachte mich dorthin. Wir folgten einem rie ist, mit all seinen Staf- Feldweg, bis wir mitten im Nichts ein handge- feln und Folgen, die »Vor- schriebenes Schild erreichten. »Zarara« stand wahl«, »Caucus« oder darauf. Die Firma Zarara gehört dem panafri- »Fernsehdebatte« heißen: kanischen Öl- und Gasunternehmen Midway Bündnisse entstehen und zerbrechen, heute geht mit Sitz auf den Cayman-Inseln. Tatsächlich, so der Held von gestern unter, Verbündete von vor- sagten mir kenianische Wissenschaftler, sei dies gestern werden zu Feinden, und plötzlich tritt aber nur Fassade. In Wirklichkeit agiere hier ein eine neue Hauptfigur auf, die auch gleich neue chinesisches Unternehmen, das Wert auf größte Spielregeln mitbringt. Geheimhaltung lege. Michael Bloomberg ist ein Philanthrop, der Ich machte ein Foto von dem Schild und 2019 runde drei Mill iar den Dollar gespendet und wollte umkehren, als plötzlich ein riesiger so ein Netzwerk aus den Empfängern seiner Reich- schwarz gekleideter Sicherheitsmann mit einer tümer aufgebaut hat, die heute Wahlempfehlungen Maschinenpistole auftauchte. Wer wir seien? für Bloomberg geben. Dieser Bloomberg und sein Etwa Spione? Er werde mich sofort verhaften. Vermögen von 61,8 Mil liar den Dollar verändern »Ich denke nicht, dass Sie als privater Sicher- den Wahlkampf der amerikanischen Demokraten heitsmann das Recht dazu haben«, sagte ich. ungefähr so wie Daenerys Targaryen, Beschützerin »Zudem stehe ich nicht auf Ihrem Firmenge- des Reiches, Mutter der Drachen und Sprengerin lände, sondern davor.« Das war ihm ziemlich der Ketten in G ame of T hrones. In der berühmten egal. Er schubste und stieß mich, riss einen Serie bringt jene Daenerys ihre drei Babydrachen Riemen meines Rucksacks kaputt. Als ich ihm ein – die rasant zu gierig großen Drachen werden. entwischte, packte er meinen Fahrer. Ich be- Michael Bloomberg, 78 Jahre alt, hatte sich den schloss, ins nächste Dorf zu gehen, um die Poli- Wettstreit der über zwanzig Bewerber monatelang zei zu holen. Ich marschierte durch brüllende angesehen, leidend und kokettierend. War er nicht Hitze, bis mich ein weiteres Piki-Piki auflas. besser, viel, viel besser als all jene? Waren Bernie Wir waren gerade mal fünf Minuten unter- Sanders und Elizabeth Warren nicht gefährlich wegs, als hinter uns ein Pick-up auftauchte, revolutionär, unwählbar weit links? Im November überholte und vor uns zum Stehen kam. Vier dann erklärte Bloomberg seine Kandidatur in der muskulöse Männer mit Maschinenpistolen Erwartung des Sieges, in Erwartung wohl auch von sprangen aus dem Wagen. Ich sei jetzt festge- Dankesworten seiner Partei. nommen, sagte ihr Anführer. »Sie sind doch Nun aber hat der Linke Bernie Sanders drei von einer privaten Sicherheitsfirma«, sagte ich. Vorwahlen gewonnen und führt in den meisten Einer von ihnen zeigte eine Polizeimarke. Sie Umfragen. Das Feld seiner moderaten Konkur- sperrten mich ins Auto, klemmten mich von rentinnen und Konkurrenten ist derart zerklüf- links und rechts ein und behaupteten, es gehe tet und groß, dass Sanders kein ebenbürtiger jetzt auf die Polizeistation. moderater Bewerber gegenübersteht. Kann Im Wald kamen wir vor einem Schlagbaum Bloomberg die gemäßigten Demokraten hinter zum Stehen. Von Polizeistation keine Spur. Nur sich versammeln, um Sanders zu verhindern? ein Container, in dem bereits mein erster Piki- Vielleicht wird diese Frage schon am kom- Piki-Fahrer lag. Schwitzend und gefesselt. Man menden Super Tuesday, dem 3. März, geklärt habe ihn geschlagen, zischter er mir zu. Die werden. Dann wählen 14 Bundesstaaten. Viel Männer brachten mich zu einem Stuhl unter Zeit hat Bloomberg nicht, sein erster Auftritt einem Baum, um mich zu verhören. neben den Rivalen in Las Vegas ist dramatisch Nach einer halben Stunde ließen sie uns schiefgegangen. So sehr, dass sich Bloombergs schließlich laufen. Vom Gasunternehmen habe Helfer im spin room genannten Großen Ballsaal ich nichts gesehen, aber begriffen, wie wichtig des Hotels Bally’s anschrien, während eine Hun- es ist. ANGELA KÖCKRITZ dertschaft Journalisten sie umkreiste. Es war sein erster Auftritt auf großer Bühne, und schon reden alle von Bloombergs Untergang, uters e von der drohenden Katastrophe für die gesamte R e/ Demokratische Partei und der Wiederwahl Donald arqu Torten der Trumps. Im spin room treffen nach einer Debatte m a L die Kandidaten und Kandidatinnen und ihre n vi wichtigsten Helfer auf Fox News, CNN und alle Ke Wahrheit anderen Me dien und platzieren Interpretationen, nitt): h reden die Konkurrenz klein und sich selbst stark. ussc VON KATJA BERLIN »Mike wird besser werden«, nuschelt der o (A Chef der Bloomberg-Kampagne ins Nirgendwo ot F der Kameras. »Die anderen sind Karriere-Politi- Bloomberg hat gern alles unter Kontrolle. Aber die scheint ihm gerade zu entgleiten ker, die machen nichts anderes. Wir fangen erst an.« Manche Pleiten können selbst Großmeister Vitamingehalt des spin nicht aufhübschen. Im Leben wie in der Politik gibt es diese Momente, in denen es gilt. wird ihm in New York hoch angerechnet. Effi- Erlöser aus der Wahlkampfserie, die Kunst- und Das Dramatische dieser Minuten war nicht, Die berühmten Weggabelungen, an denen sich zient, ein Macher, solche Worte fallen, da in Werbefigur Mike – und auch noch der echte dass Warren so scharf war, das gehört dazu, alles entscheidet. dieser pragmatischen Stadt Leute wie Bloom- Michael Rubens Bloomberg mit seinen nicht Wahlkampf ist Show, Unterhaltung, Serienstoff. Und wenn ein Kandidat acht Fernsehdebat- berg geachtet werden, die ihren eigenen Laden wenigen Macken. Und einer ruppigen Vergan- Das Dramatische war, dass die ganze wunder- ten auslässt, weil er so anders sein will als die gründen, zumal wenn daraus ein Konzern mit genheit. Deshalb, die Debatte von Las Vegas war bare Bloomberg-Erzählung auf größtmöglicher anderen, wenn er also nur bei der neunten und 19.000 Mitarbeitern erwächst. Beliebt ist er gerade eine Minute alt, überführte nicht Bloom- Bühne gleich zweifach implodierte. zehnten antritt, ehe der alles vorentscheidende nicht. Nett, humorvoll, tolerant würde ihn nie- berg Trump, sondern Warren Bloomberg. Bloomberg konterte nicht. Dass er seine Fi- Wahltag kommt, der Super Tuesday – dann soll- mand nennen. Bloomberg – 1,65 Meter klein – nanzen noch nicht offengelegt habe, ach, er bitte te er seine Sache punktgenau perfekt machen. gilt als leicht kränkbar und schroff, jähzornig. Millionen Amerikaner sahen da um Geduld, das viele Geld sei nicht so flott zu Der Kandidat Bloomberg macht in diesem Nach seiner Zeit als Bürgermeister wurde einen Amateur im Fernsehen zählen. Das mit den pferdegesichtigen Lesben ..., in Krankenhausessen Wahlkampf tatsächlich alles anders als Bernie Michael Bloomberg Philanthrop: 8,2 Mil liar den nein, dazu sage er nichts. Und nein, er werde all Sanders, Elizabeth Warren, Pete Buttigieg oder Dollar hat er insgesamt fortgegeben, für Klima- Der stand im stilvoll teuren Anzug rechts außen den Frauen aus seiner Vergangenheit, mit denen er in Kantinenessen Joe Biden: Auf die ersten vier Vorwahlen, bei schutz, für diverse demokratische Wahlkämpfe, auf der Bühne und hörte Bernie Sanders zu, Schweigeabkommen geschlossen habe, nicht ge- in unserer Tagescreme denen noch recht wenige jener 1991 Delegier- für Initiativen gegen Schnellfeuerwaffen. Ein dem Sieger der ersten Vorwahlen. Kaum hatte statten, nun die Wahrheit zu sagen. 