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Die Rolle der Mutter in der Sozialistation des Kindes PDF

186 Pages·1978·5.192 MB·German
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PRAXIS DER SOZIALPSYCHOLOGIE PRAXIS DER SOZIALPSYCHOLOGIE Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Rudinger, Bonn BAND 3 DIE ROLLE DER MUTTER IN DER SOZIALISATION DES KINDES DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG DARMSTADT 1974 DIE ROLLE DER MUTTER IN DER SOZIALISATION DES KINDES Von Prof. Dr. Ursula Lehr Ordinaria fUr Padagogik und Padagogische Psychologie der Universitat zu KOln Mit einem Beitrag von Frau Prof. Dr. Rita SiiBmuth, Neuss Mit 4 Tabellen DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG DARMSTADT 1974 Prof. Dr. phil. Ursula M. Lehr, Dipl.-Psych., geb. am 5.6.1930 in Frankfurt/M. vcrh., (2 Kin der, geb. 1952 und 1957). Studierte 1949/50 an der Johann Wolfgang Goethe Universitat Frankfurt/M. und von 1950 bis 1954 an der Rheinische Friedrich-Wilhclms-Universitat Bonn Psychologic, Philosophic, Germanistik. Bis 1961 Forschungsassistentin (auf dem Gebiet der Lebenslaufforschung); 1961-1968 Wissenschaftliche Assistentin am Psychologi- schen Institut der Universitat Bonn. 1968 Habilitation an der Philosophischen Fakultat der Universitat Bonn (Habilitationsschrift: Die Frau im Beruf). Wissenschaftlicher Rat und Professor, Abteilungslciter dcr Abteilung Entwicklungspsycho logic am Psychologischcn Institut der Universitat Bonn bis 1972. Seit April 1972 bis jetzt Ordinarius fUr Padagogik und Padagogische Psychologic an der Univcrsitat Kiiln. Forschungs schwcrpunkt: Entwicklungspsychologic in Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Alter. ISBN-13: 978-3-7985-0500-1 e-ISBN-13: 978-3-642-47060-8 DOT: 10.1007/978-3-642-47060-8 © 1974 by Dr. Dietrich SteinkopffVerlag, Darmstadt Aile Rechte vorbehalten, insbesondere des Nachdrncks und der Ubersetzung. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Xerographie, Mikro film, unter Verwendung elektronischer Systeme oder anderer Reproduktionsverfahren) oline schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden. Bie Herstellung einzelner Ver vielf:i.ltigungsstiicke des Werkes oder von Teilen davon ist nach § 54, Abs. 2 URG eine Vergiitung an den Verlag zu entrichten, iiber deren Hiihe der Verlag Auskunft erteilt. Zweck und Ziel der Reihe Praxis der Sozialpsychologie liefert Infonnationen aus der Praxis soziaIpsycho logischer Forschungsarbeit, deren Ergebnisse Maglichkeiten zur Lasung gegen wartiger SoziaIer Probleme bieten sollen. Praxis der Sozialpsychologie tragt zur systematischen Sammlung soziaIpsycholo gischer Kenntnisse und Erkenntnisse beL SoziaIpsychologie wird dabei im weite sten Sinne, z. B. im Sinne der Handbticher von Graumann und Lindzey/Aron son*), verstanden. Praxis der Sozialpsychologie ist aIs Forum fur soziaIe Psychologie in seiner Erscheinungsfonn und -weise nicht fixiert: neben Monographien werden auch Sammelbande mit mehreren Beitragen verschiedener Autoren zu einem tiberge ordneten Leitthema, kritische Sammelreferate tiber soziaIpsychologische Neuer scheinungen und Reader zur VerOffentlichung angenommen. Hauptgewicht wird auf empirische Beitrage gelegt, seien es Feldstudien, Feldexperimente oder Labor versuche. Der stets angestrebte Praxis-Bezug muf1 jedoch in jedem FaIl den metho dischen Anforderungen gentigen, wie sie etwa von Bredenkamp und Feger**) zusammengestellt worden sind. Die Bevorzugung empirischer Arbeiten steht jedoch der Publikation von theoretischen Entwiirfen und methodologischen Beitragen nicht im Wege. Praxis der Sozialpsychologie wendet sich an Psychologen, Soziologen, SoziaI wissenschaftler aIlgemein und an die Fachleute der Praxis, welche in ihrer