FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN Herausgegeben durch das Kultusministerium Nr. 796 Prof. Dr. phil. Rolf Danneel Ursula Lindemann und Stefanie Lorenz Zoologisches Institut der Universität Bonn Die Scheckung der schwarzbunten und rotbunten Niederungsrinder I. Morphologischer Befund Als Manuskript gedruckt SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH 1959 ISBN 978-3-663-20104-5 ISBN 978-3-663-20465-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-20465-7 Herrn Professor Dr. 0. Koehler zum 70. Geburtstag gewidmet G 1 i e d e r u n g 1. Einleitung . . . s. 5 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Qualitative Befunde • . . s. 9 . . . 3. Quantitative Befunde . s. 16 a) Methoden • • • • • • • • • • . s. 16 b) Die relative Häufigkeit der einzelnen . . . . . . . . . . Scheckungsgruppen . . . . . . . . . . s. 17 c) Die Pigmentierung der fünf Scheckungs- . . . . . . . s. gruppen 18 4. Zusammenfassung ••••••••••• . s. 24 . . . . . . . . Literaturverzeichnis . s. 25 Anhang: Tabellen und graphische Darstellungen • • • . • • . • . • . • S. 29 Seite 3 1. Einleitung In einer 1925 erschienenen Arbeit 11Uber die Scheckung des schwarz-bunten Niederungsrindes und ihre Vererbung" hat schon LAUFRECHT versucht, die verschiedenen Zeichnungsmuster der schwarz-bunten Rinder in ein System zu bringen. Seine Untersuchungen fußten auf Skizzen, die einige Herden besitzer im Laufe der Zeit von ihren Tieren angefertigt hatten. Die Ana lyse ergab, daß bei zunehmender Scheckung manche Körperteile bevorzugt weiß werden, während andere ihr Pigment besonders stark festhalten. LAUFRECHT nannte diese letzteren Hautpartien ''Rückzugszentren" und gab dazu ein Schemabild wieder (Abb. 1), das nach seiner Meinung die Lage dieser Zentren besonders gut veranschaulichen soll. Das Bild ist dann später auch von HENKE (1933) übernommen worden. A b b i 1 d u n g 1 Rückzugszentren des Pigments nach LAUFRECHT N Nackenfleck H Halsfleck W Wangenfleck S Seitenfleck Sch Schulterfleck K Kreuzfleck Da uns indessen bei Freilandbeobachtungen mehrfach Tiere aufgefallen waren, die sich nicht ohne weiteres in das LAUPRECHTsche Schema ein ordnen ließen, und da wir außerdem den Eindruck hatten, daß sich die rot-bunten Rinder hinsichtlich des Farbmusters in mancher Hinsicht von den schwarz-bunten unters~hieden, haben wir die Frage an Hand eines größeren photographischen Materials wieder aufgegriffen und berichten hier zunächst über das Ergebnis der Bestandsaufnahme. In einer weiteren Arbeit soll dann untersucht werden, inwieweit diese Befunde Aufschluß über die genetische Situation zu geben vermögen. Außer der Arbeit LAUFRECHTs und einer früheren Mitteilung von DUNN, WEBBund SCHNEIDER (1923) gibt es in der Literatur anscheinend keine zusammenfassende Darstellung über die Scheckung der Rinder; verstreute Notizen finden sich aber in mehreren Publikationen über allgemeinere Seite 5 Fragen der Tierzüchtung (s. Literaturverzeichnis). Diese Arbeiten ent halten zum Teil auch Angaben über die Verbreitung der einzelnen Rinder rassen in Mitteleuropa. M a t e r i a 1 Die folgenden Untersuchungen stützen sich - abgesehen von den erwähnten Freilandbeobachtungen - auf Photographien von 830 gescheckten Rindern, die uns die Landwirtschaftskammer Bonn auf Anregung von Herrn Dr. J. COENEN freundlicherweise samt den Negativen zur Verfügung stellte. Die Mehrzahl dieser Aufnahmen stammt von den Kreistierschauen für Rinderzucht aus dem Niederrheingebiet (Abb. 2) und umfaßt männliche und weibliche Tiere. ", . l \ \e HOLLAND f 1 l ./~ ~" ..... 1 .....' \. ""L r .J rI ' r .1'~ I \ ~~ Y;te ~:. / "jo.uenk. 1 ..... \ \ 1 l ~. • Aach•n M ............. ....... , ... \ EuJ»n .r I ..... eo \ Sehleld~ BELGIEN l l ... .,.t. ,. ... ~ ) A b b i 1 d u n g 2 Herkunftsgebiete der Rinder e schwarz-bunt, o rot-bunt Seite 6 Unter den 830 Tieren befanden sich 601 schwarz-bunte und 229 rot-bunte. Diese beiden Rassen unterscheiden sich nicht nur in der Farbe, sondern auch in der Art der Scheckung deutlich voneinander. Während nämlich die Flecke bei den schwarz-bunten Rindern gleichmäßig pigmentiert sind und klare Konturen zeigen, weisen die rot-bunten Rinder eine "Wolkenscheckung" auf, die gewöhlich von "verspritzten" Flecken begleitet ist (Abb. 3 und 4). A b b i 1 d u n g 3 Schwarz-bunter Bulle aus Winnekendonk, Kreis Geldern A b b i l d u n g 4 Rot-bunter Bulle aus Grietherbusch, Kreis Rees Den weißen Stirnfleck, der auf beiden Photographien deutlich sichtbar und bei Rindern sehr verbreitet ist, haben wir bei der Analyse der Schek- Seite 7 kung nicht mitberücksichtigt, weil er bei den von der Seite photographier ten Tieren nicht immer in seiner vollen Ausdehnung erkennbar war. V e r e r b u n g d e r S c h e c k u n g Scheckung ist bei