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Die Schizophrenieähnlichen Emotionspsychosen: Ein Beitrag zur Abgrenzung Schizophrenieartiger Zustandsbilder PDF

110 Pages·1963·3.638 MB·German
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Die "Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatl'ie" stellen eme Sammlung solcher Arbeiten dar, die einen Einzelgegenstand dieses Gebietes in wissenschaft lich-methodischer Weise behandeln. J ede Arbeit soli ein in sich abgeschlossenes Ganzes bilden. Diese Vorbedingung Higt die Aufnahme von Originalarbeiten, auch solchen grogeren Um fanges, nicht zu. Die Sammlung mochte damit die Zeitschrrften "Archiv fur Psychiatrie und Nervenkrank heiten, vereinigt mit Zeitschrirft fur die gesamte Neurologie und Psychiatrie" und "Deutsche Zeitschr~ft fUr Nervenheilkunde" erganzen. Sie wird deshalb deren Abonnenten zu einem Vorzugspreis geliefert. Manuskripte nehmen entgegen aus dem Gebiete der Psychiatrie: Prof. Dr. M. MULLER Bern, Bolligenstrage 117 aus dem Gebiete der Anatomie: Prof. Dr. H. SPATZ 6 Frankfurt/M., Deutschordenstr. 46 aus dem Gebiete der Neurologie: Prof. Dr. P. VOGEL 69 Heidelberg, VogstraBe 2 Die Bezieher des "Archiv fur Psychiatrie und Nervenkrankheiten, vereinigt mit der Zeitschri/l fur die gesamte Neurologie und Psychiatrie", der "Deutsche Zeitschri/l fur Nervenheilkunde" und des "Zentralblatt fur die gesamte Neurologie und Psychiatrie" erhalten die Monographien bei Bezug durch den Buchhandel zu einem gt'geniiber dem Ladenpreis um 10% ermajjigten Vorzugspreis MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE HERAUSGEGEBEN VON M.MOLLER-BERN· H.SPATZ-FRANKFURT· P.VOGEL-HEIDELBERG HEFT 102 DIE SCHIZOPHRENIEKHNLICHEN EMOTIONSPSYCHOSEN EIN BEITRAG ZUR ABGRENZUNG SCHIZOPHRENIEARTIGER ZUSTANDSBILDER VON F. LABHARDT DR. MED., PRIVATDOZENT FOR I'SYCHIATRIE SPRINGER-VERLAG BERLIN· GOTTINGEN . HEIDELBERG 1963 Aus cler Psychiatrischen Universitatsklinik, Basel/Schweiz (Direktor: Professor Dr. J. E. STAEHELIN Seit 1. X. 1960 Professor Dr. P. KIELHOLZ) Alle Recine, insbesondere das der Dbersetzung in fremde Spramen, vorbehalten. Ohne ausdrUcklime Genehmigung des Veri ages ist es aum nimt gestattet, dieses Bum oder Teile daraus auf photomemanismem Wege (Photokopie, Mikrokopie) oder auf andere Art zu vervielfaltigen. © by Springer-Verlag OHG I Berlin-Gottingen-Heidelberg 1963 Library of Congress Catalog Card Number 63-12786 Die Wiedergabe von Gebraumsnamen, Handelsnamen, Warenbezeimnungen usw. in diesem Werk beremtigt aum ohne besondere Kennzeimnung nimt zu der Annahme, daB solme Namen im Sinne der Warenzeimen- und Markensmutz-Gesetzgebung als frei zu bet ram ten waren und daher von jedermann benutzt werden dlirften ISBN-13: 978-3-540-03030-0 e-ISBN-13: 978-3-642-86360-8 DOT: 10.1 007/978-3-642-86360-8 Geleitwort Der Begriff "Emotionspsychose" wurde von mir in einer Arbeit yom Jahre 1946 verwendet, urn gewisse Schizophrenie-ahnliche Reaktionen auf starke affektive Spannungen und Erschiitterungen herauszulOsen aus dem groBen Kreis der schizophrenen Psychosen. Damals und in den vorhergehenden Dezennien bestand die Neigung, alle moglichen psychopathologischen Erscheinungen als schizophren und deshalb als "grundsatzlich unheilbar" zu beurteilen. Immer starker machte sich dann, besonders in Nord-Amerika, die Tendenz bemerkbar, die Unter schiede zwischen Reaktion, psychopathologischer Entwiddung und Krankheits prozeB, zwischen Neurose und Psychose zu verwischen und viele Psychos en, die nicht von deutlich faBbaren korperlichen Veranderungen begleitet waren, als psychogen zu beurteilen und psychoanalytisch zu behandeln. Die klinische Psychiatrie drohte zu Gunsten einer oft unkritischen Psychologisierung der Psychos en einer seits, einer biologisch-pharmakologisch orientierten