Oskar Niedermayer (Hrsg.) Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005 Oskar Niedermayer (Hrsg.) Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005 Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1.Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2008 Lektorat:Monika Mülhausen Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspei- cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen,Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw.in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme,dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-15245-5 Inhalt Inhalt Vorwort.................................................................................................................7 Oskar Niedermayer Das fluide Fünfparteiensystem nach der Bundestagswahl 2005...........................9 Ulrich von Alemann und Tim Spier Doppelter Einsatz, halber Sieg? Die SPD und die Bundestagswahl 2005..........37 Josef Schmid Die CDU nach 2005: Von Wahl zu Wahl – und doch kein Wandel?.................67 Andreas Kießling Das lange Ende der Ära Stoiber. Die CSU nach der Bundestagswahl 2005.......83 Melanie Haas Statt babylonischer Gefangenschaft eine Partei für alle Fälle? Bündnis 90/Die Grünen nach der Bundestagswahl 2005..................................101 Hans Vorländer Partei der Paradoxien. Die FDP nach der Bundestagswahl 2005.....................135 Gero Neugebauer und Richard Stöss Die Partei DIE LINKE. Nach der Gründung in des Kaisers neuen Kleidern? Eine politische Bedarfsgemeinschaft als neue Partei im deutschen Parteiensystem.................................................................................151 Eckhard Jesse Die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands vor und nach der Bundestagswahl 2005..................................................................201 Die Autoren dieses Bandes...............................................................................221 Vorwort Vorwort Mit der Bundestagswahl von 2005 ist das deutsche Parteiensystem endgültig zu einem ‚fluiden’ Fünfparteiensystem mit fünf relevanten Parteien im Bundestag und einer offenen Wettbewerbssituation sowohl zwischen den beiden Großpar- teien als auch zwischen den drei kleineren Parteien geworden. Der strukturelle Wandel hat eine neue Koalitionsarithmetik geschaffen, weil die traditionellen Zweierkoalitionen einer großen mit einer kleinen Partei in Zukunft unwahr- scheinlich sind. Darauf müssen sich die Parteien in Zukunft einstellen und sich neue Partner suchen. Dies bedeutet auch, dass sie ihre Positionierung in der Kon- fliktstruktur des Parteiensystems überdenken und vielleicht neu justieren müssen. Hinzu kommen innerparteiliche Probleme, die nicht nur bei der CSU zu beo- bachten sind. Der vorliegende Band setzt eine Reihe von Veröffentlichungen fort, die mit der Bundestagswahl 1998 begonnen wurde. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine systematische Bestandsaufnahme der neuesten Entwicklungen im Parteien- bereich unter Einschluss der Bundestagswahl 2005 und ihrer Folgen zu liefern und enthält sowohl einen Überblick über das gesamte Parteiensystem als auch ausführliche Einzelanalysen aller relevanten Parteien. Das fluide Fünfparteiensystem nach der Bundestagswahl 2005 Oskar Niedermayer Das fluide Fünfparteiensystem 1 Einleitung Die Entwicklung des deutschen Parteiensystems nach der Vereinigung von 1990 ließ schon frühzeitig einen Trend in Richtung der Herausbildung eines „fluiden Fünfparteiensystems“ erkennen (Niedermayer 2001: 107). Dieser Systemzustand ist mit der Bundestagswahl von 2005 endgültig erreicht worden: Es sind fünf relevante Parteien parlamentarisch vertreten und es spricht einiges dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern wird. Zudem besteht – bei einer insge- samt deutlich gestiegenen Fragmentierung des Parteiensystems – sowohl zwi- schen den beiden Großparteien CDU/CSU1 und SPD als auch zwischen den drei kleineren Parteien FDP, DIE LINKE und Bündnis 90/Die Grünen im Gegensatz zu der starren früheren Wettbewerbsstruktur mit einer strukturellen Asymmetrie zugunsten der Union und einer klaren ‚dritten Kraft’ in Form der FDP eine offe- ne, ‚fluide’ Wettbewerbssituation, die Verfestigungen in den bisherigen Koaliti- onskonstellationen in Bewegung geraten lässt. Der Terminus ‚fluides Fünfparteiensystem’ bezieht sich somit sowohl auf die zentralen Struktureigenschaften des Parteiensystems – das parlamentarische Format, die Fragmentierung und die strukturelle Asymmetrie – als auch auf die inhaltliche Systemeigenschaft der Segmentierung, d.h. die gegenseitige Abschot- tung der Parteien in Bezug auf Koalitionen, die wiederum stark von der Polari- sierung des Parteiensystems abhängt2. Im Folgenden soll das deutsche Parteien- 1 CDU und CSU werden in Parteiensystemanalysen als eine Partei gezählt, weil in kompetitiven Parteiensystemen nur konkurrierende Parteien als getrennte Einheiten betrachtet werden und die beiden Schwesterparteien weder auf der elektoralen noch auf der parlamentarischen Ebene miteinander konkurrieren. 2 Die Polarisierung gibt das Ausmaß der inhaltlichen Distanzen der einzelnen Parteien im Rah- men der zentralen, den Parteienwettbewerb prägenden Konfliktlinien wieder. Zur Diskussion der strukturellen und inhaltlichen Eigenschaften auf der elektoralen und parlamentarischen E- bene, mit deren Hilfe Parteiensysteme und ihre Entwicklung analysiert werden können, vgl. ausführlich Niedermayer 2007a und 2007b. 10 Oskar Niedermayer system anhand dieser Systemeigenschaften und ihrer Interaktionen charakteri- siert werden. 2 Das gestiegene parlamentarische Format: fünf relevante Parteien im Bundestag Die Struktur eines Parteiensystems wird wesentlich durch die Anzahl der das System bildenden Parteien bestimmt. Bei der Operationalisierung dieser als Format bezeichneten Eigenschaft stellt sich auf der parlamentarischen Ebene die Frage, ob alle im Parlament repräsentierten Parteien oder nur die nach einem bestimmten Kriterium als relevant angesehenen Parteien betrachtet werden sol- len, wobei in der international vergleichenden Forschung die zweite Auffassung deutlich überwiegt. Das bekannteste Kriterium für die parlamentarische Rele- vanz von Parteien stammt von Sartori (1976), der nur diejenigen Parteien in die Analyse einbezieht, die entweder ‚Koalitionspotenzial’ oder ‚Erpressungspoten- zial’ besitzen3. Danach kann eine Partei dann als irrelevant angesehen werden, wenn „it is never needed or put to use for any feasible coalition majority”. Unab- hängig von ihrem Koalitionspotential, muss eine Partei jedoch immer dann mit- gezählt werden, wenn „its existence, or appearance, affects the tactics of party competition“ (ebd.: 122f.). Gegen diese Lösung spricht, dass sowohl bei der Bestimmung der „feasible“ – also politisch machbaren – Koalitionen als auch des ‚Erpressungspotenzials’ einer Partei des Öfteren Operationalisierungs- probleme auftreten und dass durch diese Kriterien die strukturelle mit der inhalt- lichen