HANDBUCH DER BODENLEHRE HERAUSGEGEBEN VON DR. E. BLANCK O. O. PROFESSOR UND DIREKTOR DES AORIKULTURCHEMISCHEN UND BODENKUNDLICHEN INSTITUTS DER UNIVERSITJI. T OOTTINOEN DRITTER BAND BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1930 DIE LEHRE VON DER VERTEILUNG DER BODENARTEN AN DER ERDOBERFLAcHE REGIONALE UNO ZONALE BODENLEHRE BEARBEITET VON PROFESSOR DR. E. BLANCK-GOTTINGEN . DR. F.GIESECKE- GOTTINGEN . PROFESSOR DR. H. HARRASSOWITZ-GIESSEN PROFESSOR DR. H.JENNY -COLUMBIA <U.S.A.) . GEH.-RAT PROFESSOR DR. G.LINCK-}ENA. PROFESSOR DR. W.MEINARDUS-GOTTINGEN PROFESSOR DR. H. MORTENSEN-GOTTINGEN . PROFESSOR DR. A. A.J. v. 'SIGMOND-BUDAPEST . PROFESSOR DR. H. STREMME-DANZIG MIT 61 ABBILDUNGEN UND 3 TAFELN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1930 ISBN 978-3-642-47122-3 ISBN 978-3-642-47386-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-642-47386-9 ALLE RECHtE, INSBESONDERE DAS DER OBERSEtZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALtEN. COPYRIGHt 1930 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN. Softcover reprint of the hardcovert 1st edition 1930 Vorwort. Das Erscheinen des umfangreichen dritten Bandes des Handbuches gibt dem Herausgeber Ge1egenheit zu der Feststellung, daB die Aufnahme durch die Fachpresse fast durchweg eine in hohem MaBe befriedigende gewesen ist. Dem entspricht nach Mitteilung des Verlages auch der auBere Erfolg. Die von der Kritik ge1egentlich geauBerten Wunsche nach moglichst raschem Erscheinen der weiteren Bande sollen berucksichtigt werden, soweit es in den Kraften des Herausgebers steht. Wer nicht selbst einmal die Herausgabe eines wissenschaft- lichen Samme1werkes dieser Art geleitet hat, macht sich wohl kaum eine richtige Vorstellung uber das MaB von Muhe und Arbeit, das mit der gewissenhaften Erledigung der Herausgeberpflichten verknupft ist. Je groBer die Zahl der Mitarbeiter ist, urn so schwieriger erweist es sich fUr den Herausgeber, das Zie1 moglichst groBer Einheitlichkeit zu erreichen. Schon aus diesem Grunde muBte darauf gesehen werden, nicht mehr Autoren zur Bearbeitung des Gesamtgebietes heranzuziehen, als es aus sachlichen Grunden unbedingt geboten war. Infolge- dessen hat auch der Herausgeber noch in anderer Hinsicht bei dem dritten Bande, der die Zusammenfassung der Gesamtkenntnisse uber die Verteilung und Ausbildung der Bodenarten an der Erdoberflache bringen soUte, das von ihm angestrebte Ideal nicht v611ig erreichen k6nnen, denn es ist trotz des diesem Teil der Bodenlehre eingeraumten gr6Beren Umfanges nicht moglich gewesen, aUe in Frage kommenden Erscheinungen einheitlich zu erfassen. Nur eine noch gr6Bere Zahl von Mitarbeitern hatte dieses erreichen lassen, worunter dann aber andererseits der allgemeine Zusammenhang gelitten haben wurde, was jedoch aus dem oben angefUhrten Grunde unbedingt vermieden werden muBte. Es mag daher wohl hier und dort den Schein erwecken, als wenn einer besonderen Boden- art zu viel Beachtung geschenkt worden sein konnte, wahrend andere Typen zu wenig oder kaum Beachtung gefunden hatten. Es darf demgegenuber aber wohl darauf hingewiesen werden, daB dieser Mangel auch als notwendige Folge der auf diesem Gebiet bodenkundlichen Wissens noch reichlich vorhandenen Lucken- haftigkeit unserer Kenntnisse eintreten muBte. Auch darf andererseits nicht verkannt werden, daB bisher kein Werk vorhanden ist, das gewagt hat, im vor- liegenden groBen AusmaBe die einschlagigen Fragen zu behandeln. Desgleichen erwies sich infolge dieser Verhaltnisse die Einteilung des Gesamtstoffes als weder leicht durchfUhrbar noch befriedigend, zumal bedauerlicherweise