Arbeit auf empirisch fundierte Informationen aus der SoziaIpsychologie angewiesen sind. Praxis der Sozialpsychologie soli maglichst in 4 Banden pro Jahr in etwa vierteljiihrlichen Abstanden erscheinen. Manuskripte sind an den Unterzeichneten einzureichen, der tiber ihre Aufnahme in die Sammlung entscheidet und den Mitarbeitern die entsprechenden Richtlinien fur die GestaItung der Bande auf Wunsch tibennittelt. Herausgeber und Verlag sind fur aIle Anregungen fur die weitere AusgestaItung der Reihe jederzeit dankbar. Prof. Dr. Georg Rudinger Psychologisches Institut der Universitat Bonn, 5300 Bonn I, An der Schlof1kirche *) Lindzey, G. & Aronson, E.: (Eds.): The Handbook of Social Psychology, 5 Vois., Addison-Wesley, Reading Massachusetts 1968/1969 Graumann, C.F. (Hrsg.): Handbuch der Psychologie, 7, I: Sozialpsychologie: Theorien und Methoden, Hogrefe G6ttingen 1969 und Handbuch der Psychologie, 7,2: Sozialpsychologie: Forschungsbereiche, Hogrefe G6ttingen 1972 **) Bredenkamp, J. & Feger, H.: Kriterien flir die Entscheidung tiber Aufnahme empirischer Arbeiten in die Zeitschrift flir Sozia1psycho1ogie, Zeitschrift flir SoziaJpsychoJogie, 1, 1970, 43 - 47 V Inhalt lie! und lweck der Reihe von Prof. Dr. G. Rudinger ............. V Prolog; Pro und Contra ................................... IX Vorwort: lur AktualWit der Thematik ........................ . 1. EinIeitung ...................................... 3 1.1. lum Begriff der Sozialisation ........................ 3 1.2. "Theorien" und "Modelle" der Sozialisation .............. 5 1.3. Das Problem der Sozialisationsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 1.4. Die Mutter-Kind-Beziehung als Thema der Sozialisations- forschung ...................................... 11 2. Das Verhalten der Mutter in der Erniihrungssituation und mogliche Sozialisationseffekte ........................ 12 2.1. Die Bedeutung der oralen Phase in tiefenpsychologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.2. Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum Erniihrungs- verhal ten ...................................... 13 2.3. Notwendigkeit multivariater Forschungsansatze: Bedeutung des Interaktionsgefuges ............................ 15 3. Die Mutter-Kind-Beziehung im Spiegel der Hospitalismus- forschung ...................................... 17 3.1. Probleme der Mutter-Kind-Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.2. Differenzierende EinflufHaktoren: Startbedingungen und Heimsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.3. Notwendigkeit der sensorischen Stimulation .............. 36 3.4. Notwendigkeit sozialer Stimulation .................... 41 4. Erganzende Betreuung der Kleinkinder bei zeitweiliger miitterlicher Abwesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.1. Unzulassigkeit des Vergleiches mit Heimkindern . . . . . . . . . . . . 47 4.2. Ergebnisse der Kibbutz-Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.3. Tageskrippen und Tageszentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.4. Erganzende Betreuung durch eine "Mutterperson" .......... 53 4.5. Tagesbetreuung in Frankreich, Schweden, Danemark von Rita Siissmuth .................................. 55 S. Die miitterliche Berufstiitigkeit und mogliche Auswirkungen auf das Kind .................................... 69 5.1. lur derzeitigen Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5.2. lur Verbreitung der miitterlichen Berufstatigkeit. . . . . . . . . . . . 75 5.3. Die Betreuung der Kinder berufstiitiger Miitter ............ 76 5.4. Die Einstellung zur Berufstiitigkeit der Frau und Mutter . . . . . . 78 5.5. Methodenprobleme zur Erfassung der Sozialisationseffekte miitterlicher Berufstatigkeit .......................... 