15 Millionen ten zu gewinnen sind, die beim Nominierungs- Macher, stimmt schon. Bloomberg einen Punkt gelandet, indem er San- Amerikaner vor den Fernsehschirmen sahen einen parteitag in Milwaukee im Juli nötig sind, ver- Das Bloomberg-Versprechen: Er würde die ders’ ambitionierte Krankenversicherungspläne Kandidaten haspeln, der zweifellos lieber anderswo Was den Wald so wichtig macht zichtet er. Spenden nimmt Bloomberg nicht an, Partei einen. Er würde Warren und Sanders aus- attackierte, grätschte Elizabeth Warren hinein: gewesen wäre, der miserabel redete, der mit den das Geld anderer Leute braucht er nicht. Mit schalten und in der Mitte der Partei eine »So, ich möchte darüber reden, gegen wen wir Augen rollte. Was hatte er von seinen Gegnern er- Journalisten redet er kaum, Fragen aus dem schmerzhaft gefühlte Lücke schließen. Außer- antreten: einen Mill iar där, der Frauen ›fette wartet? Ehrfurcht? Und das Schlimmste, sie sahen Publikum mag und beantwortet er nicht. dem würde er moderate Republikaner ebenso Weiber‹ und ›pferdegesichtige Lesben‹ nennt. einen Amateur – einen Mann, der Präsident der gewinnen wie Wechselwähler; er würde die Basis Und nein, ich rede nicht von D onald Trump. USA werden will und sich trotzdem nicht vorberei- Nett, humorvoll, tolerant der Demokraten erhalten, die Progressiven nicht Ich rede von Bürgermeister Bloomberg.« Dessen tet hatte. würde ihn niemand nennen abstoßen und in den heiß umkämpften Swing- Gesicht gefror. Aber Warren war noch nicht Meistens stimmen Metaphern für eine Weile States vor allem die Frauen begeistern. Er würde fertig. »Die Demokraten«, sagte sie, »werden und werden dann schief; es könnte aber sein, Denn Michael Bloomberg mag Kontrolle, ver- Präsident Trump als Blender überführen: ein nicht gewinnen, wenn wir einen Kandidaten dass diesmal der Vergleich bis zum Ende der Ge- mutlich kennt er das Leben nur so. echter Mil liar där und Konzernchef gegen einen nominieren, für den es normal war, seine Steuer- schichte trägt. Bei G ame of Thrones vernichtete Artenschutz Er wuchs als Sohn russisch-jüdischer Ein- vorlauten Erben, der sechsmal bankrott ging. erklä run gen versteckt zu halten, Frauen zu be- die Drachenmutter Daenerys jenes Königreich, Klimaschutz wanderer in Massachusetts auf, studierte Wirt- Bloomberg machte aus dem Versprechen leidigen und rassistische Praktiken wie (...) stop das sie eigentlich hatte erobern wollen. Bodenschutz schaft an der Johns Hopkins University und seiner Kandidatur eine Verheißung. Rund 400 and frisk zu unterstützen.« Im amerikanischen Wahlkampf leiden nun dann an der Harvard Business School, arbeitete Millionen Dollar seines eigenen Vermögens Stop and frisk war eine Methode der Verbre- die Demokraten schwer an sich selbst. Klobuch- einziger Ort, an dem man in Deutschland für die Investmentbanker Salomon Brothers, pumpte er in seinen Wahlkampf. Überall im chensbekämpfung, Bloomberg ordnete sie für ar, Bloomberg, Buttigieg und Biden, auch noch fremde Menschen grüßt ging mit zehn Millionen Dollar Abfindung zu Land eröffnete er Büros, und die Helfer ström- New York an: Schwarze junge Männer wurden Tom Steyer, blockieren sich in der Mitte gegen- Merrill Lynch. Er gründete schließlich Bloom- ten ihm zu, weil er besser zahlte als seine Kon- tausendfach von der Polizei kontrolliert, ohne seitig, während am linken Rand Sanders siegt berg L.P., den Finanzdienstleister, dessen Infor- kurrenten, besseres Essen liefern ließ, sogar konkreten Verdacht, einfach nur, weil sie eben und wieder siegt und, wenn er durchhält, bald Was in Unternehmen zu mationssystem für Broker, Bloomberg-Terminal Wein. Der Rest der Millionen floss in Werbung. schwarze junge Männer waren. Rassistisch? Na- uneinholbar sein wird. Sie wissen, dass Bernie Kompetenzmangel führen kann genannt, den Kandidaten reich gemacht hat. An Die Kernbotschaft, vielfach wiederholt, heißt türlich. »Aber man muss dahin gehen, wo das Sanders, 78, gerade von einem Herzinfarkt ge- den Weltbörsen kommt kaum ein Händler ohne »Mike gets it done«, »Mike kriegt es hin«. Nachdem Verbrechen ist«, das sagte Bloomberg damals, nesen, ewig unwirsch, niemals gelassen, als das System aus, das eine Riesenmenge kursrele- Trump von seinen Republikanern siegreich durch und seither entschuldigt er sich eher halbherzig. Trumps Lieblingsgegner gilt, weil er so radikal vanter Daten in hohem Tempo verwurstet. das Amtsenthebungsverfahren gelotst worden war, Und dann sagte Warren noch: »Ich werde denkt. Wahlen werden in den USA in der Mitte Bloomberg war zunächst Demokrat, dann fürchteten die Demokraten die komplette Nieder- den demokratischen Kandidaten unterstützen, gewonnen, die Mitte aber ist weit entfernt von Republikaner, nun ist er wieder Demokrat. lage: Trumps Wahlsieg am 3. November, dazu den egal wer es sein wird. Aber versteht dies: Die Sanders. Zwölf Jahre lang, bis 2013, war er Bürgermeister Verlust des Repräsentantenhauses, alle Macht für Demokraten gehen ein enormes Risiko ein, Es sei denn, ja, es sei denn, im Finale, im von New York City. Dass er das Rauchverbot in Trump. »Oh nein, ich schlage den«, sagte Bloom- wenn wir einfach einen arroganten Mil liar där Showdown des 3. November, kommt alles an- Büros, Bars und Restaurants durchsetzte, Fahr- berg, »ich weiß, wie das geht, ich kriege das hin.« durch den nächsten ersetzen wollen. Dieses ders – und aus der Jugendbewegung, die Bernie die Frauenquote rad- und Busspuren einrichten und neue Parks Das Problem war die Wirklichkeit. Auf ein- Land hat nun sehr lange den Reichen gedient Sanders trägt, erwächst wieder einmal ein neues gestalten ließ, die Stadt lebenswerter machte, mal existierten zwei Bloombergs, der Held und und alle anderen im Schmutz liegen lassen.« Amerika. die Männerquote UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 7 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 k c o erst utt h S o: ot F Die slowakische Präsidentin Zuzana Čaputová kämpft gegen die Korruption im Land »Keinen Fußbreit den Bösen« Die Slowakei gilt als liberaler Hoffnungsschimmer im Osten Europas. Nun könnte ein Rechtsextremer bei der Parlamentswahl triumphieren VON CATERINA LOBENSTEIN ANZEIGE Bratislava Neonazis Marian Kotleba werden. Der trat jahre- tiv-Ressort seiner Redaktion aufgestockt und W enn die Wahl am Sams- lang in einer Uniform auf, die der Kluft faschisti- setzt jetzt doppelt so viele Reporter auf die kor- tag schlecht ausgehe, scher Milizen aus dem Zweiten Weltkrieg nach- rupten Eliten des Landes an. Bardy hat sich einen sagt Julia Syrna, dann empfunden war. Die Mitglieder seiner Partei be- Button ans Revers geheftet. »All for Jan« steht buche sie einen Flug. grüßen sich mit »Na straz« – dem slowakischen darauf. Vielleicht nach Deutsch- Pendant zum Hitlergruß. Neben ihm stehen Studenten, die nach dem Lifton Homelift land. Vielleicht nach Kotleba ist nicht der einzige Rechtsradikale, der Mord zu Protesten aufriefen, von der Hauptstadt Schweden. In jedem in Europa Stimmen fängt. Aber kaum einer hat es Bratislava bis in die hintersten Karpatendörfer. Der elegante private Aufzug Fall ohne Rückflugticket. Syrna ist 37 Jahre alt, mit seinen Angriffen auf das Establishment so leicht Karolina Farska zum Beispiel, 19 Jahre alt, eine studierte Ökonomin und Unternehmensberate- wie er. Wesentliche Teile der Elite des Landes gelten winzige Person in rosafarbenen Pumps und rotem für Ihr Zuhause. rin, eine zierliche Frau mit blondem Dutt und als bestechlich. Im Korruptionsindex von Trans- Spitzenkleid, die heute zu den lautesten liberalen perfekt lackierten Nägeln. Sie sagt, sie sei die parency International landet die Slowakei unter Stimmen des Landes zählt. Die Präsidentin gibt meiste Zeit ihres Lebens kein besonders politi- allen EU-Staaten auf einem der hintersten Plätze. jedem einzeln die Hand: »Danke, dass ihr die scher Mensch gewesen. Seit einiger Zeit aber er- Um zu verstehen, was bei dieser Wahl auf dem Apathie durchbrecht«, sagt sie. »Danke, dass ihr MitdemLiftonDUOHomeliftmachenSieIhren wäge sie, wegen der Politik ihr Land zu verlassen. Spiel steht, hilft es, das Verbrechen in den Blick der Gleichgültigkeit etwas entgegensetzt.