Die therlllodynalllischen Eigenschaften der Metalloxyde Ein Beitrag zur theoretischen Hüttenkunde von Dr .-Ing. Werner Lange Professor fur Metallhüttenknnde an der Bergakademie Freiberg Mit 16 Abbildungen Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1949 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1949 Ursprünglich erschienen bei Springer -Verlag, OHG, Berlin -Göttingen -Heidelberg 1949 ISBN 978-3-540-01397-6 ISBN 978-3-642-92527-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-92527-6 Nr. IU 4014/48-4964/48 Vorwort. Die vorliegende Arbeit ist die erweiterte Fassung einer während des Krieges am Metallhütten-Institut der Technischen Hochschule Berlin eingereichten Dissertation, die nach ihrer Fertigstellung aus zeitbeding ten Gründen nicht veröffentlicht werden konnte. Sie befaßt sich mit einem Gebiet der theoretischen Hüttenkunde, das besonders bei den Hüttenleuten in Deutschland noch wenig Anklang gefunden hat. Die Ursache für diese Zurückhaltung der chemischen Thermodynamik gegen über ist nur zu einem Teil die Folge der skeptischen Einstellung gegen über aller Theorie. Zu einem wesentlichen Teil ist sie mit darauf zurück zuführen, daß es bisher versäumt wurde, diese Theorie den mehr auf praktische Fragen orientierten Metallurgen nahezubringen und an Bei spielen ihren Wert darzustellen. Anders als in den beiden wichtigen Nachbargebieten der Metallgewinnung, in der Chemie und in der Metall kunde, steht hier die theoretische Untersuchung der einzelnen Prozesse noch in den Anfängen. Diesen von jedem wissenschaftlich interessierten Metallurgen empfundenen Mangel beheben zu helfen, ist der Sinn dieser Arbeit. In gegenüber der ursprünglichen Fassung erweiterter und zum Teil ergänzter Form betont sie insbesondere in der Behandlung der Rechnungsgrundlagen und in den Rechnungsbeispielen den eben ent wickelten Standpunkt. Die Schrift ist in erster Linie für den Metallurgen gedacht, der sich im besonderen Maße für die Chemie der hohen Temperaturen inter essieren muß. Die Ableitung der Rechnungsmethoden ist verhältnis mäßig eingehend behandelt worden, damit auch der nicht geübte, je doch mit den Grundlagen der Thermodynamik vertraute Leser in der Lage ist, ohne weiteres Literaturstudium die Schrift durcharbeiten zu können. Der Aufwand an Mathematik beschränkt sich auf die ein fachen Grundregeln der Differentiation und Integration, so daß auch von dieser Seite aus das Verständnis nicht erschwert wird. Die vorliegende Arbeit umfaßt nicht alle Metalloxyde, deren Daten so weit bekannt sind daß Affinitätsgleichungen aufgestellt werden kön nen. Auf ihre zusätzliche Bearbeitung mußte verzichtet werden, um die Drucklegung nicht noch weiter zu verzögern. Die Notwendigkeit zur kritischen Durcharbeitung aller verfügbaren Daten dieser Oxyde bleibt bestehen. Die gleiche Aufgabe wird sich dann, wenn genauere Messungen vorliegen, auch für die in dieser Arbeit behandelten Oxyde IV Vorwort. neu ergeben. Soweit die Gleichungen nicht errechnet wurden, können sie auf Grund der in Handbüchern zusammengefaßten Daten leicht ab geleitet werden. Herrn Prof. KOHLMEYER, auf dessen Anregung hin die vorliegende Arbeit ausgeführt wurde, bin ich für zahlreiche Diskussionen sowie die an der Fortführung der Arbeit genommene Anteilnahme zu besonderem Dank verpflichtet. Den Herren Dr.-Ing. habil. W. LEITGEBEL und Dr. H. MICHAELIS danke ich für ihre Kritik während der Durchführung der Arbeit. Schließlich danke ich Herrn Dipl.-Ing. R. FICHTE für die Unter stützung beim Lesen der Korrekturen. Freiberg, den 1. Mai 1949. WERNER LANGE. Inhaltsverzeichnis. Seite I. Einleitung. . . . . 1 11. Grundlagen der Gleichgewichtsberechnung 5 a) Formelgrößen ...... . 5 b) Rechenmethode . . . . . . . . . . . 7 c) Reaktionsthermodynamik und Stoff thermodynamik 16 III. Affinitätsgleichungen vorn Kohlenrnonoxyd, Kohlendioxyd und Wasser- dampf ............. . 18 IV. Affinitätsgleichungen der Metalloxyde 22 Silberoxyd . . . 