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Die Wiederentdeckung der Diaspora: Gelebte Transnationalität russischsprachiger MigrantInnen in Deutschland und Kanada PDF

301 Pages·2012·2.312 MB·German
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Die Wiederentdeckung der Diaspora Natalia Kühn Die Wiederentdeckung der Diaspora Gelebte Transnationalität russischsprachiger MigrantInnen in Deutschland und Kanada Natalia Kühn Köln, Deutschland Bernhard Schmidt Voestalpine Langenhagen, Deutschland Linz, Österreich ISBN 978-3-531-18205-6 ISBN 978-3-531-94136-3 (eBook) DOI 10.1007/978-3-531-94136-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National- bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2012 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zu- stimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Über- setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media www.springer-vs.de Inhaltsverzeichnis Einleitung .............................................................................................................. 9 I Gesellschafts- und wissenschaftstheoretischer Rahmen: Migration, Transnationalität und Diaspora in der globalisierten Welt ....... 13 1 Globalisierung und gesellschaftlicher Wandel .................................... 13 1.1 Zum Begriff der Globalisierung .................................................. 13 1.2 Globalisierung und die Wirtschaft .............................................. 18 1.3 Globalisierung und die Politik .................................................... 21 1.4 Globalisierung und das Raum-Zeit-Gefüge ................................ 26 1.4.1 “From local to global and back again” .............................. 27 1.4.2 Global Cities ...................................................................... 30 2 Migration und Transnationalität .......................................................... 35 2.1 Migrationstheorien im Wandel .................................................... 41 2.2 Eine neue Perspektive: das Transnationalismus-Modell ............. 45 2.3 Transnationale soziale Räume ..................................................... 48 2.4 Migrationsnetzwerke und Soziales Kapital ................................. 51 2.5 Transnationale Familien und Verwandtschaftssysteme .............. 56 3 Diaspora als transnationale Gemeinschaft .......................................... 65 3.1 Zum Konzept............................................................................... 69 3.2 Von der klassischen zur neuen Diaspora ..................................... 71 3.3 Diaspora und das neue Diaspora-Bewusstsein ............................ 76 II Methodischer Rahmen dieser Arbeit ........................................................... 83 1 Qualitative Sozialforschung als Zugang zum Verständnis gesellschaftlicher Transformationen ................................................... 83 2 Biographieforschung und transnationale Biographien ........................ 86 3 Migrationsforschung und Ethnographie .............................................. 91 4 Methodisches Vorgehen und Forschungsinstrumentarium ................. 95 4.1 Das schrittweise Vorgehen im Sinne von Grounded Theory ...... 95 4.2 Interviews .................................................................................... 97 4.2.1 Biographische Interviews .................................................. 97 6 Inhaltsverzeichnis 4.2.2 Problemzentrierte Interviews ............................................ 99 4.2.3 Leitfaden ........................................................................... 99 4.3 Interviewpartner und die Durchführung der Interviews ............ 101 4.4 Beobachtung.............................................................................. 102 5 Vorgehensweise bei der Datenauswertung ....................................... 106 III Gelebte Transnationalität – empirische Befunde ...................................... 109 1 Einführende Bemerkungen ............................................................... 109 2 Migrationszusammenhang: Russland – Deutschland – Kanada ........ 110 2.1 Entsendeländer: Russland und andere Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion ........................................................... 111 2.1.1 Vier Auswanderungswellen und die Besonderheit der vierten Welle ................................................................... 112 2.1.2 Zielländer und Umfang der Auswanderung, Pendelmigration .............................................................. 115 2.1.3 Russland und eine neue transnationale Mobilität im postsowjetischen Raum ................................................... 120 2.2 Zielland: Deutschland ............................................................... 138 2.2.1 Einwanderungskontinent Europa – Festung Europa ....... 