Angelos Chaniotis Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien Die Verträge herausgegeben von Geza Alföldy zwischen Band 24 kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit Franz Steiner Verlag Stuttgart 1996 Än Ja.nnt.s und: Jens-Uwe qnÄ.laq zapiv Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit/ Angelos Chaniotis. -Stuttgart: Steiner, 1996 (Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien : Bd. 24) Zug!.: Heidelberg, Univ., Habil.-Schr. A. Chaniotis, 1992 ISBN 3-515-06827-9 NE: Chaniotis, Angelos [Hrsg.]; GT (§ ISO 9706 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und stratbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikrover filmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsmeinschaft. © 1996 by Franz Steincr Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Druck: Druckerei Proff, Eurasburg. Printed in Germany INHALTSVERZEICHNIS VORWORT X11l EINLEITUNG 1. Das Problem: 'O KpTJ~to v Kpfha 1 2. Zu Anlage und Methode der Arbeit 3 Anhang 1 ·o KpT]~to v Kpftta und cruyKpTJtt/;El/v c ruyKprittcrµ6~D: ie Beziehun- gen zwischen den kretischen Poleis im Urteil der Griechen 6 A. ERSTER TEIL 9 DIE HELLENISTISCHEN VERTRÄGE KRETAS VOR IHREM HISTORISCHEN HINTERGRUND I. Historische Voraussetzungen 11 1. Der historisch-geographische Rahmen 11 2. Die innenpolitischen Konflikte 13 3. Die Rolle der hellenistischen Großmächte 16 4. Der soziale Rahmen und die Agrarverfassung 18 5. Ernährungsraum 22 6. Der demographische Rahmen 25 II. Der historische Rahmen 29 1. Kreta zu Beginn des 3. Jh. und die Anfänge des Kretischen Koinon 29 2. Die innere Spaltung vom Chremonideischen Krieg bis zum Hellenenbund des Antigonos Doson 32 3. Die Einigung von Knosos und Gortyn und der Lyttische Krieg 36 4. Die 1tpocrtacria Philipps V. und der Erste Kretische Krieg 38 5. Gortyns Bestrebungen um die Hegemonie (ca. 201-184) 41 6. Krieg und Frieden zwischen römischen Vermittlungen (184-145) 44 7. Die letzten Kriege in Ostkreta (c a. 145-110) 49 viii Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis IX B. ZWEITER TEIL 57 VII. Rechtshilfe 134 1. Einleitung 134 DIE KRETISCHEN STAATSVERTRÄGE IN SYSTEMATISCHER 2. Die Rechtssprechung im Rahmen des Kretischen Koinon 136 DARSTELLUNG 2 .1. Das Problem 136 I. Kategorien von Staatwerträgen im hellenistischen Kreta 59 2.2. Diagramma und Prodikos 137 II. Abschluß und Beurkundung 63 2.3. Koinodikion 141 l. Einigungsurkunde, Vertragsmuster, Vertragsformel 63 2.4. Das vom Diagramma des Kretischen Koinon vorgesehene Prozeßver 2. Vertragseid 66 fahren 143 2.1. Die Leistung des Vertragseids 66 3. Die kretischen Rechtshilferegelungen: Rechtsstreite zwischen Bürgern 2.2. Schwurgötter 68 der Vertragspartner 144 2.3. Eidesformeln 76 4. Vertragsverletzung und Popularklage 147 3. Inschriftliche Aufzeichnung 77 5. Festsetzung der Strafe und Fristen 148 4. Abänderungsklausel 81 6. Auseinandersetzungen zwischen Gemeinwesen und Vermittlungen 150 5. Der Vertrag als Inschrift 82 VIII. Grenzziehungen 153 5 .1. Überschrift 83 IX. Abhängige Gemeinden 160 5. 2. Götteranrufung und Segensformel 83 1. Entstehung und Definition 160 5. 3. Datierung 85 2. Rechtsform der Dokumente über die Verhältnisse zwischen Hauptort III. Bündnis 87 und abhängiger Gemeinde 164 1. Bilaterale Bündnisse 87 3. Inhalt der Vereinbarungen 167 2. Hegemonialbündnisse 94 X. Schlußbetrachtungen 169 3. Das Kretische Koinon (Kotvov Twv KpTJ'taterov) als Symmachie 99 IV. Isopolitie, Sympolitie, Außengemeinden 101 C. DRITTER TEIL 177 1 . Isopolitie 101 TEXTE UND TESTIMONIEN 2. Sympolitie und Außengemeinden 104 I. Verträge zwischen kretischen Städten 179 V. Vereinbarungen wirtschaftlichen Charakters 109 1. Vom Beginn des 3. Jh. bis zum Ende des Lyttischen Krieges (2 l 9) 179 1. Enktesis 109 Nr. 1. Bündnisvertrag zwischen Polyrrhenia und Phalasama 179 2. Pachtrecht 113 Nr. 2. Bündnisvertrag zwischen Aptera und Kydonia 181 3. Weiderecht 114 Nr. 3. Vertrag zwischen Praisos und einer anonymen Stadt 182 4. Ausfuhr und Bergungsrecht 120 Nr. 4. Grenzvertrag zwischen Dragmos und Itanos 183 5. Geldgeschäfte 122 Nr. 5. Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und Praisos 185 VI. Mittel zur Verstärkung der Freundschaft 123 Nr. 6. Vertragseid zwischen Eleuthema und einer anonymen Stadt 190 1. Vereidigung der Jungmannschaften 124 Nr. 7. Bündnisvertrag zwischen Knosos und Dreros 195 2. Jährliches Verlesen des Vertrags 125 Nr. 8. Vertrag zwischen Gortyn und den Arkadem 201 3. Teilnahme an Festen und Agonen und das Problem der kretischen 'Amphi- Nr. 9. Vertrag zwischen Axos und Gortyn 204 ktionien' 126 Nr. 10. Bündnisvertrag zwischen Elcuthema und Phaistos 205 4. Besuch der Partnerstadt 130 Nr. 11. Bündnisvertrag zwischen Lyttos und Malla 208 Nr. 12. Bündnisvertrag zwischen Lyttos und Praisos 213 Nr. 13. Bündnisvertrag zwischen Axos und Gortyn/Phaistos 214 Nr. 14. Isopolitievertrag zwischen den Arkadcm und Hierapytna 217 Nr. 15. Isopolitievertrag zwischen Axos und Tylisos 221 X Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis xi Nr. 16. Vertrag zwischen Axos und einer anonymen Stadt 222 Nr. 50. Vertrag zwischen Hierapytna und Knosos 310 Nr. 17. Bündnisvertrag zwischen Malla und einer anonymen Stadt 223 Nr. 51-52. Bündnisverträge zwischen Gortyn und Olus bzw. Knosos und Lato 315 2. Vom Ende des Lyttischen Krieges bis zur ersten römischen Vermittlung Nr. 53. Bündnisvertrag zwischen Lyttos und Olus 315 (ca. 219-184) 225 Nr. 54. Vertrag zwischen Lato und Olus über eine Vermittlung der Knosier 318 Nr. 18. Rechtshilfevertrag zwischen Gortyn und Lato 225 Nr. 55. Vertrag zwischen Lato und Olus über eine erneute Vermittlung der Nr. 19. Bündnisvertrag zwischen Hierapytna und Itanos 231 Knosier 321 Nr. 20. Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und Itanos 234 Nr. 56. Vertrag zwischen Lato und Olus über eine Verlängerung des Ver- Nr. 21. Vertrag zwischen Hierapytna und Praisos 236 mittlungsauftrags der Knosier 325 Nr. 22. Vertrag zwischen Hierapytna und Lato 236 Nr. 54-56. Testimonien über den Konflikt zwischen Lato und Olus 327 Nr. 23. Bündnsivertrag zwischen Lyttos und Praisos 237 Nr. 57. Vertrag zwischen Hierapytna und Itanos über eine Vermittlung der Nr. 24. Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Hierapytna 239 Römer 333 Nr. 25. Bündnis zwischen Gortyn und Lyttos 240 Nr. 58. Bündnisvertrag zwischen Lyttos und Lato 337 Nr. 26. Bündnisvertrag zwischen Hierapytna und Lyttos 241 Nr. 59. Bündnis- und Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und Lato 338 Nr. 27. Bündnisvertrag von Gortyn und Hierapytna mit Priansos 245 Nr. 60. Bündnis- und Isopolitievertrag zwischen Lyttos und Olus 352 Nr. 28. Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und Priansos 255 Nr. 61. Bündnis- und Isopolitievertrag zwischen Lato und Olus 358 Nr. 29. Bündnis zwischen Gortyn und Rhaukos 264 Nr. 62. Grenzziehung zwischen den Arkadern und einer anonymen Stadt 376 Nr. 30. Grenzziehung zwischen Lyttos und Lato 264 II. Abkommen zwischen Städten und abhängigen Gemeinden 381 Nr. 31. Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Lappa 265 Nr. 63. Vertrag zwischen zwei anonymen Städten Westkretas 381 Nr. 32. Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Sybrita 267 Nr. 64. Beschluß von Praisos über sein Rechtsverhältnis zur abhängigen Nr. 33. Bündnisvertrag zwischen Gortyn und Elyros 270 Gemeinde der Staliten 383 Nr. 34. Bündnisvertrag zwischen Lato pros Kamara und einer anonymen Stadt 271 Nr. 65. Beschluß von Praisos über sein Rechtsverhältnis zur abhängigen Nr. 35. Vertrag zwischen Hierapytna und einer anonymen Stadt 273 Gemeinde der Setaiten 393 Nr. 36. Vertrag zwischen Gortyn und einer anonymen Stadt 275 Nr. 66. Vertrag zwischen Gortyn und der abhängigen Gemeinde der Amyklaioi 394 Nr. 37. Bündnis- und Isopolitievertrag zwischen Eleutherna und Lato 276 Nr. 67. Vertrag(?) zwischen Gortyn und einer abhängigen Gemeinde Nr. 38. Bündnisvertrag zwischen Aptera und Eleutherna 278 (Amyklaioi?) 399 Nr. 39. Vertrag Gortyns 281 Nr. 68. Vertrag zwischen Eleutherna und der abhängigen Gemeinde der Nr. 40. Friedensvertrag zwischen den kretischen Städten 281 Artemitai 402 3. Von 184 bis zum Frieden von ca. 112-110 285 Nr. 69. Vertrag zwischen Gortyn und den Bewohnern von Kaudos 407 Nr. 41. Isopolitievertrag zwischen Kydonia und Apollonia 285 III. Sympolitieverhältnisse und Außengemeinden 421 Nr. 42. Isopolitievertrag zwischen Lyttos und einer anonymen Stadt 287 Nr. 70. Sympolitie der westkretischen Städte (Koinon der Oreioi) 421 Nr. 43. Friedensvertrag zwischen Gortyn und Knosos 289 Nr. 71. Sympolitie von Gortyn und Phaistos 422 Nr. 44. Vertrag zwischen Gortyn und Knosos über die Eroberung und Teilung Nr. 72. Sympolitie (?) zwischen Lato und Lato pros Kamara 428 von Rhaukos 296 Nr. 73. Sympolitie zwischen Lyttos und Chersonesos 430 Nr. 45. Beschluß Gortyns über einen Vertrag mit Knosos in bezug auf das Nr. 74. Isopolitievertrag zwischen Hierapytna und einer Außensiedlung 432 Gebiet Apollonias 300 IV. Das Kretische Koinon und kretische Bündnissysteme 440 Nr. 46. Bündnisvertrag zwischen Gortyn und einer anonymen Stadt 301 Nr. 75. Bündnis zwischen Knosos, Gortyn und deren Verbündeten 440 Nr. 47. Friedens- und Grenzvertrag zwischen Itanos und Praisos 303 Nr. 76. Bündnis zwischen den kretischen Städten 441 Nr. 48. Grenzvertrag zwischen Hierapytna und Praisos (?) 