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Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen PDF

26 Pages·2016·0.379 MB·German
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SWP-Studie Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Markus Kaim Die Neuordnung der Nato-Partnerschafts- beziehungen S 12 Juni 2016 Berlin Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus- zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. SWP-Studien unterliegen einem Begutachtungsverfah- ren durch Fachkolleginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review). Sie geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder. © Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2016 SWP Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit Ludwigkirchplatz 3­4 10719 Berlin Telefon +49 30 880 07-0 Fax +49 30 880 07-100 www.swp-berlin.org [email protected] ISSN 1611-6372 Inhalt 5 Problemstellung 7 Nato-Partnerschaftsformate – die Anpassung einer sicherheitspolitischen Institution 10 Die vier »Wellen« der Nato-Partnerschafts- formate 10 1. Sicherheit für Europa: Der »Euro-Atlantic Partnership Council« und »Partnership for Peace« 12 2. Vertrauensbildung und intraregionale Kooperation: Der »Mediterranean Dialogue« und die »Istanbul Cooperation Initiative« 14 3. Beiträge zu Nato-Operationen: »Partners across the Globe« 17 4. Das Krisenjahr 2014: Partnerschaften zur Abwehr externer Bedrohungen 21 Die Nato-Partnerschaftsformate – eine gemischte Bilanz 22 Ein Sonderfall: Die Beziehungen der Nato zur Europäischen Union 25 Schlussfolgerungen 26 Abkürzungen Dr. habil. Markus Kaim ist Senior Fellow in der Forschungs- gruppe Sicherheitspolitik. Problemstellung Die Neuordnung der Nato-Partnerschafts- beziehungen Mit dem Nato-Gipfel von Wales 2014 ist ein Politikfeld der Allianz wieder stärker in den Vordergrund getre- ten, das im Juli 2016 auch auf der Tagesordnung des Warschauer Gipfels stehen wird: die Nato-Partner- schaftspolitik. Seit 1994 hat die Allianz Partnerschafts- beziehungen geschaffen, um ihr Verhältnis zu Län- dern, die keine Mitglieder des Bündnisses werden können oder wollen, auf eine institutionelle Grund- lage zu stellen. In den vergangenen 20 Jahren ist dabei der Kreis der beteiligten Länder immer größer, die damit verbundene Agenda immer heterogener und die von der Nato verfolgte Zielsetzung immer viel- gestaltiger geworden. Der institutionelle Wildwuchs der Partnerschaftsbeziehungen steht in einem immer größeren Kontrast zu den Erwartungen an ihr Poten- tial. Es ist überfällig, die existierenden Formate auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und eine poli- tische Priorisierung vorzunehmen. Der Euro-Atlantic Partnership Council (EAPC) versam- melt unter anderem zwölf postsowjetische Staaten, die die Nato dabei unterstützt hat, ihren jeweiligen nationalen Sicherheitssektor gemäß westlichen Stan- dards zu reformieren und an die Allianz heranzufüh- ren. In diesem Forum finden sich aber auch die nicht- alliierten Länder Österreich, Finnland, Irland und Schweden, die keine Unterstützung bei einer inneren Transformation benötigen. Für sie ist die sicherheits- politische Kooperation mit der Allianz wichtig. Die Länder des Mediterranean Dialogue (MD) – Ägyp- ten, Algerien, Israel, Jordanien, Marokko, Mauretanien und Tunesien – sollten vor allem Unterstützung bei ihrer sicherheitspolitischen Kooperation untereinan- der erfahren, was wiederum als Beitrag zur regionalen Sicherheit gedacht war. Dies hat aus einer Vielzahl von politischen Gründen nur bedingt funktioniert, wie auch die angestrebte intraregionale Zusammen- arbeit im Rahmen der Istanbul Cooperation Initiative (ICI) lahmt, der Bahrain, Katar, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören. Saudi-Arabien und Oman sind zu diesem Forum eingeladen, stehen bis- lang aber abseits. Zudem gibt es die Partners across the Globe (PATG). Dabei handelt es sich um Länder, die aus unterschied- lichen Gründen für die Nato von strategischer