Die Lifestyleanarchist*in Vol. 1, Winter 2017/Frühjahr 2018 A h t t p s : / / l i f e s t y l e a n a r c h i s t i n . n o b l o g s . o r g Inhalt 4 Unser Haus, Unser Viertel, Unsere Stadt! Perspektiven linksradikaler Wohnraumpolitik 8 Maskulinistische Beisreflexe 11 Animal Liberation war niemals genug! 14 Fahr' Scheinfrei 15 Warum Schwangerschaftsabbrüche endlich legalisiertwerden müssen 19 Über kommende Aufstände 23 Heldengedenken –Ein totes Volk beschwörtseine Gespenster in der Sprache 35 Hinweise und Kurzanleitungen Impressum V.i.S.d.P.: Webseite: https://lifestyleanarchistin.noblogs.org Insu Bordination, E-Mail: [email protected] Erich-Mühsam-Platz 1, PGP/GnuPG-Fingerprint: 80803 München 50CD 2D8C 70D9 EF45 9F0E 6BDE 1BAE FD8D 77FF 1442 Eigentumsvorbehalt Diese Zeitschrift bleibt bis zur Aushändigung an den*die Adressat*in Eigentum der*des Absender*in. Eine "Zur-Habe-Nahme" ist keine Aushändigung im Sinne dieses Vorbehalts. Wird die Aushändigung an den*die Adressat*in verwehrt, so ist diese Zeitschrift unter Angabe des Grundes für die Nichtaushändigung an den*die Absender*in zurückzusenden. 3 Unser Haus, Unser Viertel, Unsere Stadt! Perspektiven linksradikaler Wohnraumpolitik Von Für Lau Haus Zuerst veröffentlicht unter http://fuerlauhaus.blogsport.eu/texte/unser-haus-unser-viertel-unsere-stadt- perspektiven-einer-linksradikalen-wohnraumpolitik/ Wohnraumpolitik, das ist ein innerhalb der selbsterkämpfen. radikalen Linken in München inhaltlich nur sehr spärlich besetztes Thema [1]: In den wenigen Aber wie lassen sich Freiräume in München Freiräumen, die sich die radikale Linke selbst über erkämpfen? Eines der wirksamsten Mittel zur Jahre geschaffen hat, oder die von anderen Erkämpfung von Freiräumen, die Hausbesetzung, geschaffen wurden, hat mensch es sich bequem scheint dabei auszuscheiden. Die Zeiten in denen gemacht. Diese Freiräume sind wichtig, das soll es ohne weiteres möglich war, ein Haus oder eine nicht in Frage gestellt werden, aber indem sich die Wohnung zu besetzen und darin nicht nur radikale Linke darin verschanzt, verpasst sie auch unbehelligt zu wohnen, sondern auch nach eigenen die Teilhabe an aktueller Wohnraumpolitik und Vorstellungen zu leben – das beinhaltet schlieYlich die Chance, neue Freiräume für sich selbst und meist unweigerlich, dass es dort auch öffentliche andere zu schaffen. Unterdessen verschärft sich in und/oder halböffentliche Räume gibt, was München nicht nur die Mietsituation, sondern wiederum bedeutet, dass das im Rahmen einer auch unkommerzielle Räume müssen stillen Besetzung (fast) unmöglich und mit hohen kommerziellen weichen, Gebäude in beliebten Risiken verbunden wäre –, sind längst vorbei. Die Stadtvierteln verkommen zu Spekulationsobjekten sogenannte Münchner Linie [3] verhindert, dass und der Kampf gegen diese Misstände verliert sich eine Besetzung nicht nur Sympathien, sondern in ebenso albernen, wie abstrakten Forderungen auch eine feste Verankerung in der Nachbarschaft der Parteien, Leerstand müsse in bezahlbare aufbauen kann. Schlechte Voraussetzungen für Wohnungen (gemeint sind Wohnungen, die für eine Hausbesetzung und den damit verbundenen Geringverdiener_innen vollkommen unerschwing- Kampf um Freiräume und Wohnraum? Oder lich sind) umgewandelt werden [2]. brauchen wir nur neue Konzepte? Die Folge sind unterschiedliche Verdrängungs- Eine öffentliche Hausbesetzung trotz "Münchner prozesse: Menschen, die sich Wohnungen in der Linie", das muss mensch für etwa so besonnen Stadt nicht (mehr) leisten können, werden immer halten, wie mit dem Kopf gegen eine Wand zu weiter in die AuYenbezirke verdrängt und hämmern. Sicherlich erregt das Aufmerksamkeit diejenigen, die es schaffen, die Miete für ihre in der