Die Nerven des Herzens. Physiologische Hauptwerke des Verfassers. De choreae indole, sede etc. Dissert. Inaug. Berlin 1864. (Deutsch iu den Wien er med. Jahrbüchern. 1865). Die Lehre von der Tabes dorsalis. Berlin 1867, S. Liebrecht. (Fort setzung in Virchows .Archiv. 1867. Principes d'Electrotherapie. (Von der Pariser .Akademie der Wissen schaften gekrönte Preisschrift.) Paris 1873, J. B. Bailiiere et fils. Lehrbuch der Physiologie. (Russisch.) 2 Bde. Petersburg 1873-74, Karl Ricker. Arbeiten aus dem Physiologischen Laboratorium zu St. Petersbnrg. (Russisch.) St. Petersbnrg 1874, Karl Ricker. Methodik der physiologischen Experimente und Vivisektionen. 1\'Iit .Atlas. Petersburg und Gießen 1876. Karl Ricker. Recherehes experimentales sur Ia fonction des canaux semi-circu laires et sur leur röle dans Ia formation de Ia notion de l'espace. These. Paris 1878. Wissenschaftliche Unterhaltungen. (Russisch.) I. Bd. Petersburg 1880. Karl Ricker. Gesammelte Physiologische Arbeiten. Berlin 1888, .August Hirschwald. Beiträge zur Physiologie der Schilddrüse und des Herzens. Bonn 1898, Emil Strauß. Le nerfs du coeur. Avec une pn\face sur les rapports de la merleeine avec la pbysiologie et la bacteriologie. Paris 1905, Felix .Alcan. Die Nerven des Herzens. Ihre Anatomie und Physiologie. Von E. von Cyon. Übersetzt von H. L. Heusner. Neue vom Verfasser umgearbeitete und vervollständigte Ausgabe mit einer Vorrerle für Kliniker und Ärzte. Mit J 7 in den Text gedruckten Figuren. Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH 1907 ISBN 978-3-662-32341-0 ISBN 978-3-662-33168-2 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-33168-2 Vorrede. Fiir Kliniker und Arzte. Als ich vor sechs Monaten in Pflügers Archiv ein Schlußwort für die "Myogene Irrungen" schrieb, glaubte ich auf diese unglück liche Episode der modernen Physiologie nicht mehr zurückkommen zu brauchen. Für den Physiologen ist die myogene Lehre jetzt nur noch eine peinliche Erinnerung; ihre eifrigsten Vertreter, wie noch vor einigen Monaten H. E. Hering 1), suchen nur nach ·wegen, um möglichst unbemerkt sich von ihr loszusagen. Die psychologische Er klärung, welche ich für das Entstehen und das Fortdauern einer so ungeheuerlichen wissenschaftlichen Verirrung, wie die myogene Lehre es war, gegeben, hat nicht wenig zu dieser allgemeinen Flucht bei getragen. "Ein Ergebnis derartiger (psychologischer) Studien, - schrieb ich, - ließe sich schon jetzt formulieren: die menschlichen Geister müssen in zwei große Kategorieneingeteiltwerden: Geister, die fast immer die Wahrheit unmittelbar erkennen und solche, die stets dem Irrtume verfallen. Erkenntnis und Irrtum sind also qualitative Eigentümlichkeiten verschiedener Geister und nicht Funktionen desselben Geistes, abhängig von seiner mehr oder minder sorgfältigen und fleißigen Arbeit. Auch die größte Gelehr samkeit, die sorgfältigste und allseitigste Prüfung einer Frage wird einen zum Irrtum angelegten Geist nicht zur wahren Erkenntnis führen. Die Zahl der richtig denkenden Forscher ist aber auf allen Gebieten nur sehr gering" (94). Die Angst, zu der zweiten Kategorie der Geister gezählt zu werden, hat den Schwankungen auch der letzten Jünger Engelmanns ein Ende gemacht und sie zur Fahnenflucht bewogen. 1) Siehe Kap. 5 § 1 und A. g. P. Bd. 116, S. 607. Vl VoJTede. Wenn ich mich dennoch entschlossen habe, eine deutsche Auf lage meiner "Nerfs du coeur" zu gestatten, trotzdem mein Gesundheits zustand mir jede geistige Beschäftigung, besonders mit der Physiologie des Herzens, untersagt 1), so hat dies einen ganz besonderen Grund. Wenn die myogene Lehre für den Physiologen nicht mehr existiert, so ist dem nicht so bei den Klinikern und Ärzten, die, besonders in Deutschland, mit beklagenswertem Enthusiasmus in das myogene Lager eingetreten sind. Die Gründe und Folgen dieses Enthusiasmus müssen mit derselben Aufrichtigkeit, ja Schonungslosigkeit hier dar gelegt werden, mit der ich seit zehn Jahren den Kampf gegen die myogene Lehre geführt habe. Als Zeugnis dieser Aufrichtigkeit will ich sofort bekennen, wenn ich diese neue Bearbeitung meiner "Herz· nerven" , trotz der mir hierdurch drohenden Lebensgefahr, unter nommen habe, so tue ich dies