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Die Narkose: In Ihrer Bedeutung für die Allgemeine Physiologie PDF

483 Pages·1926·18.12 MB·German
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MONOGRAPHIEN ADS DEM GESAMTGEBIET DER PHYSIOLOGIE DER PFLANZEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBENVON M. GILDEMEISTER-LEIPZIG . R.GOLDSCHMIDT-BERLIN C.NEUBERG-BERLIN . J.PARNAS-LEMBERG . W.RUHLAND-LEIPZIG ZWEITER BAND DIE NARKOSE VON HANS WINTERSTEIN ZWEITE AUFLAGE BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1926 DIE NARKOSE IN llIRER BEDEUTUNG FUR DIE ALLGEMEINE PHYSIOLOGIE VON HANS WINTERSTEIN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITAT ROSTOCK ZWEITE UMGEARBEITETE AUFLAGE MIT 8 ABBlLDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1926 ISBN-13:978-3-642-88803-8 e-ISBN-13:978-3-642-90658-9 DOl: 10.1007/978-3-642-90658-9 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER t}BERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. DRUCK VON BREITKOPF & HXRTEL IN LEIPZIG V orwort zur ersten Auflage. Als vor fast fiinf Jahren die Herausgeber dieser Sammlung mit der freundlichen Aufforderung an mich herantraten, eine Monographie iiber Narkose zu schreiben, habe ich mich nicht ohne schwere Bedenken und erst nach langem Zogern entschlossen, an die gestellte Aufgabe heranzugehen. Scheint doch noch alles im FluB und wichtige, grundlegende Fragen harren noch der Beantwortung. Allein gerade dieser Umstand machte mir fur eigene Arbeiten eine kritische Sichtung des vorliegenden Materials wiinschenswert und lieB mich hoffen, daB sie auch anderen von N utzen sein werde. Ich ging aus von dem Standpunkt, von dem aus vor langen Jahren schon 01. Bernard, der Meister allgemein·physiologischer Forschung, das Studium der Narkotika durchfiihrte: Die Nar kotika sind Gifte, deren eigenartige Wirkung alle Formen der lebenden Systeme und aIle FunktionsauBerungen derselben um faBt, "so daB man sie als natiirliche Reagentien auf aIle Ie ben dige Substanz betrachten kann", als "physiologische Zer gliederungsinstrumente", wie sich in gleicher Feinheit und allgemeiner Anwendbarkeit nicht leicht andere finden lassen. So wird das Studium der N arkose ein wichtiges Hilfsmittel allgemein physiologischer Forschung. Lediglich von diesem Gesichtspunkte aus und ohne alle Beriicksichtigung praktisch-medizinischer Inter essen ist die folgende Monographie abgefaBt. Sie war vor zwei Jahren im wesentlichen bereits abge schlossen; der Krieg hat ihr Erscheinen verhindert. Nun faUt es in eine Zeit, in der die Sorge um das Schicksal un seres Vater landes fast mehr noch als wahrend des Krieges das Interesse fiir die Wissenschaft hinter jenem fiir politische Fragen zuriick treten laBt. Moge es bei allen jenen freundliche Aufnahme finden, die in den Stiirmen des Lebens den Frieden der Wissenschaft nicht ganzlich missen wollen! Rostock, im Januar 1919. Hans Winterstein. Vorwort zur zweiten Auflage. Die erste Auflage ist seit Jahren vergriffen. Anderweitige Arbeiten, vor aUem Handbuchbeitrage, deren FertigsteUung sich freilich nachher als keineswegs dringlich erwies, verzogerten die Neubearbeitung. So muBte diese eine ansehnliche Literatur be- VI Vorwort. waltigen, zumal jena der Kriegszeit in der ersten Auflage nur unvollkommen beriicksichtigt war. Die Anordnung des Stoffes blieb im wesentlichen unverandert, aber betrachtliche Abschnitte muBten umgearbeitet oder neu hinzugefiigt werden. Ich nenne einige