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Die Suche PDF

373 Pages·2014·1.5 MB·German
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Dani Aquitaine Themiskyra BAND III DIE SUCHE Text Copyright © 2013 Dani Aquitaine Alle Rechte vorbehalten. Umschlaggestaltung: Dani Aquitaine Umschlagschriften: Selfish von Eduardo Recife, www.misprintedtype.com Liberation Serif unter der SIL Open Font License Für die beste Mutter der Welt. P ROLOG Ich weiß nicht genau, wie ich nach Themiskyra zurückkam. Hekate musste intuitiv gewusst haben, welchen Weg sie nehmen musste, und sich einen flacher abfallenden, lichteren Pfad gesucht haben als den, den Louis und ich für den Aufstieg auf die Hügelkette westlich der Amazonenstadt gewählt hatten. Louis und ich … Für einen kurzen Moment war ich glücklich gewesen, vollkommen und irrational glücklich. Dabei muss mir doch schon auf dem Hinweg, bereits in den Monaten vor meiner Flucht aus dem Exil des Tempelraums klar gewesen sein, dass ich meine Schwester würde zurücklassen müssen. Aber ich hatte es verdrängt. Schon der Gedanke, ihr von unserem Plan zu erzählen, mich von ihr zu verabschieden, ihren traurigen, vorwurfsvollen Blick ertragen zu müssen, war mir unmöglich erschienen – und so hatte ich ihn einfach vermieden. Auf später verschoben. Bis es fast zu spät war. Erst in letzter Sekunde war mir klar geworden, dass ich sie nicht aufgeben konnte. Doch die Konsequenz … Ich hatte ihn verloren. Für immer. Und der Schmerz, den ich fühlte, war so völlig anders als der, den ich schon kannte, viel härter und kälter als der, der von mir Besitz ergriffen hatte, als ich Louis schon einmal verloren hatte. Damals hatte ich immer noch die Hoffnung gehabt, dass er seine Entscheidung rückgängig machen würde, und konnte aktiv darauf einwirken. Aber diesmal hatte ich eine Entscheidung getroffen und ich hatte keine Chance, sie jemals zu revidieren. Louis war weg. Unwiederbringlich. Und diese Tatsache ließ mich innerlich wie äußerlich vollkommen erstarren. K 1 APITEL Themiskyra war hell erleuchtet, als ich grußlos an den verblüfften Wachen vorbei durch das Tor ritt. Im Hof herrschte für die Uhrzeit ungewohnt rege Betriebsamkeit, doch ich nahm nur flirrende Bewegungen am Rande meines Gesichtsfelds wahr. Eine Patrouille, unterwegs zum Stall, eine Gruppe, die sich vor der Waffenkammer zum Aufbruch rüstete, eine andere, die sich um eine Frau scharte, die Anweisungen erteilte. In dem Augenblick, in dem sie mich bemerkten, verharrten sie alle in ihrem Tun und starrten mich an. Obwohl meine Augen tränenlos waren, war ich unfähig, ihre Gesichter zu erkennen. Ihre Rufe klangen völlig unverständlich an mein Ohr, wie durch Watte oder Wasser gedämpft, also ignorierte ich sie. Vor dem Stall angekommen, ließ ich mich von Hekates Rücken gleiten und drückte ihren Zügel kommentarlos einer Amazone in die Hand, die mir entgegengelaufen kam. Vielleicht war es Phoebe. Auch sie sagte etwas, aber trotz meiner inneren Leere hatte ich keine Kapazitäten, etwas davon aufzunehmen, geschweige denn, angemessen zu reagieren. Ich ließ sie stehen und ging auf die Kardia zu, ohne nach links oder nach rechts zu sehen. Eine dunkelrot gewandete, goldgegürtete Gestalt trat mir in den Weg, kurz bevor ich die Tür erreichte. Ich sah, dass ihr Mund sich bewegte und sich Wut und Unverständnis in ihren moosgrünen Augen in Erleichterung verwandelten. Sie streckte mir ihre Arme entgegen. Atalante. Es kam mir so vor, als betrachte ich mich selbst von weit weg dabei, wie ich einen kleinen Bogen um sie machte und gleichmäßigen, unbeirrten Schritts meinen Weg fortsetzte. Durch das Atrium. Die Treppe hinauf. Links den Gang entlang. In unser Zimmer. Absperren. Polly stand vollständig bekleidet und auf einem strumpfsockigen Bein im Raum und war gerade dabei, einen Stiefel anzuziehen. Auch sie hielt inne und sah mir mit großen Augen entgegen. Ganz langsam ließ sie den Schuh los und richtete sich auf. Ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Als es ihre Augen erreichte und sie mit solcher Freude leuchten ließ, wie sie es so lange nicht mehr getan hatten, wusste ich, dass ich das Richtige getan hatte. Ell!!! sah ich ihre Lippen formen, dann lief sie auf mich zu, schlang ihre Arme um mich und drückte mich an sich. Im ersten Moment war ich unfähig, darauf zu reagieren, aber nach ein paar starren Sekunden erwiderte ich ihre Umarmung voller Zuneigung und drückte sie ganz lang und fest an mich. Viele Monate lang war ein gelegentlicher Händedruck durch die Futterklappe im Schlafzimmer des Tempelraums unser einziger Körperkontakt gewesen. Es tat so gut, meiner Schwester endlich wieder wirklich nah zu sein. Schließlich löste sie sich von mir. „Was ist passiert? Geht's dir gut? Hat Atalante dich endlich freigelassen? Warum wurde der Alarm ausgelöst? Was ist da draußen los?“ Mein Gehör funktionierte offenbar wieder und nahm jede von Pollys Fragen auf, die auf mich einprasselten. Dennoch fühlte ich mich nicht imstande, auch nur eine davon zu beantworten, obgleich mir nicht gefiel, wie die Sorge in ihrem Gesicht ihre Freude absorbierte. Ich drückte ihr nur einen Kuss auf die Stirn, zog mich mit mechanischen Handgriffen um und legte mich in mein Bett. Obwohl ich die Daunendecke bis über die Ohren zog, war mir eiskalt. So, als ob die Kälte nicht von der Welt da draußen käme, sondern aus mir selbst heraus. „Ell, was ist denn nur los? Ist etwas passiert?“ Ihre Stimme zitterte. „Sag doch was!“ Nach einer Weile hörte ich Kleidung rascheln und wie das Licht ausgeschaltet wurde. Ich spürte, wie die Matratze nachgab und Polly neben mir unter die Decke schlüpfte. „Nach dem, was in Tasek passiert ist … In dem Hotel hast du dich neben mich gelegt und ich war froh, dass du da warst. Vielleicht tut es dir auch gut, wenn ich da bin. Wenn ich dich störe, wirf mich einfach raus“, sagte sie leise. Ich schaffte es, den Kopf zu schütteln. Und ich wies sie nicht darauf hin, dass es nicht meine Anwesenheit gewesen war, die sie letztendlich beruhigt hatte, sondern die von Mato, dem jungen Ex-Marodeur, der ihr bei der großen Schlacht das Leben gerettet und selbst mit dem Leben dafür bezahlt hatte. Stattdessen klammerte ich mich an ihren Arm, den sie um mich gelegt hatte, und versuchte, einfach nicht nachzudenken, einfach nichts zu fühlen. Doch ich fand keinen Schlaf und das lag nicht am Klopfen an unserer Zimmertür, das in unregelmäßigen Abständen und mit unterschiedlicher Intensität wiederkehrte und das wir beide einhellig ignorierten. „Ich war schon fast weg“, brachte ich nach einigen Minuten, vielleicht einigen Stunden hervor. „Aber ich konnte nicht. Also bin ich zurückgekommen.“ Polly drückte meine Hand. „Wie konntest du aus dem Tempelraum entkommen?“, fragte sie. „Ich will dich nicht anlügen, aber ich will dir auch nichts erzählen, was dich oder andere in Schwierigkeiten bringen kann, wenn Atalante dich ausfragt.