306 Nr. 77. Vertrag zwischen Gortyn und Knosos (und deren Verbündeten?) 442 Nr. 49. Vertrag zwischen Hierapytna und Itanos über die Beilegung eines Nr. 78. Das Bündnis der Gortynier 445 Grenzkonflikts 307 Nr. 79. Das Bündnis der Knosier 448 xii Inhaltsverzeichnis Nr. 80. Das Bündnis der Lyttier 449 Nr. 81. Das Bündnis der Polyrhenier 450 Nr. 82. Bündnisvertrag zwischen Lyttos und dem Bündnis der Polyrrhenier 451 Anhang 2: Zur Paläographie der hellenistischen Inschriften Kretas 452 LITERATURVERZEICHNIS 461 REGISTER 489 TAFELN VORWORT Vorliegendes Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift, welche im Dezember 1992 der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft der Univer sität Heidelberg vorlag. Das Manuskript wurde im Mai 1995 abgeschlossen; später erschienene Literatur konnte nur in geringfügigem Maße berücksichtigt werden. Prof. Dr. Fritz Gschnitzer, der mein Interesse für die griechische Rechtsgeschichte geweckt hat, hat diese Arbeit von Beginn an mit hilfreicher Kritik verfolgt und durch ein substantielles Gutachten wesentlich verbessert. Wenn ich gelernt habe, die Inschriften mit den Augen des Historikers zu sehen, so verdanke ich dies ihm. Prof. Dr. Hubert Petersmann und Priv.-Doz. Dr. Helmut Müller danke ich für ihre gründlichen Gutachten, die mich vor etlichen Fehlern bewahrt haben. Prof. Dr. Jannis Sakellarakis (Nationalmuseum von Athen) verdanke ich nicht nur mein Interesse fur der Geschichte und Archäologie Kretas, sondern auch die Möglich keit, meine ersten epigraphischen Projekte im Museum von Herakleion durchführen zu können. Ganz besonders danken möchte ich meinem Freund HD Dr. Rolf Schneider (Heidelberg); unsere von der DFG unterstüzte Reise in Kreta im Oktober 1993 förderte meine Kenntnis der Topographie wesentlich. Meine Kollegen und Freunde Dr. Eftychia Stavrianopoulou (Heidelberg) und Prof. Dr. Michael Peachin (New York) waren stets bereit, ihre Hilfe zu gewähren. Dr. Eckehard Kraft hat feinfühlig die ursprüngliche Fassung der Arbeit sprachlich korrigie11. Die letzten sprachlichen Korrekturen verdanke ich Priv.-Doz. Dr. Jens-Uwe Krause (Heidelberg). Meine nun mehr als fünfzehnjährige Arbeit an den Inschriften Kretas haben Chara lambos Kritzas (Epigraphisches Museum von Athen), Popi Galanaki, Alexandra Kare tsou, Giorgos Rethemiotakis und Antonis Vasilakis (Museum von Herakleion), Maria Andreadaki-Vlasaki und Stavroula Markoulaki (Museum von Chania), Irini Gavrilaki (Museum von Rhethymnon), Stavroula Apostolakou (Museum von Agios Nikolaos) und Prof. Dr. Thanasis Kalpaxis (Universität Kreta, Ausgrabung von Eleuthema) vielfach unterstützt. Ohne die wertvolle Hilfe der wahren Obwalter kretischer Altntümer, der freundlichen Wächter der lokalen Musseen, wären meine Forschungen oftmals beinahe gescheitert. Unter ihnen möchte ich Antonis Papadakis und Kostas Tsangarakis (Mu seum von Herakleion) auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen. Michalis Ploumidis (Institut für Geologische Forschungen -IrME, Athen) danke ich für die Bereitstellung von Karten Kretas. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft bin ich für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses zu Dank verpflichtet, ihren Gutnchtem für hilfreiche Hinweise. xiv Vorwort Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Geza Alföldy möchte ich für die Aufnahme meines Buches in diese Reihe herzlich danken. Für die Bewältigung der trockenen Materie, die in diesem Buch präsentiert wird, erhielt ich die wertvolle moralische Unterstützung, die notwendige gelegentliche Ablen EINLEITUNG kung und die noch wichtigere humorvolle Ernüchterung von meinen Freunden Jens-Uwe Krause und Jannis Mylonopoulos. Ihnen widme ich dieses Buch wohl wissend, daß sie 1. Das Problem: 'O Kp11c-;r ov Kpft-ra. eine aufregendere Lektüre verdient hätten. Das hellenistische Kreta vermittelte dem antiken Beobachter das