ebook img

Die spätkeltisch-frührömischen Brandgräber von Wustweiler PDF

46 Pages·1999·3.265 MB·German
Save to my drive
Quick download
Download
Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.

Preview Die spätkeltisch-frührömischen Brandgräber von Wustweiler

___________________________________________________________________ 1 VORWORT Kurz vor einem neuen Jahrtausend wird diese Publikation vom Arbeitskreis Heimatkunde Wustweiler herausgegeben. Sie beschäftigt sich mit Menschen, die vor rund zweitausend Jah- ren in unserem Raum gelebt haben. Es war gewiß ein Glücksfall, als man im Jahre 1993 auf die Grabfunde in Wustweiler stieß. Was nach den Funden geschah, kann mit Fug und Recht als behutsamer Umgang mit dem Gefundenen bezeichnet werden. Das Zusam- menspiel der vor Ort Verantwortlichen, insbe- sondere des damaligen Ortsvorstehers Aloys Alt, des ehrenamtlichen Heimatforschers Leo Strauß(†) sowie des Flugsportvereins Illtal e.V. unter seinem damaligen Vorsitzenden Ger- hard Zewe (†) mit den von Amts wegen “Zuständigen”, den Fachleuten des Staatlichen Konservatoramtes war mehr als lobenswert. Alle Beteiligten haben sich bleibende Verdien- ste erworben. Die vorliegende Schrift ist ein “Zwischenbe- richt”. Noch ist die endgültige Auswertung der Funde nicht abgeschlossen. Immerhin kann der Zwischenbericht, der anläßlich des Wustweiler Dorffestes 1999 herausgegeben wird, eine Fül- le gesicherter Informationen weitergeben, dies in allgemeinverständlicher Form. Besonderer Dank ist den beiden Autoren Dr. Ralf Gleser und Johannes Schönwald (beide Staatliches Konservatoramt Saarbrücken) zu sagen. Darüber hinaus wird angefügt: Sie waren und sind angenehme Ansprechpartner. Die vorliegende Schrift, die das Wustweiler Heimatbuch aus dem Jahre 1992 fortschreibt, dient der Information der Menschen unserer Zeit. Möge sie auch den Menschen nach uns dienen! Wustweiler, im Juni 1999 Rudi Marx Heimat- und Kulturpfleger 2 ___________________________________________________________________ ___________________________________________________________________ 3 Die spätkeltisch-frührömischen Brandgräber von Wustweiler Ein Zwischenbericht von Ralf Gleser und Johannes Schönwald 0 ZUR EINFÜHRUNG sicht einzelner in negativer Weise zu kritisieren. Als der Arbeitskreis Heimatkunde Wustweiler an Die Suche nach der in unserer reizüberfluteten uns herangetreten ist, die jüngst entdeckten Medienwelt verlorengangenen Identität des keltisch-römischen Gräber im Rahmen einer Individuums treibt unsere hektische Gesell- Broschüre einem größeren Interessentenkreis schaft stets dazu, eine “gute” alte Zeit zu zugänglich zu machen, wurde uns freilich beschwören, in die eigene Ideale und Zielvor- erneut bewußt, in welchem Maße die öffentli- stellungen projiziert werden, die es in dieser che Rezeption der Altertumswissenschaften – Form niemals gab. “Die Kelten” gehörten Archäologie und Alte Geschichte – vom prak- immer zu solchen Projektionsflächen moderner tischen Handeln und dem Selbstverständnis Sehnsüchte nach dem ursprünglichen Leben. der Fachwissenschaftler, die bei allem Willen Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war es noch zur Interpretation stets an Fakten gebunden Angelegenheit einer öffentlichen Kelten- und sind, gelegentlich differiert. Mag es dem inter- Germanenideologie, tiefgreifende Unterschie- essierten Laien nicht selten so erscheinen, als de zwischen Deutschen und Franzosen zu kon- verwalte die “offizielle” Wissenschaft ein Arse- struieren. Zugleich sollten moderne Staatsgebil- nal scheinbar selbstevidenter, nicht zu hinter- de, oft genug historisch zufällig entstanden, fragender Fakten, so muß gerade im Gegenteil