Zentrum für Türkeistudien Das Zentrum für Türkeistudien / Türkiye Ara§tlrmalar Merkezi ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und von der Freuden berg Stiftung finanziert wird. Die Ziele des Zentrums sind: Den Stand des Wissens über Wirtschaft. Gesellschaft und Kultur der Türkei in der Bundesrepublik zu erhöhen und damit einen Beitrag zur Verbesserung der deutsch türkischen Beziehungen durch Kooperation bei der Bearbeitung gemeinsamer Probleme zu leisten. Dies soll auf folgende Weise geschehen: Intensivierung wissenschaftlicher Kontakte mit der Türkei Anregung. Organisation und Durchführung binationaler Forschungsvorhaben. auch im Auftrag anderer Institutionen Dokumentation. Aufarbeitung wissenschaftlicher Ergebnisse. Veröffentlichungen Leiter: Dr. Faruk Sen Geschäftsführung: Heidrun Czock Wissenschaftlicher Beirat des Zentrums tUr Türkeistudien: Professor Dr. Günter Endruweit, Stuttgart Professor Dr. Dr. h.c. Klaus-Detlef Grothusen. Hamburg Professor Dr. Wemer Gumpe!. München Professor Dr. Petra Kappen. Hamburg Dip!. Ing. irfan lnan(" Ankara Professor Dr. Drs. h.c. Fritz Neumark. Baden-Baden Professor Dr. Dankwart A. Rüstow, New York Professor Dr. Günter Schiller, Wuppertal Botschafter a.D. Dr. Gustav A. Sonnenhol t Professor Dr.Dr. h.c. Enno Vocke. Essen Vertreter des Trägers und der fördernden Einrichtungen im Wissenschaftlichen Beirat: Forschungsgruppe Modellprojekte eV. Dr. Gisela Freudenberg. Weinheim Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft Dr. Horst Niemeyer. Essen Freudenberg Stiftung Christian Pet",. Weinheirn Gustav Adolf Sonnenhol Die Türkei - Land zwischen zwei Welten Schriftenreihe des Zentrum für Türkeistudien Band VIII Gustav Adolf Sonnenhol Die Türkei Land zwischen zwei Welten Kommentare eines kritischen Freundes herausgegeben und eingeleitet von Dietrich Schlegel + Leske Budrich, Opladen 1990 Hinweise Für die Überlassung der Nachdruckrechte danken Herausgeber und Verlag: Frau Brigitte Sonnenhol; Professor Dr. Heinrich Bechtoldt, geschäftsführen der Herausgeber der AUSSENPOLITIK; Verlag und Redaktion des MERKUR; Professor Dr. Werner Gumpel und Dr. Roland Schönfeld, Südosteuropa Gesellschaft München; FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG; DEUTSCHE WELLE. Für die Zustimmung zum Nachdruck der Leserbriefe an die F.A.Z. gilt der Dank Frau Marlies Boeker, Professor Dr. Dr. h.c. Fritz Neumark und Professor Dr. Günter Endruweit. Die Fotografien stammen zum Teil aus dem Nachlaß G.A. Sonnenhols, zum Teil aus dem Archiv der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in An kara. Dietrich Schlegel ist Leiter der Südosteuropa-Redaktion der Deutschen Welle in Köln. Er befaßt sich seit 1973 mit Geschichte und Gegenwart der Türkei. © 1989 by Leske + Budrich, Opladen Satz: Leske + Budrich, Opladen ISBN 978-3-8100-0804-6 ISBN 978-3-322-95549-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-95549-4 4 Inhalt Dietrich Schlegel: Einleitung .................................................. 7 Ekkehard Eickhoff: Zum Geleit I ............................................. 13 Vahit Haiefoglu: Zum Geleit 11 ...................................... .......... 15 Gustav Adolf Sonnenhol: Der Euphrat im Fünfjahreplan der Türkei (1963) .......................... 17 Die Türkei am 50. Jahrestag der Republik (1973) .......................... 26 Botschafter in der Türkei (1983/1986) ....................................... 52 Verdienste um Deutschland und die deutsch-türkischen Beziehungen I (1972) .............................................................................. 