Bevölkerung und schafft eine gewisse Wohnungen im Zentrum der Stadt irgendwie Präsenz von wohnraumpolitischen Themen, aber aufzubringen, werden dort vom sozialen Leben die Kosten dafür sind schlichtweg zu hoch. Wer isoliert, weil sie sich den Aufenthalt in sich gegen das mit martialischem Aufgebot kommerziellen Räumen, für die entweder Eintritt anrückende USK zur Wehr setzt, muss mit bezahlt werden muss, oder in denen Gefängnisstrafen rechnen [4], wer sich Konsumzwang herrscht, schlicht nicht (mehr) widerstandslos aus dem Haus werfen lässt, muss leisten können. Eigentlich Grund genug für mindestens mit einer Geldstrafe [5] rechnen. linkspolitisches Engagement in diesem Bereich. Zudem muss mensch wohl in jedem Fall mit Doch wo lässt sich dabei ansetzen? Fest steht: eine blauen Flecken, Knochenbrüchen, Platzwunden, emanzipatorische Bewegung kann sich nicht damit usw. rechnen, denn wenn mehrere Dutzend begnügen, Forderungen an Politiker_innen zu angriffslustige Bullen mit Maschinenpistolen, stellen, sondern muss sich die eigenen Freiräume Kettenhemden, Schilden und Holzstangen in ein 4 22. Juli 2017 4. November 2017 MiteinerPressemitteilungerklären InderBodenseestraYe28 inPasing dieAktivist*innenumdas FürLau richtenAktivist*innendes FürLau Haus das "Schnitzelhaus" im HauseserneuteinenUmsonstladenein. Westendfürbesetzt. Siehabendarin einenUmsonstladeneingerichtet. 5. November 2017 WenigeStundenspäterstürmtdie Dader Polizei das Gebäude. Nocham Umsonstladeninder Abendsammelnsich BodenseestraYegeräumtwurde, Unterstützer*innenumdas besetzteGebäude. Die besetzendieAktivist*innendes Für Polizei bewachtdas Haus bis spätindieNacht LauHauses dieehemalige KuvertfabrikinPasing. 17. August 2017 InFreimannhängen 17./18. Dezember 2017 Unterstützer*innendes Scheinbesetzunginder FürLauHauses HohenzollernstraYe59. Ein9 Meter Transparenteandas leer langes Transparenttauchtandem stehende"mediahaus". Haus auf. Daraufsteht"Besetzt". EineErklärungderBesetzer*innenerscheintaufder 09. September 2017 Seitehttps://hozi59.noblogs.org/ Insgesamt70 BullenstürmendieehemaligeMeinburk mitMaschinenpistolen, HolzstangenundRammböcken, weilAktivist*innendes FürLauHauses dieses Gebäude fürbesetzterklärthatten. AuYerBettlakenfindensie jedochkeine*nindemHaus. 30. September 2017 Nachdemes zwei Hausdurchsuchungenim ZusammenhangmitdemFürLauHaus gegebenhat, besetzenAktivist*innendes FürLauHauses zwei Häuserinder SandstraYeundderLinprunstraYeund erklärendamitihreSolidaritätmitden BetroffenenderHausdurchsuchungen. 5 besetztes Haus stürmen, bleibt sicher kein Auge selbstbestimmt neue Freiräume und Wohnraum zu trocken. Allerdings gibt es Alternativen zu einer schaffen. Wenn es mit Scheinbesetzungen nicht "echten" Hausbesetzung, bei der die gelingt, mehr als eine kritische Öffentlichkeit Besetzer_innen auch tatsächlich im Haus bleiben. gegenüber Leerständen zu schaffen, stumpft auch Bei einer sogenannten Scheinbesetzungen werden diese Protestform mit der Zeit ab. Wenn es jedoch die Bullen in dem Haus keine Person mehr gelingt, einen gröYeren Teil der Menschen dazu zu vorfinden (das schlieYt natürlich nicht aus, dass es inspirieren, selbst aktiv gegen Leerstände, zu hohe ihnen erschwert wird, das Gebäude zu betreten). Mieten und lebensfeindliche Zustände für Haben die Besetzer_innen in dem Haus keine Menschen mit (zu) wenig Geld zu werden und sich Spuren hinterlassen, die der Polizei eine dabei nicht auf Bitten gegenüber irgendeiner Identifizierung ermöglichen, bleiben Sie dabei von Obrigkeit zu beschränken, sondern unnötiger Repression verschont und können in selbstbestimmte Lösungen zu suchen, wird es dem aller Ruhe die nächste Aktion vorbereiten. Dabei Staat selbst mit den repressivsten Mitteln kaum