« TraumvomprivatenAufzugwahr–einzigartiges Syrna wohnt in Bratislava, der Hauptstadt der zu nehmen, das die Bevölkerung so tief erschüt- Die Unternehmensberaterin Julia Syrna sagt, DesignverbindetsichmitinnovativerTechnik. Slowakei. Noch. tert hat: den Mord an Ján Kuciak, einem 27-jäh- sie könne sich noch gut erinnern, wie sie von dem Es ist der Mittwochabend vergangener Woche rigen Journalisten, der die Geschäfte korrupter Mord erfuhr. Wie die Wut in ihr aufstieg. Und DerLiftonbefördertSiebequemindienächste auf einer Wahlkampfparty der PS, der Partei für Regierungspolitiker aufdecken wollte und dafür wie sie auf die Straße rannte, mit Tausenden an- Etage.NurzweiVoraussetzungenmüssenerfüllt eine fortschrittliche Slowakei. Syrna sitzt mit mit seinem Leben bezahlte. Und es hilft, denen deren Bürgern, um ihre Wut herauszubrüllen. sein.Siebenötigen0,8m2PlatzundeineSteckdose. einer Freundin in einem großen Raum mit bun- zuzuhören, die seither versuchen, die Erschütte- Syrna nennt Kuciak einen »Nationalhelden«. DerLiftonwirdmitwenigAufwandaufgestellt, ten Sofas, inmitten von Wahlkampfhelfern und rungen, die der Mord auslöste, in politische Ener- Das, was auf seinen Mord folgte, bezeichnet sie dennseinekompletteTechnikbefindetsichimKabi- Sympathisanten der PS. Es gibt Chips und Sta- gie zu verwandeln: den Journalisten, die sich als »Katharsis«. ropramen, tschechisches Bier, auf dem Boden geschworen haben, nun noch hartnäckiger zu Nach dem Mord passierte, was viele Slowaken nendach.ErgleitetelegantanseitlichenSchienen– liegen Flyer, an den Wänden hängen Wahlpla- recherchieren. Den Studenten, die nicht müde nicht für möglich gehalten hatten: Der Mörder Schacht,GrubeundMaschinenraumherkömmlicher kate. Kandidatengesichter, die siegesgewiss in die wurden, Proteste zu organisieren – und die dafür wurde gefasst und verurteilt. Und auch der mut- Aufzügewerdendamitüberflüssig. Kamera blicken. Syrna sagt, sie werde ihnen am gesorgt haben, dass aus spontanen Demonstratio- maßliche Auftraggeber muss sich zurzeit vor Sonntag ihre Stimme geben. Siegesgewiss klingt nen eine stabile Bürgerbewegung wurde. Gericht verantworten: Marian Kocner, ein be- DerLiftonDUObietetPlatzfürbiszu2Personen– sie nicht. »Wohin gehen wir«, fragt sie, »wenn Nicht weit von der Parteizentrale der PS ent- rüchtigter Geschäftsmann mit besten Verbindun- für3PersonenundRollstuhlfahreristderLiftonTRIO hier die Faschisten regieren?« fernt, im Präsidentenpalast, schreitet zehn Tage gen zur Regierungspartei. An diesem Wochenende wird in der Slowakei vor der Wahl eine große blonde Frau durch einen Eine Katharsis? Die PS-Anhängerin Julia Syrna ideal.ErmachtjedeEtageinIhremZuhauseleicht ein neues Parlament gewählt. Es wird dabei nicht weiten Flur. Sie trägt ein weißes Kleid, an ihrer ist hin- und hergerissen. Die Aufarbeitung des erreichbar.MitdenLiftonHomeliftenholenSiesich nur um die Neuverteilung der 150 Sitze des slowa- Seite marschieren drei Wachen der Präsidenten- Mordes, sagt sie, habe ein kostbares Zeitfenster echteWohlfühltechnikinsHaus. kischen Nationalrats gehen. Es geht auch um das garde, mit Säbel und Federhut. Die Wachen geöffnet, das es zu nutzen gelte, auch bei der be- politische Gefüge der östlichen EU-Mitgliedsstaa- schlagen die Stiefel zusammen. Aus einem Laut- vorstehenden Parlamentswahl. Zugleich befürch- ten, die von nationalistischen Hardlinern wie Viktor sprecher scheppert eine Fanfare. Zuzana Čaputová tet sie, die korrupten Sozialdemokraten könnten DasPlatzwunder Orbán geprägt sind und unter denen die Slowakei betritt den Spiegelsaal des Palasts. Über ihr hän- sich nach dieser Wahl mit dem Faschisten Kotleba DerLiftonDUObenötigteineStellflächevon eine Art liberaler Hoffnungsschimmer ist. gen riesige Lüster aus Kristall. Vor ihr stehen elf verbünden und gemeinsam regieren. So wie Syrna wenigerals0,8m2. Die PS, die Partei, der Julia Syrna ihre Stimme Männer und Frauen; viele von ihnen sind keine sehen es viele, die vergangenen Mittwochabend in geben will, ist eine der wenigen linksliberalen 30 Jahre alt. Die Präsidentin hat sie eingeladen, die Zentrale der PS gekommen sind. Kräfte in Mittel- und Osteuropa, die in jüngster um ihnen den Rücken zu stärken. Der 19-jährige Schüler Dominik Radler zum GünstigimBetrieb Zeit Erfolge verbuchen konnten. 2019 gewann Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, Beispiel, der in drei Wochen seine Abiturprüfung KeineteureAbnahmedurcheinePrüfstelle, sie die Europa- und die Präsidentschaftswahlen. seit Ján Kuciak und seine Verlobte, Martina schreibt und dennoch mehr als 200 Kilometer in wiez.B.TÜV,erforderlich. An der Spitze des Landes steht seither die dama- Kušnírová, von einem Auftragskiller erschossen die Hauptstadt gefahren ist, um beim Wahl- lige PS-Kandidatin, die Anwältin und Umwelt- wurden, in einem Dorf nordöstlich von Bratis- kampf der PS zu helfen. MitHaushaltsstromschweben schützerin Zuzana Čaputová. lava, mitten in der EU. Die Männer und Frauen, Oder die 36-jährige Verkäuferin Erika Strapko, LiftonHomeliftegleitenmit230Vausder Während der ungarische Präsident Viktor die an diesem Morgen die Präsidentin treffen, die jahrelang von einem EU-Land ins nächste zog – SteckdosevonEtagezuEtage. Orbán die Brüsseler Bürokratie verhöhnt und sind Wegbegleiter von Kuciak. Peter Bárdy zum aber schließlich wieder nach Hause kam, weil sich Ressentiments gegen Juden und Flüchtlinge Beispiel, ein breitschultriger Mann mit ernstem ja nichts verändern kann, wenn die, die nach Refor- schürt, hat Čaputová den Schutz von Minderhei- Blick, der Chefredakteur des Nachrichtenportals men rufen, dem Land den Rücken kehren. DasselbststützendeSystem ten und die enge Bindung an Brüssel ins Zen- Aktuality, für das Kuciak gearbeitet hat. Bárdy ist Eigentlich galt die Slowakei mal als Muster- DankintelligentpositionierterStrebenlässt trum ihrer Politik gestellt. Sie will die Korruption seit 25 Jahren Journalist. Die beiden vergangenen schüler der EU. Die Wirtschaft des Landes wächst sichderLiftonfreiplatzieren. bekämpfen, das größte Problem der Slowakei – Jahre, sagt er, seien die schlimmsten seines Lebens verlässlich, VW hat hier Fabriken gebaut, die aber auch die Diskriminierung der Roma, die im gewesen. Er sucht seinen eigenen Weg, um mit Arbeitslosigkeit ist niedrig. Doch während die ländlichen Osten des Landes leben. Sie will die dem Mord fertigzuwerden: Er hat das Investiga- slowakische Regierung in Brüssel für ihren Gesundheitsversorgung für bedürftige Menschen Wachstumskurs gefeiert wurde, mussten die Bür- WirberatenSiegerne ausweiten – aber auch das Adoptionsrecht für ger dabei zusehen, wie ein beträchtlicher Teil des kostenfreiundunverbindlich homosexuelle Paare. Sie will, dass die Bürger den Wohlstands auf wundersame Weise verschwand. Politikern in Bratislava wieder vertrauen können – Zum Beispiel in einem noblen Apartmentblock BesuchenSieunsonline:www.lifton.de aber auch den Bürokraten in Brüssel. Der Slogan, namens »Bonaparte«. mit dem sie die Präsidentschaftswahl gewann, Partner in der EU Der Wohnkomplex thront auf einem Hügel OderrufenSiegebührenfreian:0800-6655565 lautAemte: S»aKmeisntaegn nFuunß bwrieridt dsiecnh Bzeöisgeenn«,. ob sich die üfebrenrt . BVroart idsleamva ,P onritcahlt f awherietn v Loimm oPuasrilnaemne vnot r.e nAtn- Kostenlose Hgeowfefnckutn gh,a td, iien Čeianpeu htoavráte bpeoi litviiseclhene WLiäbherruanlegn, deienr MDuautzeern, dd ieK damas eGraes biänusdtael lsiäeurtm. tH, sieinr dw konhanptpe Beratung LiftonisteinUnternehmenderLiftstarGruppe also in Parlamentssitze verwandeln lässt. Oder ob einst Robert Fico, der ehemalige Regierungschef – beiIhnenzuHause die Präsidentin nur eine Episode ist, ein liberales SLOWAKEI zu einer »eher moderaten Miete«, so formuliert es One-Hit-Wonder, das den Sound der Demokra- ein Mitarbeiter von Transparency International. Bratislava tieverächter nicht zu übertönen vermag. Ficos Vermieter war ein Geschäftsmann, der heu- Bis zu elf Parteien könnten in den Nationalrat te wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis sitzt. der Slowakei einziehen, auch das bürgerlich-libe- Ficos Nachbar war Marian Kocner – der Auf- rale Lager ist zersplittert. Ob es genug Stimmen Die Slowakei ist seit 1993 eigen- tragsmörder von Ján Kuciak. Fico trat nach den bekommt – und überhaupt einen gemeinsamen ständig, bis dahin war sie Teil der Morden als Regierungschef zurück. Bis heute Nenner findet –, um eine Regierungskoalition zu Tschechoslowakei. 