OK 662.766 614.83 FORSCHU NGSBERICHTE DES WIRTSCHAFTS- UND VERKEHRSMINISTERIUMS NORDRH E I N-WESTFALE N Herausgegeben von Staatssekret5r Prof. Dr. h. c. leo Brandt Nr.464 Dr. phil. habil. Paul Holemann Ing. Rolf Hasselmann Forschungsstelle fOr Acetylen, Dortmund und Dusseldorf Die Moglichkeit der Zundung von Acetylen in Rohrleitungen beim Ausblasen mit Stickstoff Als Manuskript gedruckt @ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1957 ISBN 978-3-663-03466-7 ISBN 978-3-663-04655-4 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-04655-4 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen G 1 i e d e run g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung s. 5 . . . . . . . . . . . B. Bericht s. 6 . . . . I. Experimentelles • s. 6 . . . . II. Ergebnisse der Messungen S. 9 III. Berechnungen tiber das Auftreten von StoBwellen im Acetylen • • • • • • s. 13 IV. Ztindung durch Bildung von fltissigem Acetylen S. 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Zusammenfassung s. 23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Literaturverzeichnis s. 25 Seite 3 Forschungsberichte des Wirtscha~ts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-West~alen A. Einleitung In vie len Acetylenwerken sind Vorrichtungen vorgesehen, um im Notfall durch Offnen von Brechplatten eine sofortige Entlastung der unter Acetylendruck stehenden Rohrleitungen zu bewirken. Das Acetylen wird dann durch Rohr systeme uber Dach abgefuhrt. Gleichzeitig wird die weitere Zufuhr von Ace tylen durch Abschalten der Kompressoren unterbunden. Daruber hinaus sind zum Teil weitere Moglichkeiten vorhanden, um gleich zeitig oder unmittelbar anschlieBend die Acetylenleitungen mit Stickstoff auszublasen. Dadurch soll das immer eine Gefahrenquelle darstellende Ace tylen moglichst schnell und vollstandig aus der Anlage entfernt werden. Der Stickstoff wird dabei Flaschen entnommen, die sich auf einem Druck von 100 - 150 at befinden konnen. Das Einblasen des Stickstoffes erfolgt eben falls durch Sprengen von Brechscheiben. In dem Augenblick, in dem die Scheibe zwischen dem mit Stickstoff und dem mit Acetylen gefullten Raum gebrochen wird, stromt aus ersterem infolge des hohen Druckunterschiedes von ca. 100 at das Gas mit groBer Heftigkeit in das mit Acetylen gefullte System ein. Es ist bekannt, daB ahnliche An ordnungen dazu verwendet wurden, urn in dem Rohr mit niedrigerem Druck StoB well~n zu erzeugen (1). Dabei treten hinter der Front der StoBwelle zum Teil sehr betrachtliche Temperaturen auf, die unter bestimmten Bedingungen ohne wei teres 1000 °c uberschreiten konnen (2). Daraus ergibt sich sofort die Frage, ob in der gebrauchlichen Anordnung in Acetylenwerken ebenfalls die Gefahr der Ausbildung solcher StoBwellen besteht und ob nicht beim Auf treffen einer solchen auf das Acetylen dieses zur Zundung gebracht wird. Es ist in einer Reihe von Untersuchungen gezeigt worden, daB explosible Gasgemische auf diese Weise gezundet werden konnen (3). Wenn auch die Zundtemperatur des reinen Acetylens in erhitzten Rohren mit ca. 400 - 500 °c verhaltnismaBig hoch liegt (4) im Vergleich mit der anderer explosibler Gasgemische bei Gegenwart von Sauerstoff, urn die es sich bei diesen Unter suchungen meistens gehandelt hat, so ist diese Frage doch einer eingehenden Prufung zu unterziehen. Das ist vor allem notwendig, da die Zundtemperatur an heiBen, katalytisch wirkenden Oberflachen, wie z.B. an Eisenoxyd, deut lich herabgesetzt ist. In den im folgenden beschriebenen Versuchen sollte daher festgestellt wer den, ob unter den in Acetylenfullwerken gegebenen Bedingungen eine Zundung Seite 5 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen von Acetylen, welches sich in Leitungen befindet, durch plotzliches Ein stromenlassen von Stickstoff zu erwarten ist. Dabei ~~rden die Bedingungen gegenuber 1en technischen durch Erweiterung der Einstromoffnung an der Brechscheibe zum Teil noch erheblich verscharft. In Erganzung dazu werden anhand der Theorie der StoBwellen Rechnungen uber die Bedingungen des Auf tretens solcher Vorgange im Acetylen durchgefuhrt. Wie sich bei den Versuchen zeigte, mischt sich der einstromende Stickstoff nur sehr unvollstandig mit dem im Rohrsystem vorhandenen Acetylen. Eine weitere Moglichkeit, Acetylen beim Ausblasen von