BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER FORTGEFÜHRT VON WALTHER VON WARTBURG UND KURT BALDINGER HERAUSGEGEBEN VON MAX PFISTER Band 272 KONSTANZE JUNGBLUTH Die Tradition der Familienbücher Das Katalanische während der Decadencia MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN 1996 D 21 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme [Zeitschrift für romanische Philologie / Beihefte] Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie. - Tübingen : Niemeyer Früher Schriftenreihe Reihe Beihefte zu: Zeitschrift für romanische Philologie NE: HST Bd. 272. Jungbluth, Konstanze : Die Tradition der Familienbücher. - 1996. Jungbluth, Konstanze: Die Tradition der Familienbücher : das Katalanische während der Decadencia. - Tübingen : Niemeyer, 1996 (Beihefte zur Zeitschrift für Romanische Philologie ; Bd. 272) ISBN 3-484-52272-0 ISSN 0084-5396 © Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1996 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrover- filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Allgäuer Zeitungsverlag, Kempten Einband: Heinr. Koch, Tübingen Inhalt Vorwort IX 1. Das Familienbuch — eine europäische Tradition 1 1.1. Texttradition, Texttyp und Alltagssprache///engwaige popular 1 1.2. Formen des Familienbuchs 6 1.2.1. Das Stichwort Familienbuch 6 1.2.2. Das wissenschaftliche Interesse am Familienbuch 8 1.2.3. Unterschiede in den verschiedenen Sprachräumen 14 1.3. Beschreibung des Texttyps Familienbuch 16 1.4. Listen 21 1.4.1. Charakteristika der Liste 22 2. Der Gebrauch des Katalanischen zu Ende der Decadencia: Sprachverfall oder Sprachentfaltung? 27 2.1. Die Periodisierung der katalanischen Sprachgeschichte 27 2.2. Die Sprachen in Katalonien um 1800 30 2.2.1. Das geschriebene Katalanisch in gebrauchssprachlichen Texten....31 2.2.1.1. Kaufmännische Texte: Rechnungen und Buchführung 31 2.2.1.2. Notarielle Texte: Testamente/Eheverträge/Kaufverträge 35 2.3. Zur externen Sprachgeschichte 36 2.3.1. Politische Ereignisse 37 2.3.2. Kulturelle Veränderungen 39 2.3.2.1. Die Kaffeehäuser 40 2.3.2.2. El Diario de Barcelona 41 2.3.2.3. Die öffentliche Rede 42 2.3.2.4. Die Rolle der milicia urbana 42 2.3.2.5. Das Sprachbewußtsein zu Beginn des 19. Jahrhunderts 42 2.3.2.6. Die Sprachkompetenz 43 2.3.2.7. Der Schulunterricht oder Maßstäbe zur angemessenen Beurteilung statistischer Analphabetenwerte 44 V 2.4. Grammatikographie und Lexikographie 48 2.4.1. Die beiden Grammatiken von Josep Ullastra und von Josep Pau Ballot 48 2.4.2. Zeitgenössische Lexika 52 3. Die ausgewählten Familienbücher und vergleichbaren Quellen 55 3.1. Die Auswahl der Manuskripte 55 3.2. Die Vorstellung der Manuskripte 57 3.2.1 Das Familienbuch von Joan Bautista Serinana 57 3.2.1.1. Die Manuskriptgestaltung 57 3.2.1.1.1. Das Manuskript — ein unicum? 60 3.2.1.2. Der Autor 61 3.2.1.3. Der Inhalt der komplett erhaltenen Quelle ist exemplarisch fur die Textsorte Familienbuch 63 3.2.1.3.1. Der Inhalt der Notas del tems 65 3.2.1.4. Zur Beurteilung der ausschnitthaften Textwiedergabe im Aufsatz von Josep Clavaguera 69 3.2.2. Die Memories d'unpages von Sebastia Casanovas 70 3.2.2.1. Die Manuskriptgestaltung 70 3.2.2.2. Der Autor und der biographische Inhalt seines Manuskripts... 