Die Textilfunde aus der Siedlung und aus den Gräbern von Haithabu Beschreibung und Gliederung Von Inga Hägg 1991 KARL WACHHOLTZ VERLAG NEUMÜNSTER ZUM GELEIT Verglichen mit anderem archäologischen Fundmaterial aus Haithabu machen die Reste von Textilien nur eine kleine Fundgruppe aus. Durch die grundlegenden Funk tionen textiler Gegenstände im alltäglichen, ökonomischen und sozialen Leben der Bevölkerung kommt ihnen als historische Quelle jedoch erhebliche Bedeutung zu. Die Gewebe aus Haithabu nehmen eine Schlüsselstellung nicht nur für die Textil- und Trachtenkunde, sondern auch für die gewerbliche Entwicklung des nordwesteuropäi schen Raumes ein. Nach der Arbeit über die Textilfunde aus dem Hafen von Haithabu (Bericht 20,1985) ist mit diesem Band über die Funde aus der Siedlung und den Gräbern eine zweite Etappe in dem umfassend angelegten Programm textilarchäologischer Studien über Haithabu und Schleswig erreicht. Durch die weitere Verfeinerung der Methodik zur Funktionsanalyse, insbesondere durch mikrostratigraphische Untersuchungen, konn ten die Möglichkeiten zur Auswertung textiler Funde dabei erheblich verbessert wer den. Neben der Bereicherung unserer Kenntnisse über Kleidung und Tracht - reprä sentiert in den Funden aus der Siedlung - sind hier insbesondere die beeindruckenden Analysen zur textilen Ausstattung von Toten und ihren Grabanlagen hervorzuheben, durch die ganz neue Perspektiven auf Grabsitten und Glaubensvorstellungen in Hait habu eröffnet werden. Zusammen mit der im Entstehen begriffenen Dissertation von U* Arents über die Archäologie der Grabfunde wird sich dieser wichtige Bereich zur Gesamtbewertung von Haithabu der Forschung jetzt besser erschließen. Ein in Vorbereitung befindlicher dritter Teil der Studien zu Textil und Tracht von Haithabu wird die Arbeiten der Autorin zur Textilarchäologie von Haithabu mit der zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse in einem chronologisch und geogra phisch weit gefaßten Rahmen beschließen. Es steht zu erwarten, daß diese Arbeit dem nächst in den monographischen Veröffentlichungen des Archäologischen Landes museums erscheinen kann. Parallel zu den Arbeiten über Haithabu werden von I. Hägg intensive Untersuchun gen zu den Textilfunden aus der Schleswiger Altstadt betrieben. Ein erster Beitrag ist eben gerade abgeschlossen worden. Liegen diese Arbeiten erst einmal vollständig vor, so wird sich Gelegenheit bieten, ein halbes Jahrtausend Textil- und Trachtengeschichte des frühen und hohen Mittelalters anhand zusammengehöriger Fundkomplexe um fassend zu beurteilen. Das in dem hier vorgelegten Band behandelte Material konnte der Textilforschung nur sukzessive zugeführt und in die Bearbeitungsgänge integriert werden. Dadurch entstanden Änderungen und Erweiterungen der Ausgangskonzeption. Sie haben den Abschluß der Arbeiten zwar verschiedentlich hinausgezögert, aber auch zur Ergiebig keit des Gesamtfundbildes wesentlich beigetragen. Der Autorin ist für ihr wissenschaftliches Engagement in der Textilforschung von Haithabu zu danken. Inga Hägg hat es verstanden, aus einer früher eher vernachläs sigten Gruppe archäologischen Fundmaterials Ergebnisse zu zentralen Fragen der Frühmittelalterforschung zu erarbeiten. Wir hoffen, daß in dem im Aufbau befind liehen Forschungslabor unseres Museums die technischen Voraussetzungen für diese Spezialuntersuchungen noch einmal verbessert werden können. Einen wesentlichen Anteil an dieser Publikation hat die geduldige und sorgfältige Arbeit von Herrn H.-J. Mocka. Ihm oblag wahrend des langwierigen Forschungspro zesses die Dokumentation der Ergebnisse in graphischen Darstellungen. Die photogra phischen Arbeiten, einfühlsam und mit technischer Raffinesse ausgeführt, lagen in der Hand von Herrn H. H. Möller. Herr Chr. Radtke wachte über die Arbeit in den verschiedenen Manuskript- und Druckstadien mit dem Blick des wissenschaftlichen Redakteurs. Den hier genannten Mitarbeitern des Hauses sei für ihren Einsatz gedankt. und den übriger, Mitarbeitern des Karl Wachholtz Verlages. Die Deutsche Forschungs gemeinschaft ermöglichte den Druck durch die großzügige Bereitstellung der notwen digen Mittel. Schleswig, Februar 1991 Kurt Schietzel INHALTSVERZEICHNIS Vorwort................................................................................................................................... 9 1. Einleitung ............................................................................................................. 12 2. Methode ................................................................................................................ 