Wunsche eines Mitarbeiters dauernd berucksichtigt werden muBten, die den der Gesamtdar- stellung Rechnung tragenden Verhaltnissen nicht entsprachen. Trotzdem sei allen Mitarbeitern bestens dafUr gedankt, daB es durch ihre rege und anstrengende Mithilfe gelungen ist, den vorliegenden Band unter so schwierigen Verhaltnissen zum AbschluB zu bringen. SchlieBlich ist es dem Herausgeber eine angenehme Pflicht, Herrn Privat- dozenten Dr. F. GIESECKE ffir besondere Hilfe sowohl bei der Abfassung des Sachregisters als auch bei der zum Teil recht schwierigen Korrektur aufrichtigst zu danken. Gleicher Dank gilt Herrn Dr. F. KLANDER und Fraulein M. SCHAFER fur tatige Mithilfe. Gottingen, im Dezember I929. E. BLANCK. Inhaltsverzeichnis. Seite D. Die Verwitterung in ihrer Abhangigkeit von den auBeren klimatischen Faktoren. Einleitung. Kurzer "Oberblick uber die historische Entwicklung der Bodenzonenlehre und Einteilung der Boden auf Grund der Klima- verhaltnisse an der Erdoberflache. Von Professor Dr. E. BLANCK, Gottingen Verteilung der Boden an der Erdoberflache und ihre Ausbildung (regionale oder geographische Bodenlehre) . . . . . . . . . . • . .. 27 1. Boden der kalten Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 a) Arktische Boden. Von Professor Dr. W. METNARDUS, Gottingen. (Mit 8 Ab- bildungen) . . . . . . . . . 27 Das polare Klima. . . . . . 27 Der Frostboden. . . . . . . 34 Arktische VerwitterungsbOden 45 Physikalische Verwitterung 45 Chemische Verwitterung . 54 Der Anteil der Vegetation an der Bodenbildung. 72 Aolische Bodenbildungen. Kryokonit. . . . . . 74 Strukturformen arktischer Boden. . . . . . . . 82 b) Hochgebirgsboden. Von Professor Dr. H. JENNY, Columbia, Mo. (U.S.A.). (Mit 4 Abbildungen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Besondere Merkmale des Gebirgsklimas und die Wirkungen desselben 96 Allgemeine Eigenschaften der Hochgebirgsboden 99 Die BOden der kalkhaltigen Sedimentgesteine 103 Die Boden der Silikatgesteine 106 Die alpinen Humusboden . . 108 Kartierung der Gebirgsboden J 1 3 Die vertikalen Bodenzone nIl4 2. Boden der gemaBigten Region einschlieBlich der Su btropen II9 a) Boden der kuhlen gemaBigten Region. . . . . . . . . . . 1I9 ex) Die Bleicherdewaldboden oder podsoligen Boden. Von Professor Dr. H. STREMME, Danzig-Langfuhr. (Mit 2 Abbildungen und 3 Tafeln) . II9 Morphologie, Einteilung, Profile . . . . . . . .. ......... 120 Die normalen Bleicherde-Waldboden . . . .. ......... 124 Die podsoligen Wiesenboden und "Obergange zu den Grundwasserboden (Gley-, anmoorigen BOden, Torfpodsolen).. ..... 129 Die verborgen podsoligen Waldboden an der Tundragrenze. . J34 Die sekundar podsolierten grauen Waldboden der Waldsteppe . 134 Pflanzenvereine . . . . . . . . . .. ......... 139 Analysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Die chemisch-physikalische Vorstellung der Entstehung der Bleicherde- WaldbOden ........................ . 155 Die Verbreitung der Bleicherde-WaldbOden . . ....... . 158 fJ) Die Braunerden. Von Professor Dr. H. STREMME, Danzig-Langfuhr. (Mit 10 Abbildungen) ................ . 160 E. RAMANNS Definitionen . . . . . . . . . . . . . 160 Chemische Untersuchungen mit Profilbeschreibungen. 163 Zur Kritik der Braunerde ............ . 170 b) Boden der feuchtwarmen gemaBigten Regionen . 182 ex) Gelberden oder Gelblehme. Von Professor Dr. H. HARRASSOWITZ, GieBen 182 Inhaltsverzeichnis. VII Seite fJ! Die Mediterran-Roterde (Terra rossa). Von Professor Dr. E. BLANCK, Got- tingen. (Mit 7 Abbildungen) . . . . . 194 Allgemeines und Historisches . . . . . . . . . 194 Physikalische Beschaffenheit der Terra rossa. 