verwirrende Bild einer von ständigen inneren Kriegen erschütterten Insel. Fast ratlos standen die New York, Juni 1996 antiken Historiker diesem Phänomen gegenüber1 und behalfen sich mit der Erklä rung, die ständigen Kriege lägen im Charakter der Kreter begründet, in ihrer Hab gier, Treulosigkeit und Kriegslust.2 Die Unbeständigkeit der innerkretischen Be o ziehungen und die ständigen internen Konflikte drückt ein antikes Sprichwort aus: Kp11i';t ov Kpftw ('der Kreter überlistet den Kreter', Anhang l). Ist die antike literari sche Überlieferung reich an spöttischen Bemerkungen und Vorurteilen über die Kre ter, so sind die brauchbaren historischen Nachrichten umso spärlicher. Diesem Man gel vermag der Reichtum an Inschriften aus hellenistischer Zeit nur bedingt abzuhel fen, denn die Texte sind oft in sehr fragmentarischem Zustand überliefert und lassen sich nur selten exakt datieren. Die Einordnung des reichen epigraphischen Materials in einen historischen Rahmen erweist sich somit als äußerst schwierig.3 Es über rascht also nicht, wenn es an Untersuchungen zur politischen Geschichte Kretas in der hellenistischen Zeit fehlt.4 Die hier zu untersuchenden kretischen Staatsverträge aus der hellenistischen Zeit sind ein Spiegelbild der wechselnden Beziehungen der zahlreichen Städte der Insel zueinander, die durch das Sprichwort 6 Kp11i';t ov Kpftw: gekennzeichnet werden. Sie zeugen sowohl von der ständigen Angst vor einem Angriff eines Nachbarn, der "die Stadt oder die Häfen besetzen, für sich Teile des Landes abschneiden, die Landlose und die Siedlungen der unfreien Bauern zerstören" würde, -wie es charakteristisch in der Beistandsformel heißt (B III 1c ) -, als auch von der Gefahr der Überlistung (86- A.oi;),d er Verletzung eines Vertrags durch Heimtücke oder V01wand. Die kretischen Staatsverträge (Verträge zwischen kretischen Poleis bzw. mit nicht kretischen Staaten) überragen durch ihre Zahl die Verträge anderer griechischer Gebiete aus derselben historischen Epoche und bilden somit eine auffällige histo rische Erscheinung, die der Aufmerksamkeit weder der zeitgenössischen Griechen noch der modernen Forschung entgangen ist. H. van Effentcrre, der die zweifellos 1 Polyb. 24,3,1: ... d XP~ A.Eynva pxi1v itpayµarnv EVK p~tn- 0ta yap t~V G\JVEXEtatVW VE µ (j)\JA.\(J7)tV0 A.EµffKiva t t~v U7t€pßot-..~vt r\, Ei, O.A.A.~A.Ow\µJOs tT)t~, tautov apx~K at tEA.Osfo ttV EV Kp~tn, Kat to OOKOUitVap aOO~ffist tcr\v dpijcr0m toiit' [K€t 0€(J)p€ttat G\JVEXW"tsO y tvoµEvov; App., Ill. 6: ~µot-..oyricraµ i:v Ka\ 7t€pt Kp~tris AEY(J)oVux €Up€tV ta, o.KptßEtst WV7 tOA.Eµ(Ja)pVx a, u Kai itpoq,acrn, ... 2 Zu antiken Vorurteilen über die Kreters. van Effcnterre 1948, 300-313; Brule 1978, 138-140; vgl. Harrison 1994, 20-24. 3 Zu den methodischen Problemen s. insbes. van Effcnterre 1948, 202-207 und 210f. 4 Van Effentcrre 1948 bietet die einzige Ausnahme; Brulc 1978, Kreuter 1992 und llarrison 1994 untersuchen nur Dctailfragrn; llocck 1829, III 464-472, 483-514 ist überholt. 2 Einleitung. 1. Das Problem Einleitung. 1. Das Problem 3 einflußreichste Darstellung der Geschichte Kretas in der hellenistischen Zeit ge streben der zahlreichen kleinen und großen Poleis verbirgt, den für das Fortbestehen schrieben hat, faßte in einem Kapitel über 'den Sinn der kretischen Geschichte'5 jene ihrer alttradierten Gesellschaftsstruktur nötigen Lebensraum zu sichern. Die Be Faktoren und Tendenzen zusammen, die im Lichte der bisherigen Forschung und vor ziehungen zwischen den kretischen Poleis, wie sie in diesen Texten hervortreten, allem seiner eigenen Untersuchung die Geschichte Kretas prägten: Er erkannte eine wurden weder von ideologischen Überzeugungen, wie etwa von einem Eintreten für Tendenz zum Zusammenschluß (" des tendances federalistes"), der auf der anderen die Demokratie, noch von der Einmischung fremder Mächte geprägt, sondern von Seite die Freiheitsliebe und die Beharrung auf der Souveränität ("l'amour de Ja liberte den in der hellenistischen Zeit akut gewordenen Versorgungsproblemen, die zu den et le sens jaloux de la souverainete nationale") entgegentraten; er unterstrich ferner die unzähligen lokalen Grenzkonflikten führen mußten. Die Einmischung fremder Bedeutung des ewigen Kampfes zwischen den beiden mächtigen Poleis, Knosos und Staaten und Könige konnte diese Konflikte natürlich verstärken und die Unbeständig Gortyn, um die Hegemonie; davon wußten schon die antiken Autoren zu berichten. 