“ „Verstehe.“ Sie dachte sich mit Sicherheit ihren Teil. Nach einer langen, langen Pause erkundigte sie sich vorsichtig: „Und … Louis?“ „Er konnte nicht warten.“ „Er ist weg?“ Ihre ungläubige Frage schnürte mir die Luft ab und ich glaubte nicht, genug Atem für eine Antwort zu finden, doch dann hörte ich mich ganz nüchtern sagen: „Er ist weg.“ „Wohin?“ „Keine Ahnung.“ „Ell …“ „Ich wollte nicht gehen, ohne mich von dir zu verabschieden. Aber dann war Themiskyra schon in Aufruhr und er befürchtete, dass die Patrouillen uns erwischen würden, und ich … habe ihn alleine wegreiten lassen.“ „Ell, das hättest du nicht tun –“ „Sag es nicht“, unterbrach ich sie schnell und drehte mich zu ihr um. Trotz der Dunkelheit erkannte ich ihren entsetzten Blick. „Ich habe das Richtige getan“, sagte ich fest. „Ja“, erwiderte sie nach einer Weile nachdenklich. „Das hast du wirklich. Es tut mir leid, dass du traurig bist. Aber wir beide, wir gehören hierher.“ Nach dem vergangenen halben Jahr hatte ich Zweifel, ob ich wirklich in die Stadt der Amazonen gehörte; aber ich wusste, dass ich zu Polly gehörte. Und wenn ich das eine nur in Verbindung mit dem anderen haben konnte, würde ich Themiskyra eben in Kauf nehmen. Und das Beste daraus machen. Auch wenn das Beste momentan einem Albtraum glich. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ein erneutes, heftiges Klopfen an der Tür ertönte, strömte helles Licht durch das Fenster. Ich stellte fest, dass ich das Bett für mich hatte und setzte mich auf. Polly stand im Nachthemd im Zimmer und war offenbar unentschlossen, ob sie aufsperren sollte oder nicht. „Aella, öffne augenblicklich die Tür oder ich werde sie aufbrechen!“, zischte eine Stimme, die eindeutig Atalante gehörte. Ich nahm einen tiefen Atemzug, stand auf und trat nahe an die Tür. „Gib mir einen Augenblick Zeit, mich zu waschen und anzuziehen. Ich komme in zehn Minuten in dein Zimmer.“ Meine Stimme klang völlig ruhig. Und sie entsprach dem, was ich fühlte. Es war nichts da, nichts, was mich in Unruhe versetzen konnte. Alles war, wie es war. Ausgeglichen. Statisch. Leer. „Gut“, vernahm ich Atalante nach einer kurzen Pause und hörte, wie sich ihre Schritte entfernten. „Guten Morgen“, wünschte ich Polly, die meinen Gruß murmelnd erwiderte, während sie mich skeptisch musterte. Anscheinend war sie nach all meinen hitzigen Streitereien mit Atalante und ihrem aggressiven Auftreten eben verwundert über meinen Gleichmut. Doch was hätte es gebracht, sich aufzuregen? Nichts lohnte die Mühe. Ich hatte nichts mehr, um das ich fürchten musste. Wie versprochen erschien ich ein paar Minuten später im Studierzimmer der Paiti. „Mach dir Tür hinter dir zu und setz dich“, wies sie mich von der Couch aus an. Ohne sie anzusehen befolgte ich ihren Befehl, allerdings nur halb, denn ich blieb mitten im Raum stehen, nachdem ich die Tür geschlossen hatte. Sie quittierte meine Weigerung mit einem Schnauben und erhob sich. „Was ist gestern Nacht geschehen?“, wollte sie wissen, während sie auf mich zukam. Ich schwieg. Ich würde sie nicht anlügen und ich würde Victoria nicht verraten. Es war also kein Trotz, der mir die Lippen verschloss, auch wenn Atalante offenbar davon ausging. „Wie konntest du den Tempel verlassen? Und wie Themiskyra?