MAX BORN Die Relativitätstheorie Einsteins Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Ho ngkong London Mailand Paris Singapur Tokio Max Born wurde am 11. Dezember 1882 in Breslau geboren. Studium an den Universitäten Breslau, Heidelberg, Zürich, Göttingen, Cambridge. Promotion 1907 in Göttingen. 1915 a.o. Professor für theoretische Physik an der Universität Berlin, 1919 Ordinarius in Frankfurt, 1921 in Göttingen. 1933 Auswanderung. Asyl in Cambridge als Stokes Lecturer for Applied Mathe matics. 1936 Tait Professor of Natural Philosophy in Edinburg bis zur Emeritierung, Dazwischen Gastprofessor in Chicago 1911, Bangalore (Indien) 1935/36, Kairo (Ägypten) 1946 und 1950. 1954-69 in Bad Pyrmont im Ruhestand. Verstorben am 5. Januar 1970 in Göttingen. Seine Hauptarbeiten betreffen die Dynamik der Kristallgitter und die Quantenmechanik, deren Grund lagen er 1925/26 zusammen mit W. Heisenberg und P. Jordan schuf. Er war Träger mehrerer Medaillen, darunter: Hughes Medal der Royal Society, Planck-Medaille der Deutschen Physika lischen Gesellschaft 1952. 1954 Nobelpreis für Physik. Ehrendoktor verschiedener Fakultäten an zehn Hochschulen des In- und Auslandes, Ehrenbürger von Göttingen und Mitglied vieler Akademien und wissenschaftlicher Gesellschaften. (Abbildung mit freundlicher Genehmigung von MIT Museum, Massachusetts, USA) MAXBORN Die Relativitätstheorie Einsteins Kommentiert und erweitert von Jürgen Ehlers und Markus Pössel Die fünfte Auflage entstand unter Mitarbeit von Walter Biem Sechste Auflage Mit 175 Abbildungen Springer PROF. DR. JÜRGEN EHLERS MARKUS PÖSSEL Albert -Einstein-Institut MPI f1ir Gravitationsphysik Am Mühlenberg I 14476 Golm, Deutschland Ursprünglich veröffentlicht als Band I in der Reihe Heide/berger Taschenbücher Die Deutsche Bibliothek -CIP-Einheitsaufnahme Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins 1 Max Born. Kommentiert und erw. von Jürgen Ehlers und Markus Pässe!. -6. Auf!. - Berlin; Heidelberg; NewYork; Barcelona; Hongkong; London; Mailand; Paris; Singapur; Tokio: Springer, 2001 ISBN 978-3-642-97760-2 ISBN 978-3-642-97759-6 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-97759-6 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks. des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Daten verarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugs weiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung die ses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York ein Unternehmen der BertelsmannSpringer Science+Business Media GmbH © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1964, 1969,2001 Softcover reprint of the hardcover 6th edition 200 I Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: E. Kirchner, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier SPIN: 10779326 54/3141/tr -5432 I 0 Vorwort zur sechsten Auflage Das Buch, das wir hier auf Anregung des Springer-Verlages in einer die neuen Entwicklungen berücksichtigenden, wesentlich erweiterten Fas sung vorlegen, ist aus populären Vorlesungen hervorgegangen. "Die Vorträge", so schrieb Max Born am 5. März 1920 an Arnold Sommerfeld, "habe ich im Januar gehalten für Eintrittsgeld und 6000, M für mein Institut zusammenbekommen". Von dem Erlös wurde der berühmte Stern-Gerlach-Versuch über Richtungsquantelung an Silbera tomen im Frankfurter Institut finanziert. Die Begeisterung über die neuen Ideen, aus denen dies Buch hervorging, war verbunden mit der freund schaftlichen Verehrung, die Born für Einstein empfand. Sie geht aus folgenden Zeilen hervor, die der ersten Auflage des Bornsehen Buches entnommen sind: "Die durch den Krieg geschaffenen Mauern zwischen den Völkern verhinderten auch, daß [Einstein] an den Vorbereitungen der Sonnenfinsternis-Expeditionen zur Prüfung seiner Theorie teilneh men konnte; als ich ihn damals fragte, was er wohl tun würde, wenn der vorausgesagte Effekt nicht da wäre, da