77 Verdienste um Deutschland und die deutsch-türkischen Beziehungen 11 (1973) .............................................................................. 81 Aufgaben der Archäologie (1973) ............................................. 84 Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen und die EG (1976) ..... 86 Atatürks Reformen sind nicht mehr umkehrbar (1978) ..................... 97 Atatürk heute - Kulturrevolution und Entwicklung (1981) ............... 105 Die Wurzeln der Inflation müssen ausgerissen werden (1979) ............ 121 Es wäre gut, die Türkei als Freund zu behalten (1981) .................... 127 Die Menschen leben wieder ohne Angst (1982) ............................ 137 Wir sind für die Türkei kein normales Ausland (1983) .................... 144 Die Türkei braucht weiter Auslandshilfe (1985) ............................ 149 Die Türkei und Europa (1985) ................................................. 156 Biographische Notiz ............................................................ 163 Gustav Adolf Sonnenhol Bibliographie ...................................... 165 Personenregister ................................................................. 168 5 Einleitung Gustav Adolf Sonnenhol hat sich über einen Zeitraum von mehr als zwan zig Jahren immer wieder in Wort und Schrift mit der Türkei beschäftigt und auseinandergesetzt, als Experte für Entwicklungspolitik bereits während der sechziger Jahre, am intensivsten natürlich als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Ankara von 1971 bis 1977. Und auch im Ruhestand ließ ihn die ses Land "auf der Wanderschaft zwischen zwei Welten" nicht los. So wurde er zu einem der besten deutschen Kenner der Türkei. Dortzulande wiederum genießt er den Ruf eines - kritischen - Freundes, auf den das türkische Sprichwort "dost aci söyler - ein Freund sagt auch die bittere Wahrheit" zu trifft. Die vorliegende Sammlung vereinigt veröffentlichte und bisher unveröf fentlichte Texte Sonnenhols über die Türkei. Der früheste entstand 1963 nach einer Türkei-Reise des damaligen Ministerialdirektors im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und befaßt sich mit den noch immer ak tuellen Fragen der Volkswirtschaft und der Energieversorgung. Der letzte Bei trag stammt aus dem Jahre 1985 und stellt sein Bekenntnis zur politischen Zu gehörigkeit der Türkei zu Europa dar. Es versteht sich von selbst, daß keine amtlichen Papiere, etwa Berichte des Botschafters an das Auswärtige Amt, in den Band aufgenommen wurden. In Sonnenhols Amtszeit in Ankara fallen fünf der Beiträge. Seine Ansprachen bei der Überreichung von Bundesverdienstkreuzen an türkische Persönlich keiten des wirtschaftlichen und kulturellen Lebens begleiteten zwar eine Amtshandlung, doch kommt den Texten nicht der Charakter einer vertrauli chen Akte zu, vielmehr dienten sie als Beispiel für eine der - angenehmen - Pflichten eines Botschafters zur Pflege zwischenstaatlicher Beziehungen "un terhalb" der hohen diplomatischen Ebene. Zu dieser Kategorie zählen auch die Grußworte des Botschafters an den X. Internationalen Kongreß für Klassi- 7 sche Archäologie 1973 in Bergama/Pergamon. Daß sie in die Sammlung auf genommen wurden, ist auch als Reverenz an das starke persönliche Interesse Sonnenhols für die Archäologie gedacht. Ein Vortrag des Botschafters über "Die deutsch-türkischen Wirtschafts beziehungen und die Europäische Gemeinschaft" vor türkischen Industriellen und Geschäftsleuten kann, da öffentlich gehalten, auch als Veröffentlichung gelten. Anders verhält es sich mit der breit angelegten Abhandlung über "Die Türkei am 50. Jahrestag der Republik", die Sonnenhol 1973 für einen unbe kannten Adressaten, möglicherweise