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Die Krampfschädigungen des Gehirns PDF

122 Pages·1951·4.979 MB·German
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MONOGRAPHIEN AUS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE UND PSYCHIATRIE HERAUSGEGEBEN VON H. W. GRUHLE·BONN / H. SPATZ·GIESSEN / P. VOGEL·HEIDELBERG HEFT 75 DIE KRAMPFSCHXDIGUNGEN DES GEHIRNS VON PROF. DR. WILLIBALD SCHOLZ DIREKTOR DES HIRNPATHOLOGISCHEN INSTITUTS DER DEUTSCHEN FORSCHUNGSANSTALT F"UR PSYCHIATRIE MAX-PLANCK·INSTITUT M"UNCHEN MIT 68 TEXTABBILDUNGEN S P R I N G E R -V E R LA G BERLIN· GOTTINGEN . HEIDELBERG 1951 ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER tlBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1951 BY SPRINGER·VERLAG OHG. SOFTCOVER REPRINT OF THE HARDCOVER 1ST EDITION 1951 IN BERLIN I GOTTINGEN I HEIDELBERG ISBN-13: 978-3-540-01567-3 e-ISBN-13: 978-3-642-86299-1 DOl: 10.1007/ 978-3-642-86299-1 DR. RICHARD S. LYMAN PROFESSOR DER PSYCHIATRIE AN DER DUKE UNIVERSITY IN FREUNDSCHAFT UNO DANKBARKEIT ZUGEEIGNET Vorwort. Als ich vor 25 Jahren von meinem allzufruh verstorbenen Lehrer WALTHER SPIELMEYER damit betraut wurde, die pathologische Anatomie der Epilepsie im Bumkeschen Handbuch der Geisteskrankheiten darzustellen, empfand ich das als eine zwar ehrenvolle, aber wenig dankbare Aufgabe. Denn es bestand wenig Aussicht, daB sich dabei aus dem Chaos der Befunde der Literatur das heraus kristallisieren lieBe, was man allgemein erwartete, namlich den nach dem klini schen Verlauf der Krankheit postulierten destruierenden FrozeB der genuinen Epilepsie im Gehirn. Uberdies brach sich gerade damals die Erkenntnis Bahn, daB der augenfalligste und konstanteste Befund im Gehirn, namlich die Ammons hornsklerose, mit diesem "ProzeB" direkt gar nichts zu tun habe, sondern mit dem . Vorgang des Krampfes, also einem Symptom der Krankheit in enger genetischer Beziehung stehe. Dasselbe galt auch fUr gewisse, an sich unscheinbare, aber gleichfalls haufige Veranderungen der Kleinhirnrinde, die von SPIELMEYER neu . gefunden worden waren. In dem mir damals zur VerfUgung stehenden Material waren mir dazu alte, herdformige, offensichtlich gefaBabhangige Nervenzellaus falle in der GroBhirnrinde jugendlicher Epileptiker aufgefallen, die ebenfalls nichts mit einem progredienten ProzeB zu tun haben konnten, sondern die gleiche vaso motorische Genese verrieten, welche von SPIELMEYER fUr die Ammonshorn- und Kleinhirnveranderungen festgelegt worden war. Ich wagte es damals aber nicht, nun auch diese in die gleiche Beziehung zum Krampfvorgang zu bringen. Offen blieb seinerzeit auch die Frage, wie die von ALZHEIMER beschriebenen diffusen Ganglienzellausfalle bestimmter Hirnrindenschichten im Epileptikergehirn zu standekamen. Es blieben somit einige Dinge, welche trotz des negativen Ergeb nisses bezuglich eines epileptischen Hirnprozesses reizvoll genug erschienen, urn sich weiter mit ihnen zu beschaftigen. Aber erst als mir von 1931 an das groBe Material des SPIELMEYERSchen Institutes zuganglich wurde, konnte ich diesen Fragen mit besseren Aussichten erneut nachgehen, zunachst durch Vergleich der Hirnbefunde genuiner und traumatischer Epileptiker deren Identitat feststellen und - was am wichtigsten war - einwandfreie Beziehungen von frischen Ver anderungen im Epileptikergehirn mit vorausgegangenen Krampfen herstellen. Gerade hieraus muBten sich die besten