86 VII 5.6. Sozialisationseffekte miitterlicher Berufstiitigkeit im Hinblick auf Schulleistung und Intelligenz ...................... 89 5.7. Sozialisationseffekte miitterlicher Berufstiitigkeit im Hinblick auf die Personlichkeitsentwickiung .................... 98 5.8. Miitterliche Berufstiitigkeit und Verhaltensauffilligkeiten der Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 5.9. Miitterliche Berufstiitigkeit und Rollenverstiindnis von Sohnen und Tochtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 107 5.10. Die Bedeutung der Zufriedenheit der Miitter mit ihrer eigenen Rolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 5.11. Zusammenfassung: miitterliche Berufstiitigkeit und kindliche Entwickiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 112 6. Miitterliches Erziehungsverhalten und PersOnlichkeitsent- wickiung des Kindes .............................. 115 6.1. Methodische Ansa tze zur Erfassung des Erziehungsverhal tens . .. 115 6.2. Dimensionen miitterlichen Erziehungsverhaltens ............ 116 7. Die Rolle des Vaters und mogIiche Auswirkungen auf die Sozialisation des Kindes ............................ 124 7.1. Die Vemachliissigung des Vaters in der Sozialisations- forschung ...................................... 124 7.2. Vater-Kind-Trennung und Verhaltensweisen des Kindes 125 7.3. Die Notwendigkeit differenzierender Betrachtung .......... 130 8. Zusammenfassende Schl~betrachtung 134 Literatur 136 Anmerkungen zu Kap. 4.5 ........................... 157 Anhang ....................................... 160 Sachverzeichnis ................................... 165 VIII Prolog Probleme miitterlicher Sozialisation im Fernsehen 9. Mai 1974, 20.15, 1. Femsehprogramm (SDR)* Pro und Contra Heute: "Tagesmiitter" Die Jury: 25 Manner und Frauen, einzeln und zufallig nach dem Stuttgarter Telefonbuch ausgewahlt und vor dieser Abstimmung kurz iiber das heutige Thema informiert Leitung der Sendung: Emil Obermann Obermann: (. ..) Tagesmiitter, was ist das eigentlich? Geduld, Sie werden unver sehens mitten in einem hochinteressanten, aktuellen menschlich und sozial er regenden Problem stecken, beim Stellenwert des Kindes, der Rolle der Frau, des Mannes, der Familie. In unserem Staat gibt es heute etwa 800.000 Kinder im Alter bis zu 3 Jahren, deren Miitter, es sind etwa 700.000, durchweg und dann meist notgedrungen berufstatig sind. Nicht selten schlecht versorgte, oft vernach· lassigte, herumgesto/!,ene Kinder, Sauglinge in aller Regel von Anfang an in vieler lei Hinsicht benachteiligt. Es geht urn eine dieser schrecklichen, neuwissenschaft lichen Formeln, urn friihkindliche Sozialisation, urn die Entwicklung, die Lebens chancen der Kinder berufstatiger Miitter. Ganz praktisch: die Aktion Tagesmiit ter des Bundesministers fur Jugend, Familie und Gesundheit ist angelegt als ein Versuch mit zunachst 200-250 Frauen in einigen Bundeslandern, die bereit sind, tagsiiber Kleinstkinder berufstlitiger Miitter zu betreuen gegen ein Honorar vom Staat in Hohe von 320 DM im Monat. Beaufsichtigt, pflegt und erzieht eine solche Tagesmutter bei sich zu Hause 2 Kinder, soll sie 525 DM und bei 3 Kin dern 630 DM erhalten. Hinzu kame eine steuerfreie Aufwandsentschlidigung von 130 DM fur jedes ganztatig betreute Kind, die in der Regel von den Eltern auf zubringen ware. Tagesmiitter sollen moglichst selbst Kinder haben. Das ist nicht unbedingt Voraus setzung, doch im Normalfall wiirden 1 oder 2 Kinder einer andern, einer abwe send en, einer berufstatigen Mutter zusammen mit den eigenen Kindern betreut. Mehr als 4 Kinder unter 10 gilt als unzumutbar. Urn die Qualitat der Erziehung zu sichern, bekommen Tagesmiitter eine vorbereiter de und praxisbegleitende Kurzausbildung, die sich an der