Edwin Czerwick · Wolfgang H. Lorig · Erhard Treutner (Hrsg.) Die öffentliche Verwaltung in der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland VS RESEARCH Theorie und Praxis der öffentlichen Verwaltung Herausgegeben von Prof. Dr. Edwin Czerwick Prof. Dr. Wolfgang H. Lorig Prof. Dr. Erhard Treutner Die Schriftenreihe „Theorie und Praxis der öffentlichen Verwaltung in Deutschland“ bietet ein interdisziplinäres Forum für Studien zur öffentlichen Verwaltung. Die öffentliche Verwaltung eignet sich in besonderem Maße als Untersuchungsgegen- stand für unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen. Sowohl die Vielfalt ihrer Funk- tionen als auch ihrer Formen und Strukturen, sowohl ihre rechtlichen Bindungen als auch ihre W irkungen auf die Gesellschaft unterstreichen die Notwendigkeit eines interdisz iplinären Forschungsdesigns. Ein adäquates anspruchsvolles Kon- zept lässt sich weniger in Einzelstudien realisieren als vielmehr in einer Schriften- reihe, in welcher Politikwissenschaftler, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftler, Staats- und Ver fassungsrechtslehrer sowie Verwaltungswissenschaftler Studien zur öffentlichen Verwaltung in Deutschland publizieren. Die in der Schriftenreihe veröffentlichten Arbeiten sollen zu einer kritischen Reflexion des Verhältnisses von öffentlicher Verwaltung und Gesellschaft in Deutschland anregen und die vielfälti- gen gesellschaftlichen Einflüsse auf die öffentliche Verwaltung transparent machen. Dazu gehören vor allem gesellschaftliche Partizipationsansprüche und Demokrati- sierungsforderungen, Prozesse der Ökonomisierung der Lebensverhältnisse und des gesellschaftlichen Wertewandels sowie die Herausforderungen der Europä- isierung und G lobalisierung. Edwin Czerwick Wolfgang H. Lorig Erhard Treutner (Hrsg.) Die öffentliche Verwaltung in der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland VS RESEARCH Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Dorothee Koch / Dr. Tatjana Rollnik-Manke VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson - dere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein- speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-16681-0 Inhalt Einleitung Edwin Czerwick//Wolfgang H. Lorig/Erhard Treutner 7 Rechtliche Rahmenbedingungen öffentlichen Verwaltens 15 Demokratie und Exekutive Kurt Kippels 17 Die demokratische Legitimation der öffentlichen Verwaltung 43 Responsivität und Verantwortlichkeit der öffentlichen Verwaltung Nathalie Behnke 45 Verwaltung und Partizipation: Von der Hierarchie zur partizipativen Governance? Lars Holtkamp 65 „Innere Demokratisierung“ der öffentlichen Verwaltung 87 Die „Demokratisierung“ des Verwaltungspersonals in Deutschland Michael Ruck 89 Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Werner Dörr 113 6 Inhalt Die öffentliche Verwaltung in der Gegenwartsgesellschaft 133 Das Verhältnis von öffentlicher Verwaltung und öffentlicher Meinung im demokratischen politischen System Deutschlands Edwin Czerwick 135 Die Europäische Metropolregion Rhein-Neckar als Beispiel für wirtschaftsinitiierte Verwaltungskooperation Ulrich Sarcinelli/Mathias König/Wolfgang König 157 Kooperative Verwaltung – Ausdruck einer demokratisierten Verwaltung? Nicolai Dose 177 Verwaltungsdemokratie durch Verwaltungsreformen? 197 New Public Management und die Demokratisierung der öffentlichen Verwaltung Katrin Möltgen/Wolfgang Pippke 199 Die kundenorientierte Verwaltung – zu den Facetten eines Leitbildes der Verwaltungsmodernisierung Wolfgang H. Lorig 225 Zusammenfassung 247 Demokratische Verwaltung im demokratischen Staat Edwin Czerwick/Wolfgang H. Lorig/Erhard Treutner 249 Autorenverzeichnis 271 Einleitung 7 Einleitung Edwin Czerwick/Wolfgang H. Lorig/Erhard Treutner Die in diesem Band vorgelegten Beiträge zur öffentlichen Verwaltung in der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland analysieren und reflektieren