Die Tür nach draußen öffnen Betreuungs- und Entlastungsangebote für pflegebedürftige Menschen Fachstellen Altern und Pflege im Quartier im Land Brandenburg 2 Clara Nickel, 70, Besucherin einer Betreuungs- gruppe für Menschen mit Demenz in Eggersdorf Ich habe mal im Außenhandel gearbeitet, habe Experten nach Mali und Neu Guinea und Sambia geschickt. Ja. Aber jetzt ist das nun so, dass ich bei meinen Kindern wohne. Da habe ich mein eigenes Zim- mer, aber trotzdem. Ich sag mir immer, man muss versuchen, aus allem das Beste zu machen. Und dass ich mit Claudia und mit meinem Fahrrad hierher- kommen kann, das ist das Beste. Das hier macht mir so viel Freude und es gibt mir Kraft. 3 4 Inhaltsverzeichnis 6..................Vorwort 8..................Altern und Pflege zu Hause –eine Herausforderung · Die Situation pflegebedürftiger Menschen · Die Situation von Menschen mit Demenz · Die Situation von pflegenden Angehörigen 22................Wie lässt sich Pflege in der Familie und im Alltag bewältigen? · Ein weiterer Rahmen für die Pflege daheim · Mehr Normalität in den Alltag bringen · Gemeinsamkeit tut gut – und sie ist möglich · Die ausgestreckte Hand annehmen – ehrenamtliche Begleiterinnen und Begleiter im Familienalltag ....................· Pflegegeld in mehr Hilfe ummünzen ....................· Starke Partner vor Ort helfen den Alltag sichern 42................Wichtige Fragen und Antworten · Türöffner werden gebraucht Gespräch mit Antje Baselau, Sozialarbeiterin und Mitarbeiterin der Fachstellen Altern und Pflege im Quartier im Land Brandenburg 53................Kontaktadressen 5 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, unsere Gesellschaft wird immer älter. Das ist gut und bietet viele Chancen, stellt uns aber besonders in der Pflege vor große Herausforderungen. Ange- sichts der steigenden Lebenserwartung nimmt die Anzahl altersbedingter Erkrankungen wie Demenz und damit die Zahl der hilfe- oder pflegebedürftigen Menschen gerade in Brandenburg deutlich zu. Die meisten Menschen wollen dort alt und gepflegt werden, wo sie den Großteil ihres Lebens verbracht haben. „Zu Hause bleiben, solange es irgendwie geht“, ist ihr größter Wunsch. Wir können von Glück reden, dass die familiäre Pflege in Brandenburg so gut funktioniert. Sie verlangt den Angehörigen aber viel ab, sie ist nicht selbstverständlich und braucht gute Rahmenbedingungen. Schließlich geht es ja um eine gute Pflege. Angehörige, die überfordert sind, können dies auf Dauer nicht leisten. Diese Broschüre soll pflegenden Angehörigen Mut machen, Hilfe in An- spruch zu nehmen. Pflegebedürftigkeit und Demenz sind keine Schande. Die große Verantwortung und Belastung der Angehörigen in der häusli- chen Pflege und Betreuung lassen sich deutlich leichter tragen, wenn es Stunden der Entlastung, Aktivitäten und Austausch mit anderen Angehö- rigen und kompetente Fachkräfte als Ansprechpartner gibt. Eine wichtige Unterstützung leisten hierbei schon heute in über 5.000 Fällen die nied- rigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote. Die Broschüre zeigt, wie gut es tut, sie in Anspruch zu nehmen und auch, welche Erfül- lung viele der rund 2.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer bei und durch ihre Arbeit erfahren. 6 In Zukunft wird die gezielte Unterstützung und Entlastung pflegender Angehöriger noch stärker an Bedeutung gewinnen. Niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten und müssen deshalb weiter ausgebaut werden. Die neue Auflage dieser stark nachgefragten Broschüre wurde vollstän- dig überarbeitet und erweitert. Sie stellt nicht nur die Situation von pflege- bedürftigen Menschen und von pflegenden Angehörigen einfühlsam dar, sondern zeigt auch ganz konkret, wie Betroffene wieder mehr „Normali- tät“ in ihren Alltag bringen können, insbesondere durch die Nutzung von niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangeboten. Hierfür gibt es viele gesetzliche Neuerungen. Auch wie Betroffene das Pflegegeld in mehr Hilfe ummünzen können, wird erklärt. Selbstverständlich kann diese