2004 trat die aber ist er Chef der Sozialdemokraten, der regie- bilden, ist ungewiss. Slowakische Republik der EU und renden Partei. Die PS belegt in den Umfragen mal den drit- der Nato bei; seit 2009 ist sie Wegen Männern wie diesen überlegt die Unter- ten, mal den vierten Platz. An der Spitze liegen Mitglied der Euro-Zone. Das nehmensberaterin Julia Syrna, ihre Heimat zu ver- noch immer die regierenden Sozialdemokraten, Land hat rund 5,4 Millionen lassen. Und wegen Männern wie diesen weiß sie, die sich allerdings nicht als Anwalt der Arbeiter, Einwohner, für Deutschland ist es dass sie eigentlich bleiben müsste. Syrna sagt, sie sondern als Anwalt der Oligarchen verstehen – ein wichtiger Handelspartner. habe schon einmal im Ausland gelebt, in Österreich. und deren korrupte Funktionäre für die PS keine In der EU koordiniert es sich oft Drei Jahre habe sie es ausgehalten, dann sei sie zu- denkbaren Koalitionspartner sind. Zweitstärkste mit Ungarn, Tschechien und Polen. rückgekehrt. Die Slowakei sei halt nicht nur ein Kraft könnte die »Volkspartei« des slowakischen korruptes Land. Die Slowakei ist ihr Zuhause. UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws 8 POLITIK 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 Der Bluff des Jahrhunderts Was halten die Siedler von Donald Trumps »Friedensplan«? Besuch im Jordantal, das bald zu Israel gehören soll VON RICHARD C. SCHNEIDER auszuhandeln, erklärte er den Palästinensern, dass die Das Zusammenleben zwischen Palästinensern T ZEI israelische Armee die Ostgrenze eines Palästinenser- und Israelis funktioniert in anderen Teilen des West- E DI staates mitkontrollieren würde. Die Palästinenser jordanlands bei Weitem nicht so gut. Überall dort, ür ki f lehnten das damals wie heute brüsk ab. wo Extremismus und Hass blühen, dominiert Ge- als In der Gegend von Argaman sind die meisten walt. Auf beiden Seiten. Und viele befürchten, sie k ers Siedler keine religiösen Fanatiker, auch Schaul Avi- könnte im Falle der angekündigten Annexionen p p O tal nicht. Er lebt nicht hier, weil er glaubt, dass wieder ausbrechen. as n Gott den Juden dieses Land gegeben hat. Er findet David Elhajani sieht das nicht. Er ist seit Jahren o J o: es für die Sicherheit Israels wichtig, dass der Staat Vorsitzender des Siedlerrates im Jordantal und seit ot F am Jordantal festhält. »Ich weiß aber noch nicht zwei Monaten Vorsitzender des einflussreichen Sied- einmal, was Annexion genau bedeuten würde«, lerrates Jescha, der für die gesamten besetzten G ebiete sagt Schaul. »Wahrscheinlich nur eine Veränderung spricht. »Es wird zu keiner dritten Intifada kom- im Verwaltungssystem. Aber ansonsten? Hier läuft men«, zu keinem neuen Aufstand der Palästinenser, doch alles gut, es ist ruhig. Ich hoffe, dass der Plan erklärt Elhajani trocken am Telefon. »Erstens geht von Trump das nicht zerstört!« es den Palästinensern zu gut, die meisten haben Arbeit und wollen das nicht riskieren. Und zwei- Seine Frau Jael, deren Familie ebenso wie tens wird sich hier absolut nichts verändern. die von Schaul Avital ursprünglich aus Nichts«, sagt er und meint die geplante Annexion Marokko stammt, ist entschiedener. Sie im »deal of the century«. sei früher moderater gewesen, sagt sie. Das hebräische Wort sipuach, Annexion, lehnt »Aber nach dem Abzug aus Gaza war Elhajani ab. »Annektieren kann ich nur etwas, was das vorbei.« Nachdem sich die israelischen Trup- mir nicht gehört. Aber dieses Land gehört uns seit pen 2005 aus dem besetzten Gazastreifen zurück- Jahrtausenden.« Darum sprächen Siedler wie er gezogen hatten, wurde Israel von dort immer wie- von ribonut, von Souveränität. Die Souveränität der mit Raketen beschossen, bis heute. »Wir müs- Israels solle hier ausgedehnt werden. Mehr nicht. sen jeden Zentimeter verteidigen«, sagt Jael. »Die »Aber soll ich Ihnen etwas sagen?«, fragt Elhajani: Araber um uns herum wollen uns ausrotten. Wir »Es wird nicht geschehen. Der ganze Trump-Plan müssen das alles hier behalten, wir können ja nir- ist ein einziger Bluff! Das ist nicht der ›deal of the gends anders hingehen.« Darum vertraue sie nur century‹, es ist der ›bluff of the century‹!« Netanjahu und werde ihn wieder wählen. Wie viele Siedler lehnt Elhajani den Trump-Plan Und ihr Mann? Wen wird er wählen? Er weicht der grundsätzlich ab. Nicht wegen der Annexionen. Frage aus. »Gehen wir doch zu den Datteln«, sagt er. Sondern wegen der Zugeständnisse, die aus Sicht der Schaul Avital besitzt eine Palmenplantage. Die Palästinenser minimal sind: »Wir akzeptieren keinen Datteln des Jordantals gehören zu den besten der palästinensischen Terrorstaat. Auf keinen Fall.« El- Welt. Avital produziert ausschließlich für den Ex- hajani war zur Verkündung des Plans mit Premier- port. Etwa 40 Quadratkilometer Land gehören minister Netanjahu nach Washington gereist. Er ihm. In dieser Jahreszeit ist er damit beschäftigt, die kennt den Regierungschef seit vielen Jahren, sieht Dornen der Dattelpalmen zu entfernen, um später ihn bei den wöchentlichen Treffen des Premierminis- leichter an die Früchte zu gelangen. ters mit Wortführern des Siedlerrates in der Knesset. Vielleicht nirgendwo sonst auf der Welt ist die So glücklich wie unmittelbar vor der Veröffent- Frage nach dem Besitz von Land konfliktreicher als lichung des Friedensplans habe er Bibi, wie Netan- in dieser Gegend. Um die Siedlung Argaman zu jahu von allen genannt wird, noch nie gesehen: »Mit bauen, haben die Israelis nach dem Sechstagekrieg glühendem Gesicht sagte er mir, dass dies ein histori- 1967 Land von drei palästinensischen Dörfern scher Moment für Israel sei. Dass endlich ein Traum konfisziert. Nach dem Völkerrecht ist das in »be- wahr werde.« Bereits wenige Tage nach der Veröffent- setzten Gebieten« nicht erlaubt. Doch die Siedler lichung des Plans wollte Netanjahu die »Ausweitung halten den Begriff »besetzt« für falsch. Der Staat der Souveränität« ins Kabinett bringen. Noch vor Israel argumentiert, das Land sei vor 1967 gleich- den Wahlen. Doch dann ging etwas schief. Die Ame- sam herrenlos gewesen. Jordanien hatte das soge- rikaner warnten Bibi plötzlich vor einem Alleingang. nannte Westjordanland in den späten Vierziger- Warum bremsten die Amerikaner Bibi aus? El- jahren ebenfalls nur annektiert, doch außer Groß- hajani hat dazu eine Theorie: Trumps Schwieger- britannien und Pakistan erkannte kein Staat diese sohn Jared Kushner, der »Vater« des Deals, der zur Annexion an. Davor gehörte das Land zum Osma- Vorbereitung drei Jahre lang im Nahen Osten nischen Reich, das aber war nach dem Ersten Welt- herumgeflogen war, müsse kapiert haben, dass sich krieg untergegangen. Einen »rechtmäßigen« Besit- die Israelis nur den einen Teil des Plans zu eigen zer habe es also nicht gegeben, das Land sei dem- machen wollten, der die Annexionen erlaubte. zufolge nicht »besetzt«. Auch säkulare Siedler wie Den Palästinensern aber würden sie nichts geben Schaul Avital sehen deshalb kein Unrecht darin, wollen. Kushner habe irgendwann verstanden, das Land als ihr Eigentum zu betrachten. dass viele israelische Abgeordnete und Minister Das ganze Jahr über steht ihm Ibrahim Zbeidat nicht einmal einen kleinen Palästinenserstaat ak- zur Seite, der 42-Jährige ist Avitals Vorarbeiter. Der zeptieren würden – der aber Teil des Plans ist. Palästinenser stammt aus dem Nachbardorf Zbei- Kushner habe befürchtet, dass seine Freunde in dat, das keine fünfhundert Meter von Argaman den Palästen in Saudi-Arabien oder den Vereinig- entfernt liegt und zum palästinensischen Autono- ten Arabischen Emiraten ihm Vorwürfe machen miegebiet gehört. würden, und deshalb die Notbremse gezogen. Avital und Zbeidat unterhalten sich auf Ara- bisch. »Ich habe die Sprache hier im Tal gelernt. Es Der Plan sei einfach zum Scheitern ist doch wichtig, mit seinen Nachbarn reden zu verurteilt, glaubt Elhajani. »Ich können, oder nicht?