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Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung PDF

152 Pages·1949·4.64 MB·German
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DIE WISSENSCHAFT HERAUSGEBER PROF. DR. WILHELM WESTPHAL BAN D 103 Die neueren Ergebnisse der Starkeforschung von Kurt Heyns a. o. Professor an der Universilat Hamburg Mil 6 Abbildungen Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-663-00278-9 ISBN 978-3-663-02191-9 (eBook) DOl 10.1007/978-3-663-02191-9 Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1949 Vorwort Es ist beabsichtigt, mit dieser zusammenfassenden Darstellung der neueren Ergebnisse der SUirkeforschung einem weiteren Per sonenkreis einen Uberblick tiber den derzeitigen Stand unserer Kenntnisse und Anschauungen von dem Aufbau und den Eigen schaften der Starke zu vermitteln. Die verschiedensten Arbeits gebiete der reinen sowie der angewandten Wissenschaft und Technik - Chemie, Kolloidchemie, Biochemie, Botanik, Physio logie, Medizin, Stoffwechsellehre, Ernahrungswissenschaft, Nah rungsmitteltechnik und -gewerbe, Klebstoff-, Appreturmittel-, Kunststoff-, Papier-, Textil-, GieBerei-Industrien, Garungstechnik, um die wichtigsten zu nennen - aIle haben mehr oder weniger ausgepragte Beruhrungspunkte mit der Starke. Die groBe Anzahl der uber die Starke und deren Umwandlungsprodukte sehr ver streut erscheinenden und auBerdem zuweilen widerspruchsvollen Arbeiten erschwert die Ubersicht fUr denjenigen, der die Original Literatur nicht laufend zur Verfugung hat. Und doch ist die Kennt nis von den in den letzten zwei Jahrzehnten auch auf diesem Arbeitsgebiet der Forschung erzielten Fortschritten fUr die ver schiedensten Einzelfragen von grundlegender Bedeutung, zumal die v?n zahlreichen Forschungskreisen erarbeiteten Anschau ungen in zunehmendem MaBe zum Verstandnis der Eigensch&.ften der Starke und ihren Derivaten beigetragen haben, eben auf Grund der Vorstellungen, die uber die chemischen und physi kalisch-chemischen Bauprinzipien entwickelt worden sind. Nach Aufforderung von verschiedenen Seiten habe ich mich daher ent schlossen, die seit langerem angesammelten Unterlagen tiber das Arbeitsgebiet der Starkeforschung zusammenzusteIlen, wobei mehrere Teilgebiete absichtIich knapp gefaBt worden sind, um den Umfang nicht alIzusehr ausweiten zu mussen. Eine wertvolle Unterstutzung fUr Abfassung und Gliederung des Textes erfuhr ich durch die Mitarbeit von Herrn Dr. Hans Felch FreiheIT v. Oldershausen, der wesentIiche Teile der Arbeit sowie der Literaturzitate zusammengesteIlt hat. Fur seine Mit wirkung sage ich auch hier meinen herzlichsten Dank. Ham bur g, Marz 1949 Der Verfasser Inhaltsiibersicht Seite Einleitung I. Geschichtlicher Uberblick 3 II. De r S tan d de r S t ii r kef 0 r s c hun 9 1936/37 . 12 1. Stiirkesubstanz 12 2. TeilchengriiBe 24 3. Konstitution 32 4. Fermentativer Abbau . 39 Ill. Die S iii r kef 0 r s c hun 9 s e i t de m J a h r e 1937 44 1. Teilchengr6Be 44 2. Konstitution .52 3. Morphologie, Viskositat und Quellung 66 4. Stiirkesubstanz 75 5. Fermentativer Abbau . 92 IV. K 0 n s tit uti 0 nun d E i g ens c h aft end e s G I Y k 0 9 ens und anderer Polyglukosane 110 1. Glykogen 110 2. Andere Polyglukosane 114 V. Die S y nth e s e von Pol Y g I u k 0 5 a n e n 119 VI. SchluBwort. 