Broschüre nicht alle Fragen beantworten. Für Ihre individuellen Fragen stehen viele Fachkräfte vor Ort aber auch die Pflegestützpunkte als kompetente Ansprechpartner zur Verfügung. Ein Verzeichnis wichtiger Kontaktadressen finden Sie am Ende dieser Bro- schüre. Ich möchte Sie ermutigen, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diana Golze Ministerin für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg 7 Altern und Pflege zu Hause – eine Herausforderung Die Situation pflegebedürftiger Menschen Alt werden möchte jeder, niemand aber möchte alt sein. Wie leicht ist das gesagt! Und wenn dann gar noch Pflegebedürftigkeit dazu kommt, die Ab- hängigkeit von der Unterstützung anderer – nein, das ist für die Allermei- sten nur schwer vorstellbar. Dabei betrifft es früher oder später sehr viele von uns. Zumindest dann, wenn wir wirklich alt werden. Und die Chancen dafür stehen heutzutage gut. In Brandenburg und überall in der Bundes- republik hat sich die Lebenserwartung innerhalb von nur 100 Jahren na- hezu verdoppelt. Eine 65-jährige Brandenburgerin hat heute statistisch noch gut 20 Jahre zu leben, bei einem gleichaltrigen Mann sind es zwar etwas weniger, aber immerhin auch mehr als 17 Jahre. Vor diesem Hintergrund erscheint die Anzahl der Pflegebedürftigen erst einmal gar nicht so hoch: Laut Pflegestatistik des Amtes für Statistik Berlin- Brandenburg von 2013 erhalten etwa 103.000 Menschen in Brandenburg Leistungen nach dem Pflegeversicherungsgesetz. Das sind rund 4,2 Pro- zent der hier Lebenden. Aber dieser Anteil wächst von Jahr zu Jahr – so wie auch der Altersdurchschnitt. Zwar gibt es auch sehr junge Pflegebe- dürftige, aber das Risiko steigt, je älter wir werden. 83,5 Prozent der Pfle- gebedürftigen sind über 65 Jahre alt. Und auch dabei gibt es noch einmal große Unterschiede: Sind bei den 70 bis 80-Jährigen nicht einmal zehn Prozent pflegebedürftig, so beträgt dieser Anteil bei den über 90-Jährigen mehr als drei Viertel! Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind übrigens groß: Männer werden zeitiger unterstützungsbedürftig und haben oft auch höhere Pflegestufen. Und doch stellen Frauen mit knapp 65 Prozent die Mehrzahl der Pflegebedürftigen. Auch ein anderer Wunsch ist eindeutig: Wenn schon alt und pflegebedürftig, dann wenigstens in den vertrauten vier Wänden! Das bezeugen Umfragen immer wieder. Ein Le- bensende im Heim möchten sich die Wenigsten vorstellen. In Branden- 8 burg geht diese Hoffnung für sehr viele Menschen in Erfüllung. Nicht ein- mal ein Viertel aller Pflegebedürftigen wurde 2013 in einer stationären Pflegeeinrichtung betreut. Über 77 Prozent der Menschen mit Unterstüt- zungsbedarf leben hierzulande zu Hause in der altvertrauten Wohnung oder auch bei Kindern oder anderen Verwandten. Die leisten Enormes und das oft ohne fremde Hilfe. Nur jeder bzw. jede Dritte nutzt Unterstüt- zung durch ambulante Pflegedienste. So positiv all diese Zahlen sind – sie sagen nichts aus über die tatsächli- che Lebenssituation. Wer allein daheim wohnt, kann sehr einsam sein. Wer darauf angewiesen ist, dass endlich mal jemand vorbei schaut, kann sich sehr hilflos fühlen. Viele Angehörige können sich erst abends oder am Wochenende kümmern, da sie berufstätig sind und das eigene Familien- leben organisieren müssen. Wie dann die persönliche Begleitung und der Alltag der unterstützungsbedürftigen Angehörigen gestaltet werden kön- nen, wissen die Wenigsten. Nur selten kommt es vor, dass sich die „Ge- meinschaft im Quartier“ wirklich kümmert. 9 Was ist aber nötig, um den Wunsch, zu Hause wohnen bleiben zu können, zu erfüllen? Wie lassen sich die unterschiedlichen Belastungen auflösen, wie die soziale Teilhabe und persönliche Begleitung im Alter trotz Unter- stützungsbedarf besser regeln, so dass das Älterwerden als positiver Le- bensabschnitt wahrgenommen werden kann? Gelingen kann dies nur, wenn alle Möglichkeiten der zusätzlichen Hilfe und Unterstützung genutzt werden, wenn die Tür nach draußen nicht verschlossen ist, sondern sehr weit offen steht! 10
Description: