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Die Verheißungen der Dienstleistungsgesellschaft: Soziale Befreiung oder Sozialherrschaft? PDF

202 Pages·1983·11.997 MB·German
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Peter Gross' Die Verhejgungen der Dienstleistungsgesellschaft Peter Gross Die VerheiGungen der Diensdeistungsges ells chaft Soziale Befreiung oder Sozialhen-schajt? Westdeutscher Verlag CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Gross, Peter: Die VerheiBungen der Dienstleistungsgesellschaft: soziale Befreiung oder Sozialherrschaft?/Peter Gross. - Opladen: Westdeutscher Verlag, 1983. ISBN-13: 978-3-531-11610-5 e-ISBN-13: 978-3-322-84137-7 DOl: 10.1007/978-3-322-84137-7 © 1983 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen Umschlaggestaltung: Peter Gross, Bamberg Satz: Satzstudio R.-E. Schulz, Dreieich AIle Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfliltigung des Werkes (Fotokopie, Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Veri ages. ISBN-13: 978-3-531-1 16lO-5 Inhal tsverzeichnis Zur Einfiihrung 7 Erster Tell: Die Theorie der Diensdeistungsgesellschaft und ihre Grenzen ............ 12 1. Die Dienstleistungen als Wendepunkt nachindustrieller Entwicklung ..... , 12 2. Zwei Theoretiker der Dienstleistungsgesellschaft und ihre Beweise . . . . . .. 18 3. Grenzen und Liicken der Theorien der Dienstleistungsgesellschaft ....... 27 Zweiter Tell: Aspekte personenbezogener Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 44 1. Die Dienstleistung: Gut oder Tiitigkeit? ........................ 44 2. Ein soziologischer Blick auf die Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 50 3. Der menschliche Faktor - ein Mythos? ........................ , 79 Dritter Tell: Dienstleistungsintensive Sozialpolitik - das sozialpolitische Korrelat der Theorie der Dienstleistungsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 1. Die sozialen Dienstleistungen in der Sozialpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86 a) Panoramenwandel der Sozialpolitik? ........................ 86 b) Zum Begriff der sozialen Dienstleistung ...................... 89 c) Die Zunahme sozialer Dienstleistungen in der sozialpolitischen Leistungsbilanz ...................................... 99 2. Die kranke Gesellschaft. Zur Begriindung der neuen Sozialpolitik ....... 110 3. Die Formung der Bedarfslagen in der Dienstleistungsbeziehung ......... 124 Vierter Tell: Soziale Befreiung oder Sozialherrschaft? - Entwicklungslinien sozialer Dienstleistungsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 8 Fiinfter Tell: Zusammenfassung und Ausblick: Chancen der Krise? ................. 150 Anmerkungen .................................... . . . . . . . 161 Literaturverzeichnis ................................... .... 188 Zur Einfiihrung Wer sich mit dem raschen, in allen Bereichen der modernen Gesellschaft in die Augen springenden und in seinen Erscheinungsformen iiberaus vielfaltigen sozialen Wandel befaBt, der wird versucht sein, Bewegungen, die sich gradlinig iiber die letzten Jahrzehnte hinweg gehalten haben, in der Gegenwart aufzufinden und in die Zukunft hinein zu verlangern. Der Mensch, auch der moderne, haBt Unsicherheit und sucht Kontinuitat in allen seinen Tatigkeiten und Lebensbereichen. In besonde rem MaBe gilt das fUr die in modernen Industriegesellschaften so zentrale Frage der beruflichen Zukunft, der Zukunft des Erwerbs, der Zukunft der Arbeit. Deshalb werden in diesem Bereich auch immer wieder gesetzmaBige Entwicklungen heraus gearbeitet, postuliert und prognostiziert. Ais der dynamischste, fiir die Zukunft der Arbeit bedeutsamste Sektor gilt der Dienstleistungsbereich. "Die zukiinftige Entwicklung tendiert zur Dienstleistungsge sellschaft."t Diesem Ergebnis eines Gutachtens