6 keit der kretischen zwischenstaatlichen Beziehungen vergrößern, sie war jedoch nicht Van Effenterre betonte aber vor allem die Rolle, die die großen Mächte der helleni die Ursache der Kriege und der Bündnisse. stischen Welt (Ägypten, Makedonien, das Seleukidenreich, Pergamon, Sparta, schließlich Rom) in diesem Konflikt spielten.7 Schließlich sah er ir:1 ideologischen 2. Zu Anlage und Methode der Arbeit Kampf für eine Demokratisierung der Verfassung ("Ja revolution democratique") einen weiteren bedeutenden Faktor. Diese Ansichten, die ansatzweise schon in älteren Die vorliegende Arbeit begann als eine systematische Darstellung der kretischen Untersuchungen vertreten werden,8 haben die spätere Forschung geprägt. P. Brule Staatsverträge; es hat sich jedoch sehr bald herausgestellt, daß einer systematischen und A. Petropoulou haben in ihren Studien den von van Effenterrc eher vernach Darstellung die detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Vertragstexten und lässigten sozialen Aspekt unterstrichen und im Seeraub bzw. Siildncrtum eine sonstigen Zeugnissen vorausgehen mußte: Die meisten kretischen Verträge sind Antwort der kretischen Poleis auf ihre sozialen Probleme, vor allem die Beschäfti fragmentarisch erhalten und die bisherigen Lesungen und Ergänzungen oft problema gung landloser Bürger, gesehen, ohne allerdings die Theorie der Demokratisierung tisch. Für viele Texte fehlen eingehende Kommentare; weder die Verträge noch die li und die Rolle der fremden Mächte in Frage zu stellen. 9 Erst in einer jüngst terarischen Zeugnisse sind bisher systematisch gesammelt worden; 11 ein systema veröffentlichten Arbeit machte H. van Effenterre auf den direkten Zusammenhang tischer Versuch ihrer zeitlichen Einordnung fehlt.12 Eine solche Untersuchung konnte zwischen den Expansionsbestrebungen zweier ostkretischer Städte (Hierapytna und ihren Platz weder in umfangreichen Anmerkungen oder Anhängen noch in verstreu Lato) in der hellenistischen Zeit und dem dadurch gewonnenen 'Ernährungsraum' ten und sich häufig überschneidenden Aufsätzen haben. Die Notwendigkeit der aufmerksam. lO Analyse jedes einzelnen Textes hat allerdings dazu geführt, daß eine Arbeit, die eine systematische Darstellung sein sollte, hier doch die Form eines um einige zusammen Die folgende Untersuchung geht von der Annahme aus, daß diejenigen Faktoren, fassende Abschnitte erweiterten Katalogs annehmen mußte. die tatsächlich die hellenistische Geschichte Kretas prägten, ihre Spuren in der größ ten und aussagekräftigsten Gruppe zeitgenössischer Zeugnisse hinterlassen haben Ferner mußte ich aus der Untersuchung die Verträge kretischer Städte mit Städten, müssen, den Staatsverträgen zwischen den kretischen Poleis. Eine genaue Analyse Bundestaaten und Königen des Auslands, die mit besonderen Problemen verbunden ihrer Bestimmungen zeigt, daß sich sowohl hinter den zahllosen kleinen Konflikten sind und eine allgemeine Untersuchung der Außenbeziehungen Kretas erfordern, als auch hinter der großen Auseinandersetzung zwischen Gortyn und Knosos das Be- ausschließen; diese Lücke wird jetzt z.T. durch die Untersuchung S. Kreuters ge schlossen.13 Ausgeschlossen wurden auch die wenigen Verträge aus der klassischen Zeit;14 sie unterscheiden sich zwar kaum von den hellenistischen Verträgen, würden 5Van Effenterre 1948, 235-244 ("Lesens de l'histoire cretoise"). aber eine eingehende Behandlung der klassischen (und archaischen) Geschichte Kre- 6S trab. 10,4, 7 (C 4 76). 7 Van Effenterre 1948, 241: "C'est dans une etude de Ja politique etrangere proprement dite que nous pensons avoir enfin decouvert Ja clef du probleme". Die Lösung ist: "La cite ou Je groupe de cites qui exer~ait l'heg6monie en Crete parait avoir etc regulierement I'allie de celui ou de ceux des grands etats qui avaient Je plus d'interet a rnaintenir Ja securite de Ja navigation marchande en Me diterranee Orientale"; vgl. ebenda 214f., 244-273, 315. S. aber jetzt Kreutcr 1992, Ilf., 117-II9, I 25-I 34, die zu Recht die große Unabhängigkeit der kretischen Poleis unterstreicht. 11Die IC enthalten nicht alle Texte; in den SV III fehlen einige Neufunde, und SV IV ist noch 8Von einer Demokratisierung sprach bereits Muttelsee 1925, 15f., 19f., 32f. Die Rolle der Außen nicht erschienen; außerdem berücksichtigen die SV die literarischen Zeugnisse zu den kretischen beziehungen Kretas bildet den zentralen Gegenstand der Arbeiten von Scrinzi 1897/98 und Cardinali Staatsverträgen nicht. 