22 Aluminiumoxyd . 24 Arsen(III)-Oxyd 28 Bariumoxyd . 29 Berylliumoxyd . 30 Kalziumoxyd . . 30 Kobalt(II)-Oxyd 32 Chrom(III)-Oxyd 34 Kupfer(II)-Oxyd 36 Kupfer(I)-Oxyd . 37 Eisen(II)-Oxyd . 40 Eisen{II, IU) Oxyd 46 Magnesiumoxyd . 50 Mangan(II)-Oxyd 51 Natriumoxyd . 54 Nickeloxyd . . . 56 Bleioxyd .... 59 Silizium(IV)-Oxyd 61 Zinn(IV)-Oxyd . . 63 Zink oxyd 65 V. Beispiele für die Anwendung der abgeleiteten thermodynamischen Glei- chungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Berechnung der Löslichkeit von Sauerstoff in geschmolzenem Silber 68 b) Metall-Schla,cken-Gleichgewichte in den Systemen Fe-Mn-O und Fe-Si-O . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71 c) Die Gewinnung von reinem Aluminium durch Reduktion von Tonerde mit Kohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 VLLiteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 VII. Tabellarische Zusammenstellung der Affinitätsgleichungen 101 I. Einleitung. Die Anwendung der Thermodynamik in der Metallurgie ist heute noch weitgehend auf die Verwendung von Bildungs- und Reaktions wärmen beschränkt. Man verzichtet damit auf eine Möglichkeit zur Vertiefung unserer Kenntnisse von den metallurgischen Reaktionen, die bei der Fülle der zu lösenden Aufgaben auf experimentellem Wege allein nicht zu erzielen ist. Sicher wird die letzte Entscheidung beim Experiment liegen. Aufgabe der thermodynamischen Rechnung soll es jedoch sein, zu entscheiden, welches Experiment sinnvoll ist und wel ches nicht, um damit die Zahl der zur Lösung eines metallurgischen Problems notwendigen Experimente wirkungsvoll zu beschränken. Wie weit die thermodynamische Betrachtung einer Reaktion in der Lage ist, ein anschauliches Bild der Reaktion zu geben, soll kurz an einem Beispiel erörtert werden. Bei der thermischen Zinkgewinnung wird das Oxyd nach der Summenreaktion + + ZnO C = Zn CO reduziert. Diese Gleichung ergibt sich aus der Addition der Teil reaktionen ZnO + co = Zn + CO2 und CO + C = 2CO, 2 welche nach der üblichen Auffassung den Reaktionsablauf bestimmen. Die Bildungswärmen und Affinitätszahlen der an diesen Umsetzungen beteiligten Stoffe sind bekannt bzw. lassen sich leicht aus vorhandenen Zahlen errechnen. In Abb. 1 ist die Temperaturabhängigkeit dieser thermodynamischen Größen für die einzelnen Stoffe aufgetragen. Es ist zu ersehen, daß die Werte für die "Bildungsenthalpien" 1 annähernd konstant bleiben und lediglich an den Schmelz- und Siedepunkten Sprünge aufweisen, deren Größe der Schmelz- bzw. Verdampfungs wärme entspricht. Dagegen zeigt der Verlauf der Kurven für die "freie Bildungsenthalpie", welche das exakte Maß für die Affinität ist, eine 1 Wegen der Kennzeichnung der thermodynamischen GrößEln sei auf die Aus· fiihrungen unter II, Grundlagen der Gleichgewichtsberechnung, insbesondere auf Tab. 1, hingewiesen. Lange, Metalloxyde. 1 2 Einleitung. starke Temperaturabhängigkeit. Während die Werte für die Reaktion Zn+%02=ZnO und in geringerem Maße für die Reaktion co + %02 = CO2 mit steigender Temperatur abfallen, nehmen diejenigen für die Reaktion + cal C % O2 = CO -20000 .1I,L16 -.u- L-11 ---r--- --- --- L ~-- r--- ....- -JOOOO V ~6 ............ .............: -110000 V r............ K ~ -50000 ".. "..,...., ::7' ~ 1Il~ .,/ r............ ........ -GOOOO " L ~ ......... -......-..... r1-Il -L1-1 -"7 -- r--- i--_. -70000 '" ~ -80000 --..., ------,- r-.r L1j- -90000 Reaktionen -100000 - I Zn + 1/20Z = ZnO 1l C + 1/2 02 = CO Dl CO + 1/2 O2 = CO2 -- ---- - -110000 .... ~ 300 500 700 900 1100 1JOO 1500 1700 TOK Abb. 1. Temperaturabhängigkeit der Reaktionsenthalpie JI und der freien Reaktionsenthalpie JGo für die Reaktionen: 1111I1 ZCCO n +++ YyY... 000,,, ~~~ CCZOnOO , JJGIo -- ----- beträchtlich zu. Hieraus ist deutlich die mit steigender Temperatur zunehmende Reduktionswirkung des Kohlenstoffs zu erkennen. In Abb. 2 sind für die Reaktionen der Zinkoxydreduktion die Werte von LI! und LlG in Abhängigkeit von der Temperatur aufgetragen. Die Kurven für die Reaktionsenthalpie LI! verlaufen ausschließlich im Ge biet der positiven Werte, was nach der gewählten Vorzeichengebung Einleitung. 