und mit ihnen die nicht selten heterogenen betont werden, daß die Vorstellung von dem, “Staatsvölker” als Ergebnisse höherer was Archäologie als Wissenschaft an histori- geschichtlicher Logik, da eben schon uralt, schem Erklären und Verstehen zu leisten in der legitimiert werden. Kelten wirkten also noch Lage ist, auch fachintern einer intensiven Dis- sinnstiftend für ein ganzes Kollektiv. Heutzutage kussion unterliegt. Diese wird gelenkt von theo- entbehrt sowohl die wissenschaftliche als auch retischen Vorstellungen, die jedem systemati- die öffentliche Auseinandersetzung mit den schen Tun zugrunde liegen. Dies gilt natürlich Kelten einer politischen Konnotation. An ihre auch für die Darstellung der Grabungs- und Stelle ist eine private Suche nach Glück und Forschungsergebnisse zum Gräberfeld von letzten Wahrheiten getreten. Ganz im Zeichen Wustweiler, die einem Forschungskonzept ver- von Mystik und “New Age” werden Druidenzir- pflichtet ist, das im Abschnitt “Kelten und kel ins Leben gerufen oder aber “Keltendörfer” Römer” kurz skizziert werden soll. frei nach Asterix erbaut. Mit Staunen registriert man, daß mit der Wünschelrute Kultplätze und KELTEN Wohnstätten bis ins letzte Detail rekonstruiert werden – wohlgemerkt ohne daß eine einzige Die Kelten, in der Antike ganz unterschiedlich Schaufel Erde vor Ort bewegt worden wäre. als keltoì bzw. celtae, als galli oder galataì Moderne Medien bedienen ein wachsendes bezeichnet, sind neben den Germanen die Publikum. Buchtitel wie “Die Kelten - Das Volk, andere große Bevölkerungsgemeinschaft im das aus dem Dunkel kam”, “Die Weisheit der prähistorischen Mitteleuropa. Kelten sind Druiden”, “Das keltische Horoskop” mögen hier weder ein “Volk” im Sinne einer homogenen schlaglichtartig aus dem jährlich wachsenden Gemeinschaft, noch gar ein Staatsvolk. Kelti- Reservoir an einschlägiger Literatur genannt sche Staatlichkeit hat es nie gegeben. Der sein, ebenso wie Fernsehsendungen, die den Begriff keltisch bezieht sich in der Antike auf falschen Glauben einerseits an den “unermeß- Gemeinsamkeiten der gesprochenen Spra- lichen Reichtum” der Kelten schüren, den die che, wenn er nicht einfach nur als gelehrter “Schatzjäger in Deutschland” bergen könnten, Sammelbegriff für Völker des nördlichen Barba- andererseits eine Art Ersatzreligion aufbauen, ricums gebraucht wurde. Die Erforschung der indem die mystische Kraft von “Kultstätten in Kelten ist Aufgabe von Archäologen und Histo- Deutschland” beschworen wird. Dort, wo nicht rikern, da einerseits Bodenfunde (Gräber, Sied- reine Habgier, die oft genug Antriebsfeder der lungen, Deponierungen, kultische Anlagen), “Schatzsuche” darstellt, gesetzlich geregelte andererseits antike Schriftzeugnisse zur Verfü- Belange berührt, ist es nicht Angelegenheit gung stehen. Insgesamt lassen sich in prähisto- dieser Schrift, Glauben und persönliche Welt- rischer Zeit vier Epochen keltischer Geschichte 4 ___________________________________________________________________ unterscheiden. Als formative Phase keltischer Das 6. und 5. Jhd. v. Chr. kann mit voller Tradition muß der Zeitraum zwischen etwa 1000 Berechtigung als frühkeltische Epoche – 600 v. Chr. bezeichnet werden, wo in Süd- bezeichnet werden (jüngere Hallstattzeit und deutschland auf bronzezeitlichen Grundlagen Stufe Latène A). Einzelne griechische Schrift- und offensichtlich unter Einfluß osteuropäischer quellen nennen keltoì in dieser Zeit erstmals. Bei Steppenvölker Traditionsverbände entstanden, der Lokalisierung dieser Bevölkerung herrschte die Jahrhunderte später als Kelten ins Blickfeld in der griechischen Ethnographie aber große der mediterranen Hochkulturen gerieten. Für