Psychiatrie andererseits ihren Wert zu verIieren. Dr. FELIX LABHARDT, Privatdozent und Stellvertreter des Direktors der Psych iatrischen Universitatsklinik in Basel, bietet hier eine sorgfaltige klinische Arbeit, in welcher tiefenpsychologische und biologische Betrachtungsweisen aber durchaus nicht zu kurz kommen. Er hat nach dem Prinzip der "mehrdimensionalen Dia gnostik" jene 61 Patienten so griindlich als moglich nachuntersucht, bei den en ich zwischen 1938 und 1958, wahrend ihres Aufenthaltes in der Basler Psychiatrischen Klinik, die Diagnose auf Schizophrenie-ahnliche Emotionspsychosen gestellt hatte. Die Zahl dieser Patienten nimmt immer noch stark zu, entsprechend den Spannun gen, welch en der heutige Mensch ausgesetzt ist. Wichtig i,st der Nachweis LABHARDTs, daB die Halfte dieser Emotionspsychotiker erblich nicht belastet ist, und daB von den anderen nur 110/0 in ihrer Hereditat Schizophrenien und bloB 6010 schizoid verschlossene Charaktere, 9"/0 jedoch Emotionspsychosen aufweisen. Etwa 13% der Emotionspsychotiker wurden spater schizophren. Diese Emotionspsychosen werden yom Verfasser genau beschrieben und gegen iiber anderen Psychosen, Neurosen und pathologischen Reaktionen, auch schizo phrenen Reaktionen, abgegrenzt. Die korperliche und psychische Konstitution und prapsychotische Konstellation dieser Patienten, ihre gesamte traumatische Situation wird geschildert, welche bei ihnen zu intensiven intrapsychischen Spannungen und Entzweiungen fiihrte, alte Komplexe reaktivierte, das Selbstwertgefiihl schwer erschiitterte, groBe Unsicherheit und Angst hervorrief und durch einen psycho somatischen circulus vitiosus die psymotisme Reaktion ausloste. Diese stellt meistens eine Verdichtung der eigenartigen Konfliktsituation dar und pflegt in ein bis zwei Women spurlos abzuklingen; sie kann aber spater unter ahnlimen Bedingungen wieder auftreten. Die korperliche Grundlage dieser psychotischen Erscheinungen - Katastrophengefiihl, vollige Dissoziation, Halluzinationen, Wahnbildungen, IV Stupor oder groBe Unruhe, aber immer ausgezeichneter affektiver Rapport - ist in starken Storungen des di- und mesencephalen Systems zu suchen; das ergiht sich aus der genauen Analyse der psychophysischen Faktoren, welche bei dieser Psychose von besonderer Bedeutung sind und in der vorliegenden Arbeit eingehend ge schildert werden. Diese Studie von FELIX LABHARDT bringt eine wertvolle Bereicherung der kaum mehr iiberblickbaren Literatur iiber das Schizophrenie-Problem; sie wurde im Jahre 1960 abgeschlossen. Basel, im Januar 1963 Prof. Dr. J. E. STAEHELIN v Inhaltsverzeichnis I. Einlei tung . . . . II. Allgemeines tiber schizophrene und schizophrenieahnliche Reaktionen . 4 III. Die Struktur der Emotionspsychosen. . 10 a) Geschlecht, Herkunft und Haufigkeit . 10 b) Hereditat . . . . . . . 10 c) Physische und psychische Veranlagung 11 d) Alter ........... 13 e) Die psychischen Faktoren. . 14 f) Die verschiedenen Arten psychischer Traumen . 20 1. Eheliche Spannungen . . . . 20 2. Erotische und sexuelle Traumen 23 3. Religiose Konflikte. . . . 24 4. Versagensangst . . . . . 26 5. Isolierung und Entwurzelung 27 6. Schuldgefiihle. . . . . . 28 7. Existentielle Bedrohung . . 29 8. Psychoanalyse und Emotionspsychose 30 g) Korperliche Faktoren. . . . 32 IV. Die Symptomatik der Emotionspsychosen 35 V. Der Inhalt der Emotionspsychosen . . 38 VI. Verlauf und Behandlung der Emotionspsychosen . 41 VII. Die Abgrenzung der Emotionspsychosen von anderen psychischen Erkrankungen 52 a) Emotionspsychosen und Schizophrenien . 52 1. Hereditat . . . . . . . . . . 53 2. Physische und psychische Veranlagung 54 3. Krankheitsverlauf . . . . . . . 57 4. Therapeutische Beeinflussung 58 5. Psychische und psychophysische Faktoren 60 6. Symptomatologie . . . . . . . . 