«, sagt der Israeli. Seit zehn sagte amerikanischen Kongressab- Jahren arbeiten sie zusammen, Ibrahim hat sogar geordneten, sie würden den Palästi- eine offizielle Erlaubnis, sich direkt in der israeli- nensern einen Mercedes mitsamt schen Siedlung aufzuhalten, nicht nur auf der Schlüssel geben – aber der Motor fehlte. Dass sie Plantage. Einen solchen Passierschein erhalten nur Jerusalem nicht bekommen – dazu sagen die Paläs- Palästinenser, die in keiner Akte israelischer Sicher- tinenser doch niemals Ja!« David Elhajani lacht. Der Siedler Schaul Avital (links) unterhält sich mit einem Nachbarn, einem palästinensischen Schäfer heitskräfte oder -behörden auftauchen. »Die Amerikaner haben noch nie verstanden, wie In der Erntezeit arbeiten bis zu 20 Palästinenser die Dinge hier laufen.« auf Avitals Plantage. Alle kommen aus Zbeidat. Der »Plan des Jahrhunderts«, der Netanjahu im Argaman/ Jordantal am kommenden Montag wählen, zum dritten Mal Ibrahim, Vater von sieben Kindern, ist mit dem Job Wahlkampf gut aussehen lassen sollte, bringt ihm Jahrhundert-Deal V on seiner Terrasse aus hat innerhalb eines Jahres, hofft Netanjahu endlich auf zufrieden, er garantiert ihm ein gutes Einkommen, vorerst wenig. Bei Redaktionsschluss am Dienstag- Schaul Avital einen atem- einen deutlichen Sieg. Der Premier, gegen den eine die Familie ist versorgt. Mehr will er nicht. Zum abend lag er laut Umfragen nur mit einem Mandat So sollen die Staaten Israel und Palästina beraubenden Blick über Korruptionsanklage läuft, und sein Herausforderer, Trump-Plan und zur geplanten Annexion will er sich vor Benny Gantz. Viele Israelis halten den Plan für nach dem Plan des US-Präsidenten aussehen das Tal des Jordan. Hinter der Ex-General Benny Gantz, versuchen seit Mona- nicht äußern: »Ich kümmere mich nur um Datteln. illusorisch, selbst wenn eine Mehrheit einer Annexion dem Fluss, am Horizont, ten jeweils vergeblich, eine Regierung zu bilden. Die Von allem anderen verstehe ich nichts«, sagt er auf zumindest des Jordantales sofort zustimmen würde. ragen die Bergketten Jor- beiden vorangegangenen Wahlen haben ein Patt Hebräisch. Die Fragen sind ihm vor seinem isra- Schaul Avital beschäftigt sich mit all diesen LLIIBBAANNOONN GGoollaann-- daniens auf. Avitals Haus geschaffen, Israel steckt in der Krise. Nun soll der elischen Arbeitgeber sichtlich unangenehm. Über Details nicht. Zwei seiner Kinder leben ebenfalls MMiitttteellmmeeeerr hhööhheenn steht auf einem Hügel am nächste Wahlgang endlich den Durchbruch bringen Politik redet man hier lieber nicht. in Argaman. Gerade für sie wünscht er sich Stabi- Rande der Siedlung Arga- für Netanjahu. Und Donald Trumps »Deal« soll ihm An der Straße, die hinaufführt zur Siedlung lität und Ruhe. Wird er deswegen Bibi wählen? Argaman SYRIEN man, die 1968 gegründet die Stimmen aller rechten Israelis sichern, auch jener Argaman, befindet sich ein kleines Restaurant, in Nun, da seine Frau nicht mehr dabei ist, redet er wurde. Etwa 50 Familien leben heute hier. Avital 300.000, die das letzte Mal im September nicht zur dem einige Palästinenser als Kellner arbeiten. Sie offener. Bei der letzten Wahl im September gab er steht in der Küche und kocht Kaffee. Seit 1974 lebt Wahl gegangen sind. unterhalten sich mit einem ultraorthodoxen Juden, seine Stimme Benny Gantz. Das werde er nun Zbeidat er in Argaman, er gehörte damals zu den Pionieren, Wie aber denken die Siedler selbst über den der hier gerade Rast macht. Man kennt sich, scherzt nicht mehr tun. Gantz spreche mal wie ein Politi- Nablus die in das Jordantal zogen. »Ideologie«, sagt er, »war Annexionsplan von Trump und Netanjahu? miteinander. Einer der Kellner, Fahdi, erzählt, dass ker der Mitte, mal wie ein rechter. »Ich weiß nicht TTeell AAvviivv Jordantal nicht dabei«, als er aus seiner Heimatstadt Bet Nach Wochen voller Regen und Sturm ist es end- er in der Nähe von Nablus lebe und jeden Tag hier- mehr, wofür er steht.« Aber auch Netanjahu werde na Schean im Kernland Israels hierherkam. »Die da- lich warm geworden, das Jordantal erblüht in kräfti- her ins Restaurant Zipora zur Arbeit komme. Was er nicht wählen, sagt Avital. Vorsichtig deutet er dr Amman malige Regierung der linken Arbeitspartei gab uns gem Grün, die Luft ist klar und frisch. Man hört hält Fahdi vom Jahrhundertplan? Der Annexion? an, dass er sich noch weiter nach rechts orientieren Jerusalem oJ allerlei finanzielle Anreize, nach Argaman zu zie- nichts außer Vogelgezwitscher. Völlige Ruhe. »Ist das Ebenso wie Schaul Avital hofft er, dass alles so werde, da wüsste er, wofür sie stehen. Ausgerech- hen. Und ich habe mich sofort in diese Landschaft nicht wunderbar?«, freut sich Schaul. »Ich könnte bleibt wie bisher. Etwas abseits von den Israelis net er, der sich nichts sehnlicher wünscht als ein TTootteess MMeeeerr verliebt. Du siehst ja selbst, wie idyllisch es hier ist.« nicht in der Großstadt leben.« Die Großstadt – das aber wird er deutlicher: »Was wollen wir alle hier? friedliches Zusammenleben zwischen den Palästi- Argaman liegt östlich der palästinensischen Stadt ist Tel Aviv. Das liberale Zentrum Israels ist nur eine Ruhe, Frieden, ein gutes Einkommen, eine bessere nensern und Israelis hier in seiner Umgebung, Nablus, etwa eine halbe Stunde mit dem Auto ent- Stunde entfernt, aber mental ganz weit weg von den Zukunft für unsere Kinder!« Fahdi hofft, im Fall wählt womöglich rechts außen? fernt. Wenn es nach dem von US-Präsident Donald besetzten Gebieten. Dabei sind es auch von Tel Aviv einer Annexion zumindest den blauen israelischen »Erinnern Sie sich nach den Wahlen daran, dass ISRAEL Trump entwickelten »deal of the century« geht, soll aus nur rund 70 Kilometer bis zur jordanischen Ausweis zu bekommen. Mit dem hätte er Zugang alles nur ein großer Bluff ist«, sagt der Siedlerführer JORDANIEN hier bald die Ostgrenze Israels verlaufen. Der Plan, Grenze. Alle Regierungen Israels haben daher stets zum israelischen Sozialsystem, wäre abgesichert David Elhajani zum Abschied. Aus dem Plan werde der vor wenigen Wochen im Beisein von Premier darauf bestanden, im Falle eines Friedens mit den und versorgt. Der Palästinenser Fahdi hätte also nichts, die Amerikaner würden die Souveränität über aktuelle Grenze Benjamin Netanjahu in Washington vorgestellt Palästinensern die Kontrolle über das Jordantal zu nichts dagegen, unter israelischer Herrschaft zu die Siedlungen im Westjordanland nicht zulassen. Westjordanland/ Gazastreifen wurde, sieht vor, dass Israel weite Teile des Westjor- behalten. Aus palästinensischer Sicht sind diese bleiben. Und die Siedler und Israel würden einen Palästinen- danlands, das es seit 1967 besetzt hält, offiziell an- Gebiete Teil eines zukünftigen unabhängigen Staates, Ob ein Zusammenleben nach einer Annexion serstaat nicht zulassen: »Denn nach dem Holocaust geplanter paläs- nektieren darf, insbesondere das Jordantal. Den Pa- aus israelischer Sicht sind sie eine offene Flanke. Die denn funktionieren könne? »Bei uns schon«, nickt können wir kein weiteres Risiko mehr eingehen. Nie tinensischer Staat lästinensern verspricht der »Friedensplan« nur einen Israelis befürchten, dass unkontrolliert Waffen, Ra- er, »hier gibt es auf beiden Seiten nur wenige Fana- mehr!« Und es könnte so kommen. Wie die vergan- israelische winzigen Rumpfstaat, mitten im – dann – israeli- keten und Terroristen eingeschmuggelt werden tiker.