Perspektiven fUr Kenntnis und Beurteilung von Hirnbefunden bei Krampfkranken und die Rolle des Krampfes fUr ihr Zustandekommen ergeben. Da eine sichere Auswertung die Kenntnis der klini schen Verlaufe zur Voraussetzung hat, konnte das hierin haufig ungenugende Sammlungsmaterial nur beschrankt verwendet werden; es muBte meist der Ein gang neuen geeigneten Materials abgewartet werden. Hierbei habe ich die uneigennutzige Unterstutzung unseres damaligen Prosekturleiters Dr. KARL NEU BURGER gefunden, der am gleichen Problem mit den Herzbefunden interessiert war, und ohne dessen Mithilfe ich das beweisende Material kaum in der jetzigen Vollstandigkeit hatte sammeln konnen. Auch seinem Nachfolger, Professor VI SCHLEUSSING, bin ich fUr zahlreiche FaIle, besonders solche mit alten Verande rungen, zu Dank verpflichtet_ Was anfanglich nur ZUI Klarung der morphologischen Befunde bei der "Epi lepsie" unternommen worden war, hat sich im Laufe der Untersuchungen zu der allgemeineren Frage der Krampfschadigungen des Zentralnervensystems aus geweitet. Die uberraschenden Ergebnisse hinsichtlich der Schwere und Aus dehnung frischer Krampfschaden, uber die ich 1935 zum ersten Mal in Dresden berichtete, brachten die ursiiichliche Beziehung des Krampfes zu fruh erworbenen Schwachsinnszustiinden und. gewissen Formen del' cerebralen KinderIahmung; andererseits offenbarten sich Zusammenhange mit bestimmten, wohldennierten, abel' in ihrer Genese unklar gebliebenen, narbigen ZUBtanden im Gehirn wie aus gedehnten Windungsschrumpfungen, lobiiren Sklerosen und Hemispharenatrophien des GroB- und Kleinhirns und nal'bigen Zustanden im Striatum und Thalamus (Status mal'mol'atus). Daraus hat sich gleichzeitig die uberragende Bedeutung ergeben, welche del' Kl'ampf allein und. in Gemeinschaft mit anderen Prozessen und Schaden des Gehirns in del' Entstehung fruh el'worbener korperlicher und geistiger Defekte und schlieBlich auch del' epileptischen Demenz einnimmt. Obwohl ich fruher da und dort tiber Ergebnisse diesel' Untersuchungen bereits berichtet habe (Versammlung Deutscher Neurologen und Psychiater in Dresden 1935, der Deutschen Kinderarzte in Wiesbaden 1938, der Deutschen Neurologen und Psychiater in Tubingen 1947 und del' Schweizerischen Gesellschaft fUr Psychiatrie in Lausanne 1948), glaubte ich doch, die groBenteils aus eigenem Material gewonnenen Einsichten in einer umfassenden Darstellung vorlegen zu sollen. lch hoffe, daB es mir gelungen ist, den Rahmen fur eine pathologische Anatomie des Krampfes zu zeichnen und mit der Konstanz und relativen Haufig keit des Ausdruckes moglicher Hirnveranderungen einige neue klinische und him pathologische Aspekte zu begrunden. Vielleicht wenden damit auch dem, del' die Krampftherapie ausubt, einige lnformationen damber an die Hand gegeben, was dabei im Gehirn vorgeht odeI' vorgehen kann. Soweit auf pathophysiologische Ablaufe im Gehirn eingegangen wird, betreffen sie nicht die fUr unsere Betrach tungen zweitl'angige Frage Mch der Verursachung und cerebralen Reprasentanz des Krampfes; dem Ziele del' Mitteilung entsprechend. bleibt del' Blick aus8chlieB Iich auf die Vorgange wahrend oder nach dem Krampf gerichtet, wenn fUr die Auffassung der Hirnbefunde als Krampfschadigungen begreiflicherweise auch atiologische Gesichtspunkte berucksichtigt werden mussen. Wo spezielle Ergeb nisse an allgemeine Probleme del' Hirnpathologie ruhren, wurde auch deren