Erziehungssituation einer Normalfamilie orientieren soll; dazu treten Berater und ein wissenschaftliches Begleitprogramm. Dieser inzwischen angelaufene Versuch mit 10-14 regionalen Modellgruppen ist umstritten. Er sei erzieherisch problema tisch, Sauglinge und Kleinstkinder mii/!'ten vor allem wegen des taglichen Wechsels der Bezugsperson, einmal Tagesmutter, einmal natiirliche Mutter seelischen Schaden nehmen, au/!'erdem erhalte die Berufstatigkeit der Miitter ganz unerwiinschterweise einen zusatzlichen Anreiz. *) Der Bandmitschnitt der Diskussion wurde freundlicherweise vom SDR zur Verftigung gestellt und vom Herausgeber der Reihe (Georg Riidinger) gekiirzt und geringftigig iiberarbeitet. IX Die Opposition im Bund, die CDU/CSU, greift deshalb einen ganz anderen Vor schlag auf, will einen anderen Weg gehen. Sie schliigt vor, d~ ein Erziehungsgeld gezahlt whd, und zwar an alle Miitter mit Kindern von 1, 2 oder 3 Jahren; der entscheidende Punkt: an aile Miitter, also auch an nicht berufstiitige. 300 DM pro Kind als Faustregel unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen. Ein be sonde rer Punkt, und das gilt fur beide Losungsvorschliige, ist natiirlich die Finanzierung aus den ohnehin iiberbelasteten Haushalten. Sprecher: Die Anwiilte in unserem Streitgespriich fUr das PRO die Journalistin Gisela Marx, fUr das CONTRA die Psychagogin Christa Meves. Sachverstiindige im Kreuzverhor: Dr. Katharina Focke (SPD), amtierende Bundesministerin fur Jugend, Famllie und Gesundheit, Dr. Helga Wex (stellvertretende Vorsitzende der CDU), Dr. Hans Thomae, Professor fur Psychologie an der Universitiit Bonn, Dr. Theodor Hellbrilgge, Professor fur Kinderheilkunde an der Universitiit Miinchen. Obermann: Und nun konnen wir unser Streitgespriich beginnen. Bitte sehr Frau Gisela Marx, Ihr kurzes Eingangspliidoyer zum Auftakt. Marx: Ich darf vielleicht die Gelegenheit nutzen, urn ein paar Worte zur Kliirung vorab zu sagen. Ich stehe hier nicht als Anwalt der einen oder anderen Partei und schon gar nicht als Lobbyist der miichtigen Organisationen des Arztestandes. Wenn ich trotzdem Partei ergreife, dann deshalb, well ich es fur eine Gruppe tue, die keine Lobby hat, niimlich die von Herrn Dr. Obermann eben angesproche nen 700.000 Miitter und die 800.000 Kinder; die Miitter, die nicht aus reiner Vergniigungssucht, wie hier manchmal versucht wird, den Eindruck zu erwecken, berufstiitig sind, sondern aus harten wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus. Wenn ich eine Bitte an die Juroren rich ten darf, dann wiire es die, dafJ Sie diese Diskussion insbesondere daraufhin iiberpriifen, mit wieviel praktischer Vernunft hier fur die Chancengleichheit dieser Kinder gestritten wird. Denn auch die Wis senschaft wird sich an der praktischen Vernunft messen lassen miissen, und die Politiker werden sich fragen lassen miissen, ob man mit Geld allein alles tun kann. Es geht urn Menschen, es geht urn Miitter, die in Not sind; es geht urn Kinder, die sonst in Heime miiJl.ten, und uns geht es urn Menschen, die anderen helfen miissen und wollen, die wir hier vereinfacht als Tagesmiitter bezeichnen. Obermann: Danke sehr Frau Marx und nun Frau Christa Meves: Ihr Contra pliidoyer. Meves: Ais Famllienmutter und als Fachfrau, d. h. als Psychagogin, die seit 15 Jahren sich mit verhaltensgestorten Kindem und Jugendlichen in der Praxis beschiiftigt, mull; ich mich mit Entschiedenheit gegen das Tagesmiittermodell aussprechen; denn es dreht sich hier bei uns auch urn hochst praktische Vernunft. Denn die ersten beiden Lebensjahre sind in der Entwicklung des Menschen die Zeit, in der sich die spiiteren Charakterziige in einem ungeheuerlichen entscheiden den M~e vorformen, sozial oder unsozial, aktiv oder passiv, liebevoll