3 bei Gültigkeit des Berthelotschen Prinzips gegen die Möglichkeit eines Reaktionsablaufes sprechen würde. Dagegen fallen die Kurven für !JG mehr oder weniger steil mit der Temperatur ab. Während für die Re- cal ,..-1-__ t--_ 1-- 80000 AI;LJ6 70000 --- 60000 __ ..I r---- 1---- I-. IV ,1I 50000 --- ------ --- ~4.I~_ _ -----I-- 1/0000 Ud ~-~ I-- ~ 30000 N LiG ~ 20000 " .Y LJI I~ I--~ ~--I- ~yL-J-a '" ~ '" .......... 10000 '" " "'"" ~ r--... o ~ "- ........ ~\ ~ i\ -10000 "'- ~ -20000 " Reaktionen -JOOOO r- n ZnO +C = Zn+CO Jl ZnO +CO = Zn + CO2 'f0. 1!l CO2 +C =2CO 1\ -110000 JOO 500 700 900 1100 1300 1500 170010 ' K Abb. 2. Temperaturabhaugigkeit der Reaktionsenthalpie LlI und der freien Reaktionsenthalpie Llqo fur die Reaktionen der thermischen Zinkgewinnung. LlI - - - - Llqo --~ duktion mit Kohlenstoff die Nullinie bei rund 9450 C geschnitten wird, ist dies bei der Reduktion mit CO erst bei 1320° C der Fall. Der Ver lauf dieser beiden Kurven ist mit ein Grund fur die Notwendigkeit, bei 1* 4 Einleitung. der technischen Zinkoxydreduktion ein ausgedehntes Temperaturinter vall zu durchlaufen. Die bei niederer Temperatur einsetzende Kohlen stoffreduktion kann nur soweit ablaufen, wie Kohlenstoff und Zink oxyd in unmittelbare Berührung miteinander gelangen. Sind die von der Vorbereitung der Charge abhängenden Möglichkeiten der Kohlen stoffreduktion ausgenutzt, so kann die weitere und weitgehende Ent zinkung nur durch Temperatursteigerung und damit zunehmender Wirk samkeit der Reduktion mit CO erreicht werden. Mit dieser Darstellung sind die chemischen Vorgänge bei der Reduk tion von Zinkoxyd nur ganz kurz gestreift worden. Eine vollständige Auswertung der Rechnung würde die Berechnung der Gleichgewichts konstante und damit die Erfassung der Zusammensetzung der Gas phase notwendig machen. Darüber hinaus wäre die Affinität der Doppel oxydbildung, insbesondere der Bildung von Ferriten, zu berücksich tigen. Es kann nicht die Aufgabe dieser Einleitung sein, die thermo dynamischen Grundlagen der Zinkoxydreduktion eingehend zu disku tieren. Es sollte jedoch an einem Beispiel das Ziel dieser Arbeit gezeigt werden, dem praktischen Metallurgen einen Teil der Rechnungsunter lagen in die Hand zu geben, die es ihm erlauben, Gleichgewichte zu berechnen oder abzuschätzen. Die eigene Arbeit beschränkt sich auf die Metalloxyde. Es werden die bereits experimentell bestimmten thermodynamischen Daten der Metallox-yde sowie die an diesen Oxyden durchgefüJuten Messungen von Reduktionsgleichgewichten dazu be nutzt, Affinitätsgleichungen aufzustellen. Das über Sulfide, Karbide und Karbonate vorliegende experimentelle Material ist bereits von K. K. KELLEY [44-51] kritisch ausgewertet worden (s. Anhang). Mag die von KELLEY gewählte und hier übernommene Art der Be handlung des umfangreichen, zahlreiche Widersprüche enthaltenden Materials die Gefahr mit sich bringen, daß von seiten des Experimen tierenden eine gründliche Beschäftigung mit der Thermodynamik als überflüssig erachtet wird, so ist es doch nur durch diese "Mechanisie rung" der Rechnung möglich, den erheblichen Zeitaufwand für das Sammeln und Prüfen der Zahlenunterlagen einzusparen und die Vor aussetzung für eine weitere Verbreitung der thermodynamischen Rechen methoden zu schaffen. Die Frage, welches Vertrauen in den Wert der Rechnung bei unserer heutigen Kenntnis der thermodynamischen Eigenschaften der Stoffe gerechtfertigt ist, wird auch durch die eigene Rechnung dahingehend beantwortet, daß die Zahl und die Genauigkeit der vorliegenden Mes sungen im Laufe der Jahre so weit gediehen sind, daß qualitative, bei einfachen Reaktionen auch quantitative Aussagen gemacht werden können. Die noch vorhandenen Lücken zeigen jedoch, daß die Not wendigkeit zur Durchführung zahlreicher weiterer Messungen nach wie