Stand kurz umrissen und del' Versuch gemacht, sie im Lichte del' Besonderheiten des Krampfes zu sehen. Dank fUr die Mithilfe am Zustandekommen del' Monographie gebuhrt meinem friiheI'en Mitarbeiter Dozent Dr. HADDENBROCK, Gottingen, fiir t)berlassung des FalIes 10 del' Kasuistik, meinen Mitarbeiterinnen Frau FLAMM und Fraulein ZEULMANN fUr die Herstellung der Bilder bzw. Lesung del' Korrektur und nicht zuletzt dem Sprirt{/er-Verlag fur das verstandnisvolle Entgegenkommen in del' Zahl del' Abbildungen und die Bemuhungen urn deren mustergiiltige Wiedergabe. Munchen, im Dezember 1950. W. Scholz. Inhaltsverzeiehnis. Selte Einleltung . . .. . . . . . . 1 A. Die pathogenetisehe Situation 1m Gehirn 4 B. Die Histologle der Kramplsehiiden . 17 C. Die Topographle der Kramplsehiiden 24 1. Die .Ammonshornveranderung 24 2. Die Kleinhirnrindenveriinderungen 29 3. Thalamusveranderungen. . . . . 34 4. Die Befunde in der Grollhirnrinde 36 5. Befunde in anderen Kerngebieten (Nucleus dentatus, Nucleus olivaris inferior, Corpus striatum). . . • . • . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . 51 6. Veranderungen am Herzmuskel . • . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Die Frage der Spezilitiit der Befunde und die morphologisehe Diagnose' des Krampl. sehadens . . . . . . . . . . . . . . . 56 E. Kasuistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Frische Krampfschiiden (Fall 1-4-) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Alte Krampfschii.den (Fall 5-10) und ihre Beziehungen zu bekannten Rim· befunden bei Schwachsinnszustiinden und cerebraler Kinderlahmung . . . . 69 F. Kombination von eerebralen Krampfsehiiden mit prozeBhaften und statloniiren Hirn· befunden anderer Genese . . . . . . . . . 96 G. Experimentelle bzw. therapeutisehe Krampfsehiiden. . . . . . . . . . . . . . . 99 H. Die Bedeutung von Spontankriimpfen fiir die Entstehung korperlieher und geistiger Defekte . 104 Literatur. . . . . . 110 Namenverzeichnis 115 Sachverzeichnis . 116 Einleitung. Der generalisierte Krampf in seiner typischen Form mit plotzlich eintretendem BewuBtseinsverlust, tonischem und klonischem Stadium ist nach heutiger Auf fassung ein bei allen Warmbliitern in nuce vorhandener cerebraler Ablauf, der zwar eine bestimmte Krankheit, die man genuine oder idiopathische Epilepsie nennt, charakterisiert, aber ebenso innerhalb vieler anderer Krankheitsverlaufe mit und ohne organische Veranderungen am Zentralnervensystem auftritt. Er kann auf verschiedene Weise jederzeit willkiirlich ausgelOst werden, ein Umstand, der seine Anwendung in der psychiatrischen Therapie ermoglicht. Einmal in Gang gebracht, nimmt er unabhangig von der auslOsenden Ursache seinen Ablauf nach eigenen Gesetzen. Fraglos macht ein generalisierter Krampf auf den Unbe fangenen den Eindruck eines dramatischen, ja katastrophalen Ereignisses. Der Erfahrene nimmt ihn weniger ernst, weil der einzelne Krampf in der Regel keine bleibenden Folgen hinterlaBt. Die Scheu davor ist so weit zuriickgetreten, daB die therapeutische Provokation von Krampfen mittels bestimmter Medikamente oder durch den elektrischen Strom in der Therapie der Geisteskrankheiten heute zur Selbstverstandlichkeit geworden ist, urn so mehr als damit bei manchen Krankheiten anderweitig nicht erzielbare Heilerfolge erreicht werden. Das bedeu tet nicht, daB der generalisierte Krampf fUr den Kranken eine gleichgiiltige oder gefahrlose