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Die Mühle des Hamlet: Ein Essay über Mythos und das Gerüst der Zeit PDF

584 Pages·1993·21.349 MB·German
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Die Mühle des Hamlet Ein Essay über Mythos und das Gerüst der Zeit Giorgio de Santillana Hertha von Dechend KÄMMERER & UNVERZAGT Berlin Auf der Grundlage der durch Hertha von Dechend autorisierten Übersetzung von Beate Ziegs des 1969 im Verlag Gambit, Boston, erschienenen Buchs Hamlet's Mill. An Essay on Myth and the Frame of Time von Hertha von Dechend überarbeitete und erweiterte Neuausgabe. Computerkultur, hrsg. von Rolf Herken, Band VIII Lektorat: Lisa Steinhäuser, Sabine Süß und Beate Ziegs Copyright © 1969 by Giorgio de Santillana und Hertha von Dechend Rechte der deutschsprachigen Ausgabe bei: Computerkultur GmbH Rankestraße 9, D-10789 Berlin Copyright © 1993 Computerkultur GmbH, Berlin Satzherstellung mit TpX: Lewis & Leins, Heidelberger Platz 3, D-14197 Berlin Gesamtherstellung: Fuldaer Verlagsanstalt, Fulda ISBN 3-926763-23-X Inhalt Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe v Einleitung 1 1 Bericht des Chronisten 11 2 Die Figur in Finnland 24 3 Die iranische Parallele 33 4 Geschichte, Mythos und Wirklichkeit 39 Intermezzo: Ein Führer für die Verirrten 52 5 Die Entfaltung in Indien 70 6 Amlodhis Mühle 79 7 Der bunte Deckel 88 8 Schamanen und Schmiede 103 9 Amlodhi der Titan und sein Kreisel 125 10 Die Götterdämmerung 136 11 Samson unter vielen Himmeln 152 12 Sokrates’ letzte Erzählung 165 13 Über Zeit und die Flüsse 177 14 Der Wasserstrudel 188 15 Die Wasser aus der Tiefe 196 16 Der Stein und der Baum 206 iv Inhalt 17 Das Gerüst des Kosmos 210 18 Die Milchstraße 221 19 Der Sturz des Phaethon 229 20 Die Tiefe des Meeres 240 21 Der Große Pan ist tot 251 22 Das Abenteuer und die Suche 263 23 Gilgamesch und Prometheus 289 Epilog: Der verlorene Schatz 300 Schlußbemerkungen zur deutschen Ausgabe 318 Abbildungen 1-57 nach Seite 332 Liste der Appendices 335 Appendices 1-45 339 Liste der Abkürzungen 443 Literaturverzeichnis 445 Abbildungsverzeichnis 491 Nachwort des Herausgebers 497 Personen- und Sachregister 501 Vorwort zur deutschen Ausgabe Zwischen dem ersten Erscheinen von Hamlet’s Mill und dem der deutschen Über­ setzung liegen mehr als zweiundzwanzig Jahre intensiver Arbeit. Mithin wäre es ei­ gentlich angebracht, einen umgebauten und wesentlich erweiterten Text vorzulegen. Davon wurde aus zwingenden Gründen abgesehen: Ich habe mich in der Hauptsache auf ergänzende Fußnoten und Appendices beschränkt, diverse Passagen gestrichen, andere erweitert sowie Vorwort und Schlußbemerkungen des Originals durch neue ersetzt. Giorgio de Santillana und ich lernten einander kennen anläßlich eines 1958 von Willy Hartner veranstalteten Symposions im Frankfurter Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, an dem ich Assistent war. Nach meiner Habilitation 1959 schickte ich de Santillana eine kurze Abhandlung über die mit der Konstellation Sagittarius verbundenen Vorstellungen in der Antike, in Indien, China und Alt- Amerika sowie die astronomiehistorischen Schlüsse, die sich aus diesen Vorstellun­ gen ziehen ließen. Als Reaktion beantragte er für mich ein Graduierten-Stipendium der Sloan-Foundation am Massachusetts Institute of Technology (MIT), das auch gewährt wurde. Später bemühte er sich erfolgreich um andere Fördermittel. Begin­ nend