230 Chemische Beschaffenheit der Terra rossa . . 233 c) Boden der feuchttrockenen gemliBigten Regionen. 257 ex) Die Steppenschwarzerden. Von Professor Dr. H. STREMME, Danzig-Langfuhr. (Mit 3 Abbildungen) . . . . . . . . . . 257 Morphologie, Einteilung und Profile . . . 257 Mechanische und chemische Analysen . . 265 Flora und Fauna der Tschernosemgebiete 270 Verbreitung und Klima. . . . . 277 Die Entstehung der Schwarzerde 285 fJ) Die Prlirieboden. Von Professor Dr. H. STREIIIME, Danzig-Langfuhr 287 d) Boden trockener Ge biete. Von Professor Dr. A. A. J. VON 'SIGMOND, Budapest 294 ex) Kastanienfarbige Boden (Steppenbiiden) . . . . . . . . . . . . . . . . 296 fJ) Steppenbleicherden (graue Steppenbiiden). . . . . . . . . . . . . . . . 310 Salzbiiden (Alkalibiiden, Szikbiiden, Sodabiiden, Salniterbiiden, Solonetz, Solontschak, Hardpan, Reh) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Boden der subtropischen und tropischen Ubergangsregion . . . . . . 341 ex) Subtropische Schwarzerden. Von Privatdozent Dr. F. GIESECKE, Gottingen. (Mit I Abbildung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 fJ) KrustenbiidPn. Von Professor Dr. E. BLANCK, Gottingen. (Mit 6 Abbil- dungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 4. Boden der tropischen Region. Von Professor Dr. H. HARRAssm~-ITz, GieBen. (Mit I Abbildung) 362 Allgemeines . . . . . . . . 362 Einfiihrung. . . . . . . 362 Allgemeines iiber die Entstchung tropi'ichcr Biitlf'n . 366 Bodenarten. . . . . . . . . . 367 Bodentypen. . . . . . . . . . 368 Einzelbeschreibung tropischer Bodentypen 370 ex) Rohhumus. . . . . . 370 (1) Braun- und Rotlehme 371 Allgemeines. . . . 371 Ausbildung der Profile. 372 Unreife Profile . . . . 375 Chemisch-mineralogische Kennzeichen tropischer Lehme . 377 KalkbOden. . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Besondere Einteilung tropischer Lehme. . . . . 385 y) Laterit und allitischer (lateritischer) Rotlehm. . 387 Geschichtliches und allgemeine Profilbeschreibung 387 Allgemeine chemische und mineralogische Zusammensetzung 391 Die chemischen Bestandteile des Laterits 391 Lateritmineralien . . . . . . . . . 393 Frachtreste . . . . . . . . . . . . 393 Neubildungen als Lateritelemente . . 394 Einteilung der Produkte lateritischer Verwitterung 399 Einzelbeschreibung der Horizonte . . . . . . 401 Allitischer (lateritischer) Rotlehm. . . . . 401 Die Anreicherung von Eisen und Tonerde . 404 Zersatz. . . . . . . 410 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . 418 Verbreitung des Laterits . . . . . . . . . . 419 Die klimatischen Bildungsumstlinde des Laterits 422 Die chemischen Bildungsumstlinde des Laterits . 426 Die Entstehung des Zersatzes . . . . . . . 428 Die Entstehung des Rotlehms . . . . . . . 429 Die Wanderung von Fe20 a und Al.O,! zur Oberflliche und die Bildung der Anreicherungszone . . . . . . . . . . . . . 43 I Die Verteilung der wichtigsten Bodentypen in den Tropen. . 435 VIn Inhaltsverzeichnis. Seite 5. Wiistenboden und Schutzrinden .. 437 a) Die Wiistenboden. Von Professor Dr. H. MORTEl>sE", Gottingen. (Mit IS Abbildungen) 437 Einleitung, Begriff der Wiiste und des Wiistenbodens 437 Klima der Wiiste, Wasserhaushalt, Vegetation usw. 440 Die Bodenbildung durch physikalische Wirkung . 445 Die Bodenbildung durch chemische Verwitterung 446 Die durch die Verwitterung entstandenen Boden. 455 a) Geordnet nach den Ausgangsgesteinen . . . . 455 b) Geordnet nach der aul3eren Beschaffenheit . . 460 Die jugendlichen Lockerablagerungen in der Wiiste 475 Die Salzbildungen in der Wiiste . . . . . . . 