Dimension vermischt wird, das Format aber als eine rein strukturelle Par- teiensystemeigenschaft konzeptualisiert werden sollte. Als rein strukturelle und problemlos operationalisierbare Alternative zur Bestimmung des parlamentarischen Formats bietet sich an, eine parlamentarisch vertretene Partei dann als relevant anzusehen, wenn mit ihr eine minimale Ge- winnkoalition gebildet werden kann. Darunter wird im Rahmen der Koalitions- theorien eine Koalition verstanden, die zum einen über eine Regierungsmehrheit verfügt (im Gegensatz zu einer Minderheitskoalition) und zum anderen eine minimale Größe in dem Sinne besitzt, dass jede Koalitionspartei zum Erreichen der Mehrheit benötigt wird (im Gegensatz zu einer übergroßen Koalition)4. Kann 3 Daneben existieren in der Literatur z.B. rein quantitative Einschlusskriterien in Form einer bestimmten Mindestzahl von Sitzen, die die Parteien aufweisen müssen, um als relevant zu gel- ten. Die Größe einer solchen Schwelle lässt sich jedoch theoretisch schwer begründen. 4 Eine spezielle Form dieser „minimal winning coalition“ ist die „minimum winning coalition“ oder Koalition der knappsten Mehrheit (smallest size coalition), bei der sich diejenigen Partei- en zusammenschließen, deren gemeinsame Anzahl an Parlamentssitzen am nächsten an der Das fluide Fünfparteiensystem 11 mit einer Partei eine minimale Gewinnkoalition gebildet werden, ist durch ihre Einbeziehung also rein rechnerisch die Bildung einer Mehrheitsregierung mög- lich, so ist diese Partei insofern relevant, als die für eine solche Koalition in Fra- ge kommenden anderen Parteien die Partei in ihre prinzipiellen Koalitionsüber- legungen einbeziehen und eine positive oder negative Koalitionsentscheidung treffen müssen5. Ist dies nicht der Fall, dann spielt die Partei für Koalitionsbil- dungsüberlegungen keinerlei Rolle und ist daher für Regierungsbildungsprozesse vollkommen irrelevant. In der Geschichte der Bundesrepublik konnte eine Partei bisher nur ein ein- ziges Mal die absolute Mehrheit der Bundestagssitze erringen und Minderheitsre- gierungen werden von der Bevölkerung nach wie vor eindeutig abgelehnt6. Im ersten Bundestag 1949 waren zehn im obigen Sinne relevante Parteien vertreten7 und die gebildete Mehrheitskoalition aus Union, FDP und DP war eine minimale Gewinnkoalition. In den Fünfzigerjahren ging die Anzahl der relevanten Parteien auf sechs (1953) bzw 1 (1957) zurück und die Regierungen waren übergroße Koalitionen, da die Union aus strategischen Gründen 1953 mit der FDP, der DP und dem GB/BHE und 1957 – trotz absoluter Mehrheit – mit der nur durch Wahl- kreis-Absprachen mit der CDU in den Bundestag gelangten DP koalierte8. Seit den Sechzigerjahren waren die Regierungen ohne Ausnahme minimale Gewinn- koalitionen, wobei – mit Ausnahme der Großen Koalition 1966-1969 – immer eine der beiden Großparteien mit einer kleinen Partei regierte9. Von 1961 an wur- de das Parteiensystem zwei Jahrzehnte lang durch drei relevante Parlamentspar- teien bestimmt: CDU/CSU, SPD und FDP. Mit dem Hinzukommen der Grünen, Mehrheitsschwelle liegt (vgl. zu den Koalitionstheorien schon Neumann/Morgenstern 1947 und als aktuellen Überblick z.B. Müller 2004). 5 Es muss somit unterschieden werden zwischen minimalen Gewinnkoalitionen, die alle rechne- risch möglichen Koalitionsalternativen umfassen, und minimal verbundenen Gewinkoalitionen (minimal connected winning coalitions), die als Teilmenge nur die inhaltlich-politisch mögli- chen Alternativen umfassen. 