der wichtigsten Punkte: 1m ersten Teil, bei den Erklarungs versuchen des Erregungsstadiums der Narkose die gliickliche Modi fikation, die Frohlichs "Prinzip der scheinbaren Erregbarkeits steigerung" durch Frey erfahren hat, beim Nervensystem die schonen Untersuchungen Katos, die die anscheinend gesicherte Lehre von der Dekrementleitung in Narkose schwer erschiittert haben (und deren eben erschienene Fortsetzung leider nicht mehr beriicksichtigt werden konnte), beim Muskelsystem die interessanten, wenn auch meiner Ansicht nach vergeblichen Versuche Bethes, die direkte Wirkung der N arkotika als Kontraktursubstanzen zu erweisen u. a. m. Bei der Bearbeitung des zweiten, die Narkosetheorien be handelnden Teiles habe ich mit Genugtuung feststellen konnen, daB mein vor 7 Jahren eingenommener Standpunkt keine grund satzliche Anderung zu erfahren brauchte. Die Erstickungstheorie der Narkose gilt wohl heute allgemein als iiberwunden. Aber auch meine Ablehnung der Lipoidtheorie hat sich - trotz des geschickten VorstoBes, den K. Meyer zu ihrer Stiitzung unter nommen hat - auf Grund der neueren Arbeiten nur noch ver tieft. Hansteen Cranners Entdeckung der Wasserloslichkeit genuiner Lipoide hat die ganzen Grundlagen der Theorie ins Wanken gebraeht, und der diirftige Parallelismus zwischen Wirkungsstarke und Olloslichkeit der N arkotika erscheint mir als ein "Zufall", bedingt durch die Wahl von Fetten als wasser unloslicher Phase bei Verteilungsversuchen. Freilich hat sich andererseits auch die Oberflachenaktivitatstheorie in der von Traube gegebenen Fassung als unhaltbar erwiesen. Ihr Grund gedanke aber, daB das Wesen der Narkose in Oberflachenkraften zu suchen sei, hat in dem weiteren geistreichen Ausbau der Adsorptionstheorie durch War bur g eine um so starkere Stiitze erfahren. Und in dem SchluBsatz der ersten Auflage: "Der Wirkungsmechanismus der Narkotika beruht vermu tlich auf ihrer leichten Absorbierbarkeit an die Struktur bestandteile der lebenden Systeme", glaube ich heute das Wort "vermutlich" weglassen zu diirfen. Ich wiinsche der zweiten Auflage die gleiche freundliche Auf nahme, wie sie die erste gefunden hat! Rostock, im Mai 1926. Hans Winterstein. Inhaltsverzeichnis. Erster Teil. Die Wirkungen der Na rkotika. Seite A. Begriifsanalytische V orbemerkungen. . . 1 1. "Ursache" und "Wirkung". . . . . . . . 1 2. "Lebendige Substanz" und "Erregbarkeit". 3 3. "Narkose" und "Narkotika" . . . . 9 B. Das Erregungsstadium der Narkose 13 1. Beobachtete Erregungserscheinungen 13 W RE~~@pft~~e........ a) Reflex- und Hemmungstheorie. . . . . . . . . 20 b) Prinzip der scheinbaren Erregbarkeitssteigerung. 23 C. Vergleichung del' nal'kotischen Wirkungen. . . . . .. 30 1. "Allgemeinnarkose" (Narkose der nervosen Zentralorgane) . 36 Narkotische Konzentrationen bei mehr oder minder voIIiger Aufhebung der Reflexerregbarkeit: Cloroform S. 38. - Ather S. 39. - Athylurethan S. 40. Athylalkohol S. 41. - Bromathyl S. 42. - Stickoxydul S. 42 - Kohlensaure S. 43 2. Narkose verschiedener Organe . . . . 48 3. Narkose verschiedener Zellfunktionen. 53 Narkose enzymatischer Prozesse . . . 55 D. Spezielle narkotische Wirkungen von allgemein-physiolo- gischem Interesse . 57 I. N ervensystem . . . . . . . . . . . . . . . • . . .• 57 1. Zentralorgane. . . . . . . . . . . . . . . . . . . " 57 a) Beeinflussung verschiedener Zentralorgane. . . .. 58 b) Beeinflussung verschiedener nervoser Mechanismen. . 