meinte er mit seiner unerschütter lichen Ruhe: "da würde ich mich sehr wundern". Er glaubte an seine Theorie. und er hat recht behalten. Heute ist er ein sehr berühmter Mann, vielleicht der bekannteste deutsche Gelehrte; aber er ist dabei der einfa che, anspruchslose Mensch geblieben. Wir Physiker verehren in ihm den Führer in eine neue Periode der Forschung." Vielleicht bedarf es einer Rechtfertigung, ein so altes, allgemeinver ständliches Buch, wenn auch mit Ergänzungen, nochmals herauszubrin gen. Dazu muß zunächst bemerkt werden, daß das grundlegende Verständ nis der Struktur von Raum und Zeit seit der ersten Auflage (1920) be ziehungsweise seit der letzten Bearbeitung (1964) nicht so große Fort schritte gemacht hat wie beispielsweise die auf die Struktur der Materie gerichtete physikalische Forschung. Nach wie vor stützt sich nicht nur die makroskopische Physik, sondern auch die Elementarteilchenphysik VI Vorwort zur sechsten Auflage auf die Einstein-Minkowskische Raumzeitstruktur der speziellen Relati vitätstheorie, und wenn die Schwerkraft berücksichtigt werden muß, also in der Astrophysik und Kosmologie, wird mit Erfolg die allgemeine Rela tivitätstheorie zugrundegelegt. Die Bornschen Schilderungen sind daher für den heutigen Lesern bei weitem nicht nur von historischem Interes se; die Grundlagen der Relativitätstheorie sind auch heute noch wichtige Voraussetzung für ein Verständnis der Physik. Zweitens nimmt Borns Buch auch heute noch eine Sonderstellung in der - inzwischen noch viel zahlreicheren - allgemeinverständlichen Lite ratur zur Relativitätstheorie ein. Es ist üblich geworden, in Büchern, die sich an ein allgemeineres Publikum wenden, auf Formeln nach Möglich keit ganz zu verzichten. Lesern, die einige einfache Mathematikkenntnis se auf dem Niveau der zehnten Gymnasialklasse mitbringen und bereit sind, ihr Wissen unter Borns Führung auf physikalische Situationen an zuwenden, kann dieses Buch mit seiner geschickten Mischung aus nach vollziehbaren Rechnungen und physikalischen Betrachtungen Einsichten in die betrachteten Gebiete der Physik bieten, die eine rein erzählerische Aufarbeitung niemals erzielen könnte. Dieser Umstand wird es, so hoffen wir, für motivierte Gymnasialschüler und -schülerinnen, angehende Stu dierende der Physik und allgemein für solche Leser interessant machen, die jenseits der üblichen populärwissenschaftlichen Literatur ein besse res Verständnis der Einsteinsehen Theorien erlangen wollen, ohne sich gleich der herkömmlichen Lehrbuchliteratur bedienen zu wollen. Ande rerseits dürfte das Buch für diejenigen Leser, die sich - etwa im Rah men eines Physikstudiums - näher mit der Relativitätstheorie beschäfti gen werden, einen nützlichen Einstieg und eine gute Orientierungshilfe bieten, in der die physikalischen Grundlagen, Konzepte und Ergebnis se der Theorie ohne den Ballast des zum tieferen Einstieg notwendigen mathematischen Formalismus präsentiert werden. Über diese Überlegungen hinaus scheint uns, die Rechtfertigung ha be schon Fritz Zwicky in seiner Besprechung der 3. Auflage von 1922 vorweggenommen: "Dem Laien ist Born in weitem Maße gerecht gewor den, indem er alle physikalischen Tatsachen und Theorien, die in engem Zusammenhang mit Relativität stehen, geschichtlich und sachlich syste matisch entwickelt. Dadurch gelingt es ihm, den Leser die Notlage der theoretischen Physik in der Zeit vor 1905 nachleben zu lassen und ihm so das Verständnis für die neue Theorie zu erleichtern. Aber nicht nur dies; dank der bewusst ausgesprochenen und glücklich durchgeführten Tendenz, die Entwicklung der exakten Naturwissenschaften unter dem Gesichtspunkt der Befreiung ihres Stoffes von Subjektivem darzustellen, Vorwort zur sechsten Auflage VII in welcher Entwicklung die Relativität als ein natürlicher Schlusspunkt erscheint, wird das Buch zum künstlerisch vollendeten Ganzen." Trotzdem ist zu bemerken, daß in der Gravitationsforschung seit der letzten Auflage des Buches große Fortschritte erzielt worden sind, und daß dieser Forschungszweig gegenwärtig zu den aktivsten Gebieten der Grundlagenforschung zählt. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, haben wir uns entschlos sen, den Bornschen Text um ein Zusatzkapitel zu erweitern, in dem wir über neuere Entwicklungen berichten - wie wir hoffen, der besten Born sehen Tradition verständlicher Darstellung folgend. Abschnitt VIII, I enthält dabei experimentelle (und auch einige theoretische) Ergänzungen zu den Kapiteln VI und VII; Abschnitte 2 bis 4 berichten über Gravitati onswellen, Schwarze Löcher und die neuere relativistische Kosmologie; in Abschnitt VIII. 5 schließlich versuchen wir, das aktuelle Problem der Vereinigung der bei den fundamentalen Theorien der Physik, der Quan tentheorie und der allgemeinen Relativitätstheorie darzustellen. Anschließend folgen einige Literaturhinweise und ein Anhang, der sich mit dem Verhältnis der von Born benutzten physikalischen Einhei ten zum heute üblichen Systeme International (SI) beschäftigt und ins besondere dazu gedacht ist Lesern, die sich noch gründlicher mit dem Gegenstand des Buches befassen wollen, den Übergang zur modernen Fachliteratur zu erleichten. Der Bornsche Originaltext soll als historisches Dokument erhalten bleiben, und wir haben dort im wesentlichen nur Druckfehler korrigiert!; zusätzlich zu diesen Ergänzungen haben wir dem Text Anmerkungen an gefügt, die im Haupttext durch neben dem Text stehende Nummern ge kennzeichnet sind und mit denen wir zum einen beabsichtigen, einige Unklarheiten und gelegentliche Fehler zu beseitigen, zum anderen, eine Verbindung des Haupttextes mit unserem Ergänzungskapitel herzustel len. Zum Schluß möchten wir unseren Kollegen vom Albert-Einstein Institut (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) danken, die uns bei unserer Arbeit durch hilfreiche Anmerkungen und klärende Diskussio nen unterstützt haben, insbesondere C. Cutler, R. Helling, H. Nicolai, 1 Die drei Ausnahmen seien hier der Vollständigkeit halber angeführt: Auf S. 185 war als Datum des Michelson-Morley-Experiments 1881 statt 1887 festgehalten; ob es sich um einen Druckfehler oder um ein Mißverständnis Borns handelt, können wir nicht feststellen. Auf S. 254, Zeile 10, haben wir das ursprüngliche .. Drahtrichtung" zu "Stromrichtung" geändert; auf S. 311 lagen die Bomschen Angaben für .1v/ v jeweils um einen Faktor 2 zu niedrig. VIII Vorwort zur sechsten Auflage M. A. Papa, A. Sintes, S. Theisen, T. Thiemann und A. Vecchio. Weiter hin danken wir S. Hameit, die es als Nicht-Physikerin unternommen hat, unsere Ergänzungskapitel im Hinblick auf gute Verständlichkeit gegen zulesen. C. Caron vom Springer-Verlag danken wir für seine geduldige Unterstützung und K. von Meyenn für Hinweise auf die Entstehungsge schichte des Bornschen Buches. Golm, im November 2000 Jürgen Ehlers, Markus Pössel Vorwort zur fünften Auflage Die erste deutsche Auflage dieses Buches erschien 1920, zwei weitere folgten 1921 und 1922, eine englische Übersetzung 1924. Seitdem ist das Buch nicht wieder gedruckt worden, bis im Jahre 1962 der amerikanische Verlag Dover Publications, Inc. mir den Plan mitteilte, das fast 40 Jahre alte Buch in der englischen Fassung neu herauszugeben. Ich konnte nicht ohne weiteres einwilligen, da beträchtliche Abschnitte ganz veraltet wa ren. Jedoch schien mir das Buch eine Besonderheit zu haben, derentwe gen es verdiente, erhalten und aufgefrischt zu werden. Es war seinerzeit aus einer Reihe von Vorlesungen hervorgegangen, die ich in Frankfurt a. M. vor einem großen Hörerkreis gehalten hatte zu einer Zeit, da eine Welle allgemeinen Interesses für die Relativitätstheorie und EINSTEINS Persönlichkeit sich ausbreitete. Diese weltweite Teilnahme wurde aus gelöst durch die Bestätigung von EINSTEINS Vorhersage der Ablenkung