mit dem Herbst 1960, verbrachte ich mehrere Jahre lang jeweils einige Monate in Cambridge (Massachusetts), wo wir am MIT gemeinsam kosmologiehistorische Seminare abhielten und ich an diesem, noch mit keinem Namen versehenen Opus arbeitete. Da de Santillana - zu Recht - argwöhnte, ich werde bis in alle Ewigkeit fortwerkeln, ohne je etwas zu veröffentlichen, schlug er eine gemeinsame Publika­ tion vor und übte fortan den entsprechenden Druck aus. Er schrieb um, begradigte kurvenreiche Seitenwege, er brachte die Probleme der Physikgeschichte zur Sprache, verknüpfte die archaischen Ideen mit denen der ihm so wohlvertrauten Renaissance und gestaltete dank seines hohen stilistischen Könnens ein Buch, das nicht für Fach­ leute allein lesbar sein sollte. „Freier Auslauf“ blieb mir in den Appendices und Fußnoten. vi Vorwort zur deutschen Ausgabe 1967, zwei Jahre vor Erscheinen von Hamlet’s Mill, schrieb de Santillana im Vorwort zu Reflections on Men and Ideas, einer Sammlung von 26 seiner kürzeren Arbeiten: My latest productions are a definite move into a field that had long attracted me, far from ordinary research and the usual tools, remote from the usual documentary material. The few samples that I present („Riflessioni sul Fato“, „Les Grandes Doctrines Cosmologi- ques“) stand for a new approach and a new method which may yet be deemed uninsurable by our more cautious contemporaries: but that it has a point I have no doubt. It is the greatness of the subject that has called me, the prodigious wealth of mythical material gathered over the centuries, immense vistas of lost milleniums, of submerged cultures for which we may have found a key. Judgement must wait for our forthcoming book written in collaboration with Dr. von Dechend, „An Introduction to Archaic Cosmology“. But whatever fate awaits this last enterprise of my latter years, and be it that of Odysseus’ last voyage, I feel comforted by the awareness that it shall still be the right conclusion of a life dedicated to the search for truth.1 De Santillana war von der Physik und gründlicher Beschäftigung mit der antiken Naturphilosophie zur Geschichte der exakten Naturwissenschaften und zur Ideenge­ schichte gekommen, ich von der kulturhistorischen Ethnologie - präziser: von Leo Frobenius. Gemeinsam war uns ein tiefsitzendes Unbehagen an der vorherrschenden Auslegung und Beurteilung von Überlieferungen, die nicht in der uns vertrauten „Sprache“ verlautbart worden waren, will sagen: in der von den Griechen geprägten naturwissenschaftlichen Diktion, weswegen unsere Wissenschaften griechische Na­ men tragen und unsere entscheidenden Begriffe - vom Axiom über die Hypothese zu Praxis, Symmetrie und System - griechische Wörter sind. (Daß sie ihre natur­ wissenschaftlichen Einsichten insgesamt eigenköpfig gewonnen hätten, haben die hellenischen Gelehrten allerdings nie behauptet.) Es steht auf einem anderen Blatt, daß man zuweilen von der Wortgleichheit auf Bedeutungsgleichheit geschlossen hat (sýmmetros aber zum Beispiel meint nicht „symmetrisch“, sondern „kommensurabel“) und auf diese Weise das seit Isaac New­ ton geläufige Weltverständnis - gemäß Immanuel Kant „wird Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann“ - auf Griechenland zurückprojizierte. Wie wichtig es sei, von ähnlichen Formulierun­ gen nicht auf sachlich identische Intentionen zu schließen, hat besonders Johannes Lohmann anhand des griechischen