60 c) Beeinflussung verschiedener Stoffwechselvorgange in den . Zentren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Peripheres Nervensystem . . . . . . . . . . . . . 66 a) Beeinflussung verschiedener Nervenfasern . . . 66 b) Beeinflussung verschiedener Nervenfunktionen . 75 1. "Aktionsstrome ohne Aktion" . . . . . . . 76 2. Erregungsstoffwechsel ohne Erregbarkeit . . 77 3. "Erregbarkeit" und "Leitfahigkeit". . . . . 78 Katos Theorie der dekrementlosen Leitung 86 4. "Alles- oder Nichts-Gesetz". . . . . . . . . 90 Alles· oder Nichts-Gesetz und Zentrenfunktion. 97 Anhang: Mansfelds "Alles- oder Nichts·Gesetz der Narkose" . . . . . . . . . . . . . . . .. 98 5. Refraktarstadium und Summation . . . . . •. 100 6. Paradoxes Stadium und periphere Hemmungen. 107 7. Wesen der Erregungsleitung . 112 Zusammenfassung. . . . . 114 n. Muskelsystem. . . . . . . . . 115 1. Herz. . . . • . • . . . . . . . 115 2. Quergestreifte und glatte Muskeln 120 VIII Inhaltsverzeichnis Seite III. Pflanzliche Organismen . 133 1. Motilitat und Sensibilitat . . 133 2. Wachstum . . . . . . . . . 136 3. Assimilation und Respiration 138 4. Sonstige Lebensvorgange .............. 143 5. Die Widerstandsfahigkeit trockener pflanzlicher Organismen gegen narkotische Gifte . . . . . . . . . 145 E. Die Wirlmng von Narkotikakombinationen 147 1. Altere Untersuchungen . . . . . . . . . . 148 2. Theorie von B ii rg i. . . . . . . . . . . . 151 3. Erklarung von Kombinationswirkungen .......... 164 Anhang: Antagonistische Beeinflussung narkotischer Wirkungen 171 Zweiter Teil. Theorien fiber den llIechanismns der N arkose. A. Spezielle Theorien der Hirnnarkose . . . . . . . .. 176 B. Die Erstickungstheorie der Narkose. . . . . . . .. 181 1. Grundlagen der Theorie. . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Weiterentwicklung der Argumente. Analogien zwischen Narkose und Erstickung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Die oxydationshemmenden Wirkungen der Narkose . 189 4. Widerlegung der Erstickungstheorie . . . . . . . . 191 a) Sonderung von Narkose und Oxydationshemmung. 191 b) Narkose anoxybiotischer Vorgange ........... 197 Anhang: Wielands Erstickungstheorie der betaubenden Gase 200 5. Der Mechanismus der Oxydationshemmung 203 a) Chemische Bindung . . 203 b) Sauerstoffentziehung . . 205 c) Permeabilitatsanderungen207 d) Antikatalyse. . . . . . 209 C. Die physikalisch-chemischen Theorien der Narkose 215 t. Die Verteilung der Narkotika im Organismus und die Beziehungen zwischen ihrer Konzentration im umgebenden Medium, im Blute und in den Geweben 215 1. Die dynamische Verteilung . . . . . . . . . 215 a) Verteilung zwischen Atmungsluft und Blut 215 b) Verteilung zwischen Blut und Gewebe 223 2. Die statische Verteilung. . . . . . . . . . . 225 a) Theoretische Vorbemerkungen . . . . . . 226 b) Absorptionsvermiigen der Gewebe. . . . . 228 c) Verteilung der Narkotika .............. 229 d) Beeinflussung der Verteilung durch verschiedene Faktoren 244 3. Die Beziehungen zwischen Konzentration und Aufnahme. . 248 4. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Beziehungen zwischen Konzentration und Wirkung 254 III. Beziehungen zwischen Konstitution und Wirkung 266 1. Gesetz der homologen Reihen . . . . . . . . . . . .. 267 2. Gesetz der verzweigten Ketten . 272 3. EinfluB der Chlorsubstitution . 274 4. EinfluB von Alkylradikalen . . 278 Inhaltsverzeichnis IX Seite IV. Beziehungen zwischen del' Wirkungsstarke del' Nar kotika und ihrer Liislichkeit in Wasser und Fett- substanzen. Lipoidtheorie del' Narkose ....... 