kommt die "Münchner Linie" den Besetzer_innen möglich sein, sie aufzuhalten. bei einer Scheinbesetzung sogar entgegen: Weil das entsprechende Gebäude innerhalb von 24 Neben Aktionsformen wie Scheinbesetzungen, die Stunden geräumt werden muss und weil die Bullen einen verhältnismäYig hohen Planungsaufwand (in dieser Zeit) nie sicher sein können, dass in dem erfordern und deshalb nicht ohne weiteres Haus tatsächlich keine Besetzer_innen auf sie reproduzierbar sind bedarf es also vor allem auch warten, müssen sie in ihrer Einsatzplanung immer niedrigschwelligen Formen des Protestes, die von so planen, als gäbe es Besetzer_innen in dem allen Menschen auch ohne lange Vorbereitung Gebäude. So wird also auch bei einer reproduziert werden können. Ob kreativ oder Scheinbestzung ein verhältnismäYig groYer militant, legal oder illegal, für eine groYe Polizeieinsatz ausgelöst, was einerseits groYe Öffentlichkeit oder nur für wenige Passant_innen öffentliche Aufmerksamkeit generiert und sichtbar, es liegt in der Vielfalt der Aktionsformen andererseits hohe Kosten verursacht. Über einen eine Reproduzierbarkeit des Protestes zu längeren Zeitraum stehen die Verantwortungs- gewährleisten. träger_innen bei der Polizei also vor der Entscheidung, die Münchner Linie aufzugeben Dabei sind die Ziele der Menschen keineswegs und (Schein-)Besetzungen nicht mehr ernst zu einheitlich, aber das müssen sie auch nicht sein. nehmen - damit wäre die Grundlage für eine echte Der_die Eine kämpft für bezahlbaren Wohnraum, Besetzung geschaffen –, oder aber durch viele die_der Andere möchte kostenlos wohnen. Wieder Scheinbesetzungen in Atem gehalten zu werden Andere kämpfen für Freiräume und gegen eine und ein Phantom zu jagen, wie es die Kommerzialisierung ihres Viertels und der ganzen Boulevardpresse so treffend beschrieben hat[6]. Stadt. Dabei bleibt jedoch ein gemeinsamer Nenner: Wir alle wollen mehr Teilhabe und Aber zumindest auf Dauer bleiben Selbstbestimmung. Alleine werden wir nichts Scheinbesetzungen eine reine Protestform gegen davon erreichen, wir werden aus unseren Missstände in der Wohnraumpolitik ohne die Wohnungen geworfen, wenn wir die steigenden Menschen tatsächlich in die Lage zu versetzen, Mieten nicht mehr aufbringen können, wer sollte 6 uns dabei unterstützen diese zu behalten? Wenn [5] In den meisten Fällen werden diese Menschen wir unser Bedürfnis nach Selbstbestimmung und wohl eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch Teilhabe jedoch als Teil eines kollektiven bekommen (vorausgesetzt, dass der_die Interesses begreifen und uns solidarisch in unseren Eigentümer_in Strafantrag deswegen stellt). Sofern Kämpfen unterstützen, wenn aus der Parole "Das die Bullen glauben, dass zum Betreten das Hauses ist unser Haus" mehr wird, etwa "Das ist unser auYerdem eine Tür oder ein Fenster kaputt Viertel" oder "Das ist unsere Stadt", dann stehen gemacht wurde, kann auch eine Anzeige wegen wir kurz davor, all unsere Interessen zu Sachbeschädigung hinzu kommen. verwirklichen. [6] Die Bild titelte am 02.10.2017: "Hier jagt die Aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Zunächst ist Polizei mal wieder den Phantombesetzer", es wichtig, die zahlreichen Kämpfe um Wohn- nachdem 45 Polizist_innen eine Scheinbesetzung und Lebensraum in unserer Stadt sichtbar zu des Für Lau Hauses geräumthatten. machen. Jeder Mensch, der_die um seinen_ihren eigenen Wohn- und Lebensraum kämpft, soll sehen, dass er_sie nicht alleine ist. Geben wir unserem Protest viele Stimmen und beenden jede Verdrängung von Menschen aus unserer Stadt gemeinsam! Anmerkungen [1] Das soll die wichtige Arbeit, die Gruppen und Individuen in diese Richtung in den letzten Jahren geleistet haben, keinesfalls