138 2.2.2 Einwanderung nach Deutschland ab 1950 – historischer Rückblick .................................................... 141 2.2.3 Russisch(sprachig)e Zuwanderer in Deutschland ........... 144 2.2.3.1 Deutschstämmige Aussiedler aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ........................................... 145 2.2.3.2 Jüdische Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ............................................ 157 2.2.3.3 Andere Personengruppen aus dem postsowjetischen Raum .............................................. 173 2.3 Zielland: Kanada ....................................................................... 181 2.3.1 Einwanderung nach Kanada – historischer Abriss .......... 182 2.3.2 Aktuelle Einwanderungs- und Integrationspolitik .......... 187 2.3.3 Einwanderung aus Russland und dem postsowjetischen Raum ................................................... 197 3 Gelebte Transnationalität: transnationale Räume und Lebenswelten russischsprachiger Migranten in Deutschland und Kanada .............................................................................................. 201 3.1 Transnationale Lebensentwürfe und individuelle Migrationsprojekte .................................................................... 202 3.2 Alltägliche lokale Transnationalität .......................................... 233 Inhaltsverzeichnis 7 3.2.1 Wohnen ........................................................................... 233 3.2.2 Sprache(n) ....................................................................... 240 3.2.3 Grenzüberschreitende Familien-, Freundschafts- und Geschäftsbeziehungen ..................................................... 246 3.2.4 Neue Kommunikationsmittel und Massenmedien .......... 250 3.3 „Neue russische Diaspora“ als transnationaler Raum ............... 256 3.3.1 Funktionen der Diaspora für Migranten .......................... 258 3.3.2 Funktionen der Diaspora für die Aufnahmeländer: Deutschland und Kanada ............................................... 262 3.3.3 Funktionen der Diaspora für die Entsendeländer: Russische Föderation und andere GUS-Staaten .............. 265 IV Resümee und Ausblick ............................................................................. 273 Literaturverzeichnis .......................................................................................... 279 Einleitung Die vorliegende Studie stellt einen Versuch der Beschreibung und gleichzeitig der theoretischen Reflexion der transnationalen Räume1 russisch(sprachig)er Zuwanderer dar. Da leider nur wenige sichere Daten darüber vorliegen, trägt sie einen starken explorativen Charakter und erhebt keinen Anspruch auf Vollstän- digkeit. Meine Berufstätigkeit, die täglich in mehreren Sprachen abläuft, meine ei- gene Familie, die auf mehrere Generationen transnationaler Migranten zurück- blicken kann, mein Freundeskreis, der über zumindest vier Länder und drei Kon- tinente verstreut ist, bestimmten mein Interesse an diesem Thema. Dabei fand ich das Transnationalismus-Modell2, das an gegebener Stelle vorgestellt wird, be- sonders ansprechend. Neben den allgemeinen Ausführungen nimmt diese Arbeit verstärkt Bezug auf die lebensweltliche alltägliche Bedeutung der Transnationalität.3 Dies ergibt sich zum einen aus meiner langjährigen Tätigkeit als Sozialarbeiterin der Syna- gogen-Gemeinde Köln, mit dem Schwerpunkt Migrantenbetreuung, und zum anderen aus meiner eigenen Migrationserfahrung und der inneren Notwendig- keit, das tägliche Geschehen aus einer anderen Perspektive zu betrachten und zu reflektieren. Diese Studie beschäftigt sich sowohl mit der Analyse der individuell kon- struierten Transnationalität russisch(sprachig)er Zuwanderer als auch mit ihrer Einbindung in die informellen Netzwerke.4 Bei den Letzteren wusste ich lange nicht, wie ich sie bezeichnen soll. So bin ich von einer „Gemeinschaft“ über die „Community“ zu einer „Neuen Diaspora“5 gekommen. Der Begriff „Diaspora“ wurde mir dabei explizit und implizit von meinen Interviewpartnern angeboten. Als ich den Verbindungslinien der familialen und freundschaftlichen Netz- werke folgte, verließ ich schnell Deutschland und fand mich gleichzeitig in Isra- el, Kanada, Russland und den USA wieder. Besonders aufschlussreich erschien mir der Vergleich zwischen Deutschland und Kanada als einem traditionellen 1 Vgl.: Pries, L. (2001), S. 8ff., Faist, Th. (2004). 2 Vgl.: Pries, L. (2001), S. 49 3 Vgl.: Basch, L./Glick Schiller, N./Szanton Blanc, Ch. (1997), S. 6ff.; Pries, L. (2001), S. 49ff. 4 Vgl.: Pries, L. (2001), S. 34-35; Faist, T. (2004), S. 83ff. 5 Vgl.: Cohen, R. (1997), S. Vff. 10 Einleitung Einwanderungsland. Aus diesen beiden Ländern rekrutierten sich dementspre- chend meine Interviewpartner. Dort konnte ich auch über längere Zeitabschnitte Feldforschung in Form von teilnehmender und begleitender Beobachtung durch- führen. Mein Vorgehen bei der Datenerhebung und Datenauswertung bestimmten folgende zentrale, offen gehaltene Fragestellungen: 1. Wie entstehen die transnationalen Räume und welche Faktoren beeinflus- sen ihre Herausbildung? 