479 b) Die Schutzrinden. Von Geheimrat Professor Dr. G. LINCK, Jena. 490 Degradierte Boden. Von Professor Dr. H. STREMME, Danzig-Langfuhr. (Mit 4 Abbildungen). . . . . . . . . 505 Die allgemeinen Vorgange . . . . 505 Die Morphologie der Degradation 50 7 Die chemischen Erscheinungen . 5I6 N amen verzeichnis . 522 Sachverzeichnis .. 52 7 D. Die Verwitterung in ihrer Abhangigkeit von den auBeren klimatischen Faktoren. Einleitung. Kurzer Uberblick tiber die historische Entwicklung der Bodenzonenlehre und Einteilung der BMen auf Grund der Klimaverhaltnisse an der Erdoberftache. Von E. BLANCK, Gottingen. Wiirde die Verwitterung der Gesteine an allen Orten der Erdoberflache den gleichen Verlauf nehmen, so miiBte jede Gesteinsart, wo es auch immer sei, den gleichen Boden als ihr Verwitterungspmdukt hervorbringen, und wenn man dieser Ansicht auch wohl zu den Zeiten der ersten Entwicklungsphase der wissen- schaftlichen Bodenkunde fast allgemein huldigte, so ergab doch bald die unmittel- bare Beobachtung in der Natur, wie sie auf Reisen in fernen Landern erworben wurde, daB solches durchaus nicht immer der Fall sei. Vielmehr erkannte man im Vergleich mit der Bodenausbildung seiner Heimat tief. einschneidende Unter- schiede und sab sich dadurch gezwungen, dieselben auBeren Faktoren zuzu- schreiben, indem man erkennen lernte, daB der Verwitterungsverlauf durch die jeweils herrschenden Klimabedingungen eine hervorragende Beeinflussung erfahren. Diese Erkenntnis muBte zu einer wesentlich anderen Auffassung von der Natur und den Entstehungsbedingungen der Boden fUhren, als sie bisher angenommen worden war, und brachte schlieBlich die erst am Ende des vorigen J abrhunderts mehr und mehr fuBfassende Lehre von der regionalen und zonalen Bodenbildung zustande, wie sie uns heute in schon fester umgrenzter Form in dem Bodenklimasystem RAMANNS und seiner Vorganger entgegentritt. In be- zeichnender Weise hat K. GLINKA dieses Verhiiltnis vom Boden zum Klima mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: "Wenn wir die Verwitterungsprozesse theoretisch betrachten, so konnen wir von der chemischen Arbeit der Atmosphare, des Wassers und anderer Faktoren einzeln sprechen, wenn wir aber von den theoretischen Betrachtungen zu der Natur selbst iibergehen, so miissen wir unter den Verwitterungsprozessen die Gesamtheit einer Reihe von Kraften verstehen. Es· sind komplizierte physikalisch-chemische Vorgange, die in jeder oberflach- lichen Gesteinsart unter dem Einflusse der atmospharischen Faktoren einerseits und der Menge der die Erdo berflache bewohnenden Organismen und der Pro- dukte ihrer Lebenstatigkeit und Verwesung andererseits stattfinden"l. Diese auBeren Faktoren sieht er mit Recht als vor allem von der allgemeinen Energie- quelle Sonne abhiingig an, denn er sagt: "Die Erwiirmung und Abkiihlung, die mittels der Insolation und Warmestrahlung hervorgerufen wird, die Bewegung der Atmosphare, ihre Niederschlage, sowie auch die Intensitat der chemischen Atmosphiirenwirkung, dies alles sind Erscheinungen, die mit der Tatigkeit der 1 GLINKA, K.: Die Typen der Bodenbildung, S.4. Berlin: Gebr. Borntrager I9I.j.. Handbuch der Bodenlehre III. I 2 E. BLANCK: Uberblick uber die historische Entwicklung der Bodenzonenlehre. Sonne verbunden sind. Die Sonne beherrscht auf der ErdoberfHiche auch das. Leben: sie bedingt die Verteilung der Tier- und Pflanzenkorper, beeinfluBt die Entwicklungsstufe einzelner Reprasentanten des Pflanzen- und Tierreiches,. bedingt ihre Konzentration, bringt mit Hilfe anderer Faktoren bestimmte Typen der Pflanzen- und Tierformationen zutage. Aber die Tatigkeit der Sonne ist nicht auf allen Teilen der ErdoberfIache von gleicher