Zahl- und Tonbegriffs deutlich gemacht. Unter den zahlreichen Ursachen des Unbehagens sei hier nur eine einzige ge­ nannt: die Unvereinbarkeit nachweislicher, weil meßbarer, mathematisch-technischer Leistungen der Alten mit dem Niveau der dazugehörigen „mythischen“ Überliefe­ rungen, insonderheit die Unvereinbarkeit der Pyramiden und deren exakter Ortung mit dem scheinbaren Galimathias der Pyramidentexte und des Totenbuchs. Es gibt 1 G. de Santillana, Reflections on Men and Ideas (1968), xi. Vorwort zur deutschen Ausgabe vii da zwei denkbare Erklärungen: Entweder haben die Ägypter die Pyramiden nicht konstruiert - dafür plädieren Phantasten wie Erich von Däniken & Co. - oder aber die modernen Übersetzungen der Texte sind grundlegend verfehlt. Daß sich so manche unserer Zeitgenossen lieber auf extragalaktische Pyramiden-Architekten einlassen als auf ungemein sachverständige Ägypter, zeigt deutlich, wie uns simple Fortschrittsgläubigkeit und vulgär-evolutionistische Kulturgeschichtsschreibung das Eingehen auf alte Kulturen erschwert. Nicht, daß wir die Pyramidentexte verdächtigten, Lehrsätze und die Darstel­ lung eines „Systems“ zu enthalten - der Rigveda tut das auch nicht -, vielmehr setzen sie ein solches System voraus und spielen darauf an. Ob es schriftlich fi­ xierte „Lehrbücher“ gegeben hat oder ob man Wesentliches ausschließlich mündlich tradierte, läßt sich nicht entscheiden. Will man Clemens Alexandrinus2 Glauben schenken, so mußte der bei feierlichen Umzügen auftretende Hôroskópos „die astro­ logischen Schriften unter den Büchern des Hermes, vier an der Zahl, auswendig kennen, von denen das eine von der Ordnung der Fixsterne handelt, das zweite von den Planeten, das dritte von den Begegnungen und Erscheinungen von Sonne und Mond, das noch übrige von den Aufgängen“ und der „heilige Schriftwart“ (Hiero- grammateús) „die sogenannten Hieroglyphenschriften ... ; diese handeln von der Weltkunde und Geographie (perì tês kosmographías kai geôgraphias), von dem Stand der Sonne und des Mondes und der fünf Planeten, der Bodenbeschaffenheit Ägyptens (chôrographía) und der Beschreibung des Nils.“ Unbehagen und Mißtrauen taugen nicht dazu, den Weg zu verständigen Einsich­ ten zu weisen, sie nötigen nur zu wachsamer Aufmerksamkeit für das Auftauchen neuer denkbarer Alternativen. Mißtrauen regte sich bei mir schon nach wenigen Se­ mestern, vor dem Krieg, gegen die damals in der Ethnologie geltende Auffassung von der Aufeinanderfolge von „Kulturschichten“ (eigentlich -stufen), die, verein­ facht ausgedrückt, auf das Wildbeutertum einerseits Hirtentum, andererseits „primi­ tiven Hackbau“ (Knollen), alsdann die Hochkultur (Getreideanbau mit Pflug sowie Viehzucht) folgen ließ. Nach dem Krieg wurden sukzessive die ersten Arbeiten von Marcel Griaule und Germaine Dieterlen über die Dogon und Bambara im Westsudan zugänglich, besonders Griaules Dieu d’Eau, welche diese „schlichten Hackbauern“ als Hüter archaischer, an altorientalische Hochkultur erinnernder Traditionen erkenn­ bar machten. Später hatte ich die Ehre und das Vergnügen, an Hermann Baumanns Opus Das Doppelte Geschlecht mitzuarbeiten, in dem er den ganzen Kultur- und Traditionskomplex des sogenannten „primitiven Ackerbaus“ als Abkömmling der vorderasiatischen Hochkultur nachwies. Damit war eine entscheidende Bresche in das Gefüge der vulgär-evolutionistischen Kulturhistoriographie geschlagen. (Auf die­ sen