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Die Mitte PDF

221 Pages·1992·5.862 MB·German
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Bernd Guggenberger · Klaus Hansen (Hrsg.) Die Mitte ISBN 978-3-531-12390-5 ISBN 978-3-322-94225-8 (eBook) DOI 10.1007/978-3-322-94225-8 Inhalt I Einleitung Bernd Guggenberger I Klaus Hansen Jenseits von Mittelmaß und Anmaßung Für die Wiedergewinnung einer achtbaren Mitte 9 II Mitte. Zur Topologie und Semantik des Politischen Werner Peters Mitte und Maß 31 Rüdiger Görner Anspruch und Würde der Mitte Zu einer geistigen Standortfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Hans-Gerd Jaschke Politische Richtungsbegriffe im Wandel: Neue Linke, Neue Rechte - Gibt es auch eine Neue Mitte? 55 Ralf Dahrendorf Die Zukunft der Bürgergesellschaft 74 III Mitte, Maß und Anmaßung. Realpolitische Vermessungen Bernd Guggenberger Civil Society Zur politischen Kultur einer aktiven Mitte 87 Thomas Schmid Die prekäre Mitte Innenpolitische Auswirkungen der deutschen Einheit 111 6 Inhalt Ursula Feist Auf der Suche nach der neuen Mitte Zur politischen Akkulturation der vereinten Deutschen 128 Eberhard Moths Mitte - eine ökonomische Kategorie mit hohem Gefühlswert 151 VVilfried von Bredow Die Mittelmacht Über die Rolle des vereinten Deutschland in der internationalen Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Hildegard Hamm-Brücher Aufgabe und Engagement der Mitte Ein Plädoyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 IV Mitte, Maß und Mittelmaß. Satire oder Realsatire? Hans Magnus Enzensberger Mittelmaß und Wahn Ein Vorschlag zur Güte 189 Bernd Guggenberger Wir Genseheristen 208 Michael Krüger Das leere Gesicht Die Bundesrepublik und das endgültige Erreichen der Mitte 212 Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I Einleitung Bernd Guggenberger /Klaus Hansen Jenseits von Mittelmaß und Anmaßung Für die Wiedergewinnung einer achtbaren Mitte I Ist politische Mitte nur ein Reflex von Establishment? Die denkmüde, reflexionsarme Ausrede in einer Situation allgemeiner Erschöpfung all jener Kräfte und Energien, die Politik aus dem Geiste des Utopischen entwarfen und sich vom "Prinzip Hoffnung" geleiten ließ? Ist "Mitte" nur die jüngste Maske der Ratlosigkeit einer übergeschäftigen Welt, der vorläufig letzte jener Rückzüge, die sich so beharrlich mit Offensive tarnen? Ist sie nur eine Chiffre für allzu geschmeidige Anpassung, für die Saturiertheit des Status qua, für die phantasieträge Hartnäckigkeit der Unbeirrbaren und Verblüffungsfesten? Überblickt man die jüngsten Jahrgänge sozialwissenschaftlicher Fach zeitschriften und die Feuilletons unserer Intelligenzpresse, treffen wir auf bekannte Namen und verspüren gemischte Gefühle. Autoren, die an ihrer linken Gesinnung nie einen Zweifel gelassen haben, entpuppen sich urplötzlich als Hofsänger einer neuentdeckten Mitte in Politik und Gesellschaft. Mitunter paradoxe Botschaften klingen durch, so, als ob zeitgenössisches Linkssein heute bedeute, beidfüßig und mit voller Bo denhaftung in der Mitte zu stehen. Ganz ähnlich hatte einst Franz-Josef Strauß für seine Position mit dem unbeirrbar-zuversichtlichen Diktum geworben, konservativ sein heiße, "an der Spitze des Fortschritts mar schieren". Es sind nicht wenige Namen, die belegen, daß der revolutionäre Apoist der endsechziger Jahre zu Beginn der neunziger Jahre ein be amteter Mitte-Bekenner ist. Oft sind es schwache, schwammige Bekennt nisse, die die Mitte zum Ort breitsitzender und immobiler Bequemlich keit versimpeln. Gelegentlich scheint ein smartes, "yuppiefiziertes" Mit te-Bild durch: der Yuppie, der sich lieber gesundstößt an den Verhält nisse, wie sie sind, als krank zu werden über dem Gedanken ihrer Ver änderung; der sich ausschließlich an das hält, was ist und was er hand- 10 Einleitung greiflieh beeinflussen kann; der sich, diesseits der gesellschaftlichen Großprobleme, ganz aufs