Verwirrung, da einerseits die iberische Halbinsel diese Epoche fehlen Schriftzeugnisse. Einzel- und Südfrankreich genannt wurden, anderer- aussagen über kulturelle Verhältnisse sind ent- seits aber auch der Oberlauf der Donau. Insge- sprechend hypothetisch, doch sind, wie schon samt sind diese Schriftquellen kaum zu verwer- bei den vorausgehenden bronzezeitlichen Kul- ten. Ab dem 6. Jhd. v. Chr. entwickelten sich turgruppen, entwickelte soziale Systeme festzu- schon vorher geknüpfte Verbindungen zu den stellen. Grundlegende kulturelle Veränderun- mediterranen Hochkulturen (Griechen, Etrus- gen kennzeichneten die erste Jahrtausendhälf- ker) als für den historischen Prozeß maßge- te v. Chr. in der Zone nordwärts der Alpen. bend. Motor des frühen Kulturkontaktes war die Durch Kontakte nach Süden und Osten wurde um 600 v. Chr. von Griechen aus der Stadt Pho- im frühen 8. Jhd. v. Chr. von Griechenland über kaia gegründete Niederlassung Massilia (heute den Balkan und Italien das Handwerk der Marseille). Kronzeugen dieser Vorgänge sind in Eisenverarbeitung in Mitteleuropa bekannt. Südwestdeutschland (Baden-Württemberg, Dies bedeutete eine technische Revolution, Rheinland-Pfalz, Südhessen, Saarland), in Nord- deren Auswirkungen kaum nachvollziehbar und Ostfrankreich, ferner in Böhmen und Öster- erscheinen. Das für die Herstellung von Bronze reich Prunkbestattungen, die Importgut benötigte Kupfer war nur an wenigen Stellen in (Metallgeschirr, Luxuskeramik) enthielten. Die größeren Erzlagern vorhanden, das zulegierte keltischen Bevölkerungsgruppen profitierten Zinn mußte aus entfernten Gebieten (berühmt erheblich von diesem Kulturtransfer. Dies zeigt waren in der Antike die Zinnvorkommen Corn- sich z.B. am Befestigungsbau, der griechische walls) importiert werden. Dies setzte ein dichtes Techniken zum Vorbild sich nahm, an der Netz von Handelswegen und -verbindungen Kampfesweise oder im handwerklichen voraus, dessen Beherrschung Macht und Ein- Bereich bei der schnell rotierenden Töpfer- fluß der bronzezeitlichen Oberschichten sicher- scheibe, die in Mitteleuropa erstmals Verwen- te. Eisenerz ist dagegen in verschiedener Form dung fand. Ferner kam es ab 480 v. Chr. zur praktisch überall in Mitteleuropa zu gewinnen Ausbildung eines neuen kunsthandwerklichen (Bohnerz, Eisenstein, Sumpferz, Lebacher Eier Stils (Latène-Stil), der als Ausdruck neuer usw.), so daß sich auch vorher abseits gelege- mythisch-religiöser Vorstellungen keltische und ne Regionen selbst mit dem begehrten Metall graeco-etruskische Elemente miteinander ver- versorgen konnten und dadurch neue Herr- band. Bekanntestes Zeugnis der frühkeltischen schaftsräume- und strukturen entstanden (älte- Epoche auf saarländischem Boden sind die re Hallstattzeit, ca. 800-650 v. Chr). Das tägliche “Fürsten- und Fürstinnengräber” von Reinheim Leben erfuhr eine tiefgreifende Umgestaltung. im Saarpfalz-Kreis und Schwarzenbach, Kreis So wurden beispielsweise landwirtschaftliche St.Wendel, (um 400 v. Chr.). Gedeutet werden Geräte billiger und haltbarer. Das zwar relativ solche Grablegen als Zeugnis der Machtkon- aufwendig herzustellende, aber dafür um so zentration in den Händen einiger weniger vielseitiger zu verwendende Eisen förderte die Familien, die private, politische und wirtschaftli- Entwicklung der Handwerke ungemein. Für die che Kontakte zu Interessengruppen aus dem Waffentechnik bedeutete Eisen ebenso eine Süden unterhielten. Für die Entstehung kelti- revolutionäre Entwicklung gegenüber der wei- scher Tradition ist der unter südlichem Einfluß chen Bronze, das fortan nurmehr für die Erzeu- stehende “Fürstengräberhorizont” als Ausdruck gung von Schmuck und Metallgefäßen