1904, 1905 und 1907; s. auch Niese 1899, 428f. 12Scrinzi 1897/98, Cardinali 1904, 1905 und 1907 sind überholt. Van Effenterre 1948 und Brule 9 Brule 1978 betont stets den fremden Einfluß und übernimmt (mit Vorbehalt) die Demokratisie I 978 bieten den besten Überblick, aber berücksichtigen nicht alle Texte. rungstheorie; Petropoulou I 985 ihrerseit~ versuchte, zusätzliche Zeugnisse für eine Demokratisie 13Kreuter 1992 (ohne Edition der Texte). rung der Verfassung heranzuziehen, und unterstrich die Bedeutung der auswärtigen Beziehungen für 14SV II 147-148 (Knosos-Tylisos, um 450?); SV II 216 (Gortyn-Rhizenia, 5. Jh.); s. jetzt auch die Anwerbung von Söldnern und den Seeraub; vgl. z.B. Huß 1976, 146, der den Lyttischen Krieg van Effenterre 1993; Hennig 1994, 3:;or. Auch SEG XXXV 991 A (Lyttos, 6./5. Jh.) setzt vielleicht (ca. 221-219) als Teil der Auseinandersetzung der griechischen Staaten des Festlandes deutet. Die so einen Vertrag zwischen Lyttos und Itanos voraus. Faure 1993, 69 will aber die in diesem Text er zialen Hintergründe des kretischen Seeraubs unterstreicht auch Pohl 1993, 55. wähnten Itanioi mit den Bewohnern einer Siedlung in der Nähe von Lyttos (heute 'Ai:tavta) identifi 10van Effenterre 1991b. zieren. 4 Einleitung. 2. Anlage und Methode Einleitung. 2. Anlage und Methode 5 tas erfordern, die den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Für die Interpretation Städten (1-62), 2) Abkommen zwischen souveränen Poleis und abhängigen Ge der hier zusammengestellten Texte wurden allerdings auch diese Verträge sowie Ver meinden (63-69), 3) Sympolitien (70-74) und 4) Zeugnisse über Bündnissysteme träge aus anderen Gebieten berücksichtigt. (75-82). In jedem Teil folgen die Texte ihrer chronologischen Ordnung. Die In den Kommentaren der einzelnen Texte und im systematischen Teil wurde der Verträge werden drei Abschnitten zugewiesen, die wichtigen Perioden der hellenisti Versuch unternommen, die kretischen Staatsverträge im Lichte der besonderen kreti schen Geschichte Kretas entsprechen. Die Datierung der Texte bereitet stets große schen Institutionen zu sehen; da die Vertragstexte sich nicht nur mit der politischen Probleme. Die paläographischen Kriterien sind ebensowenig sicher wie Feststellun Zusammenarbeit zweier Poleis befassen, sondern sämtliche Bereiche des Lebens gen, die Texte seien im Dialekt abgefaßt oder wiesen Koine-Merkmale auf, 16 die Sil betreffen, von der Gesellschaft (Syssitien, Organisation der Jungmannschaften, Un bentrennung werde beachtet, das iota adscriptum angefügt. Um eine möglichst zuver freie, abhängige Gemeinden usw.) und dem Wirtschaftsleben (Viehzucht, Ackerbau, lässige Grundlage für die Datierung zu schaffen, ist eine Tabelle mit den verschie Exporte) bis hin zum Recht und zur Religion, ist ihr richtiges Verständnis und ihre denen Buchstabenformen erstellt worden (Anhang 2, S. 453). Der Vorrang wird Auswertung nur dann möglich, wenn man sie unter Berücksichtigung aller ver jedoch immer geschichtsimmanenten Kriterien gegeben. In jedem Lemma des Kata fügbaren Zeugnisse über die Insel betrachtet. So wurden für diese Untersuchung logs finden sich die Beschreibung des Inschriftenträgers, Angaben zum Fundort und nicht nur Vertragstexte herangezogen, sondern auch die verstreuten literarischen, epi zur Paläographie. In den Lemmata wird - nach dem von L. Robert geforderten graphischen und archäologischen Zeugnisse. Für jeden Forscher, der sich mit Kreta Muster -zwischen den originären Editionen oder Neupublikationen und den von die befaßt, ist es ein Gemeinplatz, daß die Zustände in der frühen Neuzeit und z.T. heute sen nur abgeleiteten Editionen unterschieden; letztere werden in eckige Klammern ge noch in den rückständigen Gebieten der Insel mutatis mutandis Aufschluß über die setzt; im Anschluß werden Arbeiten angeführt, die zur Lesung bzw. Ergänzung Situation im Altertum, vor allem im Bereich der historischen Geographie, geben einzelner Stellen des Textes beigetragen haben. Es wird ferner vermerkt, ob eine können. 