eines Lichtstrahls im Gravitationsfeld der Sonne durch die Beobachtun gen einer britischen Sonnenfinsternis-Expedition. Wenn auch vielleicht Sensationslust die Haupttriebfeder dieses allgemeinen Interesses war, so war doch auch ein verbreiteter, echter Wunsch nach Verständnis im Spiel. Ich stellte mir die Aufgabe, diesen Wunsch nach Möglichkeit zu befrie digen. Das wesentliche Hindernis dabei war der niedrige Stand physika lischen und mathematischen Wissens. Ich benutzte in den Vorlesungen eine halb-historische Methode der Darstellung, indem ich jeden gedank lichen Schritt durch einfache Experimente und Diagramme erläuterte. Im Druck ließen sich die Experimente nur mit Hilfe von Figuren beschrei ben. Im Gebrauch mathematischer Formeln beschränkte ich mich auf elementarste Algebra, lineare Gleichungen und Quadratwurzeln (selbst quadratische Gleichungen und trigonometrische Funktionen wurden ver mieden oder umgangen) - kurz auf Dinge, die jeder höhere Schüler ge lernt hat. Grenzprozesse ließen sich nicht ganz vermeiden, wurden aber so dargestellt. daß gesunder Menschenverstand genügte, den Schlüssen zu folgen. X Vorwort zur fünften Auflage Seit jener Zeit sind viele Bücher über Relativitätstheorie erschie nen, wissenschaftliche und populäre. Die letzteren, einschließlich einiger Darstellungen EINSTEINS selber, vermeiden im allgemeinen alle mathema tischen Formeln und Diagramme; sie beschreiben die Tatsachen und Ge danken in gewöhnlicher Sprache und ein wenig philosophischer Termino logie - ein Verfahren, durch welches, meine ich, nur eine äußerst oberflä chliche Kenntnis der Relativitätstheorie vermittelt werden kann. Indessen ist in unserem Zeitalter die Naturwissenschaft, die Physik im besonderen, ein grundlegender Teil unserer Zivilisation geworden, und die Zahl der Menschen, die etwas davon verstehen wollen, ist enorm gewachsen. Als ich nun mein altes Buch wieder durchlas, hatte ich den Eindruck, daß seine Darstellungsweise einer beträchtlichen Zahl von Menschen etwas bieten könne, vor allem denen, die ohne Kenntnis höheren Ma thematik und moderner Physik sich noch an das in der Schule Gelernte erinnern und bereit sind, ein wenig nachzudenken. Darum schlug ich dem amerikanischen Verlag vor, eine gründlich überarbeitete und modernisierte Auflage herauszubringen, vorausgesetzt, ich könnte einen jüngeren Mitarbeiter finden. Professor GÜNTHER LEIB FRIED, damals in Göttingen, jetzt in Aachen, erklärte sich bereit, mir zu helfen; und als die Arbeit der Durchsicht der Literatur, der Formulierung neuer Abschnitte, der Verbesserung des alten Textes bald die ihm zur Verfügung stehende Zeit überschritt, fand er einen weiteren Mitarbeiter in Dr. WALT ER BIEM, einem Mitglied seines Instituts. Nun hat der Springer-Verlag, der die ersten Auflagen vor 40 Jahren veröffentlicht hat, vorgeschlagen, eine deutsche Ausgabe auf Grund der amerikanischen herauszubringen. Ich bin gern darauf eingegangen, und Herr Dr. BIEM hat sich wieder bereit erklärt, mir zu helfen. Die neue Auflage unterscheidet sich von der letzten deutschen durch zahlreiche kleinere und größere Änderungen. Die alte Einleitung vertrat eine philosophische Auffassung der naturwissenschaftlichen Grundlagen, die ich heute zwar nicht für falsch, aber für einseitig und unvollstän dig halte. Sie wurde daher durch eine neue ersetzt. Stark geändert sind die beiden Kapitel VI und VII (spezielle und allgemeine Relativitäts theorie). So sind z. B. die Begründungen der Einsteinsehen Beziehung zwischen Masse und Energie und die Abhängigkeit dieser Größen von der Geschwindigkeit sehr verbessert worden, nämlich durch Anwendung der Erhaltungssätze für Energie und Impuls auf den Fall une1astischer Stöße. Der Abschnitt über die empirischen Belege der allgemeinen Re lativitätstheorie ist der heutigen Situation angepaßt, und die zu erwarten den Fortschritte sind angedeutet worden. Der Abschnitt "Makrokosmos