einge- von unter äußeren Umständen begünstigter setzt wurde. Insgesamt entstand ein wirtschaft- Herrschaftsbildung besonders bedeutend. licher Aufschwung auf breiter Basis, da ein “Das Bewußtsein, eine Wir-Gruppe zu sein, ganz neuer Rohstoff und dessen Sekundärpro- reicht bei bestimmten Schichten vielfach nicht dukte mit hohem Geldwert zur Verfügung über die kleine Siedlungskammer hinaus. (...) stand. Welcher Anteil der Eisennutzung an der Nur die Gruppen, deren alltägliches Interesse Entstehung keltischer Traditionen zukommt, ist über diese Kleinräume hinwegreichte, waren bislang wenig erforscht. Die keltische Eisen- die eigentlichen Träger der ethnischen Traditi- schmiedetechnik war jedenfalls in der Antike on” (R. Wenskus, Stammesbildung und Verfas- berühmt. sung, 1961, 64 f.). “Stabile Herrschaftsräume ___________________________________________________________________ 5 und überregionale Beziehungen auf persönli- den damals im Dienste aller Mittel- und cher und wirtschaftlicher Ebene förderten die Großmächte des Mittelmeerraumes. Schon zu Entstehung eines Wir-Bewußtseins, das sich all- Beginn des 3. Jhds. v. Chr. gerieten die Kelten mählich auf breitere Schichten übertrug und allerdings auf der italischen Halbinsel in die dadurch zur Bildung von Gemeinschaften führ- Defensive, als das immer mehr erstarkende te, die wir im nachhinein als “Stämme” Rom die keltischen Siedlungsgebiete in Italien bezeichnen.” (L. Pauli, in: Die Kelten in Mittel- zu erobern begann. 190 v. Chr. wurde das bis europa, 1980, 23). dato keltische Oberitalien endgültig Teil des Römischen Reiches. Hierdurch ausgelöst wur- Ab dem 4. Jhd. v. Chr. überschritten die Kelten den erneute Bevölkerungsbewegungen, die die Grenzen der antiken Hochkulturen des Mit- wohl auch zurück in die Kerngebiete jenseits telmeer-Raumes, und die Fremdheit dieser Ein- der Alpen führten. Auf solche Kulturkontakte ist dringlinge veranlaßte dazu, ihre Lebensge- vermutlich die Einführung weiterer mediterra- wohnheiten zu beschreiben. Diesem Umstand ner Errungenschaften in der nordalpinen Zone verdanken wir einen nun breiter fließenden zurückzuführen. Goldmünzen, noch als Presti- Strom glaubwürdiger Schriftquellen, die uns geobjekt nicht als Zahlungsmittel verwendet, von historischen Ereignissen, aber auch die zirkulierten und bereiteten die Grundlagen Namen einzelner Stammesgruppen und sogar spätkeltischer Münzwirtschaft. von Einzelpersonen berichten. Flüsse, Berge und Ortsnamen wurden dagegen erst zwei KELTEN UND RÖMER Jahrhunderte später in römischen Feldherren- berichten genannt. Die Zeit der keltischen Es wäre ein grober Unfug, römischen Kolonialis- Wanderungen im 4. und 3. Jhd. v. Chr. kann als mus und den Niedergang keltischer Eigenstän- dritte Epoche keltischer Geschichte bezeich- digkeit in dem Sinne auf einen gemeinsamen net werden (Stufe Latène B und C1). Die Wan- Nenner bringen zu wollen, daß es einen syste- derungen vollzogen sich in mehreren Wellen matisch durchgeführten Plan des römischen über viele Generationen und sind nicht Ergeb- Staates zur Unterwerfung keltischer Völker jen- nis eines einzigen geplanten Unternehmens. seits der Alpen gegeben hätte. Dennoch kann Die Ursache für die verstärkte Bevölkerungsbe- die vierte, die spätkeltische Epoche des 2. und wegung war bereits in der Antike Gegenstand 1. Jhds. v. Chr. (Stufe Latène C2 und D), zu der erfolgloser Spekulation. Neben dem in diesem auch ein Teil der Wustweiler Gräber gehört, Zusammenhang stets genannten Phänomen überhaupt nur im Zusammenhang mit der römi- der “Überbevölkerung” (worauf es keinerlei schen Ereignis- und Strukturgeschichte begrif- archäologische Hinweise gibt), mögen fen