ebook img

Die unvermeidliche Universalgeschichte: Studien über Norbert Elias und das Teleologieproblem PDF

240 Pages·2000·6.967 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Die unvermeidliche Universalgeschichte: Studien über Norbert Elias und das Teleologieproblem

Kenneth Anders Die unvermeidliche Universalgeschichte Figurationen. Schriften zur Zivilisations- und Prozeßtheorie Herausgegeben von Annette Treibel in Zusammenarbeit mit Reinhard Blomert und Helmut Kuzmics Band 3 Kenneth Anders Die unvermeidliche Univ ersalgeschichte Studien über N orbert Elias und das Teleologieproblem Leske + Budrich, Opladen 2000 ISBN 978-3-8100-2832-7 ISBN 978-3-322-93228-0 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-93228-0 Gedruckt auf säurefreiem und alterungs beständigem Papier. Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich ISBN 978-3-8100-2832-7 © 2000 Leske + Budrich, Opladen Softcover reprint of the hardcover 15 t edition 2000 Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. (D BER 11) Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikro verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck: Druck Partner Rübelmann, Hemsbach Inhalt Einleitung: Der universalgeschichtliche Streit um den Zivilisationsprozeß ........................................................................................ 9 1. Fragestellung ................................................................................................ 9 2. Aufbau der Arbeit und zentrale Thesen ................................................. 17 3. Voraussetzung ............................................................................................. 19 4. Material ......................................................................................................... 21 5. Kritik an der Zivilisations theorie als "Nihilismus" ............................... 22 I. Kapitel: Dieses Buch der ganzen Welt. Norbert Elias' Konzeption einer soziologischen Universalgeschichte ....... 25 1.1. Synthetische Verfahren in der Zivilisations theorie ............................... 25 1.2. "Prozeß" und "Figuration" als Synthesebegriffe .................................. 28 1.3. Argumente für ein Denken in Figurationen und Prozessen ............... 32 104. Herrschaftswissen oder Tugendlehre? .................................................... 36 1.5. Was ist soziologischer Humanismus? ..................................................... 41 1.6. Menschheit und Universalgeschichte ...................................................... 50 1.7. Kanonisierung: der geschichtslose Text ................................................. 61 1.8. Habitus: der humanistische Universalgiehrte ......................................... 64 1.9. Orientierung im Zivilisationsprozeß ....................................................... 70 Li O. Veränderte Konstellationen ...................................................................... 72 11. Kapitel: Nebenwirkungen großer Synthesen. Einwände gegen die Universalgeschichte ............................................................. 75 11.1. Die eine und die ganze Geschichte. ......................................................... 75 II.2. Kant oder Schiller? ..................................................................................... 79 II.3. "Bald fillt es ihm schwer, sich zu überreden ... " Zur 1rreversibilität der teleologischen Geschichtsbetrachtung. .................. 84 IIA. Universalhistorische Eigenlogik? Zum Status der großen Synthesen .......................................................... 94 11.5. Konsequenzen der Universalgeschichte ................................................. 96 5 111. Kapitel: Suche nach Auswegen und Umwegen Elias' Ansätze zu einer Lösung der Universalgeschichtsproblematik ........................................................ 109 IIl.1. Das Ideologieproblem .............................................................................. 109 IIl.2. Individuen und Gesellschaften, Eier und Hennen. Elias' Versuch einer nichtteleologischen Fassung des Figurationsbegriffs ...................................................................................... 119 1lI.3. Die "große Evolution" und das "Modell der Modelle". Elias' Versuch einer nichtteleologischen Fassung des Prozeßbegriffs ............................................................................................. 123 lilA. Verzichtserklärungen .................................................................................. 132 v. Kapitel: Zwänge einer universalgeschichtlichen Figuration. Kritik teleologischer Prinzipien der Zivilisationstheorie. ....................................................................................... 139 IV.I. Schwierigkeiten bei der Synthese der >Figuration Menschheit< ........... 139 IV.2. Schwierigkeiten bei der Synthese eines menschheitlichen Prozesses ...................................................................... 