DIE GRUNDLEHREN DER MATHEMATISCHEN WISSENSCHAFTEN IN EINZELDARSTELLUNGEN MIT BESONDERER BERÜCKSICHTIGUNG DER ANWENDUNGSGEBIETE GEMEINSAM MIT W. BLASCHKE M. BORN C. RUNGE HAMBURG GÖTTINGEN GÖTTINGEN HERAUSGEGEBEN VOJ:\ R. COURANT GÖTTINGEN BAND V GRU PPENTH EO RIE VON ANDREAS SPEISER Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH DIE THEORIE DER GRUPPEN VON ENDLICI~IER ORDNUNG }JlT ANWENDUNGEN AUF ALGEBRAISCHE ZAHLEN UND GLEICHUNGEN SOWIE :\UF DIE KRISTALLOGRAPHIE VON ANDREAS SPEISER ORD. PROFESSOR DER ;\IATHEMATIK ..\:\' DER I;KIVERSIT:4.TZüRICH Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER üBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. ISBN 978-3-662-41973-1 ISBN 978-3-662-42031-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-42031-7 Copyright 1923bySpringer-Verlag Berlin Heidelberg Ursprünglicherschienen beiJuliusSpringer inBerlin 1923. Softcoverreprint ofthehardcover Istedition 1923 Vorwort. In ihren elementareren Teilen besteht die Gruppentheorie aus einer Reihe vielleicht nicht immer völlig organisch zusammenhängender Methoden und Begriffe, und die Gliederung des Stoffes ist hier schon in hohem Maße festgelegt. Wem unsere Darstellung etwas knapp erscheint, den verweisen wir zur Ergänzung auf die ausgezeichneten und ausführlichen Darstellungen von Weber (Algebra, Bd. 2) und von Netto (Gruppen- und Substitutionentheorie, Leipzig 1908). Beim Studium dieser Anfangsteile braucht man sich keineswegs streng an die Reihen folge der Paragraphen zu halten, sondern im allgemeinen werden die ersten Paragraphen der einzelnen Kapitel leicht verständlich sein, die späteren dagegen wesentlich schwerer. Erst mit der Theorie der Substitutionsgruppen setzt eine weit tragende und systematische Theorie ein, die, wie wir am Schluß zu zeigen versuchen, noch lange nicht ausgeschöpft ist. Sie kommt im Grunde auf eine zahlentheoretische Behandlungsweise heraus, deren Terminologie (Produkt, Multiplizieren usw.) ja bereits von Anfang an erscheint. Entsprechend dem Plane dieser Sammlung von Einzeldarstellungen wurde den Anwendungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Neben mannigfaltigen algebraischen und zahlentheoretischen Sätzen kommt hier in erster Linie dic Kristallographie in Betracht. Diese besitzt ja gegenüber allen anderen Fällen des Gelingens mathematischer Natur beschreibung den Vorzug größtcr begrifflicher Einfachheitund strengster arithmetischer Präzision. Bei der Durchsicht der Korrekturen haben mich die Herren Prof. Dr. R. Courant, Prof. Dr. R. Fueter und Prof. Dr. G. Polya unterstützt und auf manche Verbesserungen hingewiesen, wofür ihnen hier aufs beste gedankt sei. Mein Dank gilt ferner meiner Frau, die mir bei der Herstellung des Manuskriptes geholfen hat. Zürich, im Dezember 1U22. A. Speiser. Inhaltsverzeichnis. 1. Kapitel. Die Grundlagen. Seite ~ 1. Die Postulate des Gruppenbegriffs I § 2. Die Gruppentafel . . . 3 § 3. Untergruppen 5 § 4. Beispiele von Gruppen 7 § 5. Elementenkomplexe . . 12 2. Kapitel. Normalteiler und Faktorgruppen. ~ 6. Normalteiler . . . . . . . . . . 14 § 7. Faktorgruppen . . . . 17 ~ 8. Isomorphe homomorphe Gruppen 19 § 9. Der Hauptsatz über Normalteiler 21 § 10. Kompositionsreihen . 22 § 11. Hauptreihen . . . . . . . 24 § 12. Kommutatorgruppen 26 § 13. Ein Theorem von Frobenius 28 3. Kapitel. Abelsche Gruppen. § 14. Basis einer Abelschen Gruppe. . . . . . . . . . . . . . . , 30 § 15. Untergruppen und Faktorgruppen einer Abelschen Gruppe . . . 33 ~ 16. Die Galoisschen Imaginären und Reste nach Primzahlpotenzen . 31) 4. Kapitel. Konjugierte Untergruppen. § 17. Normalisatoren . . . . . . . . . . . . . . . . 38 § 18. Zerlegung einer Gruppe nach zwei Untergruppen . 