Intensitat. Sie erwarmt und beleuchtet die tropischen Gegenden reichlich, die gemaBigte Zone viel schwacher, am wenigsten aber die Polargegenden. Diese Erwagungen genugen, urn den SchluB ziehen zu lassen, daB die Boden auf der Erdoberflache nicht gleich sein konnten, wenn auch die Erdkruste uberall aus gleicher Gesteinsart bestande, und daB Gegenden mit gleichen Verwitterungsbedingungen gleiche Bodentypen haben mussen." Doch konnte dieser logische SchluB, wie es derselbe Autor gleichfalls mit Recht betont, erst gezogen werden, als die Forschung soweit vor- geschritten war, urn eine richtige und klare Vorstellung vom Begriff des Bodens zu besitzen. Betrachtet man den Boden lediglich als eine an der Erdoberflache vor- handene, aus den oberflachlich zutage anstehenden Materialien durch ZerstOrung hervorgegangene Ablagerung oder als Ackerkrume und damit als die die Pflanzen mit N ahrung versorgende Schicht, dann wird man in der Tat, wie GLINKA schreibt, "keine Griinde fur eine GesetzmaBigkeit in der Mannigfaltigkeit der Bodentypen auf der Erdoberflache" erkennen und finden konnen. Erst tiefere Einsicht in die Bedingungen des Zustandekommens des Bodens als Naturobjekt in seiner Abhangigkeit von den auBeren Verhaltnissen, insbesondere von denen des Klimas, vermochte dem Boden seine SteHung in der Natur als einem der Pflanze und dem Tier gleichwertigen Naturobjekt zu verschaffen, das sich ebenso wie diese in steter Abhangigkeit vom Klima auf der Erdoberflache verteilt und damit geographischer Betrachtungsweise zuganglich wird. Eine solche Kenntnis oder Einsicht konnte aber nur dort erworben werden, wo, nicht wie in unserem eigenen engen Vaterlande, der BodenbildungsprozeB unter weit voneinander abweichen- den klimatischen Bedingungen zustande kommt und demzufolge geradezu auf einen solchen kausalen Zusammenhang und eine solche Wechselbeziehung hin- wies. Es ist daher kein Zufall, daB die "Bodenzonenlehre" in dem unermeBlich groBen russischen Reiche und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ihren AnIang nahm, denn hier muBte das Studium des Bodens in der Natur zu wesent- lich anderen Ansichten vom Wesen der Bodenentstehung fuhren, als dies unter den engen geographischen Verhiiltnissen Deutschlands oder Mitteleuropas - der Wiege der Bodenkunde - geschehen konnte, zumal gerade in diesem letzteren Gebiet infolge des hier herrschenden wenig modifizierten und besonders gemaBig- ten Klimas, fast einem jeden Gestein des Untergrundes ein in seiner Art be- sonderer Boden an der Oberflache entspricht, oder es konnten nur Forschungs- reisen in weit voneinander gelegene Lander die Abhangigkeit der Ausbildung und Natur des Bodens vom Klima zur FeststeHung bringen. Russischen und amerikanischen Forschern entging daher dieser Zusammenhang nicht, und Welt- reisende mit einem Blick auch fUr scheinbar unwichtige Dinge, wie es der Boden nun einmal fUr die meisten Menschen ist, brachten Tatsachenmaterial in dieser Richtung bei. So knupft sich denn an die Namen DOKUTSCHAJEFFl, SIBIRCEFF2, 1 DOKUTSCHAJEFF, W.: Kartographie der russischen Boden. r879. - Trav. Soc. Natural. St. Petersbourg 10, II, 12. - Tschernozeme (terre noire) de la Russie d'Europe. St. Petersbourg r879. 2 SIBIRCEFF, N.: Der Tschernosjem in verschiedenen Landern. Vortrag r898 (russ.). - Bodenkunde 3 (russ.). - Kurze Ubersicht der wichtigsten Bodentypen von RuBland. Not. d. Inst. v. Nowo-Alexandria II (r898). "Cberblick iiber die historische Entwicklung der Bodenzonenlehre. 