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Die Morde des Herrn ABC PDF

264 Pages·2016·0.97 MB·German
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AGATHA CHRISTIE Die Morde des Herrn ABC Roman Aus dem Englischen von Gertrud Müller Hachette Collections Die Originalausgabe erschien unter dem Titel THE ABC MURDERS © 1936 Agatha Christie Limited, All rights reserved. Die Morde des Herrn ABC Deutsche Version: © 2007 Agatha Christie Limited, a Chorion Company. All rights reserved. Aus dem Englischen von Gertrud Müller. Copyright © 2008 Hachette Collections für die vorliegende Ausgabe. Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten. Satz und Gestaltung: Redaktionsbüro Franke & Buhk, Hamburg Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Vorbemerkung von Hauptmann Hastings In dieser Erzählung bin ich von meiner Gewohnheit ab- gewichen, ausschließlich Vorfälle und Schauplätze zu schildern, die ich persönlich miterlebt beziehungsweise besucht habe. Deshalb sind einige Kapitel des Buches in der dritten Person geschrieben. Ich kann jedoch meinen Lesern versichern, dass auch die Geschehnisse dieser Kapitel auf Tatsachen beruhen. Trotz gewisser dichterischer Freiheiten, die ich mir erlaubte, glaube ich behaupten zu dürfen, dass ich dennoch nie den Boden der Realität verlassen habe. Meine Niederschrift wurde übrigens von Hercule Poirot persönlich sehr kri- tisch «durchgekämmt». Abschließend möchte ich noch feststellen, dass ich einige auf den ersten Blick recht nebensächliche Beziehungen der Beteiligten zueinander aus dem Grunde breit und einge- hend schildere, weil sich diese Beziehungen erst aus dem sehr verwickelten ABC-Fall ergeben haben und weil man menschliche und persönliche Zusammenhänge nie als un- wichtig beiseite schieben sollte. Hercule Poirot selbst hat mir einst auf sehr dramatische Art bewiesen, dass sogar Liebe eine Begleiterscheinung des Verbrechens sein kann. Was die Lösung des ABC-Rätsels anbelangt, möchte ich hier nur festhalten, dass Poirot meiner Ansicht nach dieses ungemein schwierige Problem – das schwierigste, das ihm im Laufe seiner langen, erfolgreichen Tätigkeit begegnet ist – auf wirklich geniale, meisterhafte Weise löste. 1 I m Juni 1935 kam ich von meiner Ranch in Südamerika für ungefähr sechs Monate in die Heimat zurück. Wir hatten schwierige Zeiten gehabt dort draußen. Wie überall machte sich die weltweite wirtschaftliche Depressi- on auch bei uns bemerkbar. Ich hatte in England verschie- dene Geschäfte zu erledigen, bei denen mir meine persön- liche Anwesenheit unerlässlich schien. Meine Frau hatte inzwischen die Leitung unserer Ranch übernommen. Ich brauche wohl nicht eigens zu versichern, dass mein erster Weg mich zu Hercule Poirot führte. Nach einer herzlichen Begrüßung betrachtete ich meinen alten Freund näher. Er sah prächtig aus – kaum einen Tag älter geworden, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. «Sie sehen beneidenswert gut aus, Poirot», sagte ich. «Keine Spur gealtert! Im Gegenteil! Wenn das möglich wäre, würde ich sogar behaupten, Sie hätten das letzte Mal, als ich Sie sah, mehr graue Haare gehabt.» Poirot blickte mich strahlend an. «Und warum sollte das nicht möglich sein? Es stimmt!» «Soll das heißen, dass Ihre Haare vom Grau wieder zum Schwarz wechseln statt umgekehrt?» «Genau das.» «Aber das ist doch eine wissenschaftliche Unmöglich- keit!» «Ganz und gar nicht.» «Mir kommt das unnatürlich vor.» «Sie sind noch immer der reine Tor, Hastings, wie eh und je. In diesem Punkt konnten die Jahre Sie nicht verän- dern! Es fällt Ihnen etwas auf, Sie sagen es laut und erwäh- nen auch gleichzeitig die