Erreichbare konzentriert, aufs Hier und Jetzt, auf Outfit und Karriere; der sich mit allem arrangiert, was sich eh' nicht ändern läßt. Der "Verlust der Mitte" (Walter Sedelmayr), jedenfalls aber ihre re lative Substanzlosigkeit auf dem Felde der Politik, das geringere spe zifische Gewicht ihrer Sehnsüchte und Sorgen, ihrer Absichten und An lässe - das alles rechnet unter die Territorialverluste einer politisch maß stabslosen Moderne. Die Mitte als Funktion und Topos, als gesellschaft licher Ort und als politische Leistung - wo liegt sie, was sind ihre Namen und Gesichter? Warum wird gerade jetzt neu über die Mitte nachgedacht, warum werden gerade heute ihre Fundamente abgehorcht und ihre Horizonte neu vermessen? Ist dies nur mit der relativen Zufälligkeit von artifi ziellen Orientierungsmethoden zu erklären oder existiert ein plausibi lisierender "Hintersinn" des Ganzen? Wir denken neu über die Mitte nach, weil wir ahnen, daß wir eine theoriefähige Mitte brauchen; und wir brauchen eine theoriefähige Mitte, weil der politischen Mitte - wenn' s denn gut geht - die Zukunft gehört! Die Veränderungen des politischen Koordinatensystems in den zu rückliegenden Jahrzehnten, vor allem aber im zurückliegenden Halb jahrzehnt, waren gewaltig. Kaum ein Stein blieb auf dem anderen. Erst mals erschüttert wurde die vom Links-Rechts-Schema definierte Polit geographie schon in den Spätsechziger Jahren durch das weltweite Auf treten einer kulturrevolutionären Protestbewegung, die in Deutschland noch zivilisationsskeptischer ausfiel als anderswo und die, anders als es zunächst scheinen mochte, keineswegs nur antiautoritär wirkte, son dern in erheblichem Maße auch autoritätsvorbereitend, so daß die po lemische Etikettierung der "rechten Leute von links" (Hans Matthias Kepplinger) so unzutreffend gar nicht war. Ein wirkliches Beben aber bescherte das Aufkommen des im Links-Rechts-Schema nicht mehr über zeugend plazierbaren Themas der Ökologie in den siebziger Jahren; des orientierend auch hier die Merkwürdigkeit eines "rechten" Themas, das von "linkem" Personal verwaltet wurde. Und die achtziger Jahre - sie haben uns mit dem Zusammenbruch einer bewaffneten Weltanschauung und dem Zerbersten einer einst mo bilisierungsstarken Massenutopie gänzlich der simplen Wegmarken in den Gefilden der politischen Orientierungs- und Identifizierungskultu ren beraubt. Seither fehlen uns Richtungsangaben und Landmarkierun gen, die uns Personen und Ereignisse nach der Links-Rechts-Zuordnung Guggenberger/Hansen: Jenseits von Mittelmaß und Anmaßung 11 zu sortieren erlauben. Was war das, was Strauß und andere "Rechte" mit dem "Linken" Schalck-Golodkowski verband - Zweckbündnis oder Wahlverwandtschaft? Und ist, was Gregor Gysi und Peter-Michael Die stel - nebst Stefan Heym, Dieter Hildebrandt, Dorothee Sölle, Michael Sontheimer (taz) und vielen anderen im diffusen Kometenschweif- ein ander in die ausgestreckten Bewegungsarme sinken ließ, ein "rechtes" oder ein "linkes" Anliegen? Sind die "Komitees für Gerechtigkeit" Sta chel im Fleisch der rat- und tatlosen (Parteien-)Mitte, oder sind sie nur ein weiterer Schritt in Richtung der Dekomposition des Politischen, die neueste Version des so beliebten deutschen Rückfalls in Parteiprüderie und die harmonieselige Weggenossenschaft der Ressentiments und des dumpf-düsteren Unbehagens? Alle politischen Begriffe sind, nach einem berühmten Diktum Carl Schmitts, polemische Begriffe; d.h. sie bedürfen, um Tiefenschärfe und Kontur zu gewinnen, des intakten Feindbildes. Über dieses Feindbild verfügen die westlichen Demokratien nach dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Regimes im Osten nicht mehr. Die Zukunft gehört der spannungsreichen politischen Mitte, weil die Extreme von rechts und links sich historisch desavouiert haben. Die zukünftige politische Mitte wird aber die Kraft und Konzentration auf bringen müssen, aus sich selbst heraus ein