19 3. Die Textilien aus der Siedlung: Trachtüberreste nach funktionalen Merkmalen............................................................................................................. 27 3.1 Beinbekleidung ................................................................................................... 29 3.1.1 Gamasche oder Strumpf................................................................................... 29 3.1.2 Einlegesohle.......................................................................................................... 32 3.1.3 Bänder .................................................................................................................... 32 3.1.4 Pumphose ............................................................................................................. 35 3.2 Hemd/Tunika ....................................................................................................... 37 3.3 Obertunika............................................................................................................. 41 3.4 Mantel ................................................................................................................... 45 3.5 Klappenrock.......................................................................................................... 48 3.6 Kopfbedeckung ................................................................................................... 55 3.7 Besätze .................................................................................................................... 60 3.8 Futterstoff und Futterfüllung .......................................................................... 62 4. Die Textilien aus der Siedlung: Trachtüberreste und sonstige Gewebe nach technischen Merkmalen .......................................................................... 63 4.1 Tuchbindung.......................................................................................................... 65 4.1.1. Gruppe la: Sehr feine Gewebe ................................................................... 65 Gruppe lb: Mittelfeine Gewebe....................................................................... 71 Gruppe 1c: Grobe und sehr grobe Gewebe ................................................ 77 4.2 Gleichgratköper 2/2............................................................................................. 79 4.2.1 Gruppe la: Sehr feine und feine Gewebe ..................................................... 79 Gruppe lb: Mittelfeine Gewebe....................................................................... 82 4.2.2 Gruppe 2: Gewebe mit sehr groben Schußfäden ....................................... 84 4.2.3 Gruppe 3: Gerauhte beziehungsweise gerauhte und gewalkte Gewebe 87 4.3 Gleichgratköper 2/1............................................................................................. 92 4.4 Rautenköper.......................................................................................................... 95 4.5 Spitzköper ............................................................................................................. 97 4.6 Rya-Teppich ......................................................................................................... 97 5. Die Textilien aus der Siedlung: Filz und sonstige verfilzte Wollfasern 99 6. Die Textilien aus der Siedlung: Nahte .......................................................... 104 7. Die Textilien aus der Siedlung: Schnüre aus Wolleu nd anderen Tierhaaren............................................................................................................. 110 8. Die Textilien aus den Grabem: Fundlage und Funktion........................... 120 8.1 Sarg- und Erdgrubengräber............................................................................. 122 8.1.1 Ausgrabungen 1904-1930 .................................................................................... 122 8.1.2 Ausgrabungen 1959-1960 .................................................................................... 131 8.1.3 Ausgrabungen 1962-1970 .................................................................................... 161 8.2 Kammergräber........................................................................................................ 166 9. Die Textilien aus den Gräbern: technische Merkmale .............................. 205 9.1 Tuchbindung.......................................................................................................... 