« Natürlich ist er für einen Palästinenserstaat, genen 50 Jahre gezeigt haben, geschieht in der israe- Enklaven ÄGYPTEN schen Staatsgebiet. könnten. Darin sind sich rechte und linke Israelis klar. Aber wichtiger sind ihm und vielen anderen lischen Politik meistens das, was die Siedler wollen. ZEITGrafik Bei dem Plan geht es aber nicht nur um Land. Es einig. Selbst als Barack Obamas Außenminister John hier ganz andere Dinge: Ruhe. Überleben. Seine 50 km geht auch um die Macht in Israel. Wenn die Israelis Kerry 2014 noch einmal versuchte, einen Frieden Kinder in Frieden aufziehen. A www.zeit.de/audio UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws POLITIK 9 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 DER POLITISCHE FRAGEBOGEN 1 W elches Tier ist das politischste? a p Der Löwe. Er steht für Macht, Stärke, o: d 19 W elche Politikerin, welcher Politiker Mut – und dafür, die Dinge im Griff zu Fot sollte mehr zu sagen haben? haben. Als König der Tiere muss er na- T; kl. Es gibt jemanden, der noch mehr Gehör türlich auch für die Gemeinschaft sorgen. ZEI verdient hätte: Bundespräsident Frank- E DI Walter Steinmeier. In seinen wunderbaren ür 2 W elcher politische Moment hat as f Reden analysiert er die komplizierte und Sie geprägt – außer dem er polarisierte Lage des Landes so klug wie H Kniefall von Willy Brandt? as kaum ein anderer. Hörte man da noch e l Als Hans-Dietrich Genscher in der Prager d d genauer hin, könnte das mehr zur inneren Botschaft seinen berühmten Halbsatz avi Befriedung beitragen. D sprach: »Wir sind gekommen, um Ihnen on: Imchit zwuateri leelnf ,J adharses haletu uten dIh hrea bAe unsircehiste a.l.l.e«s. Illustrati 20 Wm öelcchhtee np oSliiet ivsecrhbei ePthenra?se verstanden, was da passierte. Aber als die »Wir müssen ...« und »Man müsste Menschen in Jubel und Tränen ausbra- mal ...«. Ja, dann macht doch! Oder auch, chen, habe ich gespürt, wie besonders was wir alles tun »für die Menschen in dieser Augenblick war. Jedes Mal, wenn unserem Land«. Na, für wen denn sonst? ich das im Fernsehen wieder sehe, berührt es mich aufs Neue. 21 F inden Sie es richtig, politische Entscheidungen zu treffen, 3 W as ist Ihre erste Erinnerung an Politik? auch wenn Sie wissen, dass die Die erste ist wohl der Republikgeburts- Mehrheit der Bürger dagegen ist? tag der DDR am 7. Oktober. Oder der Die Politik trifft ja keine Entscheidungen, 1. Mai. Als Kita-Kinder sind wir da um die Leute zu ärgern, sondern um et- DDR-Fähnchen schwenkend durch un- was Gutes zu erreichen. Wenn die Leute seren Ort in Brandenburg gezogen. Und nicht verstehen, dass es gut ist, muss man ich erinnere mich noch daran, als ich in seine Entscheidung besser erklären oder die Schule kam, dass in jedem Klassen- noch mal überdenken, ob sie auch wirk- raum über der Tafel das gleiche Bild lich gut war. Das Erste gelingt nicht im- hing, das von Erich Honecker, dem mer – und das Zweite passiert zu selten. Staatsratsvorsitzenden der DDR. 22 W as fehlt unserer Gesellschaft? 4 W ann und warum haben Ein bisschen mehr Eigenverantwortung. Sie wegen Politik geweint? Ups, das klingt jetzt eher nach FDP-L ibe- Geweint? Wegen der Politik selbst eigent- ra lis mus als nach SPD-Zukunft. lich nie. Aber wegen der Reaktionen, Wieso? Wir brauchen einen So zial staat, die politische Entscheidungen auslösen, der Menschen nicht nur versorgt, son- schon – auch im Angesicht der gesell- dern auch dazu befähigt, ihre schwierige schaftlichen Spaltung, die wir 30 Jahre Lage zu überwinden und selbst für sich später im Land haben. Von Prag habe ich aufzukommen. Und ganz generell: Wenn ja eben schon erzählt. Bei den letzten jede und jeder der knapp 83 Millionen beiden Feiern zum Tag der Deutschen Deutschen auch selbst einen kleinen Bei- Einheit, 2018 in Berlin und 2019 in trag dazu leistet, unser Land besser zu Kiel, wurden noch mal Bilder von der machen, kann sehr vieles besser gelingen. Nacht des Mauerfalls gezeigt. Diese Be- geisterung in den Gesichtern der Men- 23 W elches grundsätzliche Problem schen, das Glücksgefühl, der Freudentau- kann Politik nie lösen? mel – da hatte ich Tränen in den Augen. Dass der Mensch ist, wie er ist, vor allem egoistisch. 5 H aben Sie eine Überzeugung, die sich mit den gesellschaftlichen 24 S ind Sie Teil eines politischen Problems? Konventionen nicht verträgt? Wenn ich mich so sehen würde, könnte Wenn Menschen jenseits des politischen »Vor allem egoistisch« ich gleich einpacken und gehen. Betriebes auf einen Minister oder eine Ministerin treffen, erwarten sie oft Stren- 25 N ennen Sie ein politisches Buch, ge und Distanz – wohl wegen der Würde das man gelesen haben muss. des Amtes. Ich will aber weder Strenge »Erzählt mir doch nich, dasset nich jeht!« noch Distanz, die Würde des Amtes wird – Erinnerungen an Regine Hildebrandt. nicht beschädigt, wenn man Nähe und Da wurden viele großartige Zitate von Lockerheit zulässt. Eine Ministerin muss Regine Hildebrandt zusammengetragen. nicht immer staatstragend sein. Und des- Sind Sie Teil eines politischen Problems? Könnten Sie jemanden küssen, Ist gut zum Aufheitern zwischendurch – halb gehen mir diese »abgeketteten Be- für Zuversicht und Mut zum Anpacken. der falsch wählt? Diese Woche stellen wir unsere Fragen Franziska Giffey reiche«, in die Normalbürger gar nicht hindürfen, auch total gegen den Strich. 26 B itte auf einer Skala von eins bis zehn: Ich will doch zu den Leuten – ins direkte Wie verrückt ist die Welt gerade? Gespräch. Und wie verrückt sind Sie? Ich selbst halte mich für ziemlich normal. 6 W ann hatten Sie zum ersten Mal Verrückt im Sinne von nicht normal bin das Gefühl, mächtig zu sein? ich daher kaum – also maximal drei. Und Etwas verändern zu können, das ist für die Welt? Wenn ich sie daran messe, was mich Macht. Als Neuköllner Bezirks- meine Großmutter von der Kriegs- und stadträtin für Bildung konnte ich mitent- mit frohem Mut, mit Freundlichkeit, mit scheiden sollte, ob ich Musik oder Kunst Nachkriegszeit erzählt hat, von der Not, scheiden, ob, wo und wie eine Schule ge- En gagement – das ist nicht nur eine rich- abwähle, habe ich dafür gekämpft, bei- dem Hunger, der Kälte, der Hoffnungs- baut wird. Ich habe da erstmals gemerkt, tige Haltung, wenn die Welt in einem des behalten zu dürfen, das klappte dann losigkeit, dem ganzen Nichtnormalen, dass ich etwas bewirken kann. Und des- Jahr untergeht. Sie passt auch, wenn das auch. Gelernt habe ich daraus, sich nicht dann ist sie heute zumindest in Deutsch- halb bin ich ja auch in die Politik gegan- erst in Millionen Jahren passiert. von anderen be irren zu lassen, wenn land nicht besonders verrückt – vielleicht gen: um einen Unterschied zu machen. man etwas für richtig hält, sondern sein fünf. Wenn man in andere Teile der Welt Und weil das in Neukölln so gut geklappt 9 S ind Sie lieber dafür oder dagegen? Ding zu machen und dazu zu stehen. blickt, sieht es ganz anders aus. hat, möchten Sie das jetzt auf ganz Berlin Dafür. Es gibt zwei Sorten von Menschen: ausweiten? die Bedenkenträger und die Möglichma- 15 W elche politische Ansicht Ihrer Eltern 27 D er beste politische Witz? Für meine Stadt, für die Stadt, die ich cher. Ich arbeite gerne mit den Möglich- war Ihnen als Kind peinlich? Ich bin nicht so der Witze-Erzähler. Ich liebe und in der ich gerne lebe, etwas be- machern zusammen. Keine. Meine Eltern haben mir bei- finde Witze oft lustig, vergesse sie aber. wirken zu können ist eine echte Mo ti va- gebracht, dass man jeden Menschen tion. Und dafür zu sorgen, dass die Berli- 10 W elche politischen Überzeugungen achtet, dass einer nicht mehr wert ist, 28 W as sagt Ihnen dieses Bild ner So zial demo kra tie wieder stärker wird, haben Sie über Bord geworfen? nur weil er einen höheren Posten hat. (siehe Foto links)? auch. Bisher haben die Aufgaben mich Als junge Frau war ich gegen die Quote. Die Mutter meines Vaters war Putzfrau. Sahra Wagenknecht mit offenen Haaren immer irgendwie gefunden. Vielleicht ist Ich dachte: Gute Frauen kommen über- Durch den Krieg konnte sie keine Aus- – Revolution. das auch diesmal wieder so. allhin – selbst in die Vorstände von Un- bildung machen, und dann hat sie später Wann ist es bei Ihnen so weit? ternehmen. Aber ganz ohne Vorgaben die Schule geputzt. Es gab Menschen, Nur im Urlaub und privat. Im Job aber 7 U nd wann haben Sie sich funktioniert das leider doch nicht. die sie dort wie Luft behandelt haben – nie. Das hat zum einen praktische Grün- Sahra Wagenknecht 2012 auf besonders ohnmächtig gefühlt? meinen Vater hat das sehr geprägt. Mir de: Die Haare stören nicht im Gesicht, ich einer Feier der Saarbrücker Als ich zum ersten Mal in Berlin-Halen- 11 K önnten Sie jemanden küssen, hat er mit auf den Weg gegeben, nie- muss an nichts rumfummeln und kann Karnevalsgesellschaft see im Archiv des Fonds Sexueller Miss- der aus Ihrer Sicht falsch wählt? manden so zu behandeln. Und das tue mich auf meine Arbeit konzentrieren. brauch war, den ich als Bundesfamilien- Kommt drauf an, wie falsch. Den Be- ich auch nicht. Und zum anderen: Eine klare Frisur ver- ministerin verantworte. Einer der Räu- schluss der großen Koa li tion, jegliche mittelt Ernsthaftigkeit und Seriosität. Für me ist vollgestellt mit Aktenschränken, Kooperation mit der AfD auszuschließen, 16 N ennen Sie eine gute Beleidigung für eine Ministerin, die gern lacht, ist das 11.000 Registerakten sind dort abgelegt. beziehe ich jedenfalls auch aufs Küssen. einen bestimmten politischen Gegner. nicht schlecht. 