132 Literaturverzeichnis 134 Alphabetisches Register 147 Einleitung In der S tar k e haben wir einen auBerordentlich wichtigen und weit verbreiteten organischen Naturstoff vor uns, der jedes Jahr dl!rch den Assimilationsvorgang in grunen Pflanzen aus Kohlen dioxyd und Wasser unter Einbeziehung der Sonnenenergie in sehr groBen Mengen von der Natur aufgebaut wird. Fur den Menschen wird die Starke damit zu einer bedeutungsvollen, sich immer wieder erneuernden Energie- und Rohstoffquelle. Die im gesamten Stoffwechsel der Organismen an zentraler Stelle stehende Glukose kann nach ihrer primaren Entstehung bei der Assimilation in den Chloroplasten in Form kleiner Korner als "transitorische oder autochthone Starke" abgelagert werden. In besonders groBem AusmaB erfolgt jedoch die Starke ablagerung aus ihrem wasserloslichen und damit im Organismus beweglichen Baustein Glukose, als Reservestoff in Knollen, Samen, Wurzeln, Fruchten und im Mark der Pflanzen. Der Starke entspricht das G I Y k 0 9 e n in den Muskeln und in der Leber tierischer Orga nismen, welches daher hier im gewissen Umfang mitbehandelt werden soIl. Pflanzliche und tierische Starke sowie die verwandte Zellulose gehoren zu den verbreitetsten Naturstoffen, die zugleich mit am liingsten bekannt und als lebensnotwendig erkannt worden sind. Schon in den altesten Zeiten waren chemische Vorgange gelaufig, denen eine Umwandlung der Starke in Speisen und Getranken zu grunde liegen. Noch heute stellt die Starke den H a u p t - bestandteil und den wichtigsten Kalorien t rag e r de rNa h run 9 von etwa 2 Milliarden Menschen dar, sei es im Vorkommen in den verschiedenen Getreidearten und in der Kartoffelknolle der gemafiigteren Zonen oder in Mais und Reis sowie zahlreichen anderen Starketragern der heiBen Erd zonen. Die Verwendung der mannigfachen Starkearten selbst als auch die ihrer vielen Umwandlungs- und Abbauprodukte in den ver schiedensten Zweigen der Technik ist im standigen Anwachsen begriffen. Die Starkegewinnung allein von Deutschland und den 1 Vereinigten Staaten von Nordamerika, die in der Erzeugung an el'ster Stelle stehen, wurde vor einem Jahrzehnt mit zusammen etwa jahrlich 600 000 t angegeben. Die deutsche Erzeugung betrug im Geschaftsjahr 1937/38 215000 t Kartoffeistarke 'und 55000 t Mais-, Reis- und Weizenstarke. Eine Erorterung der eigentlichen S tar kef a b r i kat ion sowie der vieiseitigen A n wen - dun 9 s m 0 9 I i c h k e i ten von Starke und Starkeabkomm Iingen gehort nicht an diesen Ort [vgl. hierzu (1l]. Sowohl auf der Starke selbst ais auch auf ihren bekanntesten Abkommlingen wie Dextrinen, Starkesirup, Traubenzucker und schlieBlich auch dem Athyiaikohol und anderen "Garungsprodukten" bauen sich groBe Industrien auf. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daB aIle diese vielartigen und vieigestaltigen Anwendungsgebiete aus den Fortschritten der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Starkechemie Iaufend Anregungen und Vorteile ziehen, so daB auch hier der Stand der industriellen Entwickiung mit dem Stand der Kennt nisse von der Starke weitgehend Hand in Hand geht. Die nach folgenden AusfUhrungen sind dementsprechend fUr einen groBeren Kreis geschrieben. 2 I. Gesd:tichtlid:ter U00 herhlic:k Der allgemeinen wissenschaftlichen Bedeutung und der Nutzung der Starke fUr den Menschen scheint der Stand der wissenschaft lichen Kenntnis von der Starke auf den ersten Blick. nur wenig zu entsprechen. Es liegt dies nicht daran, daB die Chemie des 19. Jahr hunderts der Erforschung der Starke etwa zu wenig Interesse entgegengebracht hatte (2). Brown und Morris (3) schrieben im Jahre 1885: "Es gibt vielleicht nicht e i n e n Gegenstand im ganzen Gebiet der Chemie, welcher in den letzten sechzig Jahren mehr Bearbeitung gefunden hatte und nicht e i n en, uber welchen sogar bis zur Gegenwart die Meinung der Chemiker so weit auseinander ging, wie die Umwandlung, welche die Starke erleidet, wenn sie der Einwirkung von Diastase oder von verdunnten Sauren ausge setzt wird." Seit dieser Zeit ist mehr als ein halbes Jahrhundert verflossen, und es mochte fast scheinen, als ob das Starkemolekiil hinsichtlich GroBe, Aufbau und Umwandlungen trotz andauernder chemischer Forschung immer noch ein ungelostes P!oblem dar stellt. Erst in allerjungster Zeit, etwa seit dem Jahre 1937, beginnen sich neue Gesichtspunkte und Erkenntnisse durchzusetzen, die entscheidend dazu beitragen