werden. Rom etablierte sich nach der bestimmte Formen der Fernweidewirtschaft Unterwerfung der Hauptkonkurrentin Karthago ihren Anteil daran haben. Archäologisch ist die im 2. Jhd. v. Chr. als die Großmacht im westli- Wanderungszeit im Saarland, wie sonstwo im chen Mittelmeergebiet. Zwangsläufig rückte Keltengebiet sehr viel unauffälliger als die vor- das keltische Hinterland stärker ins Blickfeld. Auf angehende. Ein allgemeiner Bevölkerungsrück- vielen schon lange Zeit vorher bedeutenden gang, wahrscheinlich beteiligten sich auch kel- geographischen Wegen kamen die nordalpi- tische Bevölkerungen des Saar-Mosel-Raumes nen Kelten in Tuchfühlung mit Rom. Wesentlich an den Wanderzügen, wie auch ein veränder- waren die Rhône-Saône-Passage in Frankreich tes Totenritual zeichnen dafür vermutlich ver- westlich am Alpenkamm vorbei, aber auch die antwortlich. Nichtsdestotrotz muß eine sozial zahlreichen Alpenpässe des Tessins, Kärntens streng gegliederte Gesellschaftsordnung vor- und Tirols. Hier – an den Übergängen der Ostal- ausgesetzt werden, ohne die Wanderbewe- pen - gründeten römische Händler unter dem gungen ja auch nicht denkbar sind. Schrift- Schutz des Staates schon früh Handelsnieder- quellen jedenfalls nennen für die Wanderungs- lassungen. Von grundlegender Bedeutung für zeit keltische “Könige”. Die keltische Expansion das Schicksal der Kelten im heutigen Frankreich führte in alle Himmelsrichtungen, außer nach und Süddeutschland sollte sich aber erweisen, Norden. Unter anderem wurden Kelten in daß die reiche Handesniederlassung Massilia Ober- und Mittelitalien (387 v. Chr. Plünderung (Marseille) römische Streitkräfte zur Abwehr Roms, damals noch ein winziger Stadtstaat am beutelüsterner Kelten erbat. Die Römer kamen Südrand Etruriens), im Donauraum und sogar in als Retter und blieben als Besatzungsmacht. der heutigen Türkei seßhaft (die Galater des Marseille und weite Teile des Rhônetales bis zur Neuen Testamentes). Keltische Söldner, Schweiz wurden zwischen 125 und 118 v. Chr. bewaffnet mit Schwert, Lanze und Schild, stan- römische Provinz. Fortan galt Gallien (das Land 6 ___________________________________________________________________ bis zum Rhein) als römische Interessenssphäre. ursprünglichen Namen ins Reich einverleibt Kaufleute gingen dort ihren Geschäften nach wurden, ein vielschichtiger Prozeß der kulturel- und politische Kontakte wurden geknüpft. Die len Anpassung an römische Normen ein, der keltische Wirtschafts- und Sozialordnung änder- “Romanisierung” genannt wird. Ergebnis ist te sich unter diesen Vorzeichen grundlegend. eine neue, die “gallorömische” Kultur, die auch Große, relativ volkreiche Siedlungen mit spezia- im Saarland vielfältige Spuren hinterlassen hat. lisierten Handwerken fungierten fortan als Diese ist im Vergleich zur spätkeltischen in allen Umschlagplätze des römisch-keltischen Waren- Bereichen kultureller Äußerungen, wie Wirt- verkehrs, dem auch das Geldwesen angepaßt schaftsordnung, Gesellschaftssystem, Glau- wurde. Städte im Sinne von Zentralorten und bens- und Jenseitsvorstellungen sowie Ästhetik Münzwirtschaft sind Kennzeichen der spätkelti- und künstlerische Gestaltung, eine Neuschöp- schen Kulturen. Im Zuge der Abwicklung des fung, die auf den in der keltischen Kultur bereits Warenverkehrs existieren in keltischen Städten seit langem vorhandenen südlichen Kulturele- sogar Hinweise auf beschränkten Schriftge- menten aufbaute und diese intensivierte. brauch. Alte, auf Viehzucht, Kriegertum und Wesentliche Merkmale der Romanisierung sind Rohstoffkontrolle basierende Eliten und eine im folgende: Urbanisierung, d.h. dichte Verteilung Zuge der Stadtbildung neu im Entstehen