15 So wurden für einzelne Aspekte dieser Untersuchung auch nachantike eigene Autopsie der Inschriften vorgenommen wurde; leider konnten viele Texte in Quellen (mittelalterliche und spätere Kartenwerke, Portulani, Berichte von Reisenden den lokalen Museen nicht mehr gefunden werden. Alle Verträge werden hier ver der frühen Neuzeit) und sozialanthropologische Untersuchungen (insbesondere für öffentlicht, übersetzt und kommentiert. Bei der Edition wurden die im SEG an das Phänomen der Transhumanz') herangezogen. gegebenen diakritischen Zeichen verwendet. Im Falle der indirekten epigraphischen Zeugnisse habe ich auf detaillierte Lemmata verzichtet: Nur die wichtigsten Veröffent Im ersten Teil der Arbeit werden die historisch-geographischen Voraussetzungen lichungen (vor allem in Corpora) werden zitiert, und einen kritischen Apparat gibt es der hellenistischen Staatsverträge Kretas erläutert und der historische Rahmen rekon nur für lectiones variae, die das Verständnis des Textes und dessen Auswertung für struiert. Im zweiten Teil werden die allgemeinen Merkmale der kretisch-kretischen die Ziele dieser Arbeit wesentlich berühren. Verträge abgehandelt. Der dritte -und größte -Teil enthält einen Katalog der Verträge (Texte und Testimonien) mit kritischer Ausgabe, Übersetzung und Kommentar. Die Die kretischen Staatsverträge sind in erster Linie juristische Dokumente. Rechts kretischen Staatsverträge unterscheiden sich in ihrer Form kaum von anderen giechi texte zeichnen sich durch ihren formelhaften Charakter aus; so mußte der Neuedition schen Staatsverträgen, sieht man von den wenigen Formeln ab, die unmittelbar mit dieser Inschriften eine Analyse des Wortlauts und der Formeln der Inschriften vor den Eigentümlichkeiten kretischer Institutionen zusammenhängen (vgl. B X, Anm. ausgehen, die zur Ergänzung der fast immer fragmentarisch erhaltenen Texte beiträgt. 1?86). Die_se1 :exte stehen ohnehin am Ende einer langen historischen Entwicklung, Durch die Analyse des Wortlauts wurden sich oft -mit kleinen Variationen -wieder die dem gnech1schen Völkerrecht aufgrund intensiver und vielseitiger Kontakte weit holende Formeln festgestellt, die die wesentlichen Inthalte der Verträge zum Aus gehend feste und einheitliche Formen verliehen hatte. So kann das Ziel der Aus druck bringen. Dadurch ist es oft möglich, den Charakter fragmentarisch erhaltener führungen im systematischen Teil nicht darin liegen, durch eine Untersuchung der Klauseln zu bestimmen. Für das Verständnis einzelner Bestimmungen bieten Paralle formalrechtlichen Merkmale der kretisch-kretischen Staatsverträge einen Beitrag zur len aus anderen Gebieten oft wertvolle Hilfe. In der griechischen Epigraphik ist es Geschichte des griechischen Völkerrechts zu leisten, sondern lediglich die Diskussion allerdings ein Gemeinplatz, daß Ergänzungen des genauen Wortlautes nur exempli der einzelnen Texte im dritten Teil von unnötigen Wiederholungen zu entlasten. Die gratia vorgeschlagen werden können, selbst an Stellen, deren Inhalt bekannt ist. Ausführungen des zweiten Teils stützen sich auf die Ergebnisse der kritischen Aus Alle Texte sind übersetzt worden. Eine Übersetzung ist bekanntlich zugleich die gabe und Diskussion der Texte im dritten Teil; für einzelne Deutungen wird der Leser Interpretation eines Textes. Aus diesem Grund werden in den Übersetzungen auch oft auf den Katalog verwiesen. diejenigen Ergänzungen berücksichtigt, die nur im kritischen Apparat vorgeschlagen Der Katalog umfaßt die epigraphisch überlieferten Staatsverträge und sonstigen werden, sowie die Ergebnisse der Kommentierung des Textes. Um unnötige Wieder zwischenstaatlichen Vereinbarungen zwischen kretischen Städten, Stammstaaten holungen zu vermeiden, beschränken sich die Kommentare einerseits auf problema bzw. abhängigen Gemeinden. Zusammengestellt wurden ferner die Testimonien (In tische bzw. fragmentarische Stellen und andererseits auf Bestimmungen, die im schriften und literarische Berichte), die auf die Existenz eines Vertrags schließen zweiten, systematischen Teil nicht ausführlich behandelt worden sind. lassen. Der Katalog gliedert sich in vier Teile: 1) Verträge zwischen kretischen 16 _ In der hier in Frage kommenden Periode (3. und 2. Jh.) erscheinen nebeneinander Inschriften mit 15 S. z.B. Bennet 1990, 193; Chaniotis 1992, 354f.; Haggis 1993. remen Dialekt- und Koine-sowie Mischformen: s. die Tabellen von Bubenik 1989, 79-90. Anhang 1. ·oK pi,c;r ov Kpfjra und O"U'f'(pTJrt(n/v crvy,cpT]rtCTµ6c; 7 menschluß der Kreter führte.21 Auch sonst gibt es keine sicheren Zeugnisse von V crcinigungsbestrebungen vor der hellenistischen Zeit. 22 Ebensowenig sind fremde Angriffe bezeugt, die die