Bedeu- tung sind oder aber zu ihren Operationen in erheb- SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 5 Problemstellung lichem Umfang beigetragen haben: Afghanistan, Aus- a) Welche Prioritäten sollen die Nato-Mitglieder tralien, Irak, Japan, Mongolei, Neuseeland, Pakistan angesichts der jüngsten sicherheitspolitischen Ent- und Südkorea. Daneben existieren – bislang infor- wicklungen bei der Gestaltung der Partnerschafts- melle – Konsultationen mit Indien und China. Ergänzt formate setzen? Soll die Transformation der Partner- wird das Partnerschaftstableau durch Sondergremien länder im Mittelpunkt stehen, deren sicherheitspoliti- für die Beziehungen zu Georgien, Russland und der sche Zusammenarbeit untereinander oder ihre »Er- Ukraine, die alle jedoch bereits Mitglied im EAPC sind. tüchtigung« im Sinne der Allianz? Soll der Grad der Schließlich hat der letzte Nato-Gipfel im Jahr 2014 Kooperation sich am operativen Nutzen für die Nato mit der Partnership Interoperability Initiative (PII) und der bemessen oder am möglichen Einfluss der Allianz in Defence and related Security Capacity Building Initiative einer spezifischen Region? (DCB) weitere Partnerschaftsformate geschaffen, die b) Welche institutionellen Formate leiten sich aus sich mit den bestehenden teilweise funktional über- diesen Prioritäten ab? Denkbar wäre ein ganzes Spek- schneiden. trum an Neuordnungsmodellen – mit zwei extremen In jüngster Zeit haben vor allem zwei Entwicklun- Varianten an beiden Enden. Die Nato-Mitglieder könn- gen den Nato-Partnerschaften anhaltende Aufmerk- ten die existierende Struktur unverändert erhalten, samkeit zuteilwerden lassen. Erstens scheinen das weil sie davon ausgehen, dass unterschiedliche sicher- transformative Potential der Nato und die damit ver- heitspolitische Interessen auch unterschiedliche For- bundenen Erfahrungen bei der Reform nationaler mate nahelegen. Oder aber sie lösen die bisherigen Sicherheitssektoren auch für andere Regionen nutzbar Formate auf, um einer vollständigen Neustrukturie- zu sein. Im Kontext der Transformationswelle in Nord- rung Platz zu machen. afrika bzw. dem Nahen und Mittleren Osten 2011 ist diese Hoffnung ebenso geäußert worden wie mit Blick auf die Ukraine oder Georgien. Die aktuellen Bemü- hungen, Tunesien bei seinen sicherheitspolitischen Reformen zu unterstützen, unterstreichen diesen Ansatz. Zweitens wird die Nato in den kommenden Jahren aus politischen wie finanziellen Gründen weniger Krisenmanagement-Operationen als bisher durchfüh- ren können und wollen. Es sind aber auch künftig Krisen und Konflikte in der euro-atlantischen Periphe- rie zu erwarten, die ein Eingreifen der Nato notwen- dig machen könnten. Dass Operationen gemeinsam mit Partnern außerhalb der Allianz geplant und durchgeführt werden, dürfte dabei die Regel, nicht die Ausnahme sein. Dies galt noch vor wenigen Jahren ausschließlich für das internationale Krisenmanage- ment; doch im Kontext der Krise der euro-atlantischen Sicherheitsordnung könnte es mittlerweile auch für Fragen der kollektiven Verteidigung gelten. Vor diesem Hintergrund ist es geboten, dass der Warschauer Gipfel eine Neuordnung der Nato-Partner- schaftspolitik vornimmt. Grundlage dafür sollte eine gemeinsame Ordnungsvorstellung über inhaltliche Prioritäten und institutionelle Formen der Koopera- tion sein, auch wenn diese in den einzelnen Fällen mit sehr unterschiedlichen politischen Überlegungen ver- bunden ist. Zu einem solchen Ordnungsprozess will die vorliegende Studie einen Beitrag leisten, indem sie zwei Leitfragen analysiert: SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 6 Nato-Partnerschaftsformate – die Anpassung einer sicherheitspolitischen Institution Nato-Partnerschaftsformate – die Anpassung einer sicherheitspolitischen Institution Viele wissenschaftliche Arbeiten zur Entwicklung der Erstens sind solche institutionellen Entwicklungs- Nato seit Ende des Ost-West-Konflikts haben sich aus schritte, die jeweils eine funktionale