nicht nur als Herzphysiologe zur Belehrung von Ärzten, sondern auch als Herzkranker zum Wohle aller Herzleidenden, die in den letzten Jahr zehnten Opfer des myogenen Wahnwitzes waren und werden. Die myogene Lehre übte notwendiger Weise auf den Arzt einen doppelten Reiz aus; zuerst den der Neuheit, denn die Mode spielt in der praktischen Medizin noch immer eine große Rolle. Sodann wirkte die neue Lehre auch sehr verlockend durch ihre scheinbare Einfachheit. Wenn sämtliche Äußerungen der Herztätigkeit nur von dem Herzfleisch allein abhängen, so müssen so ziemlich alle Herz krankheiten, soweit sie nicht auf Klappenfehlern aus anderen Ursachen beruhen, nur Myokarditen sein. Das Studium der so verwickelten Verrichtungen der nichtsnutzigen Herz- und Gefäßnerven wurde da her überflüssig. Die Behandlung der funktionellen Erkrankungen des Herzens, das bloß ein einfacher Muskel sein sollte, mußte natürlich bedeutend vereinfacht werden. Wie bei Behandlung gewöhnlicher quergestreifter Muskeln durften Gymnastik, Massagen und andere mechanische Eingriffe die vorzüglichsten Bekämpfungsmittel solcher Erkrankungen abgeben. Daß das Herz auch als Muskel sich schon dadurch auszeichnet, daß es das ganze Leben ununterbrochen ar beiten muß, daß es daher kaum vernünftig, und auch oft höchst 1) Siehe unten S. 222. Vorrede. VII gefährlich, sein könne, es durch Aufbürdung gymnastischer Leistungen noch mehr zu überanstrengen und zu erschöpfen, - solche Über legungen haben sich nur wenige, und auch meistens nur ältere Ärzte gemacht, die nicht auf der Höhe der Modelehre standen. 'l'rotz der zahlreichen Schwierigkeiten, welchen die Kliniker bei der Deutung der meisten Krankheitssymptome begegnen, hielten die Spezialisten für Herzkrankheiten, besonders in Deutschland, an der myogenen Lehre fest. Waren es doch Kliniker wie His jun., Rom berg, Krehl und ein Pathologe wie H. E. Hering, die Llie letzten \V affen geliefert hatten, damit die hart bedrängte myogene Lehre den Kampf gegen die wissenschaftliche Wahrheit noch ein paar Jahre fort setzen könne. Schon das bloße Ableugnen der wichtigsten Errungen schaften, welche von den Meistern der Physiologie gerade auf diesem Gebiete gewonnen waren, mußte das Vertrauen der Ärzte zur An wendbarkeit der exakten Methoden beim Studium der Lebensvorgänge erschüttern. Die Verwendung pathologischer Methoden bei der Ent scheidung so wichtiger physiologischer Probleme war jedenfalls nicht dazu angetan, um das erschütterte Vertrauen wieder herzustellen. "Aufgabe der experimentellen Pathologie ist es, durch Anwendung von präzisen physiologischen Untersuchungsmethoden, über die Ent stehung und die Symptomatologie krankhafter Prozesse Aufklärung zu erhalten. Wenn die experimentierenden Pathologen aber umgekehrt es versuchen, rein physiologische Probleme mit Hilfe der viel weniger exakten pathologischen Methoden zu lösen, so verlassen sie das spezielle Feld ihrer Forschungen, meistens ohne damit der physiologischen Wissenschaft ernstliche Dienste zu erweisen. Im Gegenteil: nur zu häufig werden dadurch die Probleme noch mehr verwirrt und die auch ohnedies nicht leichte Aufgabe des Physiologen nur nutzlos erschwert", - schrieb ich in meiner letzten Mitteilung "Zur Physiologie der Hypophyse" (92). Es ist bei der jetzigen Ausdehnung der Physiologie für den Fach· mann nicht mehr möglich ihre sämtlichen Gebiete genügend zu be· herrschen um fruchtbar auf denselben arbeiten zu können. Unser Altmeister Pflüger ist wohl der letzte jetzt lebende und noch schaf· fende Physiologe, der während seiner mehr als 50 jährigen wissen schaftlichen Tätigkeit Großartiges in der physikalischen und chemischen Physiologie, in der Histologie und Embryologie zu leisten vermochte. VIII Vorrede. Schon vor 40 Jahren schrieb Helmholtz an Ludwig, als er seinen Lehrstuhl der Physiologie aufgeben wollte: " ... Ich ging anfangs gern auf den Plan ein künftig Physik zu lesen, weil ich voraussetzte, daß ich die Physik in allen Teilen mit vollständig selbständigem Urteil hätte vortragen können, während unsere Physiologie in den Handgriffen und Methoden so auseinanderzugehen an fängt, daß niemand mehr in allen Einzelbei ten sattelfest sein kann. Freilich habe ich mir oft