Sache ist. Der therapeutische Erfolg scheint von der Annaherung an einen Gefahrenpunkt geradezu abhangig zu sein. Fliichtige neurologische Sym ptome wie Pupillenstarre, gelegentlich postparoxysmale Pyramidenzeichen, langer dauernde Dammerzustande u. a. m.lehren, daB dieser pathophysiologische Ablauf auf den Organismus nicht ohne mindestens funktionelle Riickwirkungen bleibt. Die Erfahrung in der Klinik und die Statistiken der Epileptikeranstalten zeigen dariiber hinaus, daB eine nicht geringe Zahl von Krampfkranken auch ohne hinzutretende Komplikationen oder Zwischenfalle in Krampfen zugrunde geht. Besonders die letalen Ausgange von Krampfserien vermitteln den Eindruck eines Hirntodes. Auch die Padiater haben ihre Erfahrungen mit der Gefahrlichkeit von Kinderkrampfen. Mit besonderer Nachdriicklichkeit wurden deren Gefahren im erste n Jahrzehnt dieses Jahrhunderts durch die Konvulsionen bei der Sauglings tetanie vor Augen gefUhrt. Dem Bericht BIRKS fiber Kinderkrampfe ist zu ent nehmen, daB die Sterblichkeitszifler damals eine Hohe bis zu ca. 60% erreichte. Katamnestische Untersuchungen von BIRK u. THIEMIG an Kindern, die eine Spasmophilie mit Konvulsionen iiberstanden hatten, ergaben iiberdies, daB nur ein Drittel dieser FaIle eine normale Weiterentwicklung zeigte, wahrend ein wei teres Drittel Abartigkeiten auf charakterlichem Gebiet und das letzte Drittel Defekte in der inteIlektueIlen und korperlichen Sphare aufwies. Die Deutung, welche BIRK u. THIEMIG diesen auffalligen Ergebnissen auf Grund der damaligen Anschauungen gaben, zieht freilich die Moglichkeit einer Hirnschadigung durch Krampfe nicht in Betracht. Sie glaubten vielmehr an eine vererbte neuropathische Anlage, die gleichzeitig den Boden fUr eine Bereitschaft zu Krampfen abgabe. Scholz, Krampfschildigungen des Gehirns. 1 2 Einleitung. Angesichts der hohen Sterblichkeitsziffer wird der Unbefangene bei diesen Ergebnissen aber den Gedanken an eine Hirnschadigung durch Konvulsionen nicht unterdriicken konnen. Denn wie bei jedem Krankheitsgeschehen ist auch hier anzunehmen, daB sich zwischen die Sterbenden und Genesenden die Falle einschieben, die mit Defekt heilen. Es gelten allgemeine Krampfe ja auch im Verlauf anderer allgemeiner Erkrankungen wie Keuchhusten und sonstiger Infektionen, ferner bei Uramie und in der Schwangerschaft als ein alarmierendes Zeichen, obwohl es sich hierbei ebensowenig wie bei der Tetanie um eine prozeB hafte Erkrankung des Zentralnervensystems handelt. Zu oft wurden und werden Krampfe noch als Ausdruck eines cerebralen Prozesses betrachtet. Sicher spielen sie in der Symptomatologie organischer Hirnerkrankungen eine wichtige Rolle. Sie konnen langere Zeit sogar ihr einziges Symptom sein. Es ware aber irrig, sie in ihrer diagnostischen Bedeutung anderen neurologischen Symptomen etwa einem Pyramidenzeichen oder einer Athetose gleichzusetzen; allzu haufig ist der pathologisch-anatomische Befund hinsichtlich einer hirnprozeBhaften Verur sachung von Krampfen eben negativ. So spricht schon die Betrachtung der Sachlage yom lebenden Objekt her dafiir, daB der pathophysiologische Ablauf des allgemeinen Krampfes kein fUr den Organismus gleichgiiltiges Ereignis ist, und daB dabei das am meisten bedrohte Organ das Gehirn selbst ist. Man hatte dies schon lange gesehen, und namhafte Forscher wie OSLER (1888) und B. SACHS (1892) hatten die Auffassung vertreten,. daB der Krampf unter