Leitungen mit Stickstoff zu zunden, besteht eventuell dann, wenn das Zustromen des Stickstoffes er folgt, wahrend die Endbrechscheibe der Acetylenleitungen noch geschlossen ist. Es findet dabei wegen der geringen Durchmischung mit Stickstoff eine sehr betrachtliche Kompression des reinen Acetylens statt, die im ungtinstig sten Fall Werte erreichen kann, welche etwa dem Druck des Stickstoffs in der Flasche entsprechen. Wenn auch durch die.se Kompression im ersten Augenblick eine Erhi tzung des Gases erfolgt, so wird doch bei genugend tiefer AuBentemperatur sich das Gas in verhaltnismaBig kurzer Zeit soweit abkuhlen, daB nach Unterschrei tung del' kritischen Temperatur von etwa 36,5 °c (5) eine Kondensation von flussigem Acetylen stattfindet. Es erscheint abel' moglich, daB es beim Durchschlagen del' Brechscheibe odeI' beim plotz lichen Offnen eines Ventils in Gegenwart von verflussigtem Acetylen besonders leicht zur Entzundung und dann zu einer anomal heftig verlaufenden Explosion kommen kann. Es wurden daher anschlieBend auch Versuche zur Klarung diesel' Frage durchge fuhrt. B. Bericht I. Experimentelles Die Versuchsanordnung war in Analogie zu den technischen Verhaltnissen so aufgebaut, daB in Rohrleitungen, in welchen sich Acetylen befand, durch ein SchneIIentspannungsventil Stickstoff unter hohem Druck eingeblasen werden konnte~ Sie ist schematisch in Abbildung 1 dargestellt. Die verwen deten Langen fur die mit Acetylen gefullten Rohre R2 betrugen 2,0, 5,68 und 12,78 m, bei einem lichten Durchmesser von 4, 12 bzw. 16 mm, wie er fur den vorliegenden Fall in del' Technik gebrauchlich ist. Sei te 6 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen A~s Schnelloffnungsventil wurde ein solches benutzt, wie es in Acetylen werken zur Verwendung kommt. Es ist im Schema in Abbildung 2 wiedergegeben und besteht im wesentlichen aus einem Schlagbolzen St von 5 mm ¢, welcher, getrieben durch ein Fallgewicht G, eine Aluminiummembran M durchschlug und dadurch den Stickstoffdurchgang frei machte. Die Membran hatte eine Starke von 0,3 mm und wurde in ca. 1 msec durchschlagen. Da in der Aluminiummembran die aufgerissene Offnung bei der Verwendung des gebrauchlichen Schlagbolzens sehr ungleichmaBig und verhaltnismaBig klein war, wurde am unteren Ende des Bolzens eine kleine Platte PI angesetzt, deren Durchmesser den des Schlagbolzens um 3,5 mm ubertraf. Durch diese Veranderung wurde die Geschwindigkeit, mit der der Stickstoff in das mit Acetylen gefullte Rohr einstromte, gegenuber den technischen Verhaltnissen betrachtlich vergroBert und die Reproduzierbarkeit der Versuche deutlich erhoht. E Fl A b b i 1 dun g Schema der Versuchsanordnung Fl: N2-Flasche; M: Manometer; R1: N2-Zuleitung (4 mm ¢, 2800 mm lang); R2: Mit C2H2 gefulltes Rohr; V: Schnelloffnungsventil mit Brechplatte; E: Endventil Seite 7 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen Der Ausgangsdruck des Acetylens in der Rohrleitung betrug z.T. bis zu 30 at. Der Stickstoff wurde Gasflaschen Fl entnommen. Sein Druck lag zwi schen 100 - 135 at. Die Stickstoffzuleitung von der Flasche zum Ventil hatte entsprechend den technisch gebrauchlichen Abmessungen eine lichte Weite von 4 mm bei einer Lange von etwa 3 m. Bei mehreren Versuchen wurden zur Verscharfung der Bedingungen an das Zuftihrungsrohr R1 tiber ein Vertei lerstlick gleichzeitig drei Flaschen angeschlossen. G Kompressionsrohr ~ tStiCkstoff A b b i 1 dun g 2 Schema des Schnelloffnungsventils St: Schlagbolzen; G: Fallgewicht; M: Aluminium-Membran; Pl: Durchschlagplatte Um ein Bild tiber die Einstromungsgeschwindigkeit des Stickstoffs zu bekom men bzw. um festzustellen, ob dabei unter den gegebenen Versuchsbedingungen das Auftreten von StoBwellen zu beobachten ist, wurden in einer Reihe von Seite 8 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen Versuchen ohne Acetylenfullung Druckmessungen am Ende des Rohres bei E (Abb. 1) mit Hilfe eines Piezoquarzdruckfuhlers der Firma Zeiss-Ikon, Kiel, durchgefuhrt. Als Aufnahmegerat diente zunachst ein Lichtpunktlinienschrei ber der Firma Hartmann & Braun. Die Druckzunahme wurde mit Hilfe eines MeBwerkes im Schreiber registriert, das eine Eigenfrequenz von 28 Hz be saB. Ein zweites, mit einer Eigenfrequenz von 1 Hz, zeichnete den Augen blick, in dem die Brechscheibe