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Die Ukraine und wir. Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft PDF

234 Pages·2022·3.114 MB·German
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Sabine Adler Die Ukraine und wir Sabine Adler Die Ukraine und wir Deutschlands Versagen und die Lehren für die Zukunft Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Aufbau Digital, veröffentlicht in der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin © Aufbau Verlage GmbH & Co. KG, Berlin 2022 Die Originalausgabe erschien 2022 im Ch. Links Verlag, einer Marke der Aufbau Verlage GmbH & Co. KG. www.christoph-links-verlag.de Prinzenstraße 85, 10969 Berlin Umschlaggestaltung: zero-media.net, München, Foto © Natascha Zivadinovic ISBN 978-3-96289-180-0 eISBN 978-3-8412-3104-8 Inhalt Vorwort Das Trauerspiel Tschetschenien als Blaupause für die Ukraine Putin, Schröder, Warnig – ziemlich clevere Freunde Merkels Nein zu Kiews NATO-Mitgliedschaft Die Ukraine – ein Juwel in Putins Zarenkrone Das Krim-Referendum – eine Abstimmung unter russischer Besatzung Von Sanktionen und Sanktiönchen Faschisten, Patrioten und Pazifisten Bahr, Eppler, Schmidt und Schröder – das Quartett der eitlen Alten Deutsche Geschäfte im Sinne des Kremls Russlandtag und Klimastiftung Gefährlicher Hobbyhistoriker – Putin erklärt die Einheit von Russen und Ukrainern Leerstellen – Stalins Terror und der unbekannte Holocaust Einseitige Rücksichtnahme aufgrund selektiver Erinnerung Mehr als nur Kunstraub – der Beutezug der Nazis durch die Ukraine Merkels kalter Abschied, der zähe Start von Bundeskanzler Scholz und ein versenkter Joker Die Zeitenwende-Rede Und in Zukunft? Quellen Dank Die Autorin Vorwort Den Krieg in der Ukraine hat niemand vorhergesehen, zumindest nicht in dem Ausmaß, nicht in der Brutalität. Dass Russlands Präsident Wladimir Putin erneut Truppen in das westliche Nachbarland einmarschieren lassen würde, war jedoch anzunehmen. Immer mehr russische Soldaten wurden zu Manövern an die Grenze geschickt und danach entgegen internationaler Verpflichtungen nicht wieder abgezogen. Moskau gab sich nicht einmal die Mühe, so zu tun, als ob. Am 24. Februar 2022 begann die russische Invasion in die Ukraine als Überfall von drei Seiten. Die USA hatten die Öffentlichkeit Monate im Voraus detailliert gewarnt. Die Bundesregierung versuchte nach Kräften, gemeinsam mit der Europäischen Union und den USA Wladimir Putin von seinem immer aggressiver werdenden Kurs gegenüber der Ukraine und der NATO abzubringen. Aber auf die unmittelbare Not der Ukraine und auf die Bitte, ihr sofort zu helfen, reagierte Deutschland spät und anhaltend zögerlich. Wie konnte es zu dieser Eskalation kommen? Was haben wir übersehen? Welche Fehler wurden in Deutschland und in der Europäischen Union gemacht? Diese Fragen werden seit Beginn des Krieges in der Öffentlichkeit heftig diskutiert und stehen im Zentrum dieses Buchs. Für die Beantwortung reicht es nicht, nur auf die aktuelle Situation zu schauen. Dafür muss auch in die Geschichte zurückgeblickt werden. Nicht nur bis 2014, als Putin die Krim okkupiert und den Krieg in der Ostukraine angeheizt hat, nicht nur bis 2013, als die Ukraine das EU-Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnete, oder bis 2008, als der Ukraine und Georgien der NATO-Beitritt 5 verwehrt wurde. Und selbst über 2005 hinaus, das Jahr, in dem der Gerade-noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Wladimir Putin das erste Nord-Stream-Projekt auf den Weg gebracht hat, muss Rückschau gehalten werden: bis zu den Tschetschenienkriegen, bis zum Zerfall der Sowjetunion, von der eben nicht nur Russland übriggeblieben ist, und selbstverständlich bis zum Zweiten Weltkrieg, aus dem sich Deutschlands Verantwortung für die Ukraine in ganz besonderer Weise ergibt. Sie ist bis heute nicht vollumfänglich wahrgenommen worden. Die Entwicklung der vergangenen 25 Jahre habe ich als Korrespondentin sowohl von Russland als auch von der Ukraine sowie von Berlin aus beobachtet. Dieser regelmäßige Perspektivwechsel zwischen Deutschland und Osteuropa hat meine Wahrnehmung unseres Verhältnisses zu der bedrängten Ukraine geprägt. Auch davon wird in diesem Buch die Rede sein. Sabine Adler, Berlin im Juni 2022 6 Das Trauerspiel … beginnt mit einem Witz, bei dem einem das Lachen im Hals steckenbleibt. Fast ein Jahr lang wird die Welt Zeuge eines gigantischen russischen Truppenaufmarsches entlang der ukrainischen Grenze. Im Januar 2022 stehen dort mindestens 130 000 bis an die Zähne bewaffnete Soldaten. Angesichts dieser Bedrohung wird die Bitte der Ukrainer um deutsche Waffen lauter und dringlicher. Am 19. Januar fragt die Regierung in Kiew erneut nach und wird präzise: Kann Deutschland mit Helmen und Schutzwesten helfen? Später erweitert der ukrainische Botschafter in Berlin Andrij Melnyk die Liste um Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme. In der Hauptstadt stellt man sich taub. Die Ohren stehen schon seit 2014 auf Durchzug. Nur bei Einzelnen, sehr wenigen, kommen die Hilferufe an. Robert Habeck zeigt sich offen. Im Mai 2021 – noch vor dem Bundestagswahlkampf – war er an der Front in der Ostukraine. Dort nimmt der grüne Realo nicht nur den Krieg, der seit sieben Jahren nicht enden will, in Augenschein, sondern hört auch die Nöte der ukrainischen Bevölkerung an der Demarkationslinie zu den Separatistengebieten. Noch auf der Reise macht er sich stark für die Menschen, die um Unterstützung für ihre Verteidigung gegen die prorussischen Besatzer bitten. »Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung, kann man meiner Ansicht nach der Ukraine schwer verwehren«, sagte er dem Deutschlandfunk. »Die Ukraine fühlt sich sicherheitspolitisch alleingelassen, und sie ist alleingelassen.