auch dagegen sagen müssen, daß eben deshalb die Physiologie das ruhmwürdigere Feld sei, und daß es der Menschheit vielleicht nützlicher, wenn auch für uns we niger bequem ist, wenn wir unsere Kräfte in dieser Beziehung ver wenden ... "1). Und da wollen Kliniker, Pathologen und Pharmakologen in ihren Laboratorien die schwierigsten Aufgaben der Physiologie mit Kompetenz entscheiden! Es ist schon für den Physiologen keine leichte Aufgabe über den Wert von experimentellen Methoden und Ergebnissen sich ein ganz richtiges Urteil zu bilden, wenn er selbst nicht die Methoden erprobt und die Versuche wiederholt hatte. So darf man dem viel beschäftigten Kliniker nicht einmal zumuten, daß er genügend Zeit und Kompetenz besitze, um in physiologischen Kontrovers-Fragen das Richtige zu erkennen. Er muß sich meistens mit Referaten über physiologische Arbeiten begnügen und bei der Art, wie diese Referate in den letzten Jahren, besonders in den dicken Jahresberichten, ge schrieben werden, können sie sich nur falsche und verworrene Be griffe über das in der Physiologie Geschehende bilden 2). In der Physiologie des Herzens ist seit dem Aufkommen der myogenen Hypothese in dieser Beziehung Außerordentliches geleistet worden. Strebsame Jünger der Physiologie glaubten da ein reiches Feld gefunden zu haben, um ihre eigene Sterilität durch Verunstaltung, 1) "Hermann von Helmholtz" von Leo Koenigsberger, Bd. II, S. 119. Braunschweig 1903. 1) Nicht einmal die Titel der Werke, besonders wenn sie aus dem neuro genen Lager stammen, werden richtig wiedergegeben; so z. B. wurde der Titel meiner Monographie "Les nerfs du coeur" folgendermaßen entstellt: "Les nerves du coeur. Arch. f. (An. u.) Physiol. Paris, 255 pp." (Jahresbericht über die Leistungen usw. Berlin, 1906, S. 256). Ärzte, welche meine Monographie kennen lernen wollten, wurden also angewiesen, dieselbe in Engelmanns Archiv zu Vorrede. IX Verneinung oder geradezu Verheimlichung alles dessen, was die Ver treter der neurogenen Lehre Fruchtbares leisteten, entschuldigen zu können. Gestützt auf die Autorität des Nachfolgers für den Lehrstuhl von du Bois-Reymond und Johannes Müller glaubten sie fremde, durch lange mühsame Arbeit gewonnene Errungenschaften nur umtaufen zu brauchen, um das Altewieder neu entdecken zu können. "Wenn gar längst bekannte Dinge, - sagte mit Recht Hensen, immer wieder entdeckt werden, oder wenn gar längst Gefundenes völlig verloren geht und Schwierigkeiten erhoben werden, die schon völlig beseitigt sind, so ist dies keine solide Forschung und die Wissenschaft kommt nicht vorwärts" 1). Ein notwendiges Erfordernis, um die Wissenschaft mit neuen Entdeckungen bereichern zu können, ist, daß der Forscher ohne jede vorgefaßte Meinung und mit der ausschließlichen Bestrebung, die wissenschaftliche Wahrheit zu finden, an die Arbeit tritt. Die Wissen schaft kann zwar nicht voraussetzungslos sein,-trotzder entgegen gesetzten Behauptung, die ein berühmter Historiker vor einigen Jahren in einem Aufsehen erregenden Briefe aufgestellt hat2), - und die Naturwissenschaft weniger als jede andere. Es ist eine Forderung der Logik, daß "die Wissenschaft, deren Zweck es ist, die Natur zu begreifen, von der Voraussetzung ihrer Begreiflichkeit ausgehen müsse und dieser Voraussetzung gemäß schließen und untersuchen", erklärte einst Helmholtz8). Ein Forschen ohne derartige Voraussetzungen wird dann meistens zu einem "Herumtappen", um mich eines Kautsehen Ausdruckes zu bedienen. Aber Voraus setzung und vorgefaßte Meinung sind zwei verschiedene Dinge. Die Wahrheit offenbart sich nur demjenigen, der sie leidenschaftlich, ihrer selbst wegen und ohne jede Nebenabsichten sucht ... Die Kliniker und Ärzte, welche sich der myogenen Lehre ange schlossen haben, sind umsomehr zu entschuldigen, als manche ihrer suchen! Da. muß ma.n einigen rein medizinischen Zeitschriften, wie die "Mün chener medizinische Wochenschrift" und die "Medizinische Klinik" in Berlin, die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß ihre Referate über die Fortschritte der Physiologie des Herzens von einem ganz andern Geiste beseelt sind. ') Pflügers Archiv, B. 75, 1899. 9) Theodor Mommsen. 8) Helmholtz. Ober die Erhaltung der Kraft.