39 5. Kapitel. Sylowgruppen und p -Gruppen. §19. Sylowgruppen . •.. • . . . . . .. • .. . 41 §20. Normalisatoren der Sylowgruppen . . • . . . . 43 § 21. Gruppen, deren Ordnung eine Primzahlpotenz ist 45 § 22. Spezielle p-Gruppen . •.. . . . .. . . . . 47 vu Inhaltsverzcichnis. li. Kapitel. Kristallographische Gruppen. Seite ~ ~;~. Die ebenen Gitter . 52 S24. Die Raumgitter • . 54 ~ 25. Die Kristal1klassen 58 7. Kapitel. Permutationsgruppen. S26. Zerlcgumr der Permutationen in Zyklen. . . . . . • . (;0 ~ 27. Die symmetrische und alternierende Permutationsgruppe 63 *S2t:. Transitive und intransitive Permutationsgruppen 65 29. Darstellung von Gruppen durch Permutationen 67 ~ ~O. Primitive und imprimitive Permutationsgruppen 71 ~ ;ll. Die Charaktere einer Permutationsgruppe 73 8. Kapitel. Automorphismen. * 32. Automorphismen einer Gruppe 74 S~3. Charakteristische Untergruppen einer Gruppe 79 *~ 34. Vollständige Gruppen . . . . . . . 80 35. Automorphismen Abelscher Gruppen 82 S~6. Zerleghare Gruppen . . . . . . . . 86 9. Kapitel. * Monomiale Gruppen. :Ji. :'Ilonomiale Gruppen . 90 as. ~ Ein Satz von Burnsidc . . . . . 93 S~9. Herstellung sämtlicher monomialer Gruppen 96 10. Kapitel. Darstellung der Gruppen durch lineare homogene Substitutionen. S40. Substitutionen . . . . . . . . . . . . . . . . 98 ~ 41. Substitutionsgruppen . . . . . . . . . . . . . 102 S42. Reduzible und irrcduzible Substitutionsgruppen 10;, ~ 43. Die Fundamentalrelationen der Koeffizienten irreduzibler Substitu- tionsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 11. Kapitel. Gruppencharaktere. ~ 44. Äquivalenz von Substitutionsgruppen . . • . . . . . 115 ~ 45. Weitere Relationen zwischen den Gruppencharakteren 116 ~ 46. Die Gruppendeterminante . . . . . . . . 118 ~ 47. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ~*48. Yollständige Reduktion der Gruppenmatrix 124 49. Einige Beispiele für die Darstellung von Gruppen 127 12. Kapitel. Anwendungen der Theorie der Gruppencharaktere. * *;)U. Ein Satz von Burnsidc über einfache Gruppen . 13;) ;-;1. Primitive und imprimitive Substitutionsgruppen 136 ~ ;'2. Vollständige Reduktion imprimitiver Gruppen . 140 nn Inhaltsverzeichnis. 13. Kapitel. Aritmethische Untersuchungen über Substitutionsgruppen. Seite §53. Beschränkung auf algebraische Zahlkörper 147 §54. Gruppen im Körper der rationalen Zahlen . 150 § 55. Beziehungen zur Kristallographie 154 14. Kapitel. Gruppen von gegebenem Grade. S56. Die endlichen Substitutionsgruppen vom Grade 11 157 §57. Der Satz von Jordan 159 § 58. Substitutionen in Galoisfeldern . . 164 § 59. Raumgruppen . . . . . . 169 15. Kapitel. Gleichungstheorie. § 60. Die Lagrangesche Gleichungstheorie 173 § 61. Die Galoissche Gleichungstheorie . . . . . 176 §62. Anwendungen der allgemeinen Gruppentheorie . 181 § 63. Anwendung der Substitutionsgruppen 184 Schluf 190 Namenverzeichnis 192 Sachverzeichnis . 193 1. Kapitel. Die Grundlagen. § 1. Die Postulate des Gruppenbegriffs. Ein System von Elementen bildet eine Gruppe, wenn folgende vier Postulate erfüllt sind: I. Das Gruppengesetz: Jedem geordneten Paar von gleichen oder verschiedenen Elementen des Systems ist eindeutig ein Element desselben Systems zugeordnet, das Produkt der beiden Elemente. Die Formel dafür ist: AB = C. 11. Das Assoziativgesetz: Für die Produktbildung gilt die Gleichung: (AB)C == A(BC). Nicht verlangt wird jedoch das Kom mutativgesetz AB = BA. III. Das Einheitselement: Es gibt ein Element E, das für jedes Element A des Systems folgendem Gesetz gehorcht: AE = EA = A. E heißt das Einheitselement oder die Einheit der Gruppe. IV. Das inverse Element: Zu jedem Element A gibt es