281 1. Vorlaufer del' Lipoidtheorie .............. 281 2. Tbeorie von Meyer und Overton ........... 285 3. Weitere Argumente zugunsten del' Lipoidtheorie del' Narkose 288 a) Verschiedene Empfindlichkeit von Organen und 01'- ganismen. . . . . . . . . . 288 b) EinfluB del' Temperatur ............... 291 c) Wasserliislichkeit .................. 293 d) "Lipoidliislichkeit" . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 4. Vorstellungen von dem Mechanismus del' Narkose auf Grund der Lipoidtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5. Kritik der Lipoidtheorie. . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Permeabilitat, Lipoidliislichkeit, Verteilungserscheinungen 301 b) Teilungskoeffizient und Wirkungsstarke del' Narkotika . 306 EinfluB del' Temperatur auf Teilungskoeffizienten und Wirkungsstarke. . . . . . . . . . . . . . 309 Narkotikumkonzentration in den Hirnlipoiden. .. . 313 c) Narkotikumaufnahme und Lipoidgehalt der Organe ... 316 d) Lipoidgehalt und Narkotisierbarkeit. . . . . . . . . . 319 e) Narkose lipoidfreier Mechanismen. ........ 322 V. Beziehungen zwischen Wirkungsstarke und Ober flachenaktivitat der Narkotika. Haftdrucktheorie von J. Traube . . . . . . . . . . . . . ..... 324 1. Theoretische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Parallelismus zwischen Wirkungsstarke und Oberflachen- akti vitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Gesetz der homologen Reihen und Kapillaritatsgesetz. . . 332 3. Kritik del' Haftdrucktheorie . . . . . . . . . . . . . . 340 Oberflachenspannung gegen Luft und Grenzflachenspannung fliissig-fliissig und fliissig-fest . . . . . . . . . 344 VI. Koagulationstheorie del' Narkose ....... . 348 1. Koagulierende Wirkung del' Narkotika. . . . ... . 348 2. Zustandekommen der koagulierenden Wirkung. . . . ;J54 3. Bedeutung der koagulierenden Wirkung . . . . . . . 357 VII. Adsorptionstheorie del' Narkose von O. Warburg 360 VIII. Permeabilitatstheorie del' Narkose ....... . 369 1. Indirekte Versuche libel' die Permeabilitatsanderungen durch Narkotika ................... . 369 2. Direkte Versuche liber Permeabilitatsanderungen durch Narkotika .... 375 a) Pflanzenzellen. . . . . . . . . . . . . . . 375 b) Tierzellen . . . . . . . . . . . . . . . . 380 3. Zustandekommen del' Permeabilitatsanderungen 393 Permeabilitat und Quellbarkeit . . . . . 396 4. Beziehungen zwischen den narkotischen Anderungen der Permeabilitat und der Erregbarkeit 400 Narkose und Zellpolarisation 402 Narkose und Erstickung 404 D. Zusammenfassung . 406 Literaturverzeichnis .. . 408 .Sachverzeichnis .... . 464 Winterstein, Nalkose, 2. Aul!. Erster Teil. Die Wirkungen der Narkotika. A. Begriffsanalytische Vo rbemerkungen. Es ist das unvergangliehe Verdienst Ernst Maehs, mit nie zuvor gekannter Seharfe die psyehologisehen Grundlagen der For sehung selbst zum Gegenstand der Forsehung gemaeht und ihre Bedeutung fUr die Entwicklung der Wissenschaft dargelegt zu haben. Vielleicht fUr keine andere Disziplin ist ein solches Stu dium von gro13erer Wichtigkeit als fiir die Physiologie. Denn keine andere Naturwissensehaft ist wie sie genotigt, mit Begriffen und Ausdriicken zu operieren, die, mit ihren Wurzeln meist auf Be obaehtungen der vorwissensehaftlichen Zeit zuriickgreifend, wegen der au13erordentlichen Kompliziertheit der zu charakterisierenden Erscheinungen einer naheren Analyse nur schwer zuganglich und infolgedessen oft vieldeutig und verschwommen sind; die AUtag lichkeit des Gebrauchs tauscht iiber diese Unklarheiten hinweg und macht sie so zu einer um so gefahrlicheren QueUe von Schein problemen und Scheinerklarungen. Dies mag den Versuch recht fertigen, einige dieser zum taglichen Hausgebraueh des Physio logen gehorenden Ausdriicke, die uns im folgenden immer wieder begegnen werden, vor ihrer Anwendung zunaehst scharfer zu pra zisieren. 