durchschlagen wurde. Diese Markierung wurde durch das Fallgewicht des Schnelloffnungsventils ausgelost. Fur die Versuche mit dem veranderten Schlagbolzen, bei denen das Einstro men des Stickstoffes wesentlich schneller ging, genugte die Schreibge schwindigkeit des Punktlinienschreibers nicht mehr. Es wurde in diesen Fallen mit einem Oszillographen und einer Ablaufkamera gearbeitet. Die Zeitmarkierung erfolgte mit Hilfe eines Frequenzgenerators GM 2307 der Firma Philips mit nachgeschaltetem Verstarker uber eine Punktglimmlampe PL 12 der Firma Vakuumtechnik, Erlangen. Der Augenblick, in dem die Mem bran durchschlagen wurde, lieB sich bei dieser Anordnung durch Veranderung der Intensitat der Zeitmarkenlinie festlegen. Um festzustellen, ob unmittelbar nach dem Brechen der Scheibe das Eintre ten des Stickstoffes in das mit Acetylen gefullte Rohr unter Ausbildung einer sehr steilen Druckfront stattfand, die dann erst wahrend des Durch laufens des Rohres abflachte, wurde in weiteren Versuchen der Verlauf des Druckanstieges direkt hinter der Brechscheibe V (Abb. 1) gemessen. Der Druckfuhler wurde in 15 cm Abstand hinter V mit Hilfe eines kleinen PaB stuckes eingebaut. Die Druckmessung konnte sowohl in der Weise erfolgen, daB der durch das Ventil einstromende Stickstoff frontal auf die Fuhler- membran auftraf, als auch so, daB die Druckwelle tangential am Fuhler vor beilief. Die Aufnahme des Druckverlaufes erfolgte in der gleichen Weise wie bei den Messungen am Rohrende. II. Ergebnisse der Messungen Die Versuchsbedingungen fur die Messungen mit Acetylen sind in der Tabel le 1 zusammengestellt. Es sind sowohl die Versuche mit dem Originalstempel als auch diejenigen aufgefuhrt, welche mit dem veranderten Stempel gemacht wurden. Neben der Angabe der Lange des mit Acetylen gefullten Rohres ist der Anfangsdruck des eingefullten Acetylens P und der Stickstoffdruck P o e aufgefuhrt. Die Versuche zeigten, daB es in keinem Fall zu einer Zundung des Acetylens kame Seite 9 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen Die in der Einleitung ausgesprochene Beftirchtung der eventuellen Auslosung einer explosiblen Acetylenzersetzung durch das plotzliche Einstromen des Stickstoffes konnte demnach unter den vorliegenden Bedingungen nicht be statigt werden. Es lag daher die Vermutung nahe, daB es bei der besonderen vorliegenden Anordnung nicht zur Ausbildung einer StoBwelle gentigender Intensitat kommt. Zur Klarung dieser Frage solI ten die anschlieBend aufge ftihrten Druckmessungen beitragen. Tab ell e Bedingungen der Versuche zur Ztindung von Acetylen bei der Kompression durch Stickstoff RohrHinge Rohrdurchmesser Verso P P 0 e m mm Nr. at at I Originalstempel 5,68 12 7 6 136 8 11 132 9 19 129 10 26 126 12,78 12 16 26 129 17 26 123 5,68 4 18 26 111 19 26 111 12,78 4 24 26 109 25 26 109 Veranderter Stempel 5,95 16 51-54 1 133 2,00 4 34 31 135 35 31 134 12,78 4 29 26 136 30 26 135 29,98 4 46 31 134 47 31 132 Seite 10 Forschungsberichte des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums Nordrhein-Westfalen In Abbildung 3 sind zwei aufgenommene Druck-Zeit-Diagramme als Beispiel wiedergegeben, wobei das obere eine Messung am Rohrende und das untere eine solche direkt hinter der Brechscheibe darstellt. Aus dem vollkommen glatten Kurvenverlauf ist unmittelbar zu entnehmen, daB tatsachlich keine StoBwellen merkbarer Intensitat aufgetreten sind. Alle anderen Aufnahmen zeigen praktisch das gleiche Aussehen. a) - b) A b b i : dun g 3 Druckanstieg beim Einstromen des Stickstoffs (R2: 4 mm lichter Durchmesser) a) Am Ende des Rohres gemessen (p : 128 at, Zeitmarkierung 300 HZ) 8 b) Hinter der Brechscheibe gemessen (p : 100 at, Zeitmarkierung 100 HZ) e Aus der Druckerhohung am Ende des Rohres wurde an Hand der aufgenommenen Druckkurven die maximale Drucksteigerung S in at/msec berechnet. In der Tabelle 2 sind die Ergebnisse dieser Messungen an den Rohren mit 4 mm lich ter Weite zusammengestellt. Die maximale Steilheit des Druckanstieges nimmt bei Verringerung der Rohrlange erwartungsgemaB betrachtlich zu. Die Versuche an den weiteren Rohren zeigen eine wesentlich langsamere Druck steigerung. Auch unmittelbar hinter dem Brechscheibenventil steigt der Druck in einer ahnlichen Kurve wie am Rohrende an. Der steilste gemessene Anstieg betrug Sei te 11