abwerten, sondern nur darauf aufmerksam machen, dass nur wenige Gruppen und Personen in den letzten Jahren zu diesem Thema gearbeitet haben. [2] Und natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, aber nur sehr wenige. [3] Die sogenannte "Münchner Linie" legt fest, dass ein besetztes Gebäude innerhalb von 24 Stunden geräumtwerden soll. [4] So passiert, als sich Lukas, Steffi und Sven Ende Juni 2007 bei einer Hausbesetzung gegen das anrückende USK verteidigten. Siehe http://hausbesetzerinnensoli.blogsport.de/ 7 Maskulinistische Bei=reflexe Dass Sexismus nach wie vor eine groYe Rolle auch und die meist bei Männern* zu beobachten sind, innerhalb linksradikaler Zusammenhänge spielt ist die weibliche Form verwenden, wenn ich von der kein Geheimnis. Wenngleich offen sexistische und Betroffenen* spreche und die männliche Form, antifeministische Haltungen meist sehr schnell auf wenn ich von dem Handelnden*, also von der Widerstand stoYen und glücklicherweise nur sehr diskriminierenden Person, spreche. Die Sternchen selten geduldet werden, sind vor allem bei sollen dabei gleichzeitig unterstreichen, dass es internalisierten Verhaltensweisen sexistische sich hier um Geschlechtszuschreibungen (in Grundstrukturen zu beobachten, die es (nicht nur) meinem Text) handelt, die keineswegs eine Frauen* häufig verunmöglichen, sich ihre Allgemeingültigkeit offenbaren, und Trans- Freiräume zu erkämpfen. Personen, die sich im Rahmen ihrer Gender- Ich schreibe diesen Text als heterosexueller cis- Expression zum Teil auch entsprechende Mann, ich bin weiY und able-bodied und kann im Verhaltensweisen aneignen, sichtbar machen. Grunde nicht behaupten, von irgendeiner der Der Titel meines Textes, "Maskulinistische beschriebenen Diskriminierungsweisen ernsthaft BeiYreflexe", bezieht sich vor allem auf die betroffen zu sein. Wenn ich von meinen Argumentationsstrategien von Handelnden*, die Beobachtungen berichte, tue ich das also nicht aus ihre diskriminierenden Handlungen auf eine dem Blickwinkel einer betroffenen Person, auch bestimmte Art und Weise rechtfertigen. Der nicht aus dem Blickwinkel eines neutralen Begriff Maskulinismus ist dabei nicht im Sinne Beobachters, sondern vielmehr aus dem der Selbstbezeichnung maskulinistischer Blickwinkel der diskriminierenden Person. Das Strömungen zu verstehen, sondern er bezieht sich soll nicht bedeuten, dass ich selbst bewusst auf die antifeministischen Versatzstücke in diesen diskriminierend handele, auch nicht, dass es sich Argumentationen, die sich häufig in dem Vorwurf, bei geschilderten Beobachtungen um mein eigenes Feministinnen* würden Männer* unterdrücken, Verhalten handelt. Vielmehr bedeutet das, dass ich zuspitzen lassen. Das ist natürlich ein nur selten aufgrund meiner Sozialisation bei vielen geäuYerter Vorwurf [1], trotzdem empfinde ich beobachteten Verhaltensweisen Parallelen (zum diese Zuspitzung als angemessen, weil sie Teil auch nur in Abstufungen) zu meinem eigenen einer*einem die Konsequenz dieser (früheren) Handeln beobachte. Argumentationsstrategien vor Augen hält. Mir ist klar, dass ich weder die beschriebenen Dementsprechend gebrauche ich auch den Begriff Diskriminierungsformen besser schildern kann als Maskulinismus, der in diesem Zusammenhang Betroffene, noch bedarf es meiner Meinung nach nicht ausschlieYt, dass der Handelnde* sich selbst einer Vermittlung zwischen Betroffenen und als antisexistisch oder "feministisch bis zu einem Handelnden. Mein Anliegen – wenn ich diesen gewissen Grad" versteht. Text nicht ausschlieYlich für mich selbst schreibe – ist es, die Notwendigkeit zur Selbstkritik, der in Die Verhaltensweisen mit denen ich mich in meinen Augen nur sehr wenige Männer* – d.h. diesem Text näher