1. "Ursache" nnd "Wirknng". AufHume aufbauendhat Mach (634,637, S. 66,638, S. 432, 639, S. 270) dargelegt, da13 die Feststellung eines "kausalen" Zu sammenhanges in Wirkliehkeit nicht mehr aussagt, als die Be schreibung der regelma13igen Verkniipfung zweier Erseheinungen, und da13 man ebensogut oder besser zum Ziele gelangt, wenn man den seiner Wurzel nach metaphysisehen nnd deshalb die Okonomie des Denkens storenden Ursaehenbegriff dureh den mathematisehen Funktionsbegriff ersetzt. . EineFiille nutzloser Auseinandersetzungen Winterstein, Narkose, 2. Aufi. 1 2 Begriffsanalytische Vorbemerkungen. und Streitigkeiten uber die "wahre" Ursache einer Erscheinung ware vermieden worden, wenn Machs Gedanken in den biolo gischen Wissenschaften weitere Verbreitung gefunden hatten als dies bisher der Fall war. Von diesem Gesichtspunkte aus ist es gewiB zu begruBen, daB in neuerer Zeit Verworn (998, 999, S. 16) sich bemuht hat, dieser von ihm als "Konditionismus" bezeichneten Anschauungsweise in der Physiologie zu groBerer Geltung zu verhelfen. Auch mag es im Interesse der Popularisierung dieser Auffassung von V orteil sein, den scharfen und eindeutigen mathematischen Funktionsbe griff durch das der AIltagssprache entlehnte Wort "Bedingung" zu ersetzen, die Klarheit aber muB notwendigerweise darunter lei den. Nichts demonstriert dies besser als der vonVerworn mit groBem Nachdruck hervorgehobene "Satz von der effektiven .Aqui valenz der Bedingungen", der vom Standpunkt der Erkenntnis theorie eine Selbstverstandlichkeit, vom Standpunkt der praktischen Forschung aber ein Un ding darstellt. Niemand wird ernstlich daran zweifeln, daB aIle eine Erscheinung "bedingenden" Faktoren in gleicher Weise gegeben sein mussen, damit eine Erscheinung ge rade so und nicht anders ablauft, und daB aIle Bedingungen in diesem Sinne gleichwertig sind; wollte man aber diese logische Selbstverstandlichkeit - die SchluBfolgerung ist ja schon in der Voraussetzung enthalten - auf die praktische Forschung uber tragen und in jedem FaIle eine gleichwertige Beriicksichtigung aller "Bedingungen" fUr das Zustandekommen einer Erscheinung fordern, so ware man vor die Unmoglichkeit gestellt, auch nur die einfachste GesetzmaBigkeit abzuleiten. "Wollten wir der Natur die Eigenschaft zuschreiben, unter gleichen Umstanden gleiche Er folge hervorzubringen, so wuBten wir diese gleichen Umstande nicht zu finden. Die Natur ist nur einmal da. Nur unser sche matisches Nachbilden erzeugt gleiche FaIle" (Mach, 636, S.216; 635, S.459). Fur dieses schematische Nachbilden aber, in welch em das ganze Wesen der Forschung liegt, sind die einzelnen eine Er scheinung bedingenden Faktoren nun durchaus nicht mehr gleich wertig; wir sind vielmehr genotigt, von Fall zu Fall einzelne oder auch nur eine als die maBgebende hervorzuheben. Diese ganze Ver wirrung schwindet sogleich, wenn man an Stelle des unklaren Aus drucks "Bedingung" auf den mathematischen Funktionsbegriff zu ruckgreift.

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