im Auft rag der Bundesanstalt fUr Arbeit konnen Dutzende von gleichlautenden beigefiigt werden. Die, mit dem Na men des franzosischen Statistikers und Okonomen Jean Fourastie verbundene Ent wicklungshypothese vom iiberproportionalen Wachstum des Dienstleistungssektors gegeniiber den anderen Wirtschaftssektoren hat landlaufige Anerkennung gefunden. Sie hat aber auch die Auguren aller Lager befliigelt. Mit der Expansion des tertiaren Sektors werden groBe Hoffnungen verbunden, aber auch erste Befiirchtungen ver kniipft. Die einen sehen in der Wanderung der Erwerbstatigen yom primaren iiber den sekundaren in den tertiaren Sektor einen Aufbruch ins Heilige Land, welcher Menschlichkeit, Authentizitat und Gemeinschaftlichkeit wiedergewinnen laBt. Fiir andere wird damit ein verhangnisvoller Weg ins Verderben beschritten, auf dem die letzten Reste von Eigentatigkeit und Mitmenschlichkeit verloren gehen und die ur spriingliche, wechselseitige Hilfe vollends dem monetaren Nexus und der Herrschaft der Professionen unterworfen wird. Der grundlegende Begriff der Theorie der Dienstleistungsgesellschaft und ihrer statistischen Fundierung, der Begriff der Dienstleistung namlich, ist freilich weitge hend unklar geblieben. Raymond Aron hat mit Recht vermerkt, daB der Dienstlei stungssektor eine Art Miillhalde fiir alles geblieben sei, was in den beiden anderen Sektoren, dem primaren der Urproduktion und dem sekundaren der Sachgiiterpro duktion, nicht unterzubringen ist. Trotz der gesellschaftlichen Bedeutung der Dienstleistungen und weitausgreifenden Spekulationen iiber die Folgen ihrer Zu nahme ist ihre Eigenart dunkel und zwiespaltig geblieben. Das gilt insbesondere fur den "harten Kern", der die Reparatur eines Autos, das Wechseln von Geld, das Schneiden der Haare und das Herausoperieren des Blinddarms gleichermaBen um fassenden Dienstleistungen: fiir die personenbezogenen oder personlichen Dienste. 8 Zur Einfiihrung Diese Dienstleistungen, deren Expansion die gesellschaftstheoretischen Spekula tionen derart befliigelt, sind in der Tat in verschiedener Hinsicht etwas eigenes und fordern das soziologische Interesse in hohem MaCk heraus. Ihre Erbringung bedingt namlich einen zeitlich und raumlich synchronen Kontakt zwischen Produzenten und Konsumenten der Leistung. Sonst konnen sie "technisch" nicht erbracht wer den. Das seit Fourastiti klassische und sprechende Beispiel fiir diese Sachlage ist die Tatigkeit des Friseurs. Die Notwendigkeit einer zeitlich und raumlich synchronen Kontaktnahme zwischen erwerbstatigen Produzenten der Leistung und dem diese Leistung in Anspruch nehmenden Konsumenten ist iiberaus anschaulich. Der Fri seur leistet seine Arbeit unmittelbar am Konsumenten ab, und der Konsument ist bis zu einem gewissen Grad an del Erbringung der Leistung beteiligt - nicht nur durch seine physische Prasenz. Doch ist dieses Beispiel, das in der entsprechenden Literatur seit Fourastie immer wieder auftaucht, von einer wirtschaftlich doch ziemlich ephemeren und fiir den Konsumenten nicht eben zentralen Bedeutung. Auch die erwerbswirtschaftliche Erbringung dieser Leistung ist keineswegs notwen dig - wohl wenige beruflich organisierte Tatigkeiten lieBen sich iibrigens ohne viel Aufhebens natural oder durch Eigenproduktion substituieren. Von besonderer Aktualitat , von zunehmender und lebenswichtiger Bedeutung sind aber die im Rahmen der Sozialpolitik, also kollektiv finanzierten und von of fentlichen Tragern erbrachten personenbezogenen Dienstleistungen, wie die Be handlung, Beratung, pflege und Betreuung. Diese sozialen Dienstleistungen nahren eine sozialpolitische Version der groBen Hoffnung Fourastitis, die Hoffnung auf eine AblOsung der Erwerbsorientierung durch das Dienstethos. Die personenbezogenen Dienstleistungen verfiihren zu solchen