Ergänzung der einer konzeptionellen Perspektive mit der institutio- Nato spiegeln, vor allem als Reaktion des Bündnisses nellen Form der Allianz beschäftigt und dabei vor auf diverse Veränderungen bzw. neue Phänomene allem diskutiert, was die Gründe für ihren Fortbe- in der internationalen Politik zu interpretieren. An stand sind und warum sie in ihren zentralen institu- erster Stelle steht dabei das Ende des Ost-West-Kon- tionellen Merkmalen weitgehend unverändert blieb. flikts mit allen Konsequenzen für den euro-atlanti- Die zentrale Aufgabe des Bündnisses, nämlich die Ge- schen Raum. Doch gab es noch weitere Elemente des währleistung kollektiver Verteidigung, hatte schließ- internationalen Wandels, die von der Nato eine insti- lich nach 1990/91 stark an Bedeutung verloren und tutionelle Anpassungsfähigkeit gefordert haben bzw. wurde zur bloßen Residualfunktion – zumindest bis weiter fordern werden: die Balkan-Kriege der 1990er Ausbruch des russisch-ukrainischen Konflikts im Jahr Jahre, also die militärische Austragung ethnisch- 2014. Das Augenmerk dieser Schule der Forschung nationaler Konflikte auf europäischem Gebiet, die richtet sich also vorwiegend auf die institutionelle Folgen des islamistisch inspirierten transnationalen Kontinuität der Nato angesichts des Wandels im inter- Terrorismus, fragile Staatlichkeit an der Peripherie nationalen System.1 Europas und die Transformationswellen in der Nach- Die vorliegende Studie nimmt die umgekehrte Per- barschaft mit dem sogenannten Arabischen Frühling spektive ein. Untersucht wird die Fähigkeit der Nato, von 2011. Für die Reaktion der Nato ist dabei die An- sich an veränderte sicherheitspolitische Rahmenbe- nahme wichtig, dass die neuen sicherheitspolitischen dingungen institutionell anzupassen. Dies geschieht Herausforderungen von Dauer sind. Nur wenn die anhand eines konkreten Beispiels, nämlich der Part- Mitglieder der Allianz überzeugt waren, dass der Wan- nerschaftsformate, die sich seit Beginn der 1990er del tiefgreifend ist und erhebliche sicherheitspoliti- Jahre regional wie funktional immer weiter ausdiffe- sche Folgen für sie selbst hat, zeigten sie sich bereit, renziert haben.2 Folgt man der Forschung zum Wan- die institutionelle Form anzupassen. del bzw. zur Anpassung von Sicherheitsorganisatio- Zweitens, so der Stand der Forschung, kommt im nen, so ist eine Reihe von Determinanten dafür verant- Wandel von Sicherheitsinstitutionen auch die interne wortlich, ob neue sicherheitspolitische Formen be- Machtverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zum schlossen und wie diese konkret ausgestaltet werden.3 Ausdruck. Man muss nicht so weit gehen wie einige Beobachter, die die Nato-Partnerschaftspolitik als 1 Vgl. dazu beispielhaft Andrea Locatelli/Michele Testoni, direkte Ableitung der veränderten US-Globalstrategie »Intra-Allied Competition and Alliance Durability: The Case interpretieren.4 Denn im Gegensatz zur kollektiven for Promoting a Division of Labour among NATO Allies«, in: Verteidigung bzw. zum internationalen Krisenma- European Security, 18 (2009) 3, S. 345–362; Anthony Forster/ nagement durch die Nato sind jene Kosten zu ver- William Wallace, »What is NATO for?«, in: Survival, 43 (2001) 4, S. 107–122; Robert B. McCalla, »NATO’s Persistence After the nachlässigen, die Amerika als Führungsmacht bei den Cold War«, in: International Organization, 50 (1996) 3, S. 445– Partnerschaftsformaten tragen muss. Jedoch ist es 475. angesichts der langfristigen politischen Hegemonial- 2 Vgl. Anand Menon/Jennifer Welsh, »Understanding NATO’s rolle der USA innerhalb der Nato zutreffend, dass die Sustainability: The Limits of Institutionalist Theory«, in: Partnerschaftsformate die Interessen Washingtons Global Governance, 17 (2011) 1, S. 81–94; Celeste A. Wallander, »Institutional Assets and Adaptability: NATO after the Cold ungleich stärker widerspiegeln als jene der kleineren War«, in: International Organization, 54 (2000) 4, S. 705–735. Nato-Mitglieder bzw. dass