205 9.1.1 Taftseide................................................................................................................ 208 9.1.2 Gewebe mit Spinnmusterung.......................................................................... 210 9.1.3 Feingefälteltes Gewebe....................................................................................... 210 9.1.4 Strukturgemustertes Gewebe.......................................................................... 210 9.1.5 Karierte Gewebe.................................................................................................... 212 9.1.6 Mustergewebe....................................................................................................... 214 9.1.7 Ripsgewebe ohne erkennbare Musterung.................................................... 223 9.1.8 Glatte Gewebe mit ausgeglichener Fadeneinstellung ohne erkennbare Musterung............................................................................................................. 226 9.1.9 Schleiergewebe und schleierartige Gewebe................................................. 230 9.2 Rautenköper.......................................................................................................... 234 9.3 Sonstige Köpergewebe....................................................................................... 240 9.4 Textilarbeiten aus Gold- und Silberfäden.................................................... 244 9.4.1 Bänder.................................................................................................................... 244 9.4.2 Posamentierarbeiten.......................................................................................... 247 10. Exkurs: Mikrostratigraphische Analyse von Schwertscheiden aus dem 1 lafen von I Iaithabu....................................................................................................... 248 11. Zusammenfassung.............................................................................................. 268 11.1 Sammanfattning..................................................................................................... 274 Anmerkungen....................................................................................................................... 279 Literaturnachweis................................................................................................................. 286 VORWORT Vor nahezu hundert Jahren wurden die ersten Textilreste aus einem Grab in Hait- habu geborgen, ln den folgenden Jahrzehnten konnten in den Gräbern weitere Textili en und Spuren davon gesichert werden. Hs handelt sich dabei überwiegend um verein zelte, als unbedeutend angesehene Fragmente, deren Beschreibung - mit Ausnahme der Gewebereste aus Kammergrab 5/1964 - nicht zum Druck gelangte, deren sukzes sive Bearbeitung und Veröffentlichung für die Mehrzahl der Funde allerdings auch kaum zweckmäßig war. Darüber hinaus ist eine Anzahl von Textilien auch bei den Ausgrabungen im Siedlungsbereich angetroffen worden. Für eine historische Auswer tung blieb die Materialbasis jedoch lange Zeit zu schmal. Erst durch den 1979-1980 im Hafen von Haithabu geborgenen Textilkomplex ist die archäologische Forschung mit einem Material bereichert worden, das nicht nur eine Lücke in der Quellenbasis aus füllen konnte, sondern teilweise auch ganz neue Ergebnisse auf dem Gebiet von Tracht und Textil ermöglicht hat. Mit diesem Komplex lag ein willkommener Referenz rahmen für eine erneute Einordnung und Auswertung der schor. vorhandenen Textil funde vor. Gleichzeitig wurde deutlich, daß sich die Textilien aus dem Hafen von sämt lichen bisher bekannten zeitgenössischen Textilkomplexen, vorzüglich im skandinavi schen Bereich, unterscheiden. Die Frage, wie dieser Tatbestand zu interpretieren ist, bot eine der Anregungen zu der hier vorgelegten Veröffentlichung. Es besteht die Hoffnung, daß durch einen Ver gleich zwischen dem Material aus den verschiedenen Quellengruppen - aus dem Hafen, aus der Siedlung und aus den Gräbern - ein repräsentatives Bild des Textilge werbes und der Trachtsitten in Haithabu gewonnen werden kann. Dem Direktor des Archäologischen Landesmuseums, Herrn Prof. Dr. K. Schietzel, danke ich für die Überlassung des gesamten Materials zur wissenschaftlichen Bearbeitung. Seinem Ein satz und seiner Initiative ist es zuzuschreiben, daß mit der Untersuchung der Stoffreste aus der Siedlung und aus den Gräbern - zusammen mit den bereits veröffentlichten Funden aus dem Hafen - der archäologischen Forschung erstmals ein dermaßen um fassendes und geschlossenes wikingerzeitliches Textilmaterial zur Verfügung