Annahmen. An ihnen wird in der Tat deut lich, daB die zeitliche und raumliche Prasenz die Kontaktnahme von Produzent und Konsument nicht geniigt, urn sie zu charakterisieren. Ihre Erbringung erfordert viel mehr - in mehr oder weniger groCkm AusmaB - eine personliche Kooperation und Kommunikation zwischen dem Dienstleistenden und dem Leistungsnehmer. In dieser Kooperation reetablieren sich einfache, auf unmittelbaren sozialen Beziehun gen aufbauende Sozialsysteme zwischen Produzenten und Konsumenten von wirt schaftlichen Leistungen, die mit dem giiterwirtschaftlichen Modell der Produktion nur noch in Grenzen zu begreifen sind. Die auf Effizienz angelegte Produktion gerat in eine zwischenmenschliche Dynamik, welche dem Sozialwissenschaftler ein neues, weites und bislang iiberaus spekulativ bearbeitetes Feld eroffnet. Diese Dienstlei stungen, ihre Struktur und Dynamik, die Ursachen und Folgen ihrer gegeniiber ao deren Tatigkeiten iiberproportionalen Expansion stehen im Mittelpunkt dieser Ar beit. Teil I befaBt sich, nach einer einfiihrenden Obersicht iiber das Spektrum von Pro blemen, die sich im Zusammenhang mit der personenbezogenen Dienstleistung erge ben, mit den Theorien der Dienstleistungsgesellschaft, dem ihnen zugrundeliegen den Begriff der Dienstleistung und den damit zusammenhangenden wirtschaftlichen Fundierungen. In Teil II steht die Frage im Vordergrund, was die mehr oder weniger ausdriick lich mit Dienstleistungen befaBten sozialwissenschaftlichen Arbeiten zur Erhellung Zur Einfiibrung 9 der Eigenart der personenbezogenen Dienstleistungen und damit zur AufkHirung iiber die Struktur und Dynamik der Dienstleistungsgesellschaft beitragen konnen. Teil III greift jene personenbezogenen Dienstleistungen auf, welche in einer be sonderen Weise problematisch zu sein scheinen und entsprechend ausgiebig disku tiert werden: die sozialen, das heiBt die im Rahmen der Sozialpolitik erbrachten personenbezogenen Dienstleistungen; die Behandlung, die Beratung, die pflege und die Betreuung. Teil IV schlieBlich befaBt sich mit den Entwicklungstendenzen der sozialen Dienstleistungsproduktion, und in diesem Zusammenhang auch mit der Frage, wie weit, mindestens im gesundheitspolitischen Bereich, die Vision der Selbsthilfege meinschaft die Vision der Dienstleistungsgesellschaft abzulOsen beginnt und wie realistisch eine solche Annahme ist. Die Dienstleistungen sind gewissermaBen das Tor postindustrieller VerheiBungen und Wiinsche. Eine Befassung mit ihnen erOffnet gleichermaBen den Zugang zu den makrosoziologischen Theorien der Dienstleistungsgesellschaft wie zu den Wandlun gen des modernen Staates zum Sozial- und Wohlfahrtsstaat. Es ist bezeichnend fUr die jahrzehntelange Indolenz der deutschen Soziologie gegeniiber der Sozialpolitik, daB dieses gemeinsame Herzstiick lange weder behandelt noch iiberhaupt gesehen worden ist (jm Unterschied zur amerikanischen und englischen Sozialstaatsdiskus sion). Dabei spiegelt die gegenwartige, lautstark gefiihrte Diskussion urn eine biirger nahe, praventive und aktive Sozial- bzw. Gesellschaftspolitik im wesentlichen das programmatische und faktische Vordringen der sozialen Dienstleistungen in der sozialpolitischen Leistungsbilanz. Auf der kritischen Betrachtung dieses Vordrin gens liegt denn auch ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit. Damit werden Gedanken weitergefiihrt, die wir in friiheren VerOffentlichungen begonnen2, in einzelnen Punkten unterdessen aber auch weitergefiihrt haben.3 Die Diskussion iiber die Zukunft der Arbeit hat heute allerdings, unter dem Ein druck einer tiefreichenden und offenbar sich auch langerfristig nicht andernden Strukturkrisc des Arbeitsmarktes nicht nur eine ernstere, sondern auch eine andere Akzentuierung bekommen. Vor mehr als zwei Jahrzehnten schon hat Hannah