6 Kurz nach der Bundestagswahl 2005 waren drei Viertel der Deutschen grundsätzlich gegen eine Minderheitsregierung (Forschungsgruppe Wahlen e.V.: Politbarometer, September III 2005). 7 Zusätzlich wurden drei unabhängige Kandidaten gewählt, die mit ihrer jeweiligen Stimme rein rechnerisch auch koalitionsrelevant waren. 8 Auch auf der Landesebene wurden in der Frühphase nach dem Zweiten Weltkrieg übergroße (Allparteien-)Koalitionen gebildet, die jedoch sehr schnell durch minimale Gewinnkoalitionen ersetzt wurden. In neuerer Zeit gab es zwar zweimal das Angebot von Gesprächen zur Bildung einer übergroßen Koalition durch Parteien, die die absolute Mehrheit errungen hatten, nämlich 2003 in Hessen und 2006 in Rheinland-Pfalz (vgl. Schmitt-Beck/Weins 2003: 686 und Gothe 2007: 48). In beiden Fällen lehnte der kleine Partner (die FDP) jedoch ab, weil die Notwendig- keit eines Koalitionspartners zur Aufrechterhaltung der Regierungsmehrheit als Grundlage sei- nes politischen Einflusses gilt. 9 Auch die Große Koalition war eine minimale Gewinnkoalition und zudem wäre 1966 rechne- risch die Weiterführung der CDU-CSU/FDP-Koalition möglich gewesen. 12 Oskar Niedermayer die 1983 das erste Mal parlamentarisch repräsentiert waren, änderte sich die Zahl der relevanten Parteien von drei auf vier, da rein rechnerisch sofort minimale Gewinnkoalitionen mit den Grünen möglich gewesen wären. Das traditionelle Koalitionsmodell wurde davon jedoch nicht berührt, da sowohl 1983 als auch 1987 eine Mehrheitskoalition allein aus Union und FDP gebildet werden konnte. Seit der Vereinigung sind in der Bundesrepublik fünf Parteien parlamenta- risch repräsentiert. Vor 2005 waren jedoch immer nur vier – 2002 sogar nur drei – davon relevant und es konnten weiterhin Zweiparteienkoalitionen nach dem traditionellen Großpartei/Kleinpartei-Muster gebildet werden: Im Jahre 1990 war keine minimale Gewinnkoalition unter Einschluss der ostdeutschen Listenverei- nigung Bündnis90/Grüne-BürgerInnenbewegung10 möglich, 1994 bis 2002 galt dies für die damalige PDS und 2002 zusätzlich auch für die FDP11. Erst mit der Bundestagswahl von 2005 stieg die Zahl der relevanten Bundestagsparteien auf fünf, da nun minimale Gewinnkoalitionen mit allen fünf Parteien rechnerisch möglich waren, und das traditionelle Koalitionsmodell wurde obsolet. Statt der üblichen Großpartei/Kleinpartei-Koalition blieben als mögliche Koalitionsvari- anten nur die Große Koalition oder eine Dreiparteienkoalition. Dies bedeutete eine wesentliche Veränderung der Koalitionsarithmetik mit großen Auswirkun- gen auf die zukünftige Segmentierung des Parteiensystems, auf die im Abschnitt 6 näher eingegangen wird. Die bisweilen spektakulären Erfolge rechtsextremer Parteien bei Landtags- wahlen in den letzten beiden Jahrzehnten12 haben immer wieder die Befürchtun- gen genährt, einer solchen Partei könnte auch der Einzug in den Bundestag ge- lingen. Der seit 1990 höchste Stimmenanteil einer der drei rechtsextremen Par- teien bei Bundestagswahlen lag jedoch bei nur 2,1 Prozent (Die Republikaner 1990) und 2005 erzielten die Republikaner 0,6 Prozent und die NPD 1,6 Prozent (die DVU trat nicht an). Auch wenn man vor allem die NPD, die sich „zum Gra- vitationsfeld im Rechtsextremismus“ (Bundesamt für Verfassungsschutz 2006: 3) entwickelt hat, nicht unterschätzen sollte, sind die Chancen einer parlamenta- rischen Repräsentation dieser oder einer anderen rechtsextremen Partei auf der 10 Die davon getrennt kandidierenden westdeutschen Grünen scheiterten an der für die beiden Wahlgebiete getrennt geltenden 5%-Klausel. 