63 7. Der Obergang von Emotionspsychose zur Schizophrenie 70 b) Emotionspsychosen und schizophrene Reaktionen 74 c) Emotionspsychosen und paranoide und katatoniforme Reaktionen . 76 d) Emotionspsychose, Neurose und hysterische Reaktion . . . . . 77 e) Emotionspsychosen und akute organisch-toxisch bedingte Geistesstorungen . 81 f) Emotionspsychosen und Involutionspsychosen. . . . . . . . . . 85 g) Emotionspsychosen und Puerperalpsychosen . . . . . . . . . . 86 h) Emotionspsychosen und akute Psychosen des epileptischen Formenkreises 88 VIII. Die Pathogenese der Emotionspsychosen. . 89 1. Hereditat . . . . . . . . . . 89 2. Physische und psychische Veranlagung 90 VI 3. Ethnische Zugehorigkeit 90 4. Psychische Faktoren 91 5. Somatische Faktoren . 92 6. Synthetische Zusammenfassung 93 IX. Zusammenfassung 95 Literatur .... 98 Namenverzeichnis 101 Sachverzeichnis 102 I. Einleitung Die Schizophrenielehre hat in den vergangenen Jahren eine Umgestaltung erfah ren, die uns vieles in neuem Lichte sehen laBt. Trotzdem sind wir auch heute noch weit davon entfernt, uns ein einheitliches Bild von dieser immer wieder ratselhaft er scheinenden Krankheit zu machen. M. BLEULER hat in seinem Bericht tiber "For schungen und Begriffswandlungen in der Schizophrenielehre 1941-1950" auf neue Erkenntnisse tiber diese Psychose hingewiesen. Er hat vor allem gezeigt, daB man sich von der hypothetischen Vorstellung einer Krankheit "Schizophrenie" gelost und sich dem Studium von Einzelerkrankungen in der Schizophreniegruppe sowie der einzel nen schizophrenen Personlichkeit zugewandt hat. M. BLEULER postulierte, daB die kommende Schizophrenieforschung sich besonders mit dem Problem einer Storung durch personliche Lebensschwierigkeiten befassen mtisse; er legt dabei besonderes Ge wicht auf die erklarend-psychologische Forschungsrichtung, die die deskriptive, klassische ersetzen sollte. Inzwischen haben die Anschauungen tiber das schizophrene Krankheitsgeschehen eine groBe Bereicherung durch die Weiterentwicklung der verschiedenen psychologi schen und somatischen Behandlungsverfahren einerseits sowie durch die experimen tellen und biochemischen Forschungen, namentlich tiber den Amin-Stoffwechsel, andererseits erfahren. Dabei muB allerdirtgs festgestellt werden, daB es bisher nicht gelungen ist, auf experimentellem Wege, etwa durch bestimmte Drogen, eine echte Schizophrenie nach zuahmen. Dagegen haben uns die Ergebnisse der tiefenpsychologischen Therapie {ROSEN, SECHEHAYE, BENEDETTI, CH. MULLER, ARIETI u. a.) und die Daseinsanalyse (BINSWANGER) einen umfassenden Einblick in die Problematik und Lebensweise der schizophrenen Personlichkeit vermittelt; zu ganz neuen Aspekten ftihrte uns aber auch die seit 1952 durch DELAY und DENIKER eingefiihrte Therapie mit neuroplegischen Medikamenten (Phenothiazinderivate, Reserpin u. a.). Die moderne medikamentose Therapie hat uns neben Heil- und Besserungserfolgen wertvolle Beobachtungen tiber das schizophrene Krankheitsgeschehen ermoglicht. So haben wir an Hand der Wir kung neuzeitlicher Heilmethoden genauere Hinweise auf die Struktur der einzelnen Schizophrenieformen erhalten. Dabei stellte sich auch die Frage nach der Natur jener akut schizophrenen Psychosen, die unter dem EinfluB einer somatischen Behandlung oder zuweilen sogar spontan rasch abklingen und nur selten rezidivieren. Wenn man bedenkt, wie unspezifisch haufig psychische Krankheitssymptome, namentlich bei kurzer Dauer, sind, so ist die Frage wohl berechtigt, ob bei sol chen kurzdauernden psychotischen Zustandsbildern der Name "Schizophrenie" tiberhaupt angebracht ist. Zweifel am Bestehen dieser Krankheit waren hauptsachlich gerecht fertigt, wenn sich auBer dem raschen Ablauf noch andere gegen eine solche Diagnose sprechende Kriterien finden lieBen. Labhardt, Emotionspsychosen 