begrif- städtischer Ansiedlungen; eine auf gezielte fene Oberschicht (spezialisierte Handwerker, Überschußproduktion angelegte Landwirt- Handelsmagnaten, städtische Beamte) profi- schaft, die in ortsfesten, aus Stein erbauten tierten von diesen Umständen. Eine solche Ent- Gehöften (lateinisch villa) betrieben wurde, wicklung dokumentiert sich auch im archäolo- deren Erträge ans Militär oder in die Städte ver- gischen Quellenmaterial, wo nun wieder Prunk- kauft wurden; Durchsetzung der Münzwirt- bestattungen mit Südimporten (Wein, Trink- schaft auf breiter Basis als Grundvoraussetzung und Speisegeschirre und das damit verbunde- für marktwirtschaftliche Effizienz und für die ne Sozialprestige) auffällig hervortreten. Ein Erhebung von Steuern, die an den Römischen bemerkenswertes Grab dieser Art wurde 1987 Staat abzuführen waren. Eine noch stärkere im luxemburgischen Clemency entdeckt, in Auffächerung und Intensivierung handwerkli- dem eine große Menge von Weinamphoren cher Tätigkeit, die durch ein Manufakturwesen Zeugnis von der Lust der Oberschichten auf mit hohen Produktionsraten erreicht wurde, den besonderen Traubensaft ablegen. Das war Folge des erhöhten Geldumlaufes wie bekannteste Monument der spätkeltischen auch der gesteigerten Bedürfnisse der Stadt- Epoche im Saarland ist zweifellos der Ringwall bevölkerungen. Die Verleihung des Römischen “Hunnenring” bei Otzenhausen, der lange Zeit Bürgerrechtes an einzelne wurde als Mittel zur als keltische Stadt angesehen wurde. Da aber Integration bewußt eingesetzt. Als ein solches Hinweise auf eine dahingehende Infrastruktur galt auch der Dienst beim Militär, da die Solda- fehlen, muß man die Befestigung eher als ten nach Ablauf der Dienstzeit das Bürgerrecht größere Burg bezeichnen, die eindeutig nach erhielten. Jene Kreise der alten Eliten, die nicht dem Gallischen Krieg (58 – 51 v. Chr.) aufgelas- kooperierten, politische und religiöse Führer, sen wurde. Der Gallische Krieg, den C. Iulius wurden gezielt ausgeschaltet. Dies gilt auch für Caesar gegen die Kelten führte, ist letztlich militärische Anlagen, die sich während des Konsequenz jenes Anspruchs auf Vormachtstel- Gallischen Krieges als Widerstandsnester erwie- lung, den Rom mit der Einverleibung von Massi- sen. Solche wurden in römischer Zeit nicht mehr lia zwei Generationen vorher in Gallien anzu- oder nur in kultischem Rahmen genutzt (so melden begann. Mit dem für die Kelten kata- wohl auch der “Hunnenring”). Allgemein strophalen Krieg, der mit Aktionen verbunden waren die gallorömischen Gesellschaften war, die auch nach antikem Völkerrecht nicht demilitarisiert, da das Gewaltmonopol beim zu rechtfertigen waren, zwang Rom diese und Staat lag. Das Tragen von Waffen und ihre andere Bevölkerungsgruppen, die zwischen öffentliche Zurschaustellung, etwa bei Leichen- Pyrenäen und Rhein ansässig waren (Aquita- zügen, unterlag wohl auch rechtlichen Sanktio- nier, Belger), unter die eigene Vorherrschaft. nen. Im archäologischen Fundbild ist darum Ab 15 v. Chr. wurde das süddeutsche Voral- die Anzahl der Waffengräber in frühen gallorö- penland militärisch besetzt. Auch die Kelten in mischen Nekropolen von besonderem Interes- Österreich und Ungarn verloren wenig später se. Weitere wesentliche äußere Merkmale der die politische Freiheit. Romanisierung sind die Übernahme von Zivilisa- Etwa eine Generation nach der Eroberung tionstechniken, die sich markant vom einhei- setzte bei den keltischen Stämmen Galliens, misch Keltischen abheben, wie die mediterra- die als Gebietskörperschaften mit ihren ne Wohnart in Steinhäusern mit Ziegelein- ___________________________________________________________________ 7 deckung, die