3 E. W. HILGARD1 und F. v. RICHTHOFEN 2 die neuzeitliche Betrachtung des Bodens an, von der betonend gesagt werden muB, daB sie nicht nur zur Entwicklung einer besonderen Richtung in der Bodenkunde Veranlassung gab, sondem auch die bisher zumeist rein "beschreibende" und nur wirtschaftlichen Aufgaben dienende Bodenkunde zu einer selbstandigen, naturwissenschaftlichen Disziplin erhob. Infolge von zumeist sprachlichen Schwierigkeiten blieben aber die Er- gebnisse der russischen Forschung zunachst Deutschland mehr oder weniger ver- schlossen, bis K. GLINKAS Werk "Die Typen der Bodenbildung" eine allen verstandliche Einsicht in diese Forschung brachte. Jedoch hatte schon etwas vorher RAMANN3 die Ideen HILGARDS und der russischen Schule den deut- schen Fachkreisen zuganglich gemacht, und ist es seinem weitgehenden Blick und seiner erfolgreichen Tatigkeit auf diesem Gebiet zu verdanken, daB sie alsbald auch bei uns Allgemeingut der Wissenschaft vom Boden ge- worden sind. Nicht aber allein das Klima an sich, sondem auch aIle davon abhangigen Faktoren, wie Pflanzenentwicklung, Mikroorganismentatigkeit, Verwesung organi- scher Reste, Anhaufung von Humus usw., erwiesen sich als von groBter Bedeu- tung fUr die Ausbildung der Boden und fillirten zu den Gesetzen von der Ent- stehung der Bodentypen auf der Erde unter dem EinfluB des Klimas. Damit war aber ein fundamentaler Unterschied zwischen Boden und sonstigen Gesteins- bildungen erkannt worden, denn die Boden erwiesen sich im Gegensatz zu letz- teren als gesetzmaBig an der Erdoberflache verteilte Gebilde, ausgezeichnet in ihrem Aufbau durch besondere Komplexe mineralischer und organischer Neu- bildungen und durch ihre eigentiimlichen Struktur- und Schichtungsverhalt- nisse, die in Gestalt von Bodenprofilen ihre besonderen Entstehungsbedingungen erkennen lassen, und das organische Leben auf der Erde steht schlieBlich in innigster Wechselbeziehung zu denselben. Dieses Verhalten veranlaBte GLINKA zu dem Ausspruch: "Der Boden besitzt also, wenn er auch eine Gebirgsart ist, doch so besondere Eigenschaften, daB notwendigerweise die Methode zu seiner Erforschung eine andere sein muB, aIs die von Petrographen oder Strati- graphen angewandte4." Dies fillirte zur Unterscheidung der Bodenarten von Bodentypen nach Aufstellung des letzteren Begriffs. Die Bodenarten wurden nach STREMME5 als das "Einteilungsergebnis der Erforschung des stofflichen Materials der Boden" aufgefaBt und als den Gesteinen entsprechend angesehen. "Die Bodentypen sind das Einteilungsergebnis der Erforschung der Bodenhori- zonte und entsprechen den Schichtverbanden." "Bodenarten und Bodentypen bilden", so auBert sich der Genannte diesbeziiglich, "den Inhalt der systemati- schen Bodenkunde, welche somit im kleinen einen iihnlichen Umfang hat wie Mineralogie und Petrographie auf der einen und Geologie auf der anderen Seite." Die in den Bodenarten entstehenden Horizonte filliren ihre Anwesenheit auf die Wechselwirkung des Klimas, des organischen Lebens, der Oberflachengestaltung, des Wasserhaushaltes gemeinsam mit der stofflichen Eigenart der Bodenarten zuriick, und es kommt auf diese Weise zu einer groBen Anzahl von Einteilungs- moglichkeiten der Bodentypen auf Grund geographischer, klimatischer, hydro- 1 HILGARD, E. W.: Dber den EinfluB des Klimas auf die Bildung und Zusammen- setzung des Bodens. WOLLNYS Forschgn. Agr.-Phys. 16 (1893), S. 82 if. - Siehe auch: Die Boden arider und humider Lander. Internat. Mitt. Bodenkde I, 413 (19II). 2 RICHTHOFEN, F. v.: China 1877-1882. - Fiihrer fiir Forschungsreisende. 1886. 3 RAMANN, E.: Bodenkunde, S.391-407. Berlin 1905. 4 GLINKA, K.: a. a. 0., S. 8. 5 STREMME, H.: Grundziige der praktischen Bodenkunde, S.25, 55. Berlin: Gebr. Borntrager 1926. 1*