den Ursachen jener Hirnveranderungen, die ihren klini schen Ausdruck im Bild der cerebralen Kinderlahmung finden, eine nicht unbe deutende Rolle spiele. Der Mangel an pathologisch-anatomischer Erfahrung, das Unvermogen der Beurteilung der erst viel spater analysierten frischen Hirnver anderungen nach Krampfen und die daraus sich ergebenden Vorurteile hatten es aber verhindert, dieser von der klinischen Erfahrung nahegelegten Erkenntnis allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Auch FREUD, der diese Frage in seiner groBen Monographie sehr vorsichtig priift und zugibt, daB sich "diese Lehre bisher nicht griindlich hat widerlegen lassen", konnte sich den damals herrschenden Anschauungen nicht entziehen. Und doch hatte schon in dieser Zeit einer auf autoptische Befunde hingewiesen, welche dieser Lehre eine starke Stiitze hatten geben miissen. Es war der Anstaltsarzt PFLEGER, der im Jahre 1882 auf Grund von Leichenbefunden mit frischen Veranderungen des Ammonshornes zu der Dberzeugung kam, daB der konstanteste Befund bei der idiopathischen Epilepsie, eben die Ammonsb:ornveranderung, eine Folge der mit den Krampfen verbundenen Durchblutungsstorung sei. Freilich konnte erst SPIELMEYER in seiner grund legenden Arbeit im Jahre 1927 mit histologischen Untersuchungen iiber die Patho genese des epileptischen Krampfes Klarheit dariiber schaffen, daB mit dem Krampfgeschehen verbundene funktionelle Storungen der Blutzirkulation die Ursache der Ammonshornveranderungen und der von ihm gleichfalls als Krampf schaden beschriebenen Lappchenatrophien des Kleinhirns sind. Das war bis zum Jahre 1930 freilich auch alles, was man von Krampfschadigungen des Gehirns kannte. Es war aber immerhin soviel, daB damit alle wesentlichen konstanten Hirnbefunde bei der idiopathischen Epilepsie umschrieben schienen und ich bei einer handbuchmaBigen Darstellung der pathologischen Anatomie dieser Krank heit (1930) darauf hinweisen konnte, daB damit fUr den vermuteten destruktiven Einleitung. 3 HirnprozeB der Epilepsie kein Raum mehr bliebe. Dieselbe Auffassung hat VON BRAUNMUHL in seinem pathologisch-anatomischen Epilepsie-Referat im .Jahre 1937 vertreten, nachdem meine 1933 und 1935 veroffentlichten Unter suchungen bereits eine bedeutende Erweiterung des Rahmens und der Ausdehnung paroxysmaler Hirnschaden gebracht hatten. Bei dieser Sachlage war kaum mehr daran zu zweifeln, daB die mit dem Krampf verbundenen Vorgange zu bleibenden und ausgedehnten Schaden im Gehirn fUhren konnen. Der endgliltige Beweis daflir, daB es der Krampf ist, der den Schaden macht, wurde dadurch erbracht, daB dieselben Veranderungen auch auBerhalb des Rahmens der genuinen Epilepsie bei Krampfen der verschiedensten Genese gefunden wurden, so von SPIELMEYER bei der HUNTINGTONSchen Krankheit, von mir bei familiarer Leukodystrophie und amaurotischer Idiotie mit Krampfen, von HUSLER u. SPATZ bei der Keuch husteneklampsie, von MERRITT bei Anfallsparalysen usf. Auch der Hirnbefund des traumatischen Epileptikers ist, abgesehen yom lokalen traumatischen Schaden, der gleiche wie der des genuinen Epileptikers, so daB HILLER in seiner Darstellung der Zirkulationsstorungen des Gehirns bereits im Jahre 1936 sagen konnte, daB damit eine "Anatomie der epileptischen Krampjzustiinde, gleich welcher Entstehung" gegeben sei, die sich auch in den Befunden bei den verschiedensten Formen der Eklampsie wiederfinde. Freilich