Befund, speziell auf das fragwürdige Prinzip, Wirtschaftsformen zum Leitmotiv 2 C. Alexandrinus, Stromateis VI.4, § 35.4-36.1, in der griechischen Ausgabe von Otto Stählin (1960) 448f, in der deutschen Übersetzung von Franz Overbeck (1936) 514. viii Vorwort zur deutschen Ausgabe bei der Klassifizierung und Beurteilung von Kulturen zu erklären, hoffe ich in einer späteren Publikation näher eingehen zu können.) Da ich ursprünglich mit Astronomiegeschichte nichts zu schaffen haben wollte, wählte ich zum Gegenstand der Habilitationsarbeit den Mythenkomplex um den Deus Faber - Enki/Ea in Mesopotamien, Ptah in Ägypten, Tvashtri in Indien, Tane/Kane in Polynesien, Hephaistos, Wieland, Goibniu usw. -, um dessen Gehilfen, Meister­ werke, seine Rolle als Besitzer des Lebenswassers sowie seinen Werdegang vom Architekten zum Schmied. Das erste Kapitel galt Enki/Ea und enthielt kein Ster­ benswörtchen von Sternen, geschweige denn Planeten. Das zweite, dem polynesi­ schen Tane/Kane gewidmet, war schon fertig getippt, als das Unbehagen in Verzweif­ lung umschlug, denn verstanden hatte ich keine Silbe von den mehr als zehntausend gelesenen Seiten polynesischer Mythen. Sollte man allen Ernstes zu der Annahme befugt sein, die besten Navigatoren unseres Erdballs hätten ihren Erstgeborenen als „heiliges“, oft auswendig zu lernendes und Nicht-Initiierten vorenthaltenes Wis­ sen ein Konglomerat unterhaltsamer Geschichtchen überliefert? Oder war man nicht verpflichtet, nach dem Sinn dieser Traditionen zu fragen? In der vagen Hoffnung auf irgendeine Erleuchtung oblag ich der Lektüre der verfügbaren Publikationen über die Archäologie des Inselreichs und stieß dabei auf das zur Hawai-Gruppe gehörige, aber von der nächsten Insel 500 Kilometer weit entfernte Necker-Island. Auf diesem, wie ein Angelhaken geformtem, etwa ein Ki­ lometer langem Inselchen wächst kein Baum, sondern nur spärliches Gras und we­ nige Büsche. Da Süßwasser äußerst rar ist, wird die Insel anstelle von Menschen von Tausenden von Vögeln bewohnt. Gleichwohl weist das Eiland 33 megalithi­ sche Kultplätze auf, neben einigen Terrassenanlagen und steinernen menschlichen Figuren. Dieser verblüffende Befund regte den damit befaßten Archäologen Kenneth Emory zu den Fragen an, wer wohl diese Anlage gebaut haben könne3 und welchen anderen Kultanlagen die von Necker am ähnlichsten seien? (Nicht den heiaus auf den großen Hawaiischen Inseln, sondern den maraes im Inneren Tahitis und im Nordwesten des Tuamotu-Archipels.) Nicht gefragt wurde nach einem zureichenden Grund für so phänomenale Baufreudigkeit auf einem praktisch unbewohnbaren, of­ fensichtlich nur von Zeit zu Zeit besuchten Inselchen - die natürliche Konsequenz eines vorherrschenden Prinzips, das ich „Parzival-Komplex“ getauft habe: Mutter Herzeleide hatte dem jungen Helden eingebleut, er solle nur ja niemals „warum?“ fragen. Necker-Island liegt ziemlich genau auf dem Wendekreis des Krebses. Dieser Umstand veranlaßte mich zur Betrachtung der Verhältnisse am südlichen Wendekreis des Steinbocks. Diesem am nächsten liegen die Inseln Tubuai und Raivavae. Beide Inseln sind ebenfalls gespickt mit bemerkenswerten Marae-Ruinen; und darüber hin­ 3 K.P. Emory, Archaeology of Nihoa and Necker Islands (1928, 116): „Where, then, did the people live who visited Necker for the purpose of erecting maraes or performing rites upon them?“

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