Arendt die Frage gestellt, was fiir unsere Arbeitsgesellschaft denn verhangnisvoller sein konnte als das Ausgehen der Arbeit, der einzigen Tatigkeit, auf die sich unsere Gesellschaft noch verstehe. In bezug auf die akademische Diskussion, zumindest im Umkreis der Sozialwissenschaften, ist man sogar versucht, von einem Paradigmen wechsel zu sprechen. Zunehmend wird namlich die Frage nach Alternativen der auf erwerbswirtschaftlicher Arbeit beruhenden "Arbeitsgesellschaft" gestellt, was in Zeiten der Vollbeschaftigung offenbar vollig iiberfliissig war. Nicht mehr die im herrschenden Paradigma der Sozial- und teilweise auch der Wirtschaftswissenschaf ten dominierende Annahme einer sakularen Wanderung der Erwerbstatigen yom pri maren iiber den sekundaren in den tertiaren oder quartaren Sektor erwerbswirt schaftlicher Tatigkeiten und deren Ursachen und Konsequenzen stehen in Frage, sondern die Abwanderung oder das Herausfallen der Erwerbstatigen aus den Wirt schaftssektoren in einen nichterwerbswirtschaftlich funktionierenden "autonomen" oder "informellen" Sektor. Genau besehen hat zwar nicht die Entdeckung neuer 10 Zur Einfiihrung Tatsachen zu diesem Paradigmenwechsel gefiihrt (wie es die "Struktur" wissen schaftlicher Revolutionen eigentlich vorsieht), sondern veranderte Verhaltnisse ha ben die Wiederentdeckung alter Realitaten gefOrdert. Auch dieser Paradigmenwech sel hat sein Pendant in der Sozialpolitik; in der Frage namlich, in welchem AusmaB die groBorganisatorischen Systeme sozialer Sicherheit durch selbstorganisierte, nicht professionelle Bedarfsausgleichssysteme ersetzbar sind. In bezug auf dieses Problem ist vieles im FluB - entsprechend wenig Gesichertes laBt sich dariiber sagen. Eine eingehende Behandlung dieser Deutungsvariante nachindustrieller Sozialpolitik muB einer gesonderten Betrachtung vorbehalten bleiben. Das Leitthema dieser Arbeit ist gleichwohl so alt wie die Soziologie selber. Es ist die Frage nach der Bedrohung oder der Entlastung des modernen Menschen durch groBorganisatorische Systeme, die Frage nach den Grenzen der zunehmenden Dber formung der einfachen Sozialsysteme und Gruppenbeziehungen durch sekundare, abstrakte und anonyme Sozialsysteme. Die insgesamt eher skeptische Grundeinstel lung gegeniiber einem expansiven Politikverstandnis und gegeniiber der vorwartstrei benden Hybris der modernen Sozial-und Gesellschaftswissenschaften mag unterdes sen einer breiteren Zustimmung, auch unterSozialwissenschaftiern seiber, gewiB sein, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Die Frage nach den Foigen gesamtge sellschaftlicher Entwicklungen fiir die mikrosoziologischen, privaten und intimen Beziige zwischen den Menschen und die Frage nach ihrer Verantwortbarkeit in mo dernen Industriegesesellschaften und ihrer iiberfliissigen oder gar gefahrlichen Dber spannung kann freilich nur eine vorlaufige Beantwortung finden. Hauptzweck dieser Arbeit ist es, ein Arbeitsfeld einzuzaunen und zu parzellieren, das sich in anderen Wissenschaften, aber auch praktisch und politisch, uniibersehbar in den Vorder grund geschoben hat. Db es schon bestellt werden kann, ob die notwendige Pro blemdifferenzierung erreicht worden ist, oder ob die Probleme iiberhaupt ins richti ge Licht geriickt sind, muB der Leser beurteilen. Ein Wort der Abgrenzung gegeniiber den in diesem Zusammenhang naheliegen den Arbeiten von Garner und Riessman und Jonathan Gersbuny ist vielleicht an die ser Stelle am Platz. Gartner und Riessman geben in ihrem Buch "Der aktive Konsu ment in der Dienstleistungsgesellschaft. Zur politischen Okonomie des tertiaren Sektors,,4 eine emphatische Variante postindustrieller Heilsgeschichte. Der Bedarf nach Dienstleistungen ist ihnen zufolge immens und die Lebensqualitat, die erreich bar ist, wenn sie angemessen