11.000 Fälle von Missbrauch an Kin- Das ist nicht so mein Stil. Ich verschwen- dern und Jugendlichen – und jeder ein- 12 H aben Sie mal einen Freund oder eine de meine Energie nicht damit, jemanden 29 W ovor haben Sie zelne Fall ein furchtbares Schicksal. Das Freundin wegen Politik verloren? schlechtzumachen. Ich arbeite lieber da- Angst – außer dem Tod? ist wahnsinnig beklemmend. Weil man Und wenn ja – vermissen Sie ihn oder sie? für, dass Dinge gelingen können. Vielleicht nicht Angst, aber schon Sorge Jede Woche stellen wir in weiß, dass trotz aller Prävention, Opfer- Nein. Aber die Politik raubt mir oft die davor, dass die Feinde der Demokratie er- entschädigung und Bestrafung der Täter Zeit für meine Freunde. wechselnden Ressorts 17 W elche Politikerin, welcher Politiker starken, dass Menschen angefeindet und Missbrauch nie ganz verhindert werden Politikern und Prominenten die hat Ihnen zuletzt leidgetan? angegriffen werden von denen, die ein kann. 13 W elches Gesetz haben Sie mal gebrochen? Andrea Nahles. Auch sie konnte austeilen, weltoffenes, tolerantes Land verachten. stets selben 30 Fragen, um zu Ich bin mal zu schnell Auto gefahren. aber das Maß an Illoyalität ihr gegenüber 8 W enn die Welt in einem Jahr untergeht – erfahren, was sie als politische aus den eigenen Reihen, das fand ich nicht 30 W as macht Ihnen Hoffnung? was wäre bis dahin Ihre Aufgabe? 14 W aren Sie in Ihrer Schulzeit beliebt Menschen ausmacht – und wie sie in Ordnung. Wer will noch aufsteigen, Dass Rolf Zuckowski mit seinem Kinder- Sie dürfen allerdings keinen Apfelbaum oder unbeliebt, und was wenn wir unser Führungspersonal, kaum lied recht haben könnte: »Immer wieder dazu wurden. Wo sich neue pflanzen. haben Sie daraus politisch gelernt? ist es im Amt, schon wieder demontieren? kommt ein neuer Frühling, immer wie- Jeden einzelnen Tag zu genießen. Ich Ich war eine ziemlich gute Schülerin – Fragen ergeben, haken wir nach. Und das gilt nicht nur für die SPD. der kommt ein neuer März, immer wie- halte viel von dem Motto der Hosp iz- und einige haben mich da als Streber ab- Die Nachfragen setzen wir kursiv der bringt er neue Blumen, immer wieder bewe gung: »Man kann dem Leben nicht gestempelt. Dabei war ich nur neugierig, 18 W elche Politikerin, welcher Politiker Licht in unser Herz.« mehr Tage geben, aber den Tagen mehr ich wollte was lernen und was wissen. Als müsste Sie um Verzeihung bitten? Leben.« Jeden Tag füllen mit Leben, also ich mich in einer höheren Klasse ent- Niemand, ist schon okay so. Die Fragen stellte Peter Dausend Franziska Giffey, 41, wurde in Frankfurt/Oder geboren. Eigentlich wollte sie Lehrerin werden. Heute ist sie Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend UPLOADED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws STREIT 10 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10 »Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.« HELMUT SCHMIDT »Die Union »Die Linke wird sich hat einen von ihrem anderen Dogma Wertekanon lösen als die müssen« Union« Karin Prien, 54, Holger Stahlknecht, 55, ist seit 2017 ist seit 2011 CDU-Bildungsministerin CDU-Innenminister von Schleswig-Holstein von Sachsen-Anhalt Die Zerreißprobe Soll sich die CDU für eine Zusammenarbeit mit der Linken öffnen? Ja, sagt die Kieler Bildungsministerin Karin Prien: Unter Umständen könne das klug sein. Bloß nicht, widerspricht der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht: Das würde die Union ruinieren DIE ZEIT: Frau Prien, Sie stammen aus einer jü- Regimegegner wandelte, Anm. d. Red.) nicht in die Ministerpräsidenten mithilfe der AfD, die ganze Böse abzuwenden – kann man sich allenfalls Stahlknecht: Oder Markus Söder, der eine klare dischen Familie, die erst von den Nazis, dann von Nähe von Stalin stellen. Republik erschüttert. Und es ist einfach nicht schrittweise annähern. Über Nacht geht das nicht, Linie gegenüber der AfD in Bayern vertritt. Kommunisten verfolgt wurde. Trotzdem finden Stahlknecht: Unabhängig von Bodo Ramelow glaubwürdig, wenn mancher in der CDU keine zumindest nicht in dem Teil Deutschlands, in dem Prien: Ein anderer Aspekt ist mir noch wichtig: Sie, die CDU sollte sich für eine Zusammenarbeit bleibt die Linke die Linke. Wenn ich als Innenmi- klare Abgrenzung von der AfD über die Lippen ich lebe. Und schon gar nicht auf Anordnung. Wenn wir über den Umgang mit der Linken spre- mit der Linkspartei öffnen und in Thüringen nister auf die Sicherheitsarchitektur in Deutsch- bringt, ohne sich im gleichen Satz von der Linken Prien: Ich gestehe Ihnen sofort zu, dass die Sicht- chen, sprechen wir in Wahrheit über den Umgang Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten-Amt land verweisen darf, gerade nach den grausamen abzugrenzen. In Wahrheit ist es doch so, dass die weise bei Ihnen in Sachsen-Anhalt nicht die gleiche mit unserer gemeinsamen und getrennten Ge- verhelfen. Warum? Anschlägen von Halle und Hanau: Ich kann doch CDU selbst im Bundestag in Verfahrensfragen sein kann wie etwa in Schleswig-Holstein. Aber der schichte in Deutschland. Wie schaffen wir die Karin Prien: Ich kann mitnichten plötzlich dem nicht mit einer Linken zusammenarbeiten, die in schon lange mit der Linken zusammenarbeitet. Unvereinbarkeitsbeschluss des CDU-Parteitages gesellschaftliche Aussöhnung, 30 Jahre nach dem Kommunismus etwas abgewinnen, denn der hat den Bundesländern die Verfassungsschutzbehörden Mit der AfD darf das nicht geschehen – die Brand- gegenüber AfD und Linken war in gewisser Hin- Mauerfall? Wie gehen wir mit Menschen um, in seinen Ausprägungen genauso totalitäre Züge auflösen will. Solche Forderungen bleiben etwas mauer gegenüber der AfD muss stehen, ohne sicht bequem. Dadurch musste man manche Argu- die sich gemeingemacht haben mit dem DDR- wie der Nationalsozialismus. Trotzdem schaue ich unbeachtet, wenn sie von einem charismatischen Wenn und Aber. Diese unterschiedlichen Parteien mentationen gar nicht erst entwickeln. Jetzt muss Regime? Gerade uns Christdemokraten stellt sich mir, wie im Fall der Linken in Thüringen, genau Ministerpräsidenten überdeckt werden. Die grund- müssen unterschiedlich behandelt werden. man es. Das wird ein schmerzhafter Prozess. da die Frage: Gebe ich Menschen irgendwann an: Was sind das für Menschen? Welche Positio- legende Frage über Thüringen hinaus aber lautet: Stahlknecht: Das teile ich. Wir dürfen niemals in ZEIT: Frau Prien, Sie finden, die Linke sei der po- auch eine zweite Chance? nen vertreten sie? Und gibt es eine Möglichkeit, Wie gehen wir mit solchen Wahlergebnissen um? die Not geraten, die extremistischen Positionen der litische Gegner, die AfD der politische Feind der ZEIT: Die Thüringer Linke hat auf ihrem letzten mit ihnen punktuell zusammenzuarbeiten, um Prien: Genau! AfD mittransportieren zu müssen. Nur sehen das CDU. Was meinen Sie mit der Unterscheidung? Parteitag Mathias Günther zu ihrem Geschäfts- dieses Bundesland regierungsfähig zu machen? Stahlknecht: Und da würde ich fragen, was die leider nicht alle in unserer Partei