steht. An dieser Stelle sei auch der Christian-Albrechts-Universität Kiel und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn-Bad Godesberg, für ihre finanzielle Unterstützung des Vorhabens besonders gedankt. Für wichtige Hinweise und für alle redaktionellen Arbeiten am Manuskript danke ich ganz herzlich meinem Kollegen Chr. Radtke M. A. Mein herzlicher Dank gilt ebenfalls Herrn Dr. V. Vogel, Archäologisches Landes museum, der meine Arbeit mit wertvollen Auskünften und ständiger Hilfsbereitschaft entscheidend erleichtert hat. Dem ehemaligen Leiter der Archäologischen Zentral werkstätten in Schleswig, Herrn Prof. H. O. Nielsen, Hildesheim, der mir im Bereich der technischen Analyse sehr geholfen hat, unter anderem auch mit einer Reihe von Röntgenaufnahmen, möchte ich meinen besonderen Dank sagen. Zu danken habe ich auch vielen anderen Kollegen und Mitarbeitern des Archäologi schen Landesmuseums, insbesondere Herrn Dr. K. Brandt, Herrn Dr. I. Gabriel, Herrn ür. M. Gebühr und Frau Dr. I. Ulbricht, die mir mit fachlichem Kat und Tat zur Seite 9 standen. Frau G. Hildebrandt hat vielfältige Hilfe bei der Druckvorbereitung des Ma nuskripts geleistet, und Frau K. Wolter hat in unermüdlicher Arbeit das Druckmanu skript rein geschrieben. Beiden möchte ich herzlich danken. Für Arbeiten an der Reini gung, Präparierung und Konservierung der Textilfunde habe ich den technischen Mit arbeitern Frau L. Engler, Herrn E.-O. Peters, Herrn H. Rojem, Herrn P. Niers, Herrn T. Petrich und insbesondere auch Herrn K. Behrmann zu danken. An der Gestaltung der zeichnerischen und photographischen Druckvorlagen waren mehrere der technischen Mitarbeiter des Hauses beteiligt. Herr H. J. Mocka, Graphik abteilung, hat die meisten graphischen Darstellungen gefertigt und in kreativer Zu sammenarbeit die Druckvorlagen geschaffen. Ich danke ihm aufrichtig für seine Lei stung. Dank schulde ich auch Frau E. Thams und Herrn H. H. Möller, Photolabor, die mit Hilfsbereitschaft und Geschick die manchmal schwierigen photographischen Auf gaben gemeistert haben. Mein Dank gilt weiterhin Herrn R. Kühn, Herrn W. Karrasch, Herrn A. Schröder, Frau S. Bruhn, Frau P. Meerpohl und Frau D. Beeck, die an der Her stellung von Bildvorlagen beteiligt waren. Die vorliegende Arbeit wurde in den Jahren 1984—1989 im Archäologischen Landes- muGCum als abschließender Bericht über die Tcxtilfundc von Haithabu angefertigt. Im Herbst 1984, unmittelbar nach Abschluß des Manuskripts über die Textilien aus dem Hafen, konnte mit der Mikroanalyse von Geweberesten an einigen Trachtfibeln die Bearbeitung eines ersten Teilbereiches eingeleitet werden. Zu dieser Zeit befanden sich wichtige Teile der Dokumentation über die Ausgrabungen in Haithabu während der sechziger und siebziger Jahre noch bei den verschiedenen Bearbeitern, so daß ein Überblick über Anzahl und Inhalt der Gräber nur schwer zu erreichen war. Von großer Hilfe waren die Auszüge aus Grabungsnotizen, Kopien von Planskizzen und weitere Unterlagen, die Herr Dr. I. Jansson, Universität Uppsala, für eine eigene Arbeit über Fibeln aus Haithabu zusammengebracht und mir großzügig zur Verfügung gestellt hat. Dafür danke ich ihm ganz herzlich. Die meisten der hier vorgelegten Grabtextilien sind erst seit dem Spätherbst 1985 durch systematische Fundaufnahme und Mikroskopanalysen von sämtlichen erhalte nen Metallobjekten aus den Gräbern von Haithabu ausfindig gemacht worden. Der Quellenbestand wuchs noch einmal, als im Sommer 1986 Herr Prof. Dr. H. Steuer, Universität Freiburg, seine Grabungsdokumentation über das Südgräberfeld an das Archäologische Landesmuseum übergab. Durch seine ausführlichen Fundpläne und Tagebuchnotizen, besonders über das 1964 von ihm untersuchte Kammergrab 5, sind grundlegende Voraussetzungen für nachträgliche Detailanalysen geschaffen worden. In jenem Jahr hat auch Frau U. Arents, Universität Kiel, die Inventarisierung des Fundmaterials und der Grabungsdokumente für eine Dissertation über Gräber und Grabfunde aus Haithabu begonnen. In idealer Weise verlief ihre Untersuchung zum größten Teil parallel mit der Arbeit an den Grabtextilien; so konnten manche Identifi kationsprobleme und unterschiedliche Fundzusammenhänge geklärt werden. Für vie le wichtige Hinweise und Beobachtungen schulde ich Frau Arents aufrichtigen Dank. Danken möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Prof. Dr. M. Müller-Wille, Universität Kiel, der die Textiluntersuchung durch seine engagierte Betreuung der Dissertation und durch mehrere nützliche Hinweise gefördert hat. 10
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