auseinandersetzen will, lassen genauer diskriminierende Personen – ausreichend sich unter der gemeinsamen Bezeichnung gerechtwerden, zu unterstreichen. Raumvereinnahmendes Verhalten zusammen- Ich werde von nun an zur Verdeutlichung dessen, fassen. Das bedeutet, dass ein Handelnder* durch dass ich von Verhaltensweisen spreche, die dazu sein Verhalten so viel Raum einnimmt, dass sich beitragen vor allem Frauen* zu diskriminieren, eine Betroffene* dadurch unwohl fühlt. Dabei 8 kann raumeinnehmendes Verhalten sowohl den es auch möglich, akkustisch Raum einzunehmen geometrischen Raum betreffen, als auch im ohne dabei körperlich besonders präsent zu sein. metaphorischen Sinne gemeint sein. Ein Besonders lautes Sprechen, vor allem aber lautes Absolutheitsanspruch, den ein Handelnder* in Lachen unterstreicht die Präsenz des seiner Argumentation für sich in Anspruch nimmt Handelnden*. Ich persönlich fühle mich in solchen ist damit also ebenso gemeint, wie auch eine Situationen immer an Dorffeste erinnert. Mein tatsächliche Inanspruchnahme des geometrischen Vater und seine FuYballfreunde* saYen bei Raumes, indem sich ein Handelnder* derartigen Gelegenheiten mit ihren Frauen* [2] beispielsweise so in einem Raum platziert, dass er zusammen an einem groYen Tisch. Schon nach Durchgangswege versperrt oder auch konkret sehr kurzer Zeit waren die Frauen* jedoch nichts einer Betroffenen* den Zugang zu irgendetwas, weiter als Zuschauer*innen des – na ja, Gespräch das sie gerade benötigt, versperrt. kann mensch es eigentlich nicht nennen – Eigentlich bin ich der Meinung, dass Geschehens. Schon die Lautstärke in der sich die Raumvereinnahmendes Verhalten zur Genüge Männer* am Tisch etwa darüber austauschten, beschrieben wurde, so dass ich hier nicht alle welche "Heldentaten" sie beim letzten FuYballspiel Facetten solchen Verhaltens darlegen muss, vollbracht hatten, vor allem aber das alles meiner Beobachtung nach ist es jedoch durchdringende, lautstarke Männer*lachen, keineswegs eine Selbstverständlichkeit, dass verhinderte jede Beteiligung von Personen mit Handelnde* sich dessen bewusst sind, wenn sie einem weniger ausgeprägten Stimmorgan – das Raum auf eine Art und Weise beanspruchen, die betraf auch die ein oder andere männliche* anderen diesen Raum streitig macht. Deshalb will Person, vor allem aber die Frauen* – am ich in aller Kürze einige gängige Ausprägungen, Gespräch. Kein Wunder, dass die Frauen* als die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erstes von diesen Veranstaltungen flüchteten, bis erheben, beschreiben: die Männer* gegen Mitternacht "unter sich" Eine sehr verbreitete Form von waren. Natürlich bewegt sich das Geschilderte in raumvereinnahmendem Verhalten ist die einer anderen Dimension, aber auch innerhalb der tatsächliche Beanspruchung von geometrischem radikalen Linken lässt sich zum Teil wahrnehmen, Raum. Damit ist nicht gemeint, dass groYe dass die Beteiligung von Frauen* an Diskussionen Menschen dieses Verhalten grundsätzlich oft nachlässt, wenn bei einigen der Gesprächs- reproduzieren. Vielmehr geht es darum, wo teilnehmer*innen ähnliche Verhaltensweisen fest- Menschen sich in einem Raum positionieren, also stellbar sind. vor allem ob sie sich eine "Ecke" suchen, in der sie Im Zusammenhang mit dem Versuch, dominantes sich selbst "aufräumen", oder ob sie sich mitten im Redeverhalten einzubremsen, indem beispiels- Raum positionieren und damit notwendigerweise weise quotierte Redner*innenlisten geführt raumvereinnahmend wirken. Auch spielt es eine werden, ist vor allem solch akkustisches raum- Rolle, inwiefern eine Person Wege, die eine vereinnahmendes Verhalten seltener geworden, andere Person beansprucht selbständig freigibt und sobald