Lösung – aber Sie merken es sel- ber nicht!» Ich starrte ihn verwundert an. Er verschwand wortlos in seinem Schlafzimmer und kam mit einer Flasche zurück, die er mir aushändigte. Ich las die Aufschrift: REVIVIT – gibt dem Haar seine natürliche Tönung wieder. REVIVIT – ist ein Färbemittel. Erhältlich in fünf Farb- tönen: Aschblond, Kastanienbraun, Tizianrot, Braun und Schwarz. «Poirot», rief ich entsetzt, «Sie haben Ihre Haare gefärbt!» «Endlich begreifen Sie es!» «Allmächtiger», sagte ich, als ich mich von diesem Schock erholt hatte, «vielleicht tragen Sie, wenn ich das nächste Mal komme, einen falschen Schnurrbart! Oder ist der jetzige schon falsch?» Poirot zuckte ein wenig zusam- men. Sein Schnurrbart war von jeher Gegenstand seines größten Stolzes gewesen. Meine Worte hatten ihn also ziemlich getroffen. «Nein! Das denn doch nicht, mon ami. Ich bete zu Gott, dass dieser Tag mir noch recht fern sein möge. Falscher Schnurrbart! Quel horreur!» Er zupfte energisch an seinem Bartschmuck, um mich von seiner unbedingten Echtheit zu überzeugen. «Sehen Sie? Ich habe in ganz London noch keinen einzi- gen Schnurrbart gesehen, der sich mit dem meinigen ver- gleichen kann!» Kunststück, bei dieser Pflege! dachte ich, aber laut ausge- sprochen hätte ich es nie, um Poirots Gefühle nicht zu verletzen. Stattdessen fragte ich ihn, ob er seinen Beruf noch immer ausübe. «Ich weiß zwar, dass Sie sich offiziell vor Jahren zurück- gezogen haben…» «C’est vrai. Um Kürbisse zu pflanzen! Aber dann passiert plötzlich ein Mord – und ich schicke die Kürbisse zum Teufel. Seit meinem so genannten Rücktritt komme ich mir vor wie eine Primadonna, die ihre Abschiedsvorstel- lung gibt! Diese Abschiedsvorstellung wiederholt sich un- aufhörlich, viele, viele Male!» Ich musste lachen. «Mon cher, es ist wirklich fast so. Jedes Mal sagte ich: Jetzt ist Schluss! Aber nein – dann kommt wieder etwas Neues! Und unter uns: Mir liegt absolut nichts am Ruhestand. Wenn man die kleinen grauen Zellen des Gehirns nicht trainiert, rosten sie ein.» «Ich verstehe. Und Sie trainieren sie also bis zu einem gewissen Grad.» «Richtig. Ich wähle aus. Für Hercule Poirot nur noch die Creme der Verbrechen!» «Und gab es viel Creme in letzter Zeit?» «Pas mal. Vor kurzem bin ich knapp davongekommen. Fast hätte man mich erledigt.» Ich pfiff durch die Zähne. «Ein unternehmungslustiger Mörder!» «Weniger unternehmungslustig als unvorsichtig. Jawohl, das war er: unvorsichtig. Aber lassen wir das jetzt. Wissen Sie, Hastings, Sie sind für mich in mancher Hinsicht so etwas wie ein Maskottchen.» «Wirklich? Wie meinen Sie das?» «Kaum hatte ich gehört, dass Sie herüberkämen, da sagte ich mir: Es wird etwas geschehen. Wir werden wieder zu- sammen jagen. Aber wenn, dann wird es nichts Gewöhnli- ches sein, keine plumpe Mordaffäre, sondern etwas –», er fuhr mit der Hand durch die Luft,« – etwas Delikates… recherché, fine…» Er sprach die beiden Worte unnachahm- lich elegant aus. «Auf mein Wort, Poirot», sagte ich, «man könnte meinen, Sie bestellten ein Abendessen im ‹Ritz›!» «Und Verbrechen kann man nicht bestellen, meinen Sie? Sehr wahr.» Er seufzte. «Aber ich glaube an mein Glück, an das Schicksal, wenn Sie so wollen. Es ist mein Schicksal, dass Sie neben mir stehen und mich daran hindern, den unverzeihlichen Fehler zu begehen, das Einfache, Klare zu übersehen.» Obwohl ich über diese Erklärung sekundenlang nach- dachte, konnte ich ihren Sinn nicht fassen. «Nun, und?», fragte ich lächelnd. «Ist dieses erhoffte Su- perverbrechen bereits geschehen?» «Non, pas encore… Es sei denn, dass…» Er brach plötzlich ab. Ein verblüfftes Hochziehen der Augenbrauen