angemessenes Bild dessen zu entwickeln, was ist und was notwendig ist. Und die Zukunft gehört der "aktiven Mitte", weil nur mit der breiten Zustimmung der Bevölkerung - und nicht etwa gegen Mehrheiten - national und international die Herausforderungen der Zukunft zu be meistern sind: die Entwaffnung der Staaten und die Schaffung verbind licher Strukturen und Institutionen weltgemeinschaftlicher Sicherheit; die verbindliche Organisation des Teilens weltweit, um die Teilung der Welt in Arm und Reich zu überwinden und damit die Ursachen der drohenden Angst- und Armutswanderungen zu bekämpfen; die Bewah rung und behutsame Wiederherstellung schließlich der bedrohten öko logischen Lebensvoraussetzungen auf der Erde. Der unmittelbar wahrnehmbare Druck von außen, wie die Schrecken des Kalten Krieges ihn sinnfällig verkörperten, fehlt im Falle der neuen Notwendigkeiten noch weitgehend. Damit geschieht, was nötig ist, sind die Demokratien, noch mehr als bisher, auf Mitspielbereitschaft und Mitwirkungsfähigkeit der "aktiven Mitte" angewiesen. Als "Avant garde" dieser neuen Mitte dürfen wir wohl vor allem jene Denker und Akteure ansehen, die die Stärke und Bereitschaft aufbringen, die Welt nicht nur manichäisch in ihre unvereinbaren Bestandteile zu zerfällen 12 Einleitung (meist um sie anschließend dialektisch-harmoniesüchtig als totale Ein heit wieder einzuholen), sondern sie als ein Gefüge höchst spannungs trächtiger, schwer vereinbarer Impulse, Deutungen, Wahrnehmungen und Kraftfelder zu rekonstruieren und sie in dieser Widersprüchlichkeit auszuhalten und für andere aushaltbar zu machen. Viele von ihnen bewegen sich dabei - wie nicht wenige der Auto rinnen und Autoren dieses Bandes - bewußt oder unbewußt in den Fußstapfen der nie ganz abgerissenen altehrwürdigen Tradition des ari stotelischen Politikverständnisses. Für die zurückliegenden 40 Jahre läßt sich mühelos eine periodisch wiederkehrende Debatte rekonstruieren, die sich stets an zwei stereo typen Fragen orientierte: Was heißt heute rechts? Was heißt heute links? Unter den deutschen Intellektuellen hat Rolf Schroers schon früh, zu Beginn der sechziger Jahre, seinen Überdruß an der Fragestellung do kumentiert und der Zeitschrift "Der Monat" auf eine entsprechende Um frage die lapidare Antwort mitgeteilt, links - das sei heute eine Frage der Verteilung des Sozialprodukts; und rechts - das heiße, auf dem Löwenanteil beharren. Müssen die politischen Richtungsbegriffe rechts und links kontinu ierlich den Zeitläuften angepaßt werden? Die Fragestellung insinuiert eben dies - und geht damit von einer Voraussetzung aus, die der Kor rektur bedarf: Die politischen Richtungsbegriffe müssen nicht fortwäh rend den Zeitläuften angeglichen werden, wohl aber lassen die Zeitläufte und die Absichten ihrer politischen Akteure sich immer wieder, bis in die jüngste Gegenwart hinein, mit ihrer Hilfe beschreiben und annä herungsweise auch immer noch be-deuten. Trotz der bezeichneten Ein schränkungen wäre es also wohl verfrüht, rechts und links als Rich tungsbegriffe der politischen und speziell der parteipolitisch-parlamen tarischen Geographie endgültig zu verabschieden. Links und rechts sind als politische Richtungsgrößen nicht gebunden an Akteure und Themen; gleichwohl besitzen sie ihre historische Schwerkraft und ihr Beharrungsvermögen durch ihre Geburtsstunde und Entstehungsgeschichte: Die bürgerliche Revolution von 1789 legte mit ihrer Werttrias von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit den Boden, auf dem sich rechte und linke Positionen polarisieren. Linke legen diese Werte emanzipatorisch, prozeßhaft und universell aus; Rechte sind für eine Beschränkung der bürgerlichen Werttrias, sie relativieren Freiheit durch Bindung, Gleichheit durch Hierarchie, Brüderlichkeit durch Kon kurrenz. Die Rechte verwahrt sich gegen prozeßhafte Zielbestimmun-

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