aber auch nur zur eigenen Urteilsbil dung verfaßt hat. Jedenfalls findet sich von dieser im Nachlaß entdeckten Ar beit im Auswärtigen Amt in Bonn weder das Original noch eine Kopie. Ihre Veröffentlichung wird durch zwei Überlegungen gerechtfertigt: Einmal liegt uns hier, in den aktuellen Teilen, die authentische Analyse eines nicht-türki schen Zeitzeugen dieser bewegten Jahre der Türkischen Republik vor. Zum anderen deutet ein Vergleich dieses Textes mit späteren Äußerungen Sonnen hols auf eine Entwicklung seines Urteils in manchen Punkten hin. Ein solcher Vergleich legt auch die Schwierigkeiten offen, denen sich ein europäischer Beobachter vor allem zu Beginn seiner professionellen Tätigkeit in und mit der Türkei zumeist gegenübersieht: Er pflegt zwischen Faszination und Unverständnis, Sympathie und Ablehnung hin und her zu schwanken, zwischen Zuversicht in die potentielle Entwicklung des Landes und Skepsis, ob die von Atatürk vorgegebenen Orientierungen und Ziele durchgehalten und verwirklicht werden können, zwischen - endlich! - gelungenem Einfühlen in die Geisteswelt und Mentalität der Türken und Resignation dann, wenn die wohlmeinendste Absicht, vielleicht aus gegenseitigem Mißverstehen, einmal wieder enttäuscht wurde. Es zeichnet den sensiblen diplomatischen Beobachter Sonnenhol aus, daß er sich durch dieses auch ihm nicht erspart gebliebene Wechselbad der Ge fühle und sich wandelnde Erkenntnisse hindurchfand zu begründeten Stand punkten. So wurde er zu einem wirklichen Freund der Türkei und der Türken, eben aber, wie gesagt, zu einem Freund, der Recht und Pflicht des wahren Freundes auf Kritik beanspruchte und wahrnahm, und das in einer Weise, die von den Türken akzeptiert wurde. Diese Entwicklung Sonnenhols wird dem Leser bewußt bei einem Vergleich seiner Untersuchung über "Die Türkei am 50. Jahrestag der Republik" von 1973 mit der als kulturhistorischer Essay an gelegten Bilanz "Botschafter in der Türkei", die Anfang 1983 verfaßt, aber erst 1986 veröffentlicht wurde. 8 Konstruktive Kritik zeichnet auch den bereits erwähnten Vortrag über "Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen und die Europäische Ge meinschaft" vom Januar 1976 aus. Dieser Text verdient auch heute, da sich die Türkei um die Vollmitgliedschaft in der EG bemüht, besondere Aufmerksam keit, entstand er doch zu einer Zeit, in der noch nicht der gegenwärtige Kon sens aller maßgeblichen politischen Kräfte der Türkei im Bemühen um den Anschluß an Westeuropa bestand, vielmehr wurden seinerzeit die Ursachen für die akuten Probleme der türkischen Volkswirtschaft gerade in der EG Assoziation der Türkei gesehen. Der Vortrag zeigt auch exemplarisch eine der Stärken des Botschafters, seine fachmännische Durchdringung wirtschaftlicher Vorgänge, die ihn zur sachlichen, von seinen türkischen Partnern auf diesem Gebiet nicht nur ak zeptierten, sondern hochgeschätzten Kritik befähigte. Reizvoll übrigens ist auch hier ein Vergleich - zwischen dem Istanbuler Vortrag und der Bonner Rede über "Die Türkei und Europa", die wegen ihrer Grundsätzlichkeit und ihrer eindringlichen Argumentation bewußt an den Schluß der Sammlung gestellt wurde. Mehrfach geht Sonnenhol auf die Problematik der in der Bundesrepublik lebenden türkischen Arbeitnehmer und ihrer Familien ein. Seine klare, beide Seiten kritisierende Position wird manchen Widerspruch hervorrufen, und auch dem Herausgeber erscheint sie bisweilen als allzu pessimistisch getönt. Doch auch diejenigen, die eine künftige, zum Teil bereits bestehende multi kulturelle Gesellschaft nicht als Katastrophe, sondern als Chance für die Bun desrepublik und