gesamte Insel bedroht hätten. Wenn der cruyKpf1ttcrµ6c; jemals eine historische Realität darstellte, dann nur in der für die politische Ge ANHANG 1 schichte Kretas fast quellenlosen archaischen Zeit. Das Hauptmerkmal des cruyKpfl ncrµoc;, d.h. die vorübergehende Beilegung lokaler Konflikte zur Bekämpfung eines ·o Kp71c;'C; OVK p11-cau nd O'UYICPTl'Cl~E/ tVO 'UYICPTl'CtO"Dµioec ;;: gemeinsamen Feindes, erinnert auf jeden Fall an die Funktion des Pcloponncsischen Beziehungen zwischen den kretischen Poleis im Urteil der Bundes in der archaischen Zeit: Auf Aufforderung der Spartaner hin beendeten die Mitglieder ihre Auseinandersetzungen und leisteten ihnen Bcistand.23 Griechen Zwei antike Redewendungen charakterisieren die Beziehungen zwischen den kreti o schen Städten: einerseits das Sprichwort Kpric; tov Kpilm ('der Kreter überlistet den Kreter'), 17 das die Treulosigkeit der Kreter und die Unbeständigkeit ihrer Freundschaften zum Ausdruck bringen soll, andererseits die Worte crnyKpT]tisnv bzw. cruyKpT]ttcrµ6c;d, ie auf ihr geschlossenes Auftreten gegenüber den Nichtkretem o hinweisen. Der Sinn des Sprichworts Kpric; tov Kpilm ergibt sich aus einem Ver gleich mit verwandten Sprichworten, wie 1tpoc;K pilta KpT]tisnv, KPiic;1 tpoc;A iyivfi tT]V und KpT]tisnv .18 T. Nikolaidis 19 weist auf moderne Sprichwörter hin, die dieselben Eigenschaften (Treulosigkeit, Betrugslust) der Kreter unterstreichen: KPT1- tt1Co Kl ä yKaµT]c; <ptAO,ß acrm Kat Koµµatt ~UAO ('wenn du Freundschaft mit einem Kreter schließt, halte am besten auch einen Stock') und µai; Evvotcocrav K' oi Kpf\ttKd 1twc;~ µe0a Xavtwtmc; ('die Kreter haben erkannt, daß wir aus Chania kommen·, d.h. die Kreter haben den Betrug anderer Kreter erkannt). Auch der Ausdruck <J'UYKPT]tt<Jµ6ocd; er cruyKpT]tisnv, der auf das trotz aller Streitigkeiten eintretende Zusammenstehen der Kreter gegen Gefahren von außen verweist, setzt eigentlich die ständigen Konflikte voraus.2° Der historische Gehalt des Begriffs cruyKpT]tmµ6c; ist allerdings problematisch: Es ist fraglich, ob sich im Kompositum cruyKpT]ttsnv wirklich der Name Kpfitll verbirgt; die Möglichkeit einer Volksetymologie ist nicht von der Hand zu weisen. Eine ernsthafte Bedrohung durch die Außenwelt ist weder für das klassische noch für das hellenistische Kreta bezeugt. Zwar wird für die spätklassische Zeit ein 1t6Aeµoc;~ EVtK6cü; berliefert, der jedoch mit Sicherheit keine Bedrohung für die ganze Insel darstellte und auch zu keinem Zusam- 17 CPG I p. 291,31 ed. LeuL\Ch-Schneidewin:o Kp~; tOVK prim· Ellt t&v oµototp07tüJV. 18CPG II p. 205,35: npo; Kpfim Kprttisn;· fllt t&v npo; oµoiou; lj!EUÖOµi:vw(vv gl. Plut., Lys. 20,2; anders Suda s.v. (IV p. 229,4f. cd. Adler): npo; Kpijm KPrttiCwv· napotµia bt tfuv µa111vn o vouvtwv); CPG I p. 268,92: Kp~; 1tpo; AiytvT]triv· fll! t&v navoupy(q XPWµt:vwv7 tpo; UAAN,ou; A.EyEmt( vgl. CPG II p. 181,28, p. 487,6); CPG I p. 101,62: Kp111isnv· Elll toU lj!EUÖECJ0ml(( X1, unmuv (vgl. CPG I p. 262,58; II p. 119,87; p. 487,7 ed. Cohn 1887, 66); vgl. Nikolaidis 1989, 400f. 19Nikolaidis 1989, 401. 21A rist., Pol. II 1272 b 19-22; zu den Problemen, diesen Krieg zu identifizieren, s. Kirsten 1942, 20 Piut., mor. 490 b: µ1µouµEVOVau to youv toUto to Kp111wvd, i llOA,A,(ll(cl;r mcnasovtEs UAAT] 60-62; van Effenterre 1948, 81-84. A.OtsK at noA.EµouvtE;E, l;w0Evim 6vmv noA.EµiwvÖ tEA.uovwm t cruvicrmvw · Kat wut · ~v o KaA.Ou 22Die wenigen unsicheren Zeugnisse hat 1.ulctztv an Hfentcrrc 1948, 26-28 zusmnmcngcstcllt und µEvo-;{ m' aut&v <JUY1Cp11ncrµC6P;;G II p. 647,80: <JUYKP11HGµi:oxvn ;· dp11mt Elll tfuv Öt' uvo.y kritisch untersucht; zum Kretischen Koinon in der hellenistischen Zeit s.u. R llf 3. lCT)cVru µµaxwv ywoµt:V(l)VaA .AT]AO· losl KpijtEs yap Ka0' i:auwu; crmcrtasovtEs, ÖtEc rtpatov SEVt 23S. z.B. Martin 1940, 186-191; Gschnitzer 1978. 36-38; Clauss 1983. 160. Cardinali 1907, 17- KOVE copwvE lllGtpmEuovm tji i:autfuv nmpiÖt, cruµµaxlav l((Xlo µmxµiav Tj<J7l0.S0V· tÖo 1tEpc ruy 20 Anm. 2 bezog das Phänomen des cruyKpflttaµ6; auf die Existenz eines kretischen Koinon in der KP11H<JjlüEsK A.TJ8E11ty; m. Magn. 732,55-57 ed. Gaisford: cruY1Cp111icr<aJvU YKPrtticrm;\. t\youmv oi vorhcllcnistischen Zeit; vgl. Hoeck 1829, III 470f.; Mullelscc 1925, 40; C,uan.lucci 1950h. 147: Kpfitc;, Ömv 1'1;w0EaVu tot; YEVT)talltO AEµo;.f otacrlasov yap UEl. Willctts 1975, 145-148 ("tribal confcderncy"); Martin 1'!75, 500.