eine Diskussion jedoch nicht mehr inwiefern sie die Intimsphäre anderer Personen moderiert wird, brechen oft die alten Verhaltens- achtet. weisen wieder hervor. Ebenso wie ein Handelnder* auf eine derart Aber auch bei moderierten Diskussionen ist körperliche Weise Raum vereinnahmen kann, ist raumvereinnahmendes Verhalten selten ver- 9 schwunden. Stattdessen haben sich entsprechende Vorwurf, dass "Feministinnen* Männer* unter- Verhaltensmuster teilweise auf die Art und Weise drücken", zu äuYern, verdeutlich eine solche der Argumentation verlagert. Wer als Handelnder* Ansicht antifeministische Denkmuster des Han- gegenüber seinen Ansichten keine Einwände delnden*. zulässt und dabei sein Gegenüber oft sogar Natürlich ist es ein erstrebenswertes Ziel, herabsetzt, indem er entweder statt eines Geschlechter zu überwinden, wer als Handelnder* Argumentes in einer Art und Weise auf seine jedoch Frauen* genauso wie Männer* behandelt Erfahrungen verweist, die diese stärker würdigt als und dabei die eigene Position ebenso wie die die Erfahrungen anderer, oder aber für die Position seines Gegenübers ignoriert, reproduziert Anwesenden absichtlich unverständliche (Schein-) genau die internalisierten Verhaltensweisen, die Argumente verwendet, vereinnahmt zumindest die momentan herrschende Ungleichheit zwischen methaphorisch Raum innerhalb einer Diskussion. den Geschlechtern manifestieren. Deshalb ist es notwendig, dass auch Männer* Alle diese Formen von raumvereinnahmendem Feminismus – nicht (nur) Antisexismus – zu ihrer Verhalten finden – zumindest in linksradikalen Angelegenheit machen: Und zwar indem sie ihre Kreisen – sicherlich selten bewusst und mit dem eigene Position kritisch reflektieren, den Ziel anderen Personen den Raum streitig zu materiellen Zuständen, die in einer erheblichen machen, statt. Trotzdem lassen sie sich immer Ungleichheit der Geschlechter bestehen, endlich wieder beobachten und sie stehen einer Rechnung tragen und diese bei sich selbst nicht Gleichberechtigung der Geschlechter entgegen. länger verleugnen. Ohne Empowerment von Wird ein Handelnder* jedoch mit seinem Frauen* durch Männer* kann Feminismus sonst Verhalten konfrontiert, so ist seine Reaktion tatsächlich nur das bedeuten, was Maskulinisten so häufig uneinsichtig. Vor allem dann, wenn ein sehr befürchten: die Unterdrückung von Handelnder* sein Verhalten verteidigt, bekommt wenigstens all denjenigen Männern*, die sich mensch immer wieder antifeministische weigern, ihre Verhaltensweisen zu überdenken, Versatzstücke zu hören, die ich hier als zugunsten der Gleichberechtigung von Frauen*! "Maskulinistischen BeiYreflex" bezeichnen möchte. Besonders Personen, die sich selbst als Anmerkungen: Antisexisten*, nicht jedoch als Feministen* [1] Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass bezeichnen, kennzeichnen sich häufig durch Personen diesen Vorwurf in etwa diesem Wortlaut Positionen, die denen von echten Maskulinisten zur Sprache bringen. Auch von Personen, die sich erschreckend nahe sind. selbst als "Antisexisten*" bezeichen, kenne ich Die häufigste Rechtfertigung solcher Handelnder* diesen Vorwurf. lautet etwa: "Als Antisexist spielt Geschlecht für [2] Ich führe die Frauen* hier bewusst als eine Art mich keine Rolle. Ich behandle alle Menschen, Anhang auf. Das tue ich nicht, um sie zu egal ob Mann* oder Frau* gleich. Deshalb handle diskriminieren, sondern weil ich glaube, dass diese ich auch nicht sexistisch." Die Bitte darum, Darstellung ihre Position bei diesem Ereignis bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen stöYt unterstreicht. dann meist auf Ablehnung, weil sich der Handelnde* in seiner individuellen Freiheit eingeschränkt sieht. Auch ohne den konkreten 10