furchte seine Stirn. Geistesabwesend rückte er einige Gegenstände, die ich unabsichtlich verschoben hatte, an ihren Platz zurück. «Ich bin nicht sicher», sagte er dann langsam. Seine Stimme klang so eigentümlich, dass ich ihn er- staunt ansah. Noch immer war seine Stirn gerunzelt. Plötzlich nickte er entschlossen und durchquerte das Zimmer. Er trat an einen Schreibtisch, der so tadellos ge- ordnet war, dass er aus all den Papieren und Broschüren auf den ersten Griff einen bestimmten Brief herauszog. Während er langsam zurückkam, las er ihn aufmerksam durch, dann reichte er ihn mir. «Sagen Sie mir, was Sie damit anfangen können.» Auf einem dicken Briefpapier stand in Blockschrift Fol- gendes: Monsieur Hercule Poirot – Sie lösen doch die heiklen Fälle, denen unsere schwerfällige englische Polizei nicht gewachsen ist, oder Sie brüsten sich jedenfalls damit, nicht wahr? Jetzt wollen wir doch einmal sehen, kluger Mr. Poirot, wie klug Sie sind! Vielleicht ist sogar Ihnen diese Nuss zu hart. Richten Sie Ihr Augenmerk auf Andover am 21. dieses Monats. Vorzügliche Hochachtung ABC Ich sah mir den Briefumschlag an. Auch der war mit Druckbuchstaben beschrieben. «London W. C. 1 aufgegeben», sagte Poirot, als ich mich anschickte, die Postmarke und den Stempel genauer zu betrachten. «Und, was halten Sie davon?» Ich zuckte die Achseln und gab ihm den Brief zurück. «Wahrscheinlich irgendein Verrückter.» «Mehr haben Sie mir nicht zu sagen?» «Nun, kommt Ihnen die Sache nicht auch verrückt vor?» «Doch, mein Freund, doch, das tut sie.» Er war ernst geworden. Ich sah ihn erstaunt an. «Ein Verrückter, mon ami, muss ernst genommen werden. Ein Verrückter ist etwas sehr Gefährliches.» «Ja, natürlich, das stimmt… Das hatte ich nicht bedacht. Aber ich meine: Klingt dieser Brief nicht eher wie der idio- tische Scherz eines Menschen, der einen sitzen hatte?» «Comment? Einen – was – sitzen?» «Nichts! Das ist nur so eine Redensart… Einen sitzen haben, bedeutet: betrunken sein.» «Ach so. Danke, Hastings, für diese Bereicherung meines Wortschatzes!… Ja, es ist möglich, dass nicht mehr dahin- tersteckt als das.» «Aber Sie glauben nicht daran?» Ein Ton müder Resigna- tion hatte mich aufhorchen lassen. Poirot schüttelte nur den Kopf, sagte aber nichts. «Was haben Sie unternommen?», fragte ich. «Was kann ich unternehmen? Ich habe Japp den Brief gezeigt, und er war derselben Ansicht wie Sie. Ein blöder Witz, so drückte er sich aus. In Scotland Yard erhalten sie täglich solche Botschaften. Ich bekam auch meinen Teil ab…» «Aber diese hier scheint Ihnen bedeutungsvoll zu sein?» «Dieser Brief hat irgendetwas, Hastings, was mir nicht gefallen will», antwortete er langsam. Er nahm den Brief wieder an sich und legte ihn auf den Schreibtisch zurück. Gegen meinen Willen berührte mich sein nachdenklicher Ton. «Können Sie denn nicht irgendwelche Schritte unter- nehmen, wenn Ihnen die Sache ernstlich fragwürdig vor- kommt?» «Der Mann der Tat – wie eh und je! Aber was sollte ich denn tun? Die Distriktspolizei hat den Brief gesehen und nimmt ihn sowenig ernst wie Scotland Yard. Fingerabdrü- cke sind keine vorhanden. Ergo kann man den Schreiber unmöglich eruieren.» «Also lassen Sie sich tatsächlich nur durch Ihren Instinkt leiten?» «Nicht Instinkt, Hastings! Instinkt ist ein Wort, das ich hasse! Nein, mein Wissen, meine Erfahrung sagen mir, dass mit diesem Brief etwas nicht stimmt…» Er gestikulierte heftig, da ihm die Worte fehlten. Dann schüttelte er wieder den Kopf. «Vielleicht mache ich einen Berg aus einem Maulwurfs- hügel. Jedenfalls kann ich jetzt nur abwarten.»

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