durften, uns ein gesichertes und dem Verhalten der Starke gerecht werdendes Bild zu geben. Bevor wir uns diesen neuen Erkenntnissen zuwenden, sei jedoch noch eine kurze Darstellung einiger wichtiger alterer Arbeiten (2) und un serer chemischen Kenntni&se zur Zeit der "Ausgangsstellung" zu den neueren wichtigen Untersuchungen gestattet, die wir etwas willkiirlich mit dem Beginn des Jahres 1937 festlegen wollen. Es war C. O. S. Kirchhoff, der 1811 auf der Suche nach einem billigen Ersatz fUr den teuren arabischen Gtimmi "den gelatenosen Zustand der gekochten Starke vermittels verdiinnter Mineralsauren und Warme zu beseitigen" hoffte; "Wenn dieses gelange, so glaubte ich, dann miiBte sie (die Starke) ahnlich dem arabischen Gummi sein" (2, 4). Das Ergebnis der angestellten Versuche war die E n t'd e c k u n 9 d e rUm wan diu n 9 d e r S tar k e i n T r a u ben z u c k e r (4), die dann zur Begriindung der Starke zuck.er- und Syrupindustrie iiberleitete, gleichzeitig aber ein klassi- 3 sches Beispiel fUr die katalytische Wirkung von Mineralsauren lieferte. An dieses Beispiel knupfte Berzelius 1835 seine bahn brechenden Betrachtungen uber die. "katalytische Kraft", die grund legend fur die vitalistische Schule der Naturwissenschaft wurden (5). Kirchhoii konnte 1814 weiterhin zeigen, daB eine Verzuckerung der Starke auch durch wasserigen Malzauszug erfolgt (6). Die Ab trennung der dabei wirksamen Substanz, der D i a s t a s e, aus Gerstenmalz gelang 1833 Payen und Persoz (7). 1m Jahre 1847. konnte dann Dubraniaut (8) die schon von D6bereiner (9) vorweggenommene grundlegende Feststellung be statigen, daB Starkekleister durch Diastase in einen von Trauben zucker verschiedenen "Ma12;zucker" ubergefUhrt wird, der erst durch weitere Saurebehandlung in Traubenzucker umgewandelt wird. Dieser Malzzucker wurde dann von Gmelin (10) als M a Ito s e bezeichnet und zuerst von O'Sullivan (11) wissenschaftlich unter all sucht, der ihm die Formel C12 H22 gab. Die Konstitution der Maltose ist durch Arbeiten von Irvine (12), Haworth (13) und ihren Mitarbeitern 1926 aufgeklart worden. Durch Nachweis von aqui molekularen Mengen von 2, 3, 6-Trimethylglukose und 2, 3, 4, 6- Tetramethylglukose nach Hydrolyse der methylierten Maltose und aus Uberlegungen, die der starken Rechtsdrehung der Maltose Rechnung tragen und die fUr ihre a-glukosidische Natur sprechen, sowie aus der Art der Lactonbildung des Oxydationsprodukts, der Maltobionsaure (lsolierung von 2,3,5, 6-Tetramethylglukonsaure - nicht 2,3,4, 6-Tetramethylglukonsaure neben 2,3,4, 6-Tetra methylglukose bei der Hydrolyse der methylierten Maltobion saure), ergab sich fUr die Maltose die Konstitution einer a-I, 4- G I u k 0 sid 0 9 I u k 0 P Y ran 0 s e. Formulierung nach Haworth: C(, -6/ukose ex. -6lukose ex. - Maltose Die ersten ausfUhrlichen "Beitrage zur Geschichte der Starke und der (chemischen) Verwandlungen derselben" gaben Brown und Heron (14). nachdem der Botaniker NiigeJi die morphologische Seite bereits 1858 in seiner Monographie "Die Starkeki:irner" (Zurich 4 1858) beleuchtet hatte. Die chemische Formel der wasserfreien Starke: (C6 HlO 05lx wird durch Salomon (15) sichergestellt; die naturliche Starke wird von Zulkowsky 1875 durch Erhitzen in Glycerin (16), spater von Lintner durch Behandeln mit Salzsaure (17) in los l'i c h eSt ark e ubergefUhrt. Leider sind zahlreiche Forschungsarbeiten uber Starke mit derartiger "loslicher Starke" durchgefUhrt. Seitdem wir wissen, daB es sich hierbei um abge baute Starke handelt und daB die "Vorgeschichte" der Starke, d. h. die Gewinnungs- und Behandlungsmethoden, einen nicht zu unter schatzenden EinfluB auf die GroBe und den Bau der Starke haben, geht man heute sehr vorsichtig mit dem Ausgangsmaterial um (siehe auch S.44). Ais drittes Abbauprodukt der Starke neben Maltose und Traubenzucker wurde 1833 von Biot und Persoz (18) das De x - t r in, so genannt wegen seiner optischen Rechtsdrehung, durch Behandeln der Starke mit verdunnter Schwefelsaure und Fallen mitAlkohol gewonnen. Wenig spater gelang auch der Nachweis von Dextrinen bei der Starkespaltung mittels Diastase, und bald wurden - je nach der Art der Behandlung - die verschieden artigsten Dextrine aufgefunden. Zu ihrer Charakterisierung wurde die schon 1814 von Colin und Gaultier (19) entdeckte Far b rea k t ion der Starke mit J 0 d herangezogen, so daB man auf Grund des Jodzusatzes ein blaugefarbtes Amy I 0 - de x t r i n (NiigeJi 1874) (20). ein rotbraunes E r y t h rod ext r i n (Briicke 1872) (21). ein farbloses A c h roo d ext r i n (21), spater auch noch ein wiederum anderes, farbloses M a Ito d ext r i n (22) unterschied. Fur die Entstehung dieser Umwandlungsprodukte wurde von Musculus und Gruber (23) sowie Brown und Heron (24) in den Jahren 1878/79 die "Theorie der h y d r 0 I Y tis c hen Spaltung" aufgestellt, die fUr die Starke eine Maltosekette von mindestens 10 Maltoseeinheiten annimmt, welche nun durch H y d r 0 I Y s e stufenweise Gruppen von C12 H20 0 10 als Maltose abspaltet, so daB nacheinander pol y mer e D ext r i n e von immer geringerem Molekulargewicht zuruckbleiben. Diese Theorie, die fUr die enzymatische Spaltung der Starke durch Amylase noch heute sinngemaB gultig ist, hat in der Folgezeit die chemische Forschung richtunggebend beeinfluBt (2). 5 hillen wesentlichen Beitrag zur AufkIarung und Charakterisie rung der Starkeabbauprodukte lieferte neben der alteren Kenn zeichnung durch das Drehungsvermagen, die Reduktion gegen Pehlingsche Lasung und die Jodprobe, dann die systematische Anwendung der Osazonprobe und die (kryoskopisch in Wasser durchgefUhrten) Molekulargewichtsbestimmungen, die wir Lintner und Dull (25) verdanken. Dieselben Autoren konnten auch im Jahre 1891 in den Hydrolyseprodukten der Starke neben der Maltose einen neuen Zucker, die Iso m a Ito s e (26 a) isolieren, die sich mit einem kurz vorher von E. Fischer (26 b) synthetisch aus Glukose dargestellten Karper ais identisch erwies. Die Iso maltose hat nach Georg (1930) die Konstitution einer a-1, 6 -G I u - k 0 sid 0 9 I u k 0 s e (27) j sie wird uns bei den neueren Arbeiten iiber die Starke ais der die "knomalien" der Starke bedingende Zucker (Trager der Verzweigungen, wichtigstes Hydrolysenpro- dukt der Grenzdextrine) wieder begegnen. . Auf eine Beobachtung von Brown und Morris (1850) sei noch hingewiesen, die den -;,\usgangspunkt fUr die moderne Amylasen forschung darstellt. Diese Autoren zeigten (28), daB eine bei niedriger Temperatur rasch durchgefUhrte Starkehydrolyse mit Malzextrakt kein~ Ubereinstimmung zwischen dem Ansteigen des Reduktionsvermagens und der Drehungsabnahme erkennen laBt, wahrend dagegen nach Brown und Heron (1848) eine gute Uber einstimmung zu erreichen war, wenn die Hydrolyse mitMalzextrakt bei haherer Temperatur und langsam ablauft (29). Wie wir heute wissen, ist dies darauf zuriickzufUhren, daB oberhalb 700 im Malz nur noch a-Amylase bestandig istj diese baut die Starkekette in kleinere Bruchstiicke ab, die iibereinstimmende Drehung und Reduktionswirkung (sowie rasch abnehmende Jodfarbe) zeigen. 1m Gegensatz dazu steht die Wirkung der normalen, bei ge wahnlicher Temperatur a- und p-Amylase enthaltenden Malz amylase. Entsprechend der Theorie der hydrolytischen Wirkung von Brown und Heron und der sehr ausfiihrlichen experimentellen Untersuchungen von Brown und Miller (1899) trennt die p-Amylase von der Starkekette von (C12 H20 010)m jeweils ein Maltose molekiil ab, so daB eine Starkekette von {C12 H2o 010)m- 2 ent steht, die ihrerseits wieder in Maltose und ein Kettenstil.ck von m - 4 Gliedern weiter zerfallt usw. (30). Hierdurch bleiben wah rend des Abbaus langere Zeit Stiicke von verhaltnismaBig groBer 6

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