“ Ich sah weiter aus dem Fenster und betrachtete das leuchtende Blau des Himmels und das frische Grün der Weiden und Wälder in der Ferne. „Ich hätte vermutet, dass deine Freundinnen dir geholfen haben, aber Corazon hatte mit Irina Nachtschicht bei den Außenställen und Grace schwört Stein und Bein, dass Victoria den gesamten Abend über bei ihr war und ihr noch aus einem Buch vorgelesen hat, nachdem die Kleine einen Albtraum hatte.“ Also gehörte Grace zu unseren Mitwissern. Schlau von Victoria. Keine würde die Worte des kleinen, unschuldigen Amazonenmädchens anzweifeln, dem niemand solch Ränkeschmieden zutraute. „Und Hippolyta … Nun, sie ist offensichtlich völlig ahnungslos“, fuhr Atalante fort und seufzte. „Aella, ich bin nicht von gestern. Die Anderen können ruhig glauben, du seist auf Mondstrahlen geritten oder von Artemis selbst entrückt worden, aber ich verlange, dass du mir die Wahrheit sagst.“ „Glauben sie das?“, fragte ich nüchtern. Aus meiner Zeit als Hiery wusste ich, dass einige der Frauen sehr gläubig und manche nahezu abergläubisch waren, aber wie die selbstbewussten, an sich so rationalen Amazonen von einem solchen Humbug ausgehen konnten, war mir schleierhaft. Nun, es war nicht mein Problem, das aufzuklären. Nichts war mehr mein Problem. „Du bist aus einem abgeschlossenen, heiligen Raum verschwunden, zu dem nur ich den Schlüssel besitze und den ich nicht aus der Hand gebe. Es gibt keine Leiter, die lang genug ist, als dass sie bis dort oben hinreichen könnte. Du hattest keine Hilfsmittel in deinem Zimmer, die es dir ermöglicht hätten, von dort herunterzuklettern. Was, bitteschön, sollen sie also glauben, wenn nicht an eine göttliche Intervention?“ „Vielleicht war es ja eine“, sagte ich teilnahmslos. Sie lachte hart auf. „Wieso sollte die Strahlende ihre Gnade ausgerechnet dir zuteil werden lassen?“ „Vielleicht wollte sie, dass ich mich freien Willens für Themiskyra entscheide und nicht von dir gezwungen werde, hier zu bleiben, indem du mich einsperrst.“ „Ich werde mich jetzt nicht auf eine thealogische Diskussion einlassen, bei der du ohnehin den Kürzeren ziehen würdest. Sag mir die Wahrheit.“ „Das kann ich nicht.“ Meine Gleichgültigkeit schien auch sie aus dem Konzept zu bringen. Im Augenwinkel sah ich, dass sie sich mit einem Ruck abwandte und eine Weile lang aufgebracht hin-und her tigerte. Schließlich blieb sie stehen und musterte mich. „Der Arbeiter ist verschwunden.“ Ich vermutete, dass sie das nicht sagte, um mich zu quälen, sondern nur, um irgendeine Reaktion meinerseits herauszufordern. Doch selbst, wenn ich gewollt hätte, wäre ich nicht fähig gewesen, emotional in Gang zu kommen. Also nickte ich nur einmal kurz und Atalante seufzte. „Ich weiß nicht, was das Theater soll, aber so kommen wir nicht weiter. Da ich es anerkenne, dass du dich offenbar dazu entschlossen hast, aus freien Stücken in Themiskyra zu bleiben, setze ich deinen Arrest aus und entlasse dich offiziell aus deiner Stelle als Hiery. Wenn du es wünschst, kannst du den Dienst im Tempelraum natürlich jederzeit fortsetzen.“ Sie trat direkt vor mich hin, sodass sie mir den Blick nach draußen versperrte, aber ich stellte den Fokus nicht um und sah sie deswegen nur als verschwommenen Schemen vor mir. Ihr schien nicht aufzufallen, dass ich durch sie hindurchsah, und sagte mit sanfterer Stimme: „Ich wusste, dass du deinen Weg finden würdest. Und ich bin froh, dass du hier geblieben bist.“ Sie hob die Hand, um mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen, aber ich wich ihr mit einer geschmeidigen Bewegung aus.

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