1 2 Einleitung Man weig, Wle auch heute noch die Deklarierung eines seelisch Kranken zum Schizophrenen benachteiligend wirkt. Schon deshalb haben J. E. STAEHELIN und PAULEIKOFF nachdrucklich verlangt, dag die Diagnose Schizophrenie mit groger Vorsicht zu stell en sei. Aus medizinisch-wissenschaftlichen, aber vor aHem auch aus sozialen Grunden scheint der Versuch gerechtfertigt zu sein, gewisse Krankheits gruppen mit schizophrener oder schizophrenieartiger Symptomatik aus dem Kreise der eigentlichen Schizophrenien auszuscheiden. Die Gruppierung dieser schizo phrenieverwandten Krankheitsbilder wird dadurch kompliziert, dag der Schizo phreniebegriff schon an und fur sich von Schule zu Schule und von Land zu Land wechselt. Wahrend im deutschsprachigen Gebiet, basierend auf den Anschauungen von E. BLEULER, das Wort "Schizophrenie" fur eine groge Zahl von verschiedenartigen Krankheitsbildern verwendet wird, also eine umfassende Bedeutung hat, wird sein Gebrauch beispielsweise im franzasischen Sprachraum erheblich eingeschrankt: Symptomatologisch schizophrenieartige Zustandsbilder, wie das "delir aigu" und die "psychose hallucinatoire chronique", werden als selbstandige Erkrankungen ange sehen. In den Vereinigten Staaten schliemich wird heute die Schizophrenie in globo weitgehend als psychogen bedingt und neuroseverwandt betrachtet, und dementspre chend wird von "schizophrenic reaction" gesprochen (ULETT und GOODRICH). Sehr verschieden sind aber auch die Ansichten, auf Grund welcher Kriterien die Diagnose einer schizophrenen Starung gestellt werden kann. Sind der Verlauf oder die Krankheitserscheinungen maggebend? Wir denken namentlich an die Bleuler schen Grund- und akzessorischen Symptome oder an die von K. SCHNEIDER 1 speziell zur Diagnosestellung verwendeten Symptome 1. und 2. Ranges, von denen aber der Autor selbst sagt, dag sie auch bei psychotischen Zustanden auf dem Boden anderer Krankheiten vorkommen kannen. Sicher spielen aber bei der Beurteilung der heiklen Frage "schizophrene oder nicht schizophrene Psychose" auch der Entstehungsmodus, die therapeutische Beeinflugbar keit, vor all em aber das Wissen, die Erfahrung und das Einfiihlungsvermagen des Arztes eine Rolle. Mehr denn je mug heute bei der diagnostischen Beurteilung eines psycho tisch en Zustandes die Bedeutung verschiedenartiger pathogenetischer und pathoplastischer Faktoren abgewogen werden. Die Notwendigkeit einer sog. Strukturanalyse bzw. einer mehrdimensionalen Diagnostik, wie sie BIRNBAUM bzw. KRETSCHMER vor geschlagen haben, wird immer evidenter. So ist zu bedenken, dag die Zahl der psychoreaktiven Krankheitsbilder - wohl in Zusammenhang mit der Nervositat des modernen Lebens - in den letzten Jahren gewaltig angestiegen ist. Man mug also damit rechnen, dag solche nicht nur isoliert vorkommen, sondern daB sie sich auch in zunehmendem MaBe mit endogenen, organischen und charakterlichen Starungen ver koppeln. 1 Als Schizophreniesymptome 1. Ranges nennt K. SCHNEIDER: Gedankenlautwerden, Horen von Stimmen in Form von Rede und Gegenrede, Horen von Stimmen, die das eigene Sein begleiten, leibliche Beeinflussungserlebnisse, Gedankenentzug und andere Gedankenbeeinflussungen, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung sowie alles von ande ren Gemachte auf dem Gebiete des Fi.ihlens, Streb ens und des Wollens. Symptome 2. Ranges sind: die i.ibrigen Sinnestauschungen, der Wahneinfall, Ratlosigkeit, depressive und frohe Verstimmungen, erlebte Gefi.ihlsverarmung uSW. Einleitung 3 Dazu kommt der ebenfalls zeitbedingte Gebrauch und MiBbrauch von Medika menten. Diese konnen unter gewissen Umstanden ebenfalls zu psychotischen Mani festationen fiihren, oder wenigstens solche auslosen; erinnert sei beispielsweise an die oft schizophrenieartigen