Verfeinerung des Lebensstils breiterer Bevölkerungs- kreise bei Eß- und Trinkkultur und im Badewesen, schließlich die Erlernung der lateinischen Schrift- sprache sowie der lateinischen Namengebung. Nicht zuletzt muß der Übernahme des römischen Götterhimmels und auch der itali- schen Form der Götterverehrung in Tempeln gedacht werden. In diesem umfassenden Kontext, der sowohl mit althistorischen als auch mit archäologischen Quel- len rekonstruiert ist, stehen die Wustweiler Brandgräber. In wel- cher Weise sie sich darin einordnen, mag in Horst Stief, die abgeschobene Fläche und ent- Ansätzen erkennbar werden. Eine zukünftige deckte Sandsteine, die nicht zu dem anstehen- über den Rahmen dieses Berichtes hinausge- den Fels passen wollten. Er vermutete ein hende Aufarbeitung ist in Aussicht genommen. Bodendenkmal und gab dem Ortsvorsteher Durch einen Vergleich mit anderen Gräberfel- Bescheid, der sofort das Staatliche Konserva- dern, die aber in ähnlich qualitätvoller Weise toramt benachrichtigte. Am 3. März fand ein dokumentiert sein müssen, werden zukünftig erster Ortstermin statt, an dem auch der mit mit archäologischer Methode soziale Aspekte dem Konservatoramt ehrenamtlich als Vertrau- der Romanisierung näher auszuleuchten sein. ensmann zusammenarbeitende Heimatfor- scher Leo Strauß teilnahm. Die Steine, die von der Raupe freigelegt waren, befanden sich I ENTDECKUNGSGESCHICHTE UND GRABUNGS- etwa dort, wo vorher ein Feldweg entlangführ- VERLAUF te, und es sah zunächst so aus, als habe ein Anrainer versucht, mit ihnen eine sumpfige Stel- Fundmeldung le im Weg trockenzulegen. Die Spuren der Rau- penketten verwischten zusätzlich das Bild. Um Anhand der beiden 1993 entdeckten Gräber- die Steinsetzung zu untersuchen, wurde ein felder läßt sich beispielhaft die Geschichte zweiter Termin auf den 9. März gelegt, bei dem einer Notgrabung verfolgen. Aufgrund einer sich die Vermutung des Poliers schnell bestätig- örtlichen Posse, deren Schilderung sich aus te, als verbrannte Knochen und Gefäßscher- Gründen des Datenschutzes und der Vertrau- ben zutage kamen. lichkeit der Information verbietet, mußte der Flugsportverein Illtal e.V. seine Start- und Lan- Erster Grabungsabschnitt: “Langfuhr” debahn um einige hundert Meter auf einen Höhenrücken des Illinger Ortsteiles Wustweiler Das Staatliche Konservatoramt hatte für jenes verlegen. Die geologische Karte weist den Frühjahr eine Grabung in Oberlöstern geplant, Höhenrücken in den Grenzbereich zwischen die etwa einen Monat später beginnen sollte. den sog. Breitenbacher Schichten, einer For- Die Grabungsmannschaft war bereits aufge- mation des Oberkarbons, und den sog. Kuseler stellt, die Gelder standen bereit. So konnte rela- Schichten des Unterrotliegenden. Der sandige tiv unkompliziert umgeplant werden, die Gra- rote Fels, in den gelegentlich schmale Kohlen- bung Oberlöstern wurde “auf Eis” gelegt. Der flöze eingeschaltet sind und wo auch fein Flugsportverein, für den die Notwendigkeit geschichtete, kalkige Sedimentgesteine auf- einer Grabung an dieser Stelle ebenso überra- treten, liegt hier nur zwischen 10 und 30 cm schend kam, zeigte sich sehr kooperativ. Es unter der Grasnabe der Magerwiesen. wurde schnell ein Einvernehmen über den Fort- gang der Arbeiten erzielt. Die Erdarbeiten Die Erdarbeiten wurden an die St. Ingberter Fir- konnten zunächst in einem anderen Bereich ma Groß vergeben, die Ende Februar mit Groß- der Flugbahn wie geplant weitergehen, gerät anrückte. Während die Planierraupe den während auf dem Teil “Langfuhr” die Grabung Mutterboden abschob, kontrollierte der Polier, mit einem Bagger auf Rädern und mit einer 8 ___________________________________________________________________ Böschungsschaufel, d.h. einer Schaufel ohne Zähne, begann. Der Bagger arbeitete sich unter Aufsicht Schicht für Schicht weiter und legte insgesamt die Ober- fläche von 16 Gräbern frei. Zweiter Grabungsabschnitt: “Schafskopfeck”, Bereich Flug- bahn Noch während der ersten Arbei- ten am Gräberfeld “Langfuhr” schob die Raupe auf dem dem Dorf zugewandten Teil der Flug- bahn in Flur “Schafskopfeck” in einer Entfernung von etwa 100 m zur begonne- grabung Wustweiler war beendet, soweit nen Grabung wiederum Steinpackungen frei. Bodendenkmäler gefährdet waren; die Suche Erst später war festzustellen, daß es sich um nach den Grenzen des Gräberfeldes konnte zwei voneinander getrennte Gräbergruppen auf später verschoben werden. unterschiedlicher Ausdehnung und Gräberzahl handelte. Nun konnten die Bauarbeiten nur Vierter Grabungsabschnitt: Acker und Park- noch so begrenzt weitergeführt werden, daß platz sich eine kurzfristige Einstellung nicht vermei- den ließ. Um die Zeitspanne so kurz wie möglich Zwei Tage vor dem geplanten Abrücken im zu halten, wurden zunächst die Gräber doku- August 1993 teilte Herr Berthold Jene, der Besit- mentiert, die unmittelbar den Fortgang der zer der Wiese neben der Grabung, mit, er wer- Arbeiten aufhielten. Für beide Gräberfelder de sein Grundstück zum ersten Mal als Acker wurden die Bauarbeiten insgesamt um etwa bewirtschaften und deshalb noch im Beisein fünf Wochen verzögert, für die aufgrund des der Grabungsmannschaft pflügen. Sein Flur- guten Zusammenspiels aller Beteiligten keine stück reichte bis an den Parkplatz des Flug- Mehrkosten entstanden sind. Im Bereich der sportvereines, für den nunmehr ebenfalls mit- Flugbahn im Flurteil “Schafskopfeck” fanden geteilt wurde, daß er neu befestigt werden sich lediglich neun Gräber, jedoch wurden in müsse, da eine Nutzung als Zubringer für die der angrenzenden Wiese bereits die nächsten Flugzeuge ins Auge gefaßt sei. Beim Pflügen Packungen angeschnitten. wurden mehrere Steinpackungen angekratzt und der Bagger rückte wieder an. In diesem Dritter Grabungsabschnitt: “Schafskopfeck”, vierten Grabungsabschnitt wurden weitere 16 Wiese Gräber freigelegt. Außerdem konnte eine Begrenzung des Gräberfeldes im Bereich des In der Wiese des Herrn Matthias Riehm fanden Parkplatzes und zu dem angrenzenden befe- sich weitere 20 Gräber. Eine Abgrenzung des stigten Feldweg festgestellt werden. Mitte Gräberfeldes konnte bis dahin nur im Bereich August war dieser Grabungsabschnitt abge- der Flugbahn festgestellt werden, die auf der schlossen. Weitere Untersuchungen konnten gesamten Strecke bis auf den Fels abgescho- aus den genannten Gründen 1993 nicht mehr ben worden war. Während der Arbeiten am stattfinden. dritten Grabungsabschnitt begann sich die Grabungsmannschaft zu dezimieren: zum Fünfter Grabungsabschnitt: Nachgrabung 1997 einen hatte für die Studenten das Semester begonnen, zum anderen fand eine zweite Not- Anhand der Kartierung der Gräber auf einem grabung im Kreis Merzig - Wadern statt, die Gesamtplan ließ sich leicht feststellen, daß der ebenfalls Arbeitskräfte benötigte. Der Gra- dritte Grabungsabschnitt erweitert werden bungsetat des Staatlichen Konservatoramtes mußte, um die Grenzen des Gräberfeldes war soweit erschöpft, daß eine weitere Gra- “Schafskopfeck” zu erfassen. Bisher war die bung, die im Herbst für Oberlöstern geplant Ausgrabung unter dem Begriff einer Notgra- war, in Frage gestellt werden mußte. Die Not- bung zu verstehen, einer Pflichtaufgabe des

See more

The list of books you might like

Most books are stored in the elastic cloud where traffic is expensive. For this reason, we have a limit on daily download.