diese Formate nicht gegen 3 Einen instruktiven Überblick bieten nach wie vor diese Sammelbände: Helga Haftendorn/Robert O. Keohane/Celeste A. Wallander (Hg.), Imperfect Unions. Security Institutions Over 4 So zum Beispiel Trine Flockhart, »Changing Partnerships in Time and Space, Oxford 1999; Helga Haftendorn/Otto Keck (Hg.), a Changing World«, in: dies. (Hg.), Cooperative Security: NATO’s Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung. Sicherheitsinsti- Partnership Policy in a Changing World, Kopenhagen 2014 (DIIS tutionen in den internationalen Beziehungen, Baden-Baden 1997. Report 2014:01), S. 17–34 (29ff). SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 7 Nato-Partnerschaftsformate – die Anpassung einer sicherheitspolitischen Institution den Widerstand der amerikanischen Regierung ent- der Funktionswandel auch und im Besonderen die standen sind. Offen muss an dieser Stelle bleiben, wel- Verhaltens- und Verfahrensregeln der Nato, die ange- che Wirkung die politische Innenwende, die die USA passt bzw. erst neu entwickelt werden müssen. Einige unter Präsident Obama vollzogen haben und die mit Partner sind lediglich mit regelmäßigen Konsultatio- einer geringeren Bereitschaft einhergeht, global ord- nen an die Allianz zu binden. Andere Partnerländer, nungspolitisch zu gestalten, für die Dauerhaftigkeit die sich mit Truppenkontingenten an Nato-Operatio- und Effektivität der Partnerschaftsformate zeitigt. nen beteiligen, verlangen dagegen, an den entspre- Drittens liegt in der Fähigkeit zur institutionellen chenden Planungen kontinuierlich beteiligt zu sein. Anpassung der Schlüssel für die Dauerhaftigkeit Etwas allgemeiner formuliert: Sicherheitsinstitutio- sicherheitspolitischer Institutionen. Auch bei anderen nen wie die Nato besitzen die Fähigkeit, sich an neue internationalen Organisationen lässt sich klar erken- internationale Rahmenbedingungen anzupassen – vor nen, wie diese sich mit ihrer institutionellen Form allem dadurch, »dass ihr Regelsystem auf die neu auf- veränderten Rahmenbedingungen angepasst haben. tretenden Sicherheitsprobleme eine angemessene So ist im Falle der EU die Genese der Gemeinsamen Antwort findet bzw. dass sie über Verfahren zur regel- Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), spezifischer mäßigen gegenseitigen Konsultation und zur Anpas- noch das Entstehen der Gemeinsamen Sicherheits- sung ihrer Regeln verfügen«.5 Dabei besteht Grund und Verteidigungspolitik (GSVP) als ein Prozess zu zur Annahme, dass es einen Zusammenhang gibt zwi- lesen, in dessen Verlauf eine Organisation, die nicht schen der zu leistenden Funktion des Partnerschafts- explizit für die Externalisierung von Sicherheit ge- formats und der Komplexität des Regelwerks. So be- gründet wurde, sukzessive entsprechende institutio- durfte es beispielsweise zur Einbindung Australiens nelle Kapazitäten aufbaut. Umgekehrt können Insti- in die ISAF-Mission einer Vielzahl sehr spezifischer tutionen zerfallen, die keinen funktionalen Mehrwert Verfahrensregeln des Bündnisses, wohingegen die mehr haben – wie zum Beispiel die Westeuropäische Teilnahme von marokkanischen Offizieren an einem Union (WEU). Oder aber sie bestehen formal weiter, Lehrgang des Nato Defense College eine ungleich werden aber funktional ausgehöhlt, weil sie die geringeres Maß an Koordination und Kooperation politische Unterstützung ihrer Mitglieder verlieren. erfordert. Viertens hätte den Nato-Mitgliedern auch die Sechstens liefert das Argument »funktionaler Kon- Option offen gestanden, andere, bereits existierende tinuität« Hinweise auf die Gründe, weshalb die Nato- Institutionen zur sicherheitspolitischen Gestaltung Partnerschaftsformate entstanden sind. Demnach der euro-atlantischen Nachbarschaft durch Partner- handelt es sich bei der Allianz um eine multifunktio- schaften nutzbar zu machen, wie zum Beispiel die EU nale oder »hybride« sicherheitspolitische Institution, oder die OSZE. Grundsätzlich vorstellbar wäre zudem, die eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen mit diesbezügliche Institutionen völlig neu zu gründen. unterschiedlicher Intensität erfüllt – entgegen einer Zum Teil ist dies auch geschehen; so haben einige eindimensionalen Bewertung der Nato als eines (rei- europäische Nato-Staaten im Kontext der EU die Euro- nen) Systems kollektiver Verteidigung. Bereits wäh- Mediterrane Partnerschaft mit ins Leben gerufen. rend des Ost-West-Konflikts, so zahlreiche Arbeiten, Doch hat die Forschung zwei miteinander verknüpfte habe die Nato nicht nur einen Angriff des Warschauer Antworten vorgelegt, warum eine Neugründung eher Paktes abgeschreckt; vielmehr hätten schon damals selten anzutreffen ist bzw. warum die »rivalisieren- Überlegungen zur Sicherheitszusammenarbeit im den« Institutionen nicht zwangsläufig auf Kosten der euro-atlantischen Raum eine Rolle gespielt. In diesem Nato gegangen sind. Erstens verursacht die Schaffung Sinne stehe das Ziel der kooperativen Sicherheit, das neuer Institutionen erheblich höhere Kosten als die unter anderem mit den Partnerschaftsformaten an- Unterhaltung bzw. Anpassung von existierenden. gestrebt werde, in der Kontinuität euro-atlantischer Zweitens bewirkt eine Vielzahl von Interessen der Mit- Sicherheitspolitik. Dass die Nato sich von Beginn an gliedstaaten, mehr noch aber jener Akteure, die in nicht nur als militärischer, sondern auch als politi- einer Organisation tätig sind, dass diese sich nicht scher Transmissionsriemen der transatlantischen Be- selbst überflüssig macht, sondern im Gegenteil neue Themen erschließt und neue institutionelle Formen 5 Helga Haftendorn, »Sicherheitsinstitutionen in den inter- schafft. nationalen Beziehungen. Eine Einführung«, in: dies./Keck Fünftens betrifft der Veränderungsprozess nicht (Hg.), Kooperation jenseits von Hegemonie und Bedrohung [wie nur die Form der Institution an sich; vielmehr umfasst Fn. 3], S. 11–33 (29). SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 8 Nato-Partnerschaftsformate – die Anpassung einer sicherheitspolitischen Institution ziehungen verstanden habe, erleichtere den institu- tionellen Adaptionsprozess bezüglich der Partner- schaftsformate. Dieser kurze Überblick verdeutlicht, dass sich die Forschung vor allem für die Treiber der sicherheits- politischen Anpassung interessiert hat, also für die Gründe, die zur Adaption einer Institution an eine ver- änderte sicherheitspolitische Umgebung führen. Nur wenig Aufmerksamkeit wurde hingegen der Frage ge- widmet, wie wirksam die neuen Elemente sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Denn eine Sicherheitsinstitution kann nur dann erfolgreich sein, wenn es ihr gelingt, das spezifische Sicherheitsprob- lem, für das sie geschaffen wurde, zu lösen oder so weit zu transformieren, dass es keine akute Gefahr mehr für die teilnehmenden Staaten darstellt. Gelingt ihr das nicht, droht eine Art »institutioneller Verkrus- tung« – d.h. sie hält spezielle Kooperationsformate vor, die jedoch nicht mehr genutzt werden. Dies wiegt umso schwerer, als die Nato-Partner- schaftsformate bezüglich ihrer Wirksamkeit auf zwei Voraussetzungen beruhen. Zum einen muss unter allen Beteiligten Einigkeit darüber herrschen, was das zu bearbeitende Sicherheitsproblem eigentlich ist. Zum Zweiten muss es überhaupt in der Verfügungs- gewalt der Nato liegen, das Problem zu bewältigen; die Lösung darf also nicht vom Verhalten anderer internationaler Akteure überlagert werden bzw. sogar vollständig davon abhängig sein. Die folgende Unter- suchung wird zeigen, dass bei den Nato-Partner- schaftsformaten vor allem die zweite Voraussetzung nicht immer gegeben war bzw. ist, was ihre Wirksam- keit in weiten Teilen erheblich einschränkt. SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 9 Die vier »Wellen« der Nato-Partnerschaftsformate Die vier »Wellen« der Nato-Partnerschaftsformate Selbst ein oberflächlicher Blick auf die Nato-Partner- 1. Sicherheit für Europa: Der »Euro-Atlantic schaftsformate offenbart, dass es sich bei