11 SPD und Union konnten 2002 allein mit den Grünen ohne FDP eine minimale Gewinnkoalition bilden und eine Koalition einer der beiden Großparteien mit der FDP hatte – selbst unter Hin- zunahme der mit zwei Abgeordneten im Bundestag vertretenen PDS – keine Mehrheit. 12 In die Landtage zogen ein: Die Republikaner in Baden-Württemberg (1992 und 1996) und in Berlin (1989), die DVU in Brandenburg (1999 und 2004), in Bremen (1987, 1991 und seit 1999), in Sachsen-Anhalt (1998) und in Schleswig-Holstein (1992), die NPD in Mecklenburg- Vorpommern (2006) und in Sachsen (2004). Das fluide Fünfparteiensystem 13 Bundesebene in absehbarer Zukunft relativ gering13. Obwohl die NPD den auto- ritären Pol der kulturellen Konfliktlinie des deutschen Parteiensystems repräsen- tiert und in neuerer Zeit durch eine Neupositionierung im Rahmen der ökonomi- schen Konfliktlinie neue Wähler hinzugewinnen konnte, spricht eine Reihe von Gründen gegen einen bundespolitischen Erfolg (vgl. Niedermayer 2004: 60f.): Diese Parteien sind in Deutschland durch die nationalsozialistische Diktatur in den Augen der überwiegenden Mehrheit der Wähler diskreditiert, erhalten aus diesem Grund auch keine nennenswerte Medienunterstützung und sind in gro- ßem Maße gesellschaftlich ausgegrenzt. Zudem konnte diese Parteifamilie trotz etlicher Versuche ihre organisatorische Zersplitterung in mehrere Parteien nie überwinden, auch wenn die DVU und die NPD Anfang 2005 in einem ‚Deutsch- land-Pakt’ vereinbart haben, bis 2009 nicht gegeneinander anzutreten Auch ver- fügt keine der Parteien über eine charismatische, medientaugliche Führungsper- sönlichkeit, die bundesweit eine breitere Wählerschicht ansprechen könnte. Des Weiteren schränkt das Festhalten an Glaubenssätzen die programmatische Re- formfähigkeit der Parteien ein, und das Handeln ihrer regionalen politischen Repräsentanten ist meist nicht dazu geeignet, ihnen bundesweite Reputation zu verschaffen. Mit einer sechsten im Bundestag vertretenen oder gar im obigen Sinne relevanten Partei ist somit mittelfristig wohl nicht zu rechnen. 3 Die gestiegene Fragmentierung: Ist das Parteiensystem noch ein System mit Zweiparteiendominanz? Das sich nach dem Zweiten Weltkrieg neu herausbildende Parteiensystem14 war sowohl auf der elektoralen als auch auf der parlamentarischen Ebene zunächst relativ stark fragmentiert. Dennoch ließ es sich schon 1949 – wenn auch denkbar knapp – im Rahmen einer Strukturtypologie der Parteiensysteme dem Typ der Systeme mit Zweiparteiendominanz15 zuordnen, wenn man diesen Typ dadurch operationalisiert, dass zwei Großparteien im Parlament je über mehr als ein Vier- tel und zusammen über mindestens zwei Drittel der Sitze verfügen und die nächst kleinere Partei höchstens die Hälfte der Sitze der kleineren der beiden Großparteien erreicht: Die CDU/CSU und die SPD verfügten zusammen über 67,2 Prozent und die FDP über 12,9 Prozent der Sitze. 13 Vgl. z.B. Backes 2006, Brandstetter 2006, Niedermayer 2004, Stöss 2005 und das Kapitel von Jesse in diesem Band 14 Zur Entwicklung des Parteiensystems vgl. z.B. von Alemann 2003, Jesse 2001, Niedermayer 2003a, 2006a und Stöss 2000. 15 Zu der im Rahmen des internationalen Vergleichs von Parteiensystemen entwickelten Struktur- typologie, die Systeme mit einer prädominanten Partei, Systeme mit Zweiparteiendominanz, pluralistische und hoch fragmentierte Systeme unterscheidet, vgl. Niedermayer 2007b.
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