erbracht werden, "in der Geschichte ohne Vorbild" (S. 98). Auch wenn wir die Ansicht teilen, daB die personenbezogenen Dienstlei stungen eine Front darstellen, an der in Gegenwart und Zukunft entscheidende Auseinandersetzungen ausgetragen werden, so kommen wir doch zu ganz anderen, geradezu kontraren SchluBfolgerungen. Gersbuny's 1978 erschienene und kiirzlich ins Deutsche iibersetzte Arbeit "Die Okonomie der nachindustriellen Gesellschaft. Produktion und Verbrauch von Dienstieistungen"S enthlilt eine differenzierte Kri tik der Theorien der Dienstleistungsgesellschaft und moniert, daB es ihnen an einem klaren Begriff von Dienstleistungen mangle. Das letztere monieren wir auch, und den Propheten der Dienstleistungsgesellschaft begegnen wir ebenfalls skeptisch. Aber unser Thema ist ein vollig anderes. Einmal abgesehen davon, daB wir Zur Einfubrung 11 Gershuny's Prophezeiung eines mit dem Niedergang der Dienstleistungswirtschaft parallel gehenden Aufstiegs einer im wesentlichen in die privaten Haushalte verlager ten Selbstversorgungs- und Selbstbedienungswirtschaft nicht teilen, geht es uns urn eine Kritik des sozialpolitischen Pendants postindustrieller VerheiBungen. Dement sprechend stehen die sozialen Dienstleistungen im Mittelpunkt und dementspre chend fallt unsere Kritik der Theorien der Dienstleistungsgesellschaft auch anders aus. Aber beide hier genannten Arbeiten beschaftigen sich mit dem Thema, das auch den Rahmen dieser Arbeit abgibt, namlich mit den Theorien der Dienstlei stungsgesellschaft, welche das Nachdenken iiber unsere Zukunft in neue Bahnen ge lenkt haben. Zu danken habe ich Prof. H. Baier, Prof. F.-X. Kaufmann und Prof. Th. Luck mann, welche im Friihling 1979 eine der sozialwissenschaftlichen Fakultat der Uni versitat Konstanz neben zwei kleineren Arbeiten als Habilitationsschrift vorgelegte Erstfassung dieser Arbeit begutachtet haben und von denen ich eine Reihe von Ver besserungsvorschlagen bekommen habe. Die Veranderungen gegeniiber der Erstfas sung sind natiirlich von mir allein zu verantworten. Besonderer Dank gilt auch meinen Kollegen Prof. B. Badura und Dr. J. Bergmann sowie meinen, in anderer Weise als ich mit dem Thema befaBten Briidern Dr. jur. J. Gross und Dr. phil. Th. Gross, die mit mir unterschiedliche Aspekte der Arbeit diskutiert haben. Wieviel ich meiner Frau Ursula fiir das Zustandekommen dieser Arbeit zu danken habe, brauchte ich nicht zu erwahnen - ich tue es trotzdem. Anmerkungen K. Maneval u. a.: Wirtschafts-, Berufs- und Sozialstrukturentwicklung in einigen Industrie Bindern, Gutachten der Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft mbH Mtinchen. 1m Auft rag der Bundesanstalt ftir Arbeit. Institut flir Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt ftir Arbeit, Ntirnberg 1976 (Beitrlige zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung 9 (1976), S. 49. 2 B. Badura und P. Gross: Sozialpolitische Perspektiven. Eine Einftihrung in Grundlagen und Probleme sozialer Dienstleistungen. Mtinchen 1976; P. Gross und B. Badura: Sozialpolitik und soziale Dienste: Entwurf einer Theorie personenbezogener Dienstleistungen. In: Ferber, Chr. v. und Kaufmann, F.-X. (Hrsg.): Soziologie und Sozialpolitik. Kolner Zeitschrift ftir So ziologie, Sonderheft 19 (1977), S. 261-286; P. Gross: Entwicklungstendenzen und Wider sprtiche im modernen Wohlfahrtsstaat. In: (jsterreichische Zeitschrift ftir Soziologie 2 (1979), S.20-33 3 P. Gross: Integrationswirkungen und Legitimationsprobleme der Sozialleistungssysteme in der Bundesrepublik und in der Schweiz. In: Matthes, J. (Hrsg.): Sozialer Wandel in Westeu ropa. Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologentages. Berlin 1979; S. 809-826; P. Gross: Rei~t das soziale Netz? Wachstumsgrenzen der Sozialpolitik und mogliche Altemati ven. In: Brun, R., Amery, C. u. a.: Wachstum kostet immer mehr. Frankfurt am Main 1980, S. 55-83; P. Gross: Grenzen der Familienpolitik. In: Matthes, J. (Hrsg.): Lebenswelt und soziale Probleme, Verhandlungen des 20. Deutschen Soziologentages. Berlin 1981. S. 451- 465; P. Gross: Der Wohlfahrtsstaat und die Bedeutung der Selbsthilfebewegung. In: Soziale Welt 1 (1982), S. 25-45; P. Gross: Zur Dynamik von Bedtirfnissen und Bedarfsausgleichs systemen in postindustriellen Gesellschaften. In: Sociologia Internationalis 112 (1982). 4 Frankfurt am Main 1978 (urspr. eng!.: The Service Society and the Consumer Vanguard. New York: Harper & Row 1974) 5 Frankfurt am Main 1981 (urspr. engl.: After Industrial Society? The Emerging Self-Service Economy. London/Basingstocke: The Macmillan Press 1978) Erster Tell Die Theorie der Dienstleistungsgesellschaft und ihre Grenzen 1. Die Dienstleistungen als Wendepunkt nachindustrieller Entwicklung DaB hochentwickelte Lander wie die Bundesrepublik Deutschland im Begriffe sind, Dienstleistungsgesellschaften zu werden, ist heute ein nahezu selbstverstandlicher Befund. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts nimmt die Bedeutung des Diensdeistungs bereichs in allen Industrielandern offensichtlich standig zu: gemessen an der Zahl der Erwerbstatigen in den entsprechenden Wirtschaftszweigen und gemessen am Beitrag des tertiaren Sektors zum Bruttosozialprodukt. Diese Feststellungen sind mittler weile Lehrbuchwissen.1 Die Strukturkrise des Arbeitsmarktes und das sog. Wegra tionalisieren von Arbeitsplatzen auch im Diensdeistungssektor hat naturgemaa zu einigen Zweifeln an der UnumstoBlichkeit dieser Entwicklung AnlaB gegeben. Die wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen kreisen haufiger urn den sektoralen Strukturwandel. Insbesondere der Einbruch der Mikroprozessoren in den tertiaren Sektor hat die Frage nach den Rationalisierungspotentialen und der Produktivitat der Dienstleistungen neu wachgerufen. Der Kostendruck im offentlichen Dienstlei stungsbereich hat auf die besondere volkswirtschaftliche Problematik der Dienstlei stungen, was die Messung ihrer Kosten, ihrer Effizienz und Effektivitat und ihrer Qualitat betrifft. aufmerksam gemacht. Eine wachsende Zahl von wissenschaftli chen Publikationen, Expertisen und Projekten begleitet das Vordringen der Dienst leistungsgesellschaft und die damit verbundenen Probleme. Die Okonomie. die bis her die Frage der Dienstleistung. wie es Herder-Dorneich noch vor wenigen J ahren pointiert ausgedriickt hat. ..entweder iiberhaupt nicht wahrgenommen oder sie als gangige" angesehen hat, beginnt die sie interessierenden Probleme aufzuspiiren und im Rahmen einer .. Dienstleistungsokonomik" zu bearbeiten.2 Auch die Betriebs wissenschaften, die wie Berekhofen in einer kiirzlich erschienen Schrift notiert, von Spottern nicht ganz zu Unrecht bezichtigt werden. daB sie zwar von Betrieb und Unternehmung schlechthin sprechen. ..in Wirklichkeit aber nur eine Textil- oder Maschinenfabrik in Form einer AG vor Augen haben", riicken allmahlich die Dienst leistungsbetriebe in den Vo rdergrund. 3 Die Dienstleistungsunternehmen seIber ge ben Untersuchungen in Auft rag, urn die auftretenden Kosten- und Leistungseng passe ihres Sektors besser abschatzen zu konnen.4 Und die soziologische Theorie der Dienstleistungsgesellschaft, wie sie etwa Bell entwickelt hat, leitet aus der zu nehmenden Dienstleistungsproduktion grundlegende gesellschaftliche Veranderun gen ab und entwirft die Umrisse einer nachindustriellen Gesellschaft.5 Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft wird somit seit einiger Zeit unter den mannigfaltig sten Gesichtspunkten untersucht. erortert und in seinen gesellschaftlichen Konse quenzen beurteilt.

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