oder lieblos, das wird an dem Kennenlernen und im Bezug, der intensiven Bindung zwischen Mutter und Kind, vorgepriigt. Wenn hier an dieser Stelle der Wechsel der Bezugs personen einsetzt, wie es das Tagesmiittermodell vorsieht, sogar auch noch Ersatz- x miitter, und auch noch der Wechsel der Umgebungen, dann besteht die Gefahr, daE hier Schaden entstehen, die als UrmiEtrauen gegen Menschen im ganzen Leben nachher spater bemerkbar sind, Schaden, die dem Laien meistens erst in der Pubertat der Kinder sichtbar werden, die aber dennoch ganz gravierend hier schon geweckt werden, und deswegen werden hier im Grunde Bomben mit Zeitziindern gelegt, wenn man die Babies so falsch behandelt, wie es das Tagesmiittermodell vorsieht. Obermann: Das waren die Eingangspladoyers. Nun kommen wir zum Aufruf der Sachverstiindigen. Als erste rufe ich auf Frau Dr. Katharina Focke (SPD), die amtierende Bundesministerin fur Jugend, Familie und Gesundheit in Bonn. Marx: Frau Dr. Focke, ich glaube, wir sollten nicht den Fehler begehen, auf der gleichen emotionalen Ebene dieses Thema anzugehen, wie Frau Meves es eben gemacht hat. Wenn ich bedenke, daE Frau Meves hier von einem Zeit zUnder und einer Zeitbombe spricht, und dann ein Buch geschrieben hat, in dem sie Verhalten von Heimkindem am Verhalten von Graugansen defmieren will, dann kannen und wollen wir uns nicht auf diese Ebene begeben, sondern eine schlechte und sachliche Chronologie Ihres Vorhabens hier aufstellen. Sie haben begonnen, ein Modell zu entwickeln, was zunachst einmal iiberhaupt keinen Widerstand gefunden hat. Focke: Ganz recht, es ist ja sogar spontan eine Initiative vieler Miittergruppen in den verschiedensten Stadten der Bundesrepublik gewesen, und ich wiirde so gerne noch einmal auf die konkreten Anlasse dieser Initiative zuriickgehen, narnlich daB es Kinder gibt, die diese ideale Situation, Frau Meves, die Sie gerade geschildert haben, nicht haben. Also Ausgangspunkt: Es gibt die eine Bezugsperson Mutter von morgens bis abends und bis zum nachsten Morgen nicht. Nur die Kinder sind hier gemeint. Und ich setze an bei dem, was wir in der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren haben, sogenannte Tages pjlegestellen, die zweitbeste Art, Kinder, deren Miitter berufstatig sind, aber abends die Kinder wieder bei sich haben wollen, untenubringen. Es geht nun urn den simplen Versuch festzustellen: wie kann man diesen Tagespflegemiittern noch etwas mehr padagogische Anleitung geben, wie kann man sie gemeinsam in einen Erfahrungsaustausch miteinander bringen, wie kann man zwischen der leib lichen Mutter und der Tagesmutter einen standigen Kontakt wegen mehr Erzie hungserfahrung bringen, und wie kann man dieses Ganze, ohne daB ein neuer Beruf oder ein groSer Aufwand mit Einrichtungen gemacht werden muS, wirk lich praktisch vergleichen mit der Heimunterbringung oder auch mit den Krip pen, die wir viel zu wenig haben? Daran liegt mir als eine MaBnahme unter vieien, die wir noch auf viele Jahre brauchen werden, urn das Problem von nicht befriedigend untergebrachten Kindem zu lasen. Marx: Halten wir einmal fest, Sie sind von einer konkreten Situation ausgegan gen, die Sie analysiert haben und fur die Sie versucht haben, eine Hilfe vorzu legen, zunachst ohne jede Einwande von irgendwelcher Seite. Nun haben sich zwei Seiten herauskristallisiert: einmal die Opposition und zum anderen die Wis senschaft. Wie erklaren Sie sich das und wie erklaren Sie sich vor allem dieses platzliche Engagement, denn die Wissenschaft - Herr Professor Hellbrilgge wird hier insbesondere spater darauf angesprochen werden - hat sich erst dann ge meldet hat, nachdem sie selbst nicht gefragt worden sind. XI

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