so, Frau Prien. Prien: Die AfD ist eine Partei, die unsere Gesell- führer gewählt. Günther hat jahrelang für die ZEIT: Aber dazu müsste die CDU eben einem Mi- CDU, und zwar auch in Berlin, tun muss, damit Wenn wir uns jetzt der Linken annähern, höre ich schaftsordnung zerstören will. Herrn Ramelow un- Stasi gespitzelt und war Unteroffizier bei den nisterpräsidenten der Linken zustimmen. solche Wahlergebnisse nicht eintreten. Wir müssen schon, was kommt: Na, dann können wir das ja terstelle ich das nicht. Allerdings fällt es auch ihm Grenztruppen. Würden Sie sich mit ihm an einen Prien: Nach dem Debakel der Wahl Kemmerichs uns auf Inhalte konzentrieren statt auf Personal- wohl auch mit der AfD machen, mit denen haben schwer, sich von bestimmten Gruppen zu distanzie- Kabinettstisch setzen? und der verpassten Chance mit Christine Lieber- fragen. Das, was die Menschen am Frühstückstisch wir schließlich auch vereinzelt Schnittmengen! Das ren, die zu Recht vom Verfassungsschutz beobach- Prien: An einen Kabinettstisch nicht, wir sprechen knecht als Interimsministerpräsidentin muss es ja besprechen, kommt in der medial vermittelten brächte uns in gefährliche Argumentationsnot. tet werden. Nicht, dass wir uns da falsch verstehen. ja hier nicht über Koalitionen. Ich kenne Herrn irgendwie weitergehen. Bodo Ramelow sollte Politik kaum noch vor: Können wir uns ein neues ZEIT: Aber ist eine Linke, die sich immer deut- Stahlknecht: Ich würde noch weiter gehen: Die Günther zwar nicht, aber ich würde mit ihm re- nicht von der gesamten CDU-Fraktion gewählt Auto leisten, und zwar keinen Tesla, sondern einen licher zur freiheitlichen Demokratie bekennt, nicht AfD ist nicht nur unser Feind, sondern der Feind den. Und ich würde ihn fragen, wie er zu seiner werden. Eine mehrheitliche Enthaltung wäre der gebrauchten Passat? Mit welchem Nahverkehrs- etwas prinzipiell anderes als eine AfD, die sich im- unserer Verfassung. Das würde ich über die Lin- Vergangenheit steht und welche Konsequenzen er bessere Weg, zumal Ramelows Amtszeit auf ein mittel kommen die Kinder morgens zu welcher mer weiter von den Verfassungswerten entfernt? ken im Parlament nicht sagen. Sicher gibt es in daraus für heute zieht. Es geht erst um das Land Jahr begrenzt wäre. Das mag nicht die beste Lö- Schule? Hat der Vati in der Lausitz morgen noch Stahlknecht: Ich würde ungern eine Gleichsetzung den hinteren Reihen welche, die einen System- und dann um die Partei, da sind wir uns, glaube sung sein, aber vielleicht ist es der einzige Ausweg Arbeit im Tagebau? Diese Themen haben wir in von Linken und AfD zulassen. Bei den Linken wechsel wollen. Dennoch ist da schon ein qualita- ich, auch einig. aus dieser verfahrenen Situation. Vor allem zeigt der CDU zuletzt zu wenig besetzt. sprechen andere Gründe gegen eine Kooperation, tiver Unterschied. Wir müssen uns bei allen Dis- ZEIT: Was soll »Land vor Partei« jetzt konkret das Ganze, dass es Möglichkeiten gibt für Grau- ZEIT: Eine Mehrheit der Unionsanhänger, Frau zum Beispiel ihr unklares Bekenntnis zur Frage, ob kussionen aber fragen, gerade nach dem historisch bedeuten? töne, wie immer im politischen Leben. Prien, lehnt eine Zusammenarbeit mit der Linken die DDR ein Unrechtsstaat war. Das liegt daran, schlechten Wahlergebnis in Hamburg: Bleibt die Prien: Ich bin auch dafür, dass es in Thüringen Holger Stahlknecht: Für Thüringen wäre eine ab, 64 Prozent laut Politbarometer. Selbst wenn dass sie die Rechtsnachfolgerin der SED ist, also CDU dann eine Volkspartei? Oder marginalisie- Neuwahlen geben sollte. Dann werden die Bürge- Neuwahl der bessere Weg. Eine Zusammenarbeit eine Kooperation Thüringen kitten würde, würde dieselbe Partei unter anderem Namen. Sie hat ren wir uns dadurch wie die SPD? rinnen und Bürger entscheiden, wie es weitergeht. T (r.)mit der Linken würde unsere Partei, gerade im sie nicht das Vertrauen in die Union zerstören? einen anderen Wertekanon als die Union, eine Prien: Wir leben nun mal in einer Zeit, in der Die CDU kann daraus nur stark hervorgehen, ZEIOsten, zerreißen. Wir haben hier Mitglieder, die Prien: Das käme drauf an. Wenn man bei entschei- andere Vorstellung von Eigentum und Vermögen. Leute weniger Lust haben auf Volksparteien als wenn sie sich in diesem Prozess schüttelt – und E DIvor 1989 auf die Straße gegangen sind, die in der denden Zukunftsfragen wie Bildung und Sicher- Die Linke hat darüber hinaus ihr Verhältnis zum stabilisierenden Faktor. Ich finde das falsch, aber dann auch Verantwortung übernimmt. er für Kirche engagiert waren und sind, die verfolgt wur- heit punktuelle Kompromisse findet, warum sollte Linksextremismus nie geklärt. wir haben inzwischen Landesparlamente, in denen Stahlknecht: Im Verlaufe dieses Gespräches haben gstden, im Gefängnis saßen. Denen kann man nicht man diese nicht nutzen? Politik hat auch etwas mit Prien: Einige Linke bemühen sich durchaus um sich Wähler für fünf, sechs, sieben Parteien ent- sich Elbe und Ostsee, also Magdeburg und Kiel, y Hesagen: Dreißig Jahre später ist das vergessen und der Anerkennung von Tatsachen zu tun, und eine Aufarbeitung – auch wenn das bisher nicht aus- scheiden. Das ist die Realität – und Politik fängt immer weiter angenähert. Das ist schon mal schön. ael die Welt eine andere! Tatsache ist, dass Bodo Ramelow bei den Thürin- reichend geschieht. Ich würde den antikapitalis- mit der Anerkennung der Realität an. Die Versöhnungsfrage ist auch eine, die weit über af T (l.); RPnirciehnt : aDufa sD vearuseter hdea isc hM. Aanbterra d»iRe eCchDtsU i skta ngenn aauucsho Sgetarnhl ekinneec Zhtu: sItcimh mwüurndges rhatieer v doinf f7er0e nPzrioezreennt. hWate.nn tfiinscdhee ndi eAsne sVatezr sdtaeart lLicinhkuenng si-m umnder E bnetkeäigmnpufnegns,f aicnh- gSetanhaluksnoe acrhgtu: mDean ktöienrennte, wmaasn w vior nb edidere annicdhetr ewno Slleeinte: Pgeonli tJiakh rheinn ainu segienhetm. G Syersatedme wsoeznianl isjeiemrta wndu ridne juunnd- EI Zschlimm wie links, deshalb kommt beides nicht die Linke eine kluge Idee hat, wäre es töricht, tasien furchtbar. Trotzdem hat das eine andere Auch die AfD ist Realität. Wir müssen jetzt auf- die Dinge später mit Abstand betrachtet, stellt E DIfür uns infrage« wiederholen und unsere Partei- wenn die CDU diese aus ideologischen Gründen Qualität als die Menschenverachtung der AfD. passen, dass wir uns wegen eines singulären Falles in derjenige häufig fest: Er hätte gewisse Dinge viel- ür er ffreunde in Thüringen – und vielleicht demnächst ablehnte. Wir sind dem Wohl eines Landes ver- Die Union wird sich von ihrem Dogma der Thüringen nicht noch weiter ins Abseits schieben leicht anders gemacht. Dann braucht man selbst m hauch anderswo – mit solchen Ergebnissen allein pflichtet, nicht der eigenen Eitelkeit. Wenn aber Linken- Abgrenzung lösen müssen. und dadurch noch mehr solcher Ergebnisse provo- Demut – und die Größe des anderen, verzeihen zu c etslassen. Viele Wählerinnen und Wähler, übrigens jetzt ein linker Ministerpräsident mitgewählt wer- Stahlknecht: Ihre Meinung, um das mal deutlich zieren. Wir sind stark, wenn wir uns als CDU da- können. Ich glaube, genau das brauchen wir, um Kr g auch solche der CDU, sehen in Bodo Ramelow den sollte, hätte das eine ganz andere Symbolkraft, zu sagen, wird sich derzeit, zumindest im Osten rauf konzentrieren, was die Menschen bewegt. eine Gesellschaft geschlossen zu halten. n nnieinen Reformsozialisten. Wir würden doch auch auch nach innen. Deutschlands, nur äußerst schwer umsetzen las- Prien: Da sind wir uns völlig einig. Der sächsische e H os: jemanden wie Alexander Dubček (ein ehemaliger Prien: Das ist mir klar. Auf der anderen Seite hat sen. Ihrer Argumentation – lieber das weniger Ministerpräsident Michael Kretschmer hat bewie- Moderation: Fottschechoslowakischer Kommunist, der sich zum das, was in Thüringen passiert ist, die Wahl eines Schlimme in Kauf zu nehmen, um das absolut sen, dass man das so machen kann. Jochen Bittner und Josa Mania-Schlegel