Dominik Stawski Die Prozente der Presse VS RESEARCH Dominik Stawski Die Prozente der Presse Bewertung von Journalistenrabatten aus Anbieter- und Nutzerperspektive Mit Geleitworten von Hans Leyendecker und Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen VS RESEARCH Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Verena Metzger / Britta Göhrisch-Radmacher VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. 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Lütgert ist ein Journalist aus Leidenschaft. Er hat zu dem Beruf eine Beziehung, die tiefer geht als die der Persönlichkeit zur Sache, an der sie sich beweisen und bestätigen kann. Er brennt. In einer launigen Dankesrede wies der Chefreporter a. D. darauf hin, dass er künf- tig einen Altersrabatt bekomme, wenn er ins Museum wolle und dann fügte er et- was abrupt hinzu: Er habe immer Presserabatte für sich in Anspruch genommen und diejenigen, die das ablehnten, seien „puristische“ Gerechtigkeitsfanatiker. Er bekam Beifall, es gab aber auch leises Murren. Der Discount spaltet den Beruf. Wenn einer wie der für seine Dokumentatio- nen hochgeehrte Lütgert, der in seiner Arbeit immer unbestechlich war, den Vor- teil des Presseausweises für private Zwecke sucht, ist er dann korrupt oder gaga? Oder sind diejenigen, die alle Vorteile strikt ablehnen, kleinliche Spießer, melan- cholische, verbitterte Idealisten, die im Ruch stehen, etwas verschroben zu sein? Wirken sie in ihrer vorbeugenden Abwehrhaltung nur linkisch und plump? In der Theorie ist alles gut geregelt. Nach Richtlinie 15.1 des Deutschen Pres- serats besteht „die Gefahr einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Verlagen und Redaktionen (...), wenn Redakteure und redaktionelle Mitarbeiter Einladungen oder Geschenke annehmen, deren Wert das im gesellschaftlichen Verkehr übliche und im Rahmen der beruflichen Tätigkeit notwendige Maß über- steigt“. Das unabhängige Urteil könne durch Zuwendungen oder Rabatte beein- trächtigt werden. In der Praxis ist vieles anders als es das Selbstkontrollorgan der deutschen Verlage und Journalisten in seinem Kodex vorschreibt. Journalisten, die mit dem Anfangsverdacht manchmal sehr schnell hantieren und mit der Hartnäckigkeit ei- nes Dachshundes nahezu unausgesetzt in das Labyrinth der Korruption einzudrin- gen versuchen, haben oft kein Problem mit dem eigenen Vorteil. Bücher wie dieses stellen dar, stellen bloß – nur, was ändert sich? „Ich kenne investigative Journali- sten, die um zwei, drei Prozent mehr Rabatt kämpfen“, sagt ein PR-Mann bei VW. Als im Spätherbst 2008 das TV-Medienmagazin Zapp (NDR) über die „große Gier vieler Journalisten“ berichtete, machte der frühere VW-Kommunikations- 6 Geleitwort vorstand Klaus Kocks in dem Beitrag „italienische Verhältnisse“ im deutschen Journalismus aus. Es sei „eine Unart der Unternehmen auf der einen Seite und eine Unart der Journalisten auf der anderen Seite. Es gibt kein Schamgefühl“. Am Tag nach dem Beitrag verzeichneten die Anbieter von Journalistenrabatten einen Re- kordansturm. Dabei räumen Medien Berichten über zweifelhafte Verbindungen gern großen Raum ein, aber sie begreifen das Problem als ein Problem der anderen Berufe: „Vergnügen empfindet man nur an fremden Fehlern“, hat der Korrupti- onsforscher Paul Noack schon vor vielen Jahren erkannt. Zwar sind im Journalismus – wie auch in anderen Berufen – Verallgemeine- rungen fehl am Platz, aber die Studie über den Discount für die Unbestechlichen lenkt auch den Blick auf die Symbiosen zwischen Konzernen, Berichterstattern und Verlagen. Immer häufiger werden im Alltag journalistische Arbeit und Werbung miteinander vermengt. Der Kampf um Anzeigenkunden führt sogar zu Formen der Schutzgelderpressung. Hersteller werden von Verlagsmanagern bedrängt, An- zeigenplätze zu kaufen, weil das Produkt ansonsten keine Erwähnung in redaktio- nellen Beiträgen finden könne. Die Mitfahrgelegenheiten von Unternehmen für Autojournalisten in ferne Länder müssten ebenso wie die von Firmen bezahlten Reisen der Reisejournalisten ein Dauerthema auf Journalistenkongressen sein. Aber der geldwerte Vorteil gilt nur für die anderen. Die Verlage machen sich die Finger ganz schön schmutzig: Wer einem freien Autojournalisten beispielsweise nur ein paar Euro für einen dreispaltigen Text