eine Thematik, die sowohl aus demokratietheoretischer wie demokratiepraktischer als auch aus verwaltungstheoretischer und verwaltungspraktischer Perspektive von erheblicher Relevanz ist (Dreier 1991; Czerwick 2001). Gleichwohl handelt es sich dabei bislang eher um ein Desiderat der Verwaltungsforschung. Dies erstaunt insofern, als die öffentliche Verwaltung von größter Bedeutung für das Leben eines jeden einzelnen Bürgers, für politisches Entscheiden und das politische Institutionensystem ist. Die Gründe dafür, warum das komplexe Verhältnis von öffentlicher Verwaltung und Demokratie in Deutschland – anders als in den Vereinigten Staaten von Amerika – auf ein geringes wissenschaftliches Interesse stößt, sind keineswegs offensichtlich. Ein Grund könnte darin liegen, dass in Deutschland noch immer ein Verständnis von Verwaltung dominiert, das Max Weber vor hundert Jahren pointiert dargelegt hat. Dabei wird aber die für ihn so zentrale Fragestellung, wie Demokratie und individuelle Freiheit in einem durch die Machtstellung der Bürokratie eingeschränkten Sinne noch möglich sind (Weber 1988: 333), gänzlich ignoriert.1 Zur Überwindung dieses Defizits möchte der hier vorgelegte Sammelband beitragen. Sein Schwerpunkt liegt auf verwaltungswissenschaftlichen Frage- stellungen, indem untersucht wird, welche Bedeutung die Demokratie bzw. das demokratische System für die öffentliche Verwaltung hat und wie das demo- kratische System in Deutschland auf das Verwaltungshandeln einwirkt. Im Gegensatz dazu werden die möglichen Auswirkungen des Verwaltungshandelns auf das demokratische System zwar nicht ausgeblendet, erfahren aber eine etwas geringere Beachtung. Die Begründung für diese politikwissenschaftliche und verwaltungswissenschaftliche Akzentsetzung ist unter anderem darin zu sehen, dass die interessierte Öffentlichkeit zwar relativ viel über das demokratische 1 Zum Verhältnis von Demokratie und Bürokratie bei Max Weber siehe Czerwick (2001: 72-78). 8 Edwin Czerwick/Wolfgang H. Lorig/Erhard Treutner System weiß, doch nur wenig darüber, wie die öffentliche Verwaltung mit dem demokratischen System „umgeht“. Die öffentliche Verwaltung ist insofern ein hervorragendes Verbindungs- element für unterschiedliche wissenschaftliche Fachdisziplinen, da sowohl der Umfang ihrer administrativen Aktivitäten als auch die Vielgestaltigkeit ihrer organisatorischen Strukturen, und damit ihre rechtlichen Bindungen, als auch ihre vielfältigen Einflüsse auf die Gesellschaft sie zu einem prominenten Gegenstand einer inter- oder transdisziplinären Betrachtungsweise machen. Die Herausgeber waren bemüht, Wissenschaftler aus unterschiedlichen Wissen- schaftsdisziplinen für Beiträge zu gewinnen, um die facettenreichen Be- ziehungen zwischen öffentlicher Verwaltung und der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland möglichst aus zahlreichen Wissenschafts- perspektiven darzustellen. Dazu werden spezifische Struktur-Prozess-Zu- sammenhänge und die durch sie bestimmten Mechanismen der Interaktion von Akteuren analysiert und reflektiert. Axiomatisch wird davon ausgegangen, dass eine demokratische öffentliche Verwaltung als integraler Bestandteil eines demokratischen politischen Systems fungiert (Gawthrop 1987: 213) und insoweit Stabilität und Funktionsweise demokratischer Systeme auch von dem Maß an struktureller Komplementarität der öffentlichen Verwaltung mit den demo- kratischen Normen, Institutionen und Prinzipien des demokratischen Verfassungsstaates abhängig sind. Strittig muss dabei aber bleiben, wie intensiv die öffentliche Verwaltung nach innen und außen demokratisiert sein muss, damit sie zu einem integralen Bestandteil des demokratischen Systems wird und auf die demokratische Praxis positiv einwirken kann. Dementsprechend ist die Ausgestaltung des Verhältnisses von Demokratie und Bürokratie, von demo- kratischem politischen System und öffentlicher Verwaltung von erheblicher