Psychosen bei Weckaminabusus. Sogar bei der Behandlung schizophrener Psychosen entstehen unter EinfluB der modernen Psychopharmaka zuweilen Zustandsbilder, die nicht ohne weiteres von der Grundstorung abgegrenzt werden konnen, z. B. die medikamentos bedingte parkinsonoide Akinese, die oft nur schwer von katatonen Stuporzustanden zu trennen ist. Auch die zunehmende Lebensdauer der Bevolkerung fiihrt zu immer haufigeren psychischen Storungen im Riickbildungsalter und im Senium; nicht selten zeigen solche ebenfalls schizophrenieartigen Charakter, wobei sich Freilich die typischen Ziige des entsprechenden Lebensalters hinzugesellen. Schwierig gestalten sich die Verhaltnisse in der Pubertat, wo zuweilen bizarres Verhalten oder traumerisch-schwarmerische Ziige an eine beginnende Schizophrenie denken lassen, die sich aber gliicklicherweise oft als harmlose Pubertatskrise entpuppt. Auch kulturelle Faktoren spielen bei der Beurteilung eines schizophrenen oder schizophrenieartigen Zustandes eine Rolle; bei Angehorigen anderer Rassen oder bei gewissen Berufsgruppen - Kiinstlern - darf diese Diagnose nur mit Vorbehalt gestellt werden. Zu diesen zeitbedingten Faktoren, die am Aufbau einer Psychose beteiligt sind, kommen diejenigen hinzu, die von jeher fiir die Entstehung eines psychotischen Zu stan des von Bedeutung gewesen sind: Hereditat, Geschlecht, Konstitution, Milieu und erlebnisbedingte Momente. Wie schwierig sich unter Umstanden die Beurteilung einer Psychose gestaltet und wie mannigfach die an ihrem Zustandekommen beteiligten Faktoren sind, solI der folgende Fall zeigen: Falll: Ein 1893 geborener, pyknischer, hereditar unbelasteter Mann fiihrte bis zum Jahre 1957 ein in jeder Hinsicht unauffalliges Leben. 1m Friihjahr 1957 zeigten sich bei ihm, offenbar in Zusammenhang mit finanziellen und familiaren Sorgen (Erkrankung der Ehefrau), Schlaf und Appetitstorungen. In diese Zeit fallt auch ein Fahrradunfall, bei dem sich der Patient eine harmlose Rippenfraktur zuzog. Nach diesem Ereignis begann er iiber pracordiale Schmerzen, iiber allgemeine Miidigkeit und Leistungsunfahigkeit und Veranderungen des Geschmackes zu klagen. Ambulant wurde damals die Diagnose einer hypochondrisch ge farbten Involutionsdepression gestellt; psychoorganische Symptome waren nicht eruierbar. Einige Monate spater muBte der Patient in stark depressivem Zustand, in dem er mehrere Tage nichts gegessen hatte, in eine somatische Klinik eingewiesen werden; dort wurde auBer einem geringen Herzbefund korperlich nur eine Harnstofferhohung festgestellt, die auf Salzmangel beruhte und nach Fliissigkeitszufuhr verschwand. Hingegen verschlechterte sich der Patient in psychischer Hinsicht rasch; er muBte in einem depressiv-katatonen Zustand in die psychiatrische Klinik verlegt werden. Dort lag er zunachst bewegungslos im Bett; er auBerte Selbstanklagen. Nach dem Beginn einer Behandlung mit einem stimmungshebenden Medikament wurde er lebhafter; Halluzi nationen traten auf: er habe gegen Morgen beim Fenster ein rotes Licht gesehen, aus dem er den Vorwurf habe lesen miissen, statt katholisch kommunistisch gewahlt zu haben. Gleichzeitig sei er gezwungen gewesen, standig die Ecken seines Bettes und seines Deck bettes zu zahlen und leise vor sich hin das Wort "Ecke" zu sprechen, was bedeute, daB die iibrigen Patienten eine "Ecke ab" hatten. Ob sie ihm dies vergeben konnten? Der Kranke muBte auch "ungeheuer lasterhafte" Dinge iiber Gott und seine Mitpatienten denken, so daB er sein Gesicht vor Scham in den Bettdecken vergrub. Seine Stimmung wurde zu nehmend angstlich; er befiirchtete unbegriindeter Weise den Tod seiner Frau. Die roten Halluzinationen nahmen die Gestalt einer Damenbluse an, die auf den jetzt auch motorisch 1*

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