ein inverses Element A-1, das der Gleichung genügt: AX = E. Eine Gruppe, bei der alle Elemente mit einander vertauschbar sind, heißt eine kommutatire oder Abelscbe Gruppe. Ist die Anzahl der Elemente endlich, so heißt die Gruppe eine end licheGrUIJpe. DieAnzahl derElemente heißt die Ordnung derGruppe. Die bekanntesten Gruppen sind Abelsche Gruppen mit unendlich vielen Elementen: Die ganzen positiven und negativen Zahlen bilden nachdemGesetzderAddition eineGruppe, ebensodiepositiven rationalen Zahlen nach dem Gesetz der Multiplikation. Die "Einheit" ist im ersten Falle 0, im zweiten 1. Ferner bilden alle reellen Zahlen nach dem Gesetz der Addition und, nach Weglassurig der Null, nach dem Gesetz der Multiplikation eine Gruppe. Das Postulat II ist die knappste Fassung der allgemeinen Forde rung, daß ein Produkt mehrerer Elemente eindeutig bestimmt ist, Speiser, Gruppentheorie. 1 2 1. Kap. Die Grundlagen. wenn man die Reihenfolge der Elemente beibehält. Sein Inhalt ist eben diese Forderung für ein Produkt von drei Elementen. Durch einen + einfachen Schluß von n auf n 1 läßt sich hieraus der allgemeine Satz beweisen. Man setze voraus, daß jedes Produkt von n oder weniger Elementen eindeutig bestimmt ist. Ist nun eine Reihe von + n 1 Elementen vorgelegt, deren Produkt zu bilden ist, so führt jede Produktbildung bis zu einem Produkt von zwei Elementen, deren erstes das Produkt der i ersten ursprünglichen Elemente darstellt, während das zweite das Produkt der übrigen ist. Es muß nun bloß gezeigt werden, daß auch der letzte Schritt für jeden Wert von i das selbe Resultat liefert. Ist I das Produkt der i ersten Elemente, A das + (i l)-te Element und K das Produkt der übrigbleibenden, so folgt aus dem zweiten Postulat: I(AK) = (IA)K. Indem man i der Reihe nach die Zahlen 1, 2, ..., n- 2 durchlaufen läßt, gewinnt man das gesuchte Resultat. Läßt man noch das kommutative Gesetz zu, so ist ein Produkt durch die Elemente allein, unabhängig von der Reihenfolge, bestimmt. Es wird nämlich: ABCD = A(BC)D = A (CB)D = ACBD, woraus unmittelbar folgt, daß zwei aufeinanderfolgende Elemente miteinander vertauscht werden dürfen. Da man ferner durch derartige "Trans positionen" eine beliebige Reihenfolge herstellen kann, so ist die Behauptung bewiesen. Das Postulat III fordert die Existenz eines Einheitselementes. Allein mit Hilfe des ersten Postulates läßt sich zeigen, daß nur ein Element vorkommen kann, das den dortigen Bedingungen genügt. Sei nämlich F ein weiteres Element, für das stets die Gleichungen AF = FA = A erfüllt sind, so ergibt sich für EF gleichzeitig das Element E und F. Wegen I folgt E = F. Das zu A- 1 inverse Element ist A. Denn aus A-1B = E folgt durch linksseitige Multiplikation mit A: AA B = A, also B= A. -1 A ist mit A-1 vertauschbar. Ist ABC ... F ein beliebiges Produkt von Elementen, so ist F-1 ... C-1 B-1 A-1 das inverse dazu. Historische Notiz: Die abstrakte Gruppentheorie ist eine relativ späte Entwicklungsphase des mathematischenGebildes, das unserenGegenstand bildet. Noch Jordans Traite des substitutions (1870) behandelt Permutationsgruppen, Aber die Methoden, die Gauß. Cauchy, Galoisund Jordan benutzen, sind großen teils unabhängig von dieser speziellen Bedeutung der Elemente. Das erste System abstrakter Gruppenpostulate soll das von Kronecker 1870 aufgestellte sein (Auseinandersetzung einiger Eigenschaften der Klassenzahl idealer kom plexer Zablen, Werke Bd. 2; p.273). Neuerdings haben sich amerikanische Mathematiker'mit der Aufstellung von Postulaten beschäftigt, z. B. E. V. Hun tington (Note on the definition of abstract groups and fields by sets of inde pendent postulates, Am. Transact. 6, p. 181.)