73 3.2.2.2.1. Das Fragment steht exemplarisch fur das Nachdenken über die Aufgaben des Familienbuchschreibers 80 3.2.2.3. Dem Familienbuch beigelegte Schriftstücke 84 3.2.2.4. Die Situation der Witwen — zur Illustration einer Auswertung der Quellen unter sozialhistorischer Perspektive 90 3.2.2.5. Die vorliegende Edition 94 3.2.2.5.1. Die Kriterien der Transkription 94 3.2.2.5.2. Die Kommentare der Herausgeber 95 3.2.3. Das anonyme Manuskript Successos de Barcelona 97 3.2.3.1. Die Manuskriptgestaltung 97 3.2.3.2. Der Autor 103 3.2.3.3. Der Inhalt 104 3.2.3.4. Die vorliegenden Editionen 107 3.2.3.5. Das Fragment ist exemplarisch fur die prekären Überlieferungsbedingungen der Familienbücher 110 VI 4. Beschreibung der Alltagssprache der menestrals undpagesos im 18. und 19. Jahrhundert/ El llenguatge popular 116 4.1. Zur Relevanz einer Beschreibung auf der Grundlage überlieferter Texte 116 4.2. Einzelsprachliche Beschreibungen zum Katalanischen des 18. Jahrhunderts und des catalä colloquial 117 4.3. Kriterien der Beschreibung 120 4.4. Zur Graphie der Manuskripte 120 4.4.1. Der Akzent 120 4.4.2. Die Interpunktion und die Schreibweise 121 4.4.3. Groß- und Kleinschreibung 122 4.4.4. Eigennamen 123 4.5. Phonologie 124 4.5.1. Die Vokale 124 4.5.1.1. Vokale in betonter Stellung 124 4.5.1.2. Die unbetonten Vokale 124 4.5.1.2.1. Die Addition von Lauten 126 4.5.2. Die Konsonanten 127 4.5.2.1. Die Addition von Lauten im Auslaut 131 4.5.2.2. DerHiat 131 4.6. Morphosyntax 132 4.6.1. Das Nominalsystem 132 4.6.1.1. Substantiv und Adjektiv 132 4.6.1.1.1. Die Pluralbildung 132 4.6.1.2. Artikel 134 4.6.1.3. Pronomina 135 4.6.1.3.1. Demonstrativpronomen 135 4.6.1.3.2. Indefinitpronomen 137 4.6.1.3.3. Possessivpronomen 137 4.6.1.3.4. Personalpronomen 139 4.6.1.3.4.1. Subjektspronomina 139 4.6.1.3.4.2. Objektspronomina 139 4.6.1.3.5. Relativpronomen 140 4.6.2. Das Verbalsystem 141 4.6.2.1. Unpersönliche Formen 141 4.6.2.1.1. Infinitiv und Gerundium 141 4.6.2.1.2. Das Passiv ...142 4.6.2.2. Persönliche Formen 143 4.6.2.2.1. Der Indikativ 143 4.6.2.2.2. Der Konjunktiv 146 4.6.3. Präpositionen 148 VII 4.6.4. Konjunktionen 151 4.6.4.1. Diskussion zu que 153 4.7. Lexik 159 4.7.2. Wortbildung 162 4.7.2.1. Präfixbildung 162 4.7.2.2. Suffixbildung 163 4.8. Pragmatik 163 4.8.1. Die Deixis 163 4.8.2. Expressive Mittel 166 4.8.2.1. Mittel der Hervorhebung 166 4.8.2.2. Beschimpfungen 166 4.8.2.3. Sprichwörter und Redensarten 168 4.9. Der Varietätenraum 170 5. Kontinuität und Bruch 173 6. Transkription 177 6.1. Kriterien der Transkription 177 6.2. Transkription der Notas del tems aus dem Familienbuch von Joan Serinana 178 7. Abbildungsverzeichnis 213 8. Bibliographie/feiMogra/ra 214 VIII Vorwort «Die Tradition der Familienbücher. Das Katalanische während der Decaden- cia.» - der Titel dieser sprachhistorischen Arbeit beinhaltet die beiden haupt- sächlichen Fragestellungen, die den hier enthaltenen Forschungen zur Textsor- tengeschichte einerseits und zur katalanischen Sprache andererseits zugrunde- gelegt sind. Wie läßt sich die Textsorte Familienbuch charakterisieren und in welcher Tradition steht sie? Wie ist das Katalanische zur Zeit der Decadencia zu beschreiben? Das Interesse fiir die katalanische Sprache hatte bereits meine erste umfang- reichere wissenschaftliche Arbeit geprägt. Damals ging ich unter soziolingui- stischer Perspektive der Frage nach, wie die Schulen Barcelonas mit der Spra- chenfrage im nachfrankistischen Katalonien umgingen. Das erneute Engage- ment für die wissenschaftliche Arbeit wandte sich im Gegensatz hierzu der Sprachgeschichte zu. Diese Veränderung des Blickwinkels beruht auf dem Verständnis, daß «gerade im Hinblick auf ein nicht-resignatives Geschichts- verständnis (...) die Beschäftigung mit der (Sprach)geschichte unumgänglich ist, ja die Beschränkimg auf die Analyse des Gegenwärtigen auch den Verlust der Zukunft bewirkt.»1 Unter der Bezeichnung Decadencia werden die mehr als drei Jahrhunderte des kulturellen <Niedergangs> Kataloniens zusammengefaßt, die auf das Gol- dene Zeitalter der katalanischen Literatur im 15. Jahrhundert folgen, das durch die Expansion Kataloniens im Mittelmeerraum geprägt war. Der erneute wirt- schaftliche und kulturelle Aufstieg Kataloniens im 19. Jahrhundert charakteri- siert die Zeit der Renaixenga, in der das Katalanische als Literatursprache wie- dergeboren wurde. Auch die wissenschaftlichen Arbeiten bezogen sich bisher hauptsächlich auf diese beiden Zeiträume wirtschaftlicher und kultureller Grö- ße Kataloniens, die Zeit der Decadencia dagegen ist wenig erforscht. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn die Untersuchun- gen, die für die Zeit der Renaixenga vorliegen, erkennen lassen, daß die Aus- gangssituation für die unter Philologen und Politikern ausgetragenen Kontro- versen im Hinblick auf die Normierung des Katalanischen bisher nur sehr schemenhaft bekannt war. Der Versuch einer (Wiedergeburt) (la Renaixenga) beinhaltet als Kehrseite auch die Abgrenzungen davon, was gerade nicht gefordert werden soll - der • Schlieben-Lange 1983:10. IX <vulgäre> Sprachgebrauch zum Beispiel. Kontroversen bestehen aber nicht nur zwischen den Gegnern der Renaixenga, sondern auch zwischen den Förderern der Renaixenga — etwa über die Frage, inwieweit historische Modelle und wel- che für die zu schaffende Literatursprache Katalanisch Vorbild sein können^. Was hat man sich unter dem verachteten <vulgären> Sprachgebrauch vorzu- stellen? Welche Schreibtraditionen wurden jenseits des literarischen Bereichs gepflegt? Wie sah das zeitgenössische, populäre Katalanisch aus, das die Ver- treter des catala que ara 's parla auf ihre Flagge geschrieben hatten? Stimmte ihr Argument, daß die Rezeptionsgewohnheiten des Volkes eine an der kasti- lischen Orthographie angelehnte Normierung des Katalanischen verlangten? Sie (die Vertreter des catala que ara 's parla) gehen davon aus, daß das Volk, wenn über- haupt, dann nur die kastilische Orthographie lesen könne, die Schreibung des Katalani- schen sich deshalb an dieser zu orientieren hätte und nicht traditionell sein dürfe3. Ein erster Überblick über die in katalanischer Sprache für den Zeitraum zwi- schen etwa 1700 und 1850 vorliegenden Textsorten zeigt, daß sich die Text- sorte Familienbuch in besonderer Weise fiir die angestrebte einzelsprachliche Beschreibung eignet. Einerseits ist sie eine Textsorte des Diskursuniversums Alltag, andererseits enthält sie unterschiedliches Sprachmaterial, da die Quellen sowohl listenähnliche, als auch in erzählendem Duktus verfaßte Teile beinhal- ten. Wie auch einer der beiden während der Forschungsarbeiten entstandenen Aufsätze in seinem Titel dokumentiert, strebte ich ursprünglich eine Rekon- struktion der gesprochenen Sprache an. Die Rezeption der im Umfeld des Saarbrücker Romanistentags 1979 einerseits4 und der in Freiburg entstandenen Arbeiten zum Spannungsfeld zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit ande- rerseits hat zu einer treffenderen Einordnung des untersuchten Sprachmaterials geführt. Die Anwendung des aus dem Freiburger Forschungszusammenhang entstandenen, von Peter Koch und Wulf Oesterreicher vorgestellten Modells eines sprachlichen Kontinuums, das sich zwischen einem nähesprachlichen und einem distanzsprachlichen Pol bewegt®, zeigt, daß das untersuchte Sprachma- terial einen schriftsprachlichen Gebrauch des im 18. und 19. Jahrhundert ver- wendeten Katalanisch repräsentiert, der deutlich nähesprachlich geprägt ist. Im Bemühen, die konkreten Quellen in einen allgemeineren Rahmen einzu- ordnen, machte mich meine Doktormutter auf die 1993 erschienene Habilita- tionsschrift von Christof Weiand aufmerksam, der für Italien die Textsorte libri 2 Neu-Altenheimer 1990:9. Ergänzung in Klammern von mir. Zur leichteren Lesbarkeit wurde z.B. am Satzende abweichend vom Original ausgeschrieben. 3 Meisenburg 1991:57. Ergänzung in Klammern von mir. 4 Stellvertretend seien genannt: Ernst 1980, 1985, Hausmann 1980, Holtus/Radtke 1985, Schmitt 1980, Schweickard 1983. 5 Freiburger Sonderforschungsbereich unter Leitung von Wolfgang Raible. 6 Koch/Oesterreicher 1985. X