ihnen nicht Partnership Council« und »Partnership for um eine Gruppe von Institutionen handelt, die ge- Peace« meinsam einem Bündel kohärenter und klar formu- lierter politischer Ziele der Allianz folgen würden. Das älteste, nach wie vor bestehende Partnerschafts- Zwar basieren sie alle auf der generellen Annahme, programm der Nato ist der Euro-Atlantic Partnership dass es der Gewährleistung von Sicherheit und Stabi- Council (EAPC). Er ging im Jahr 1997 aus dem 1991 lität im euro-atlantischen Raum dient, wenn die Nato begründeten North Atlantic Cooperation Council (NACC) ihre Kooperation mit Nichtmitgliedern und interna- hervor. Als multilaterales Forum für politischen tionalen Organisationen ausbaut. Für ein kohärentes Dialog und sicherheitspolitische Kooperation, das Vorgehen in den sicherheitspolitischen Kontexten der 50 Länder (28 Nato-Mitglieder sowie 22 Partnerländer) jeweiligen Regionen ist diese Klammer jedoch viel zu umfasst, bildet der EAPC den politischen Rahmen für weit gefasst. alle Kooperationsformen der Allianz mit Partnerlän- Vielmehr handelt es sich bei dem Begriff »Partner- dern des euro-atlantischen Raums. schaftsformat« um eine übergeordnete Kategorie für Die Nato betrachtet dieses Partnerschaftsformat heterogene und sehr verschieden begründete Koor- zum einen als Instrument der kooperativen Sicherheit dinations- bzw. Kooperationsinstitutionen, die sich in in sehr allgemeiner Form. Diesem Anliegen trägt sie Teilnehmerkreis, Institutionalisierungsgrad und poli- dadurch Rechnung, dass unter den teilnehmenden tischer Zielsetzung unterscheiden. Seit ihrer Entste- Ländern Themen diskutiert werden, die generell von hung haben sich Umfang bzw. Funktionen der jewei- sicherheitspolitischem Interesse sind – etwa Krisen- ligen Formate sowie die damit verbundenen politi- management, friedenserhaltende Missionen, Abrüs- schen Ambitionen der Nato teilweise erheblich ver- tung und Rüstungskontrolle, Terrorismusbekämp- ändert.6 Die Entwicklung der Formate seit 1994 reflek- fung, Proliferation von Massenvernichtungswaffen tiert damit die wechselnden Prioritäten, die über u.a.m. Zum anderen dient der EAPC dem spezifische- diesen Zeitraum im Bündnis bestanden. In den Nato- ren Ziel, langfristig einen Beitrag zu sicherheitspoliti- Partnerschaftsformaten spiegeln sich einerseits zen- schen Reformen in den Ländern der Region zu leisten. trale sicherheitspolitische Ereignisse und Entwick- Dabei galt und gilt es unter anderem, die Streitkräfte lungslinien der internationalen Politik. Andererseits einzelner Staaten der Kontrolle demokratisch legiti- lassen sie auch die Wandlungen im Selbstverständnis mierter Parlamente und Regierungen sowie der Justiz der Nato erkennen – als einer Sicherheitsorganisation, zu unterstellen, gegebenenfalls den Umfang der Trup- die sich verändert, weil die Welt um sie herum im pen ohne politische Verwerfungen zu reduzieren Umbruch ist. und nicht zuletzt zwischen den einzelnen Sicherheits- kräften die Zuständigkeiten für innere und äußere Sicherheit zu trennen. Die Entwicklung des EAPC folgte keiner kohärenten Planung, sondern vollzog sich eher zufällig, denn der NACC war eigentlich als vergleichsweise kleines For- mat für (damals) 16 Nato-Mitglieder und sieben Mit- glieder des Warschauer Paktes konzipiert. Durch die Auflösung der Sowjetunion wurde der Nato dann eine viel größere und umfangreichere Kooperation »aufge- 6 Vgl. dazu Sten Rynning, »Why Connect? On the Conceptual drängt« als ursprünglich geplant. Es kann also keine Foundations of NATO Partnerships«, in: Riccardo Alcaro/ Rede davon sein, dass es hier von Beginn an eine stra- Sonia Lucarelli (Hg.), Managing Change. NATO’s Partnerships and tegisch reflektierte Partnerschaftspolitik gegeben Deterrence in a Globalised World, Norfolk/Bologna/Rom 2011, S. II-5–II-8. hätte. Dies lässt sich nicht zuletzt daran ablesen, dass SWP Berlin Die Neuordnung der Nato-Partnerschaftsbeziehungen Juni 2016 10

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