praktischer Relevanz für jede freiheitliche politische Ordnung: für die politischen Partizipationschancen der Bürgerschaft, die Leistungsfähigkeit des politischen Systems sowie für die Innovationsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt. Gegenstand der Publikation sind die Wechselbeziehungen zwischen öffentlicher Verwaltung und demokratischem System in der Bundesrepublik Deutschland. Die relevanten Facetten der komplexen Thematik werden von unterschiedlichen Autoren/Innen analysiert, wobei besondere Aufmerksamkeit den Schnittstellen von demokratischem System und öffentlicher Verwaltung zukommt. Dabei geht es vor allem um eine kritische Reflexion dieser wechsel- seitigen Beziehungen. Viel zu oft wird die öffentliche Verwaltung als eine gegenüber dem demokratischen System abgegrenzte Institution aufgefasst; viel zu selten werden die von der Demokratie auf die öffentliche Verwaltung ausgehenden Einflüsse zur Kenntnis genommen. Gerade die Bürokratie- forschung im Anschluss an Max Weber geht noch immer davon aus, dass die Einleitung 9 wider die Demokratie gerichtete Bürokratisierung der Welt die Folge von Rationalisierungsprozessen ist, die ihre Ursprünge und Folgen in den öffent- lichen Verwaltungen haben. Im Gegensatz dazu vertreten wir die Auffassung, dass gerade den Einflüssen, die vom demokratischen System auf die öffentliche Verwaltung ausgehen, zukünftig erheblich mehr wissenschaftliche Beachtung geschenkt werden muss, wenn die „deutsche Demokratie“ und darin eingebettet das Verwaltungshandeln angemessen verstanden werden sollen. Solche Einflüsse finden sich unter anderem in gesellschaftlichen Partizipationsansprüchen, Demo- kratisierungsforderungen, der Ökonomisierung von Lebensverhältnissen und im gesellschaftlichen Wertewandel. Es kann deshalb nicht erstaunen, wenn sich seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland die Wechselwirkungen und Wechselbeziehungen zwischen demokratischem System und öffentlicher Verwaltung erheblich intensiviert haben, auch wenn gelegentlich behauptet wird, die öffentliche Verwaltung in Deutschland sei eine rein bürokratische Organisation, die eher ein Widerlager denn eine Komplementärerscheinung zum demokratischen System darstelle. Gegen eine solche Sichtweise argumentieren die in diesem Band abgedruckten Beiträge. Dabei wird grob unterschieden zwischen einer „inneren“ und einer „äußeren“ Demokratisierung, auch wenn bewusst ist, dass „innere“ und „äußere“ Demokratisierung häufig ineinander übergehen. Ausgehend von den rechtlichen Rahmenbedingungen öffentlichen Verwaltens, insbesondere ihrer demokratischen Legitimation, werden die unterschiedlichen Möglichkeiten einer „verwaltungsinternen Demokratie“ diskutiert. Sie zeigen sich in den Einstellungen des Verwaltungspersonals zur Demokratie, ihrer Responsivität gegenüber der gesellschaftlichen Umwelt und der Mitsprache sowie Mitbestim- mung des Verwaltungspersonals an den sie betreffenden Angelegenheiten. Die „äußere“ Demokratisierung der öffentlichen Verwaltung lässt sich vor allem an den Möglichkeiten festmachen, die die Verwaltung gesellschaftlichen Gruppen einräumt, an administrativen Entscheidungen mitzuwirken. Wie „innere“ und „äußere“ Demokratisierung der öffentlichen Verwaltung zusammen fallen, wie sie sich ergänzen oder widersprechen, lässt sich am Beispiel der inzwischen langjährigen Versuche darstellen, die öffentliche Verwaltung mit Hilfe von New Public Management (NPM) bzw. des Neuen Steuerungsmodells (NSM) zu „modernisieren“. Dementsprechend wird eine Reihe von Beiträgen auf diese Konzepte und deren Anwendungen in der Praxis Bezug nehmen. In der Innenperspektive des Verhältnisses von Demokratie und öffentlicher Verwaltung geht es dabei um Prozesse der Enthierarchisierung, der Delegation von Entscheidungsbefugnissen nach „unten“, um selbstorganisierte oder teilautonome Arbeitsteams und demokratieangemessene Formen von Public