« In Deutschland wird er dafür mit Schimpf und Schande empfangen. Die damals CDU-geführte Bundesregierung verweist auf den Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete zu 7 liefern. Eine politische Linie, die auch Habecks Co- Vorsitzende bei den Grünen vertritt. Anders als der Ex- Parteichef Jürgen Trittin distanziert sich Annalena Baerbock zwar nicht offen, aber doch vernehmlich genug von Habeck: »Das steht auch in unserem Programm, und das sehen wir als Parteivorsitzende beide so.« Habeck lenkt der Kanzlerkandidatin Baerbock zuliebe ein. Im Unterschied zu dem Grünen plagen den damaligen SPD-Fraktionsvize Sören Bartol keine Zweifel. Anders als Habeck hat er die Ukraine noch nie besucht, genauso wenig wie die allermeisten Bundestagsabgeordneten, nicht vor und nicht nach der Annexion der Krim, nicht während der Kämpfe im Osten, nicht seit Russlands Einmarsch. Bei Habeck sehe man, wohin solch eine Reise führe: »Habeck besucht die Ukraine und schon kündigt er den Konsens auf. Das ist naiv.« Deutschland sei gut beraten, auf Diplomatie zu setzen. Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Michael Müller von der SPD warnt am 21. April 2022 in der Berliner Zeitung ebenfalls vor Ukraine-Reisen. Nicht, weil dort Krieg herrscht und es zu gefährlich wäre, sondern weil Anton Hofreiter (Bündnis 90 / Die Grünen), Agnes-Marie Strack- Zimmermann (FDP) und Michael Roth (SPD) voller Emotionen und mit Forderungen in Richtung Bundesregierung zurückgekommen seien, was nun wirklich nicht hilfreich sei. Strack-Zimmermann, die als weitaus fähigere Verteidigungsministerin gilt, als es Müllers Parteifreundin Christine Lambrecht ist, redet daraufhin im Tagesspiegel Klartext: »Gerne biete ich dem Neu-Sicherheitsexperten Michael Müller an, Emotionen zu entwickeln, um zu verstehen, dass ein brutaler Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nichts ist, was uns kaltlassen kann.« Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen empört Habecks Empathie mit den Ukrainern, die seit sieben Jahren die Okkupanten im Osten ihres Landes, wenn schon nicht verdrängen, so doch an einem weiteren Vormarsch hindern wollen. »Wer von Russlandhass verblendet die ultrarechten Milizen in der Ukraine ignoriert und behauptet, das Land 8 verteidige die Sicherheit Europas und müsse daher aufgerüstet werden, ist eine reale Gefahr für die Sicherheit in Deutschland und Europa.« Nicht von Russland, sondern von Habeck, Strack-Zimmermann, Roth, Hofreiter, kurz von jenen, die der Ukraine bei der Verteidigung gegen den Aggressor helfen wollen, geht für Die Linke die eigentliche Sicherheitsgefahr aus. Dagdelen ist nicht die Einzige, die es lieber sähe, wenn sich die Ukrainer Putin opferten, in der Hoffnung, dass sein Appetit dann gestillt wäre. Sie verkaufen das als Friedenslösung und verweisen zudem auf Deutschlands historische Verantwortung. Daria Kaleniuk kann es nicht mehr hören. Die junge Ukrainerin, die das Kiewer Anti-Corruption Action Center leitet, bringt es auf die Palme, dass sich Deutschland wegen seiner Täterrolle im Zweiten Weltkrieg bei der militärischen Zusammenarbeit zurückhält, sie findet, dass das »eine der dümmsten Aussagen ist, die je gemacht wurden«. Auf Twitter fragt sie bereits im Januar 2022: »Deutschlands Geschichte hat schon einmal Millionen Ukrainer ums Leben gebracht, und jetzt sollen wegen Deutschlands Geschichte weitere sterben?« Im Auswärtigen Amt liegt derweil Kiews Liste mit den benötigten Waffen, Helmen und Schutzwesten, doch das Ministerium schweigt. Schließlich setzt die Verteidigungsministerin ein »ganz deutliches Signal«. Christine Lambrecht verkündet am 26. Januar, dass die Ukraine 5.000 Helme bekommt. Präsident Selenskyj traut seinen Ohren nicht, ringt um Fassung. Vitali Klitschko poltert los: »Ein absoluter Witz!« Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt spricht aus, was man nicht nur in Kiew denkt: »Was will Deutschland als Nächstes zur Unterstützung schicken? Kopfkissen?« Während in Deutschland weiter über Waffenhilfe diskutiert wird, tauchen kontinuierlich mehr bewaffnete russische Soldaten an der ukrainischen Grenze auf. Inzwischen wird das Land von drei Seiten bedroht. Von Osten, wo sich die russischen Truppen nach Manövern und entgegen mehrfacher Ankündigung nie wirklich zurückgezogen haben. Von Süden, 9

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