144 IV.3. Kritik des zivilisationstheoretischen Verzichts ...................................... 149 V. Kapitel: Nebenwirkungen zivilisations theoretischen Denkens. Rekurs auf die Konsequenzen des universalgeschichtlichen Ansatzes ................................................... 161 V.I. Zivilisierte Formen und zivilisatorische Normen ................................ 161 V.2. Die zivilisationstheoretische Analogie: das Gewaltmonopol als ein menschheitliches Über-Ich ........................................................... 173 V.3. Die unvermeidliche Wahrnehmung von Kindlichkeit ........................ 178 VA. Zivilisationstheoretische Entsorgung des Dysfunktionalen. ............... 181 V.5. Zivilisation und Barbarei als Kultur und Natur ................................... 187 V.6. Medium und Maß des Zivilisationsprozesses ....................................... 191 V.7. Vorschlag zur Differenzierung des Interdependenzbegriffs ............... 196 6 VI. Kapitel: Zur Unabweisbarkeit der Frage nach der Möglichkeit universalgeschichtlicher Synthesen. .................... 201 VI.l. Franz Borkenau und Norbert Elias: das Teleologieproblem ist ein allgemeines ...................................................................................... 201 VI.2. Argumente für die Universalgeschichte .................................................. 212 VI.3. Plädoyer für ein nochmaliges >Als ob< mit beschränkter Haftung .... 225 Literaturverzeichnis .................................................................................... 233 7 "Das menschliche Geschlecht ist entweder in continuierlichem Rückgange zum Argeren, oder in beständigem Forlgange zum Besseren in seiner moralischen Bestimmung oder im ewigen Stillstande auf der jetzigen Stufe seines sittlichen Werths unter den Gliedern der Schöpfung (mit welchem die ewige Umdrehung im Kreise um den selben Punkt einerlei ist)." Immanuel Kantl "Schwerlich scheint sich irgendwo etwas zu finden, was einen noch einmal an die aufklärerische Idee einer mit allgemeinen und freien Bürgern bevölkerten Universalrepublik erinnerte." Clifford Geertz2 Einleitung: Der universalgeschichtliehe Streit um den Zivilisationsprozeß 1. Fragestellung Als vor gut zehn Jahren die sozialistischen Staaten Ost- und Mitteleuropas zu sammenbrachen, war jedermann klar, daß sich das Leben der dort wohnenden Menschen tiefgreifend ändern würde. Bald stellte sich nun heraus, daß auch der Westen vom Zusammenbruch der kommunistischen Systeme betroffen war, und zwar weniger wegen der Veränderungen auf den Wirtschafts- und Han deismärkten, sondern vor allem wegen der sich allerorts auflösenden .rymbolischen Ordnungen, die die historischen Turbulenzen des zwanzigsten Jahrhunderts bis dato in Ost und in West einigermaßen zusammengehalten hatten. Dabei hatte zunächst alles so einfach ausgesehen. 1989 war Francis Fukuyama mit seiner These vom Ende der Geschichte an die Öffentlichkeit getreten, um sie 1992 syste matisch zu entwickeln.3 Er verband seine Hegellektüre mit den historischen Ereignissen der letzten Jahrzehnte und zog aus beidem eine mutige Konse quenz: Der welthistorische Prozeß käme gegenwärtig zu sich selbst und damit gleichsam zum Erliegen. Was sich so griffig nach historischer Vernunft anhörte, entpuppte sich jedoch mit der Zeit als eine Art Selbstüberlistung des Welt geistes. Mit dem historischen Sieg, den das Hegeische Programm der >Freiheit< über den Marxschen Entwurf einer >Vergesellschaftung der Produktivkräfte< Kant, AA, Bd. VII, Ob das menschliche Geschlecht im beständigen Fortschreiten zum Besseren sei, S. 81 (Hervorhebung im Original). 2 Geertz 1994, S. 292. 3 V gl. Fukuyma 1992. 9 errungen hatte, verschwand zugleich die letzte emstzunehmende Wahlmöglich keit zwischen verschiedenen großen historischen Orientierungsangeboten. Ohne Konkurrenz war das westliche Entwicklungsmodell für all die unvermindert stattfindenden Kriege, Unabhängigkeitskämpfe und Katastrophen allein verant wortlich. Für diese Flut an Ereignissen konnte es keine zuverlässigen Erklärun gen mehr bieten. Auf dem Gipfel seines Erfolges mußte es selbst seinen Ab schied nehmen und sich zu dem Haufen der >alten Fortschrittslehren< hinzuge sellen, so daß Fukuyama in bestimmter Hinsicht sogar (unfreiwillig) Recht be hielt. Nach der Definition von Geschichte als einer Entfaltung der Gattungsidee ergaben die ökonomischen, politischen und kulturellen Konflikte nach 1989 keinen Sinn. Als chaotisches, im einzelnen zwar begreifliches, im ganzen aber amorphes Geschehen waren sie vielmehr Ausdruck eines zumindest vorläufigen symbolischen Endes >der Geschichte<. Nur dem Schreck über diesen plötzlich eingetretenen Erklärungsnotstand ist es geschuldet, daß einem so übereilt zusammengesetzten Orientierungsmo dell wie dem Samuel Huntingtons vom Kampf der Kulturen bzw. vom Clash of Civilization.s4 ein durchschlagender Erfolg in den neunziger Jahren beschieden war. Huntington verwischte die begrifflichen Grenzen zwischen