ein- schließlich Foto zahlt, darf sich nicht wundern, wenn der Berichterstatter nebenher PR für Autokonzerne macht. Wenn Journalisten Ethikregeln aufstellen und Kodi- zes predigen, aber dann von den Verlagen aufgefordert werden, Anzeigen zu be- sorgen, ist das Heuchelei. Dieses Buch über den organisierten Vorteil beschreibt die Welt der Billigheimer und die Welt der Heuchler – es ist ein Sittengemälde mit ganz vielen Zahlen. Hans Leyendecker Geleitwort Bei Air Berlin erfolgen mehr als 30.000 Journalistenbuchungen im Jahr, wie es das Unternehmen mitteilt. Das ist eine beträchtliche Zahl, gibt es doch aktuellen Erhe- bungen zufolge nur etwa 60.000 Journalisten in Deutschland. Und Air Berlin ist nur eines der zahlreichen Unternehmen, das Journalisten spezielle Preise und Kon- ditionen anbietet. Dies ist mehr als ein deutliches Indiz für die Bedeutung der Ar- beit von Dominik Stawski, der sich mit dem Angebot und der Nachfrage nach Journalistenrabatten theoretisch und empirisch auseinandergesetzt hat. Ihm ging es dabei nicht um eine moralische Bewertung, der Autor möchte die Debatten mit aussagekräftigen Zahlen über Journalistenrabatte bereichern. Dazu führte er um- fangreiche Recherchen und eine repräsentative Journalistenbefragung durch. Wie wichtig die Versachlichung der Debatten, aber gleichzeitig auch die klare Verdeutlichung der Tatbestände ist, zeigen die konträren Standpunkte der Unter- nehmen, die Journalistenrabatte anbieten. Das Spektrum reicht von der Aussage, dass „die Grenze zwischen Vorteilsnahme oder Bestechungsversuch und norma- lem Rabattgebaren fließend ist“ bis hin zur Erkenntnis der Rabattanbieter, dass „wenn einem guten Journalisten eine gute Geschichte über den Weg läuft, er dann auch keine Freunde kennt und die schreibt, ob er jetzt ein günstiges Ticket be- kommen hat oder nicht. Man muss sich nicht der Illusion hingeben, dass man die Journalisten damit kaufen könnte“. Angesichts der Tatsache, dass das System der Journalistenrabatte keineswegs unumstritten ist, erstaunt es doch, dass Dominik Stawski für seine deutschlandwei- te Befragung der Tageszeitungsjournalisten eine repräsentative Zahl an Antworten erhielt. Offensichtlich ist das Thema Presserabatte auch unter Journalisten ein Thema. Zwar gibt es von Seiten der Journalisten sehr differenzierte Bewertungen der Rabattgeschäfte, trotzdem ergibt sich eine durchaus heikle Situation: Nahezu die Hälfte der Tageszeitungsjournalisten hält Presserabatte nicht für problematisch. 70 Prozent derjenigen, die Rabatte ablehnen, haben trotz dieser Haltung schon selbst welche in Anspruch genommen. Auffällig ist ferner, dass Frauen die Rabattnutzung signifikant kritischer bewerten als Männer. Weitere Zusammenhänge existieren bei der Ressort- und Verbandszugehörigkeit. So nehmen Wirtschaftsjournalisten und 8 Geleitwort Mitglieder der dju eine kritischere Haltung gegenüber Journalistenrabatten ein als Journalisten anderer Ressorts und Mitglieder des DJV. Diese und eine Menge anderer Ergebnisse liefern Stoff für Diskussionen über Presserabatte und auch für die Debatte um ethische Kodizes im Journalismus. Die empirischen Ergebnisse sind daher von nachhaltiger Bedeutung für alle weiteren Diskussionen über Presserabatte. Besonders die Journalisten selbst, aber auch die Journalistengewerkschaften, die Medienarbeitgeber und die Rabattanbieter können aufgrund der fundierten und hinsichtlich der Befragung auch repräsentativen Da- ten zukünftig das Rabattwesen nicht mehr als eines unter vielen darstellen. Insbe- sondere die Behauptung, dass die Rabatte keine Auswirkungen auf die journalisti- sche Tätigkeit hätten, lässt sich kaum aufrecht erhalten. Vorrangig die Aussagen der Unternehmen (vor allem der Nicht-Anbieter, die Dominik Stawski richtigerweise auch befragt hat) geben Einblicke in einen ethisch wenig fundierten Bereich jour- nalistischen Handelns. Prof. Dr. Klaus-Dieter Altmeppen Inhaltsverzeichnis (cid:2) (cid:2) 1 Einleitung: Ein Leben voller Prozente....................................................15 (cid:2) (cid:2) 1.1 Problemstellung..................................................................................................16 (cid:2) (cid:2) 1.2 Vorgehensweise..................................................................................................17 (cid:2) (cid:2) 1.3 Zentrale Ergebnisse............................................................................................18 (cid:2) (cid:2) 2 Grundlagen der Untersuchung...............................................................21 (cid:2) (cid:2) 2.1 Begriffsdefinitionen............................................................................................22 (cid:2) (cid:2) 2.2 Rechtlicher Hintergrund von Rabatten...........................................................26 (cid:2) (cid:2) 2.3 Rabatte in anderen Berufen..............................................................................30 (cid:2) (cid:2) 2.4 Die Nachfrager von Journalistenrabatten.......................................................35 (cid:2) (cid:2) 2.4.1 Journalisten in Deutschland..................................................................35 (cid:2) (cid:2) 2.4.2 Die Ökonomik – eine Entscheidungstheorie für Journalisten........43 (cid:2) (cid:2) 2.5 Die Anbieter von Journalistenrabatten...........................................................53 (cid:2) (cid:2) 2.5.1 Ein Marktüberblick.................................................................................54 (cid:2) (cid:2) 2.5.2 Motive der Unternehmen......................................................................60 (cid:2) (cid:2) 2.6 Die Bewertung der Rabatte aus verschiedenen Perspektiven......................64 (cid:2) (cid:2) 2.6.1 Die (nicht-)öffentliche Diskussion.......................................................65 (cid:2) (cid:2) 2.6.2 Foren im Internet – „Die Meute II“....................................................73 (cid:2) (cid:2) 2.6.3 Verhaltenskodizes in Deutschland und den USA im Vergleich......78 (cid:2) (cid:2) 2.6.4 Standpunkte von Berufsverbänden und -organisationen.................86 (cid:2) 2.6.5 Zwischenfazit...........................................................................................90 10 Inhaltsverzeichnis (cid:2) (cid:2) 3 Methodische Anlage................................................................................93 (cid:2) (cid:2) 3.1 Forschungsfragen und ihre Operationalisierung...........................................93 (cid:2) (cid:2) 3.2 Experteninterviews mit Anbietern und Nicht-Anbietern............................95 (cid:2) (cid:2) 3.3 Befragung von Tageszeitungsjournalisten......................................................97 (cid:2) (cid:2) 4 Empirische Ergebnisse..........................................................................101 (cid:2) (cid:2) 4.1 Ergebnisse der Leitfadeninterviews...............................................................101 (cid:2) (cid:2) 4.1.1 Einstellungen und Motive der Unternehmen...................................102 (cid:2) (cid:2) 4.1.2 Erfahrungen der Unternehmen mit Journalisten.............................106 (cid:2) (cid:2) 4.1.3 Abwicklung der Rabatte.......................................................................107 (cid:2) (cid:2) 4.2 Befragungsergebnisse.......................................................................................109 (cid:2) (cid:2) 4.2.1 Merkmale der befragten Tageszeitungsjournalisten........................110 (cid:2) (cid:2) 4.2.2 Einstellungen der Journalisten gegenüber Rabatten........................111 (cid:2) (cid:2) 4.2.3 Rabattnutzung der Journalisten..........................................................122 (cid:2) 4.2.4 Zusammenhänge zwischen den Merkmalen der Befragten (cid:2) und ihren Einstellungen und Nutzungsmustern..............................128 (cid:2) (cid:2) 4.2.5 Fazit der Befragung...............................................................................140 (cid:2) (cid:2) 5 Zusammenfassung und Ausblick..........................................................143 (cid:2) (cid:2) 6 Quellenverzeichnis................................................................................147 (cid:2) (cid:2) 6.1 Monographien, Aufsätze und Artikel............................................................147 (cid:2) (cid:2) 6.2 Internetquellen..................................................................................................154 (cid:2) (cid:2) 6.3 Verzeichnis der Leitfadeninterviews..............................................................160 (cid:2)