Europa begreifen, werden nicht umhin können, Sonnenhols sorgenvolle Sicht der Immigrationsfragen als verantwortungsbewußten, kei nesfalls ausländer- oder türkenfeindlichen Ressentiments dienlichen Diskus sionsbeitrag zu würdigen. Daß sich Sonnenhol nicht scheute, Kritik auch an die eigene Adresse zu richten, beweist sein viel beachteter und heute noch des öfteren zitierter Bei trag "Es wäre gut, die Türkei zum Freund zu behalten" in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 11. Dezember 1981, auf einem ersten Höhepunkt der Kritik in der westeuropäischen Öffentlichkeit an der von Sonnenhol vor ausgesehenen, als unvermeidlich erwarteten Militärherrschaft in der Türkei. Auch wer den Einwand erhebt, Sonnenhol habe die unbestreitbare Verletzung von Menschenrechten in der Türkei nach 1980 nicht entschieden genug ange mahnt und für den Protest in den westlichen Demokratien an den undemokra tischen Zuständen in der Türkei nicht das rechte Verständnis aufgebracht, sollte bei ehrlicher Betrachtung nicht leugnen können, daß bei bestimmten 9 westlichen Kritikern auch ein Gutteil Heuchelei mit im Spiel war, und gerade das hatte seinen Zorn erregt: Demokratie und Menschenrechte verteidigten diese Kritiker erst dann, als sie von der Armee suspendiert worden waren, nicht aber zuvor, als die türkischen Demokraten selbst der Demokratie das Grab zu schaufeln begonnen hatten. Nicht von ungefähr bestätigten drei lang jährige deutsche Kenner der Türkei Sonnenhol in seiner "Kritik der Kritik" mit zustimmenden Leserbriefen (sie werden im Anschluß an den F.A.Z. Artikel abgedruckt). Mit der beschriebenen Einschränkung jedoch besteht auch Sonnenhol darauf, daß sich die Türkei der Kritik ihrer Partner stellen müsse, gerade we gen ihrer EG-Ambitionen: "Wer einem Klub angehören will, muß die Spielre geln einhalten." (1985) Vor allem Einwände aus der Bundesrepublik können ebenfalls im Rahmen der gebotenen Einschränkung - nicht kurzerhand als Einmischung abgetan werden, denn "Wir sind für die Türkei kein normales Ausland". (1983) Ein Kernstück dieser Sammlung bildet ohne Zweifel der große Atatürk Essay mit dem bezeichnenden Untertitel "Kulturrevolution und Entwick lung", den Sonnenhol aus Anlaß des 100. Geburtstages des Gründers der Tür kischen Republik im Jahre 1981 in der Monatszeitschrift "Merkur" veröffent lichte - eine tiefschürfende Würdigung der Persönlichkeit des großen Refor mers und der Versuch eines abgewogenen Urteils über das Bleibende und die Defizite seines Werkes, eingebettet in die Erkenntnisse, die Sonnenhol über die Entwicklung des Osmanischen Reiches und der neuzeitlichen Türkei im Laufe der Jahre gewonnen hat. Eingestreut unter die aufgezählten und kurz erläuterten Beiträge Sonnen hols finden sich fünf Interviews, die er jeweils nach längeren Aufenthalten in der Türkei zwischen 1979 und 1985 dem Herausgeber für das Türkische Pro gramm der Deutschen Welle gab. In ihnen äußerte er sich pointiert in unmit telbarer Wiedergabe seiner Eindrücke zur aktuellen politischen und wirt schaftspolitischen Entwicklung der Türkei in diesen Jahren des Umbruchs und Neubeginns. Diese Interviews waren der eigentliche Ausgangspunkt für die noch zu Lebzeiten Sonnenhols entstandene Überlegung, einem breiteren Kreis von In teressenten seine Einschätzungen und Beurteilungen der Vorgänge in der Tür kei zugänglich zu machen. Seine mittlerweile erschienenen Artikel und Es says zur Türkei nährten diese Idee. Leider blieb keine Zeit mehr, den Plan mit dem Verfasser selbst zu be sprechen. Erst Monate nach seinem Tod wurde der Gedanke wieder aufgegrif- 10
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