Religion, Na tionalität, Ethnie, Sitte und Moral, indem er alles miteinander gleichsetzte und auf diese Weise unvereinbare kulturelle Substanzen postulierte. Die wissen schaftliche Karriere seiner Synthese mag kurz gewesen sein, den politischen und alltäglichen Sprachgebrauch hat sie entscheidend beeinflußt. Daß der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union aus kulturellen Gründen und nicht etwa wegen einer mangelnden Umsetzung der Menschenrechte unwahrscheinlich sei, wie es seit einiger Zeit von manchem deutschen Politiker vertreten wird, hätte noch vor zehn Jahren eine öffentlich unhaltbare Position markiert. Ähnlich Oswald Spenglers Untet;gang des Abendlandes, das weniger als geschichtsphilosophisches Werk denn als Überschrift Karriere gemacht hatte, bewies auch der Titel von Huntingtons Schrift eine enorm hohe Prägnanz und Bindekraft. Das Motto vom Kampf der Kulturen löst schlagartig eine Assoziationskette aus und bündelt Affekte, die in den alten Geschichtsphilosophien gar nicht vorgesehen waren. Die fragwürdige Übersichtlichkeit, die mit Huntingtons Motto wiedergewonnen wurde, kann sich beinahe aller Ressentiments und Vorurteile bedienen, die auch ohne intellektuelle Hilfeleistung schon zahlreich aufblühen. Das praktische Problem, das sich daraus ergibt, ist mit einem Hinweis auf die sachliche Unrichtigkeit der Huntingtonschen Synthese nicht aus der Welt zu schaffen. Die Behauptung, es gebe antagonistische und machtpolitisch relevante kulturelle Differenzen in unserer Welt, mag mit Recht bestritten werden, ohne daß sie daran gehindert werden könnte, sich ihre eigene Wirklichkeit zu schaf fen. Mit dem theoretischen Abschied von universalen menschlichen Entwick lungszielen wird nämlich ein völlig verändertes Handlungsmuster im globalem 4 VgJ. Huntington 1996. 10 Maßstab gelegt. Da Huntington nach dem Scheitern der großen Menschheits entwürfe die auftretenden Konflikte durch bestimmte Zugehörigkeitszuschrei bungen zu erklären versucht, hängt der Erfolg seines Modells nur davon ab, ob diese Muster auch bereitwillig zur Identifikation und Abwehr angenommen werden. Daß alle Kulturen zur Menschheit gehören ist aus dieser Perspektive eine leere Hülse geworden, die keinerlei theoretische und praktische Schlußfol gerungen ermöglicht. Bestimmte Menschenrechte sind nicht universal, weil sie als solche deklariert und gewollt werden, sie erlangen ihre Gültigkeit nur in einem Machtakt, durch den sie von der westlichen Zivilisation hegemonial ga rantiert werden. In dem Planspiel Huntingtons gibt es verschiedene Gegner, von denen der stärkere die Oberhand gewinnen wird. Sobald sich andere wenigstens rhetorisch auf dieses Spiel einlassen ist die kühle, expertokratische Attitüde des "Ich-sage-nur-was-ist", die sein Buch aufweist, sogar dann in gewisser Weise gerechtfertigt, wenn die Thesen einer historischen Überprüfung gar nicht stand halten. Die etwas kurzatmige Rhetorik dieser Auseinandersetzungen hat beinahe vergessen lassen, welch einschneidenden Bruch im kulturellen Selbstverständnis >des Westens< in den letzten Jahren sie bezeugen. Wer sich vor diesem Bruch noch darauf freuen konnte, daß die >erste Welt< eines Tages die Definitions macht über das, was menschlich und menschengemäß sei, aufgeben würde, mußte nun feststellen, daß diese Aufgabe nicht unbedingt zu der erhofften Situation geführt hat. Mit dem Ende des selbsterteilten missionarischen Auftra ges des Westens drohen auf einmal die Missionsziele selbst ihren Anwalt zu verlieren, bzw. ihre Vertretung ausschließlich dem Militär anheimzufallen. So weit hatten auch die Kritiker des Eurozentrismus etc. in der Regel nicht gehen wollen. Daß die Debatte um den Zivilisationsprozeß zwischen N orbert Elias bzw. seinen Schülern und Hans Peter Duerr ebenfalls in das vergangene Jahrzehnt fällt, hängt sicher nicht mit dem Ende der kommunistischen Ideologien zusam men, schon allein deshalb, weil sie bereits 1988 begonnen hatte. Aber wegen der zeitlichen Koinzidenz und vor allem wegen der ungeheuren Wut, mit der sie geführt wurde, gibt es Grund zu der Annahme, daß hier ein Zusammenhang vorliegt: Als bliese man zum letzten Gefecht, wie es in der Internationale heißt (und das ebendiese bereits verloren hatte) hieben die Kontrahenten aufeinander ein, und es hat dabei an großen Begriffen nicht gefehlt: von Kolonialismus bis Konservatismus, von Fortschritt bis Verfall waren alle entscheidenden univer salgeschichtlichen Marken gesetzt worden - in einer Auseinandersetzung im merhin, die nicht von Naturverbrauch und Wirtschaftskolonialismus, sondern von Scham- und Peinlichkeitsschwellen handelte, von nichts >Weltbewegendem< also, wie man zunächst meinen sollte. Umso erstaunlicher war es daher, dass nicht nur die engen Freunde und Anhänger Norbert Elias', sondern große Scharen deutscher Intellektueller und Journalisten in den Streit eingriffen, wobei die meisten für die Gültigkeit der 11

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.