Rindern rezessiv gegen Ganzfarbigkeit, doch gibt es offenbar mehrere Scheckungsgene mit verschieden starker Wirkung, die allem Anschein nach einer Allelenserie angehören und bei Kombinations kreuzungen jeweils intermediäre Phänotypen liefern. Der Fall liegt also vermutlich ähnlich wie bei den von DUNN und Mitarbeitern 1937 bis 1942 untersuchten gescheckten Mäusen. Auch hier findet man neben fast voll ständig pigmentierten Tieren solche, die fast am ganzen Körper weiß sind, und dazwischen alle Übergänge (Zusammenfassung bei GRÜNEBERG, 1952). Bei Rindern dominiert ferner, wie wohl bei allen Säugetieren, Schwarz über Rot. Bastarde von schwarz-bunten und rot-bunten Eltern sind also schwarz-weiß gescheckt. Daß es sich um Bastarde handelt, erkennt man aber an der Form der Flecke, die nicht glatt konturiert sind, wie bei den reinerbig schwarz-bunten Tieren, sondern mehr oder weniger "wolkig" aussehen, wie bei den rot-bunten Rindern, also intermediär vererbt werden. Experimentell gesicherte Daten über die genetischen Grundlagen der Scheckung bei Rindern gibt es leider nicht, weil hier aus verständlichen Gründen noch nie systematische Kreuzungen in größerem Umfange durchge führt worden. sind. LAUFRECHT hat deshalb in Anlehnung an DUNN, WEBB und SCHNEIDER vorgeschlagen, der Einfachheit halber zunächst drei Genotypen mit transgradierender Variabilität anzunehmen, nämlich zwei homozygote mit schwacher {AA), bzw. starker Scheckung (aa), und einen heterozygoten mittlerer Scheckung (Aa). Wir werden hierauf, wie gesagt, in einer 2. Mitteilung zurückkommen und dann auch die Ergebnisse von DUNN und seinen Mitarbeitern ausführlicher diskutieren. Über die Wirkungsweise der Scheckungegene bei Rindern ist überhaupt noch nichts bekannt. Wir wissen also weder, auf welchem Wege hier die pigment bildenden Wanderzellen (Melanoblasten) ihren Bestimmungsort erreichen, noch warum sie bei den Schecken nicht alle Bezirke der Haut besiedeln. Sicher ist·nur, daß sich diese Vorgänge samt und sonders in der Embryonal zeit abspielen, da das junge Rind schon mit dem fertigen Farbmuster zur Welt kommt. Seite 8 D i e S c h e c k u n g d e s N i e d e r u n g s r i n d e s Wir haben zunächst das ganze in Bildern vorliegende Material nach dem Augenschein so in Grupp~n eingeteilt, daß sich alle vorkommenden Schek kungen zwanglos einordnen lieaen. Das Ergebnis wird am ehesten verständ lich, wenn man das räumliche Nebeneinander der vielen Typen gedanklich in eine Entwicklungsreihe mit zunehmender Scheckung transformiert, d.h. von einem einfarbigen Rind ausgeht und dann annimmt, das WeiS habe sie& aus kleinen Anfängen heraus allmählich immer weiter über den Körper aus gebreitet. Ob dies dem historischen Verlauf entspricht, läßt sich aller dings nicht mehr feststellen, weil über die Anfänge der Domestikation und der Rassenbildung beim Rind zu wenig bekannt ist. 2. Qualitative Befunde Die erste Depigmentierung findet man bei den gescheckten Niederungsrin dern stets an den Beinen und am Bauch (Abb. 5). Die weitere Entfärbung kann dann verschiedene Wege einschlagen. Sie beginnt immer am Rücken und geht entweder in der vorderen Hälfte des Tieres von einem dorsalen Schulterfleck oder in der hinteren Hälfte von einem ebensolchen Hüft fleck aus (Abb. 6 und 7). In der dazwischenliegenden Zone, d.h. der Rückenmitte des Tieres, treten beim Niederungsrind keine weißen Stellen auf. A b b i 1 d u n g 5 Beginn der Depigmentierung Seite 9 A b b i 1 d u n g 6 Bildung des durchgehenden Schulterstreifens von einem vorderen dorsalen Rückenfleck aus (Abbildungen 5 bis 10 sind nach Photographien gezeichnet, hinsichtlich der Scheckung also naturgetreu; überall ist aber aus den im Text angege benen Gründen an Stelle des in Wirklichkeit vorhandenen Nebeneinanders der einzelnen Scheckungsformen eine Entwicklungsreihe angenommen worden.) In der erstgenannten Gruppe führt die hinter der Nackenregion einsetzende 6). Depigmentierung zur Bildung eines weißen Schulterstreifens (Abb. Dabei vergrößert sich zunächst der Rückenfleck, dann auch die gegenüber liegende weiße Bauchpartie, bis sich schließlich die beiden vordringen den weißen Areale zu einem durchgehenden Streifen vereinigen, der sich dann allmählich verbreitert. In der zweiten Gruppe resultiert in ganz ähnlicher Weise ein durchgehen der Hüftstreifen. Auch hier nimmt zuerst der Rückenfleck an Ausdehnung zu, dann die entsprechende Bauchregion, bis schließlich beide zusammen fließen (Abb. 7). In einer III. und IV. Gruppe treten die Rückenflecken an Schulter und Hüfte fast gleichzeitig auf, woraufhin also zwei weiße Streifen ent stehen. Diese werden aber in der Regel nacheinander ausgebildet, und zwar erscheint entweder zuerst der Schulterstreifen (Abb. 8) oder der 9). Hüftstreifen (Abb. Seite 10