2. Welche Dimensionen haben transnationale Räume und wie werden sie kon- struiert? 3. Welche Rolle spielt für die russisch(sprachig)en Migranten eine „gelebte“ Transnationalität? 4. Kann man am Anfang des 21. Jahrhunderts von der Entstehung einer „Neu- en russisch(sprachig)en Diaspora“ sprechen? 5. Wenn ja: (cid:131) Was sind ihre konstitutiven Merkmale? (cid:131) Welche Funktionen erfüllt sie (cid:1956) für Migranten und ihre Familien? (cid:1956) für die Aufnahmeländer (Deutschland und Kanada)? (cid:1956) für die Entsendeländer (Russland und andere GUS-Staaten)? Die Hintergrundinformationen zu diesen zentralen Fragestellungen lieferte zu- nächst die Analyse der quantitativen Entwicklung der Auswanderung aus der UdSSR und ihren Nachfolgestaaten seit dem Ende der 1980er Jahre. Die quanti- tativen und qualitativen Charakteristika dieser Migrationsbewegungen erlauben im Allgemeinen von der „vierten Migrationswelle“ zu sprechen, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitet wurde. Gleichzeitig gehe ich darauf ein, wie das „Entsendeland“ Russland selbst zu einem Zielland für Tausende Migranten geworden ist und wie sich der Charakter der transnationalen Mobilität im postsowjetischen Raum zusehends ändert. Im nächsten Schritt widmete ich mich den Aufnahmeländern: Deutschland und Kanada. Dabei wurden von mir die geschichtliche und gegenwärtige Ent- wicklung der Einwanderung sowie die einschlägige Gesetzgebung kurz darge- stellt und entsprechende quantitative Daten einbezogen. Die Letzteren entstam- men den statistischen Angaben und Berichten diverser Regierungs- und Nicht- Regierungs-Organisationen, die sich mit der transnationalen Migration beschäf- tigen. Mein besonderes Augenmerk galt selbstverständlich der „russischsprachi- gen“ Migration. Sowohl die Ähnlichkeiten als auch die Differenzen zwischen Einleitung 11 beiden Aufnahmeländern wurden beschrieben und analysiert. Dabei suchte ich nach positiven Erfahrungen beiderseits des Atlantiks. Anschließend werden einige transnationale Lebensentwürfe sowie die „ge- lebte Transnationalität“ russisch(sprachig)er Migranten dargestellt. Dabei ging es mir darum, unterschiedliche Dimensionen der transnationalen Handlungsformen sowie ihre Vernetzungen auszuleuchten. Im letzten Abschnitt dieser Arbeit gehe ich der Frage nach, ob und – wenn ja – warum man heute von der „Neuen rus- sisch(sprachig)en Diaspora“ sprechen kann. Mein Hauptinteresse galt der individuellen Ebene der Konstruktion transna- tionaler sozialer Räume. Dies bestimmte auch die Wahl qualitativer For- schungsmethoden. Um der Komplexität des Forschungsgegenstandes gerecht zu werden und mit den aktuellen Entwicklungen auf diesem Gebiet Schritt zu hal- ten, musste ich einige Methoden triangulieren.6 Dementsprechend wurden bio- graphisch orientierte sowie problemzentrierte Leitfadeninterviews durch Be- obachtung und Dokumentenanalyse ergänzt. Der Großteil meiner Interviewpart- ner und der gesammelten Daten stammten in Deutschland aus NRW bzw. aus dem Großraum Köln und in Kanada aus dem Großraum Toronto. Da ich gegenstandsbezogen7 und mit offenen Fragen gearbeitet habe, muss- te ich mich den Gegebenheiten im Feld anpassen und meinen Forschungsblick einige Male neu fokussieren. So bewegte ich mich Schritt für Schritt hinter den gesammelten Daten von den einzelnen Migrationsgeschichten über die transna- tionalen Familiennetzwerke bis hin zu einer „Neuen Diaspora“. Für die im Zentrum dieser Studie stehenden Akteure wurden im Text unter- schiedliche Bezeichnungen benutzt. Als Oberbegriff dient die Bezeichnung rus- sisch(sprachig)e Migranten. Für einzelne Personengruppen innerhalb der „Neuen russisch(sprachig)en Diaspora“ werden die Benennungen russische Juden, sow- jetische Juden, jüdische bzw. russisch-jüdische Zuwanderer sowie auch Russ- landdeutsche, deutschstämmige Aussiedler bzw. Spätaussiedler aus Russland und den GUS-Staaten synonym verwendet. Zwar sind die Bezeichnungen nicht immer korrekt im Sinne der nationalstaatlichen Herkunft, jedoch allgemein ver- ständlich. Dies betrifft auch die Wortpaare Herkunfts- und Ankunftsland, bzw. Entsende- und Aufnahmeland, die sinnähnlich sind. Ebenfalls sollen die Termini der Wanderung, Zuwanderung und Migration sowie die Zuwanderer und Mi- granten mit der gleichen Bedeutung gelesen werden. Ausschließlich zum Zwecke der besseren Lesbarkeit des Textes verzichtete ich auf die parallele Nennung der weiblichen und männlichen Substantivformen. Die überwiegend verwendete männliche Form bezeichnet grundsätzlich beide 6 Vgl.: Flick, U. (2004). 7 Vgl.: Glaser, B.G./Strauss, A.L. (2005).

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