war bei der GeringfUgigkeit der zuerst bekannt gewordenen Krampf schaden, die sich auf Nervenzellausfalle in Teilen der Ammonsformation des Hippocampus und die Atrophie einzelner Kleinhirnlappchen beschrankten, der Anreiz gering, ihrer klinischen Bedeutung nachzugehen. Das hat sich im Laufe weiterer Untersuchungen geandert. Bereits 1930 machte MINKOWSKI auf die gelegentliche gleichartige Beteiligung der unteren Oliven aufmerksam. Ich selbs!; fand in der erwahnten groBeren Untersuchungsreihe frischer Krampfschaden aus dem Jahre 1933 neben den typischen Ammonshorn- und Kleinhirnveranderungen in einem hohen Prozentsatz die Teilnahme des Thalamus und der GroBhirnrinde mit gleichgearteten Veranderungen verschiedener Form und Ausdehnung. Neben einer fallweise liber groBe Gebiete der Hirnrinde verbreiteten disseminierten Nekrose der Ganglienzellen und ausgedehnten schichtfOrmigen Nervenzellunter gangen boten sich mir schlie13lich Befunde dar, bei denen sich ein fleckiger oder auch vollstandiger Nervenzellausfall in der Hirnrinde liber ganze Hirnlappen erstreckte (1935). Dazu kam der haufige Befall des Nucleus dentatus (VON BRAUN MUHL 1938) und die gleichfalls nicht seltene Beteiligung des Striatums (SCHOLZ, WAKE U. PETERS 1938). Damit gewinnt die Frage der Krampfschaden fUr Klinik und Hirnpathologie aber eine ganz andere Bedeutung. Es ist ein Teil der Aufgabe dieser Veroffentlichung zu zeigen, in welchem Umfang und mit welcher Haufigkeit sich Krampfschaden klinisch und im Hirn befund manifestieren und in welchem Gewande sie erscheinen. Die erfolgreiche Beantwortung dieser Frage aber ist abhangig davon, ob das morphologische Bild konstant und komplex genug ist, urn ein Schema aufzustellen, das als fester morphologischer Ausdruck generalisierter Krampfe zuverlassig angesprochen und aus dem Hirnbefund wiedererkannt werden kann; mit anderen Worten, ob es mOglich ist, yom Hirnbefund her zu sagen, ob der Trager des Gehirns zu einer Zeit seines Lebens an generalisierten Krampfen gelitten hat. Die Stellungnahme zu diesen Fragen, zu deren positiver Beantwortung HILLER auf Grund des 1* 4 Die pathogenetische Situation im Gehirn. erweiterten morphologischen Krampfschemas schon 1936 neigte, erfordert eine gedrangte tJbersicht iiber Morphologie und Pathogenese der Hirnveranderungen, besonders soweit sich seit .len SPIELMEYERSchen Untersuchungen neue Befunde und Gesichtspunkte ergeben haben. Ferner macht die Riickfiihrung sehr aus gedehnter und schwerer frischer Hirnschaden auf das Krampfgeschehen, die Inbeziehungsetzung dieser frischen Veranderungen zu umfangreichen sklerotischen Schrumpfungsvorgangen am Gehirn, und der aus der Krankheitsentwicklung zu erschlieBende Zusammenhang solcher narbigen Riickstande mit friiheren Kram pfen die AnfUhrung einiger charakteristischer Beispiele notwendig. Auch die Identifizierung bekannter aber bisher pathogenetisch nicht geklarter Hirnbefunde wie lobarer Hirnsklerosen und atrophischer Zustande ganzer Hemispharen des GroB- und Kleinhirns mit Krampfschaden kann iiberzeugend nur am Einzelfall vorgenommen werden. Auf die Darstellung des umfangreichen Gesamtmaterials, das von mir im Laufe von 18 Jahren gesammelt, dieser Untersuchung zugrunde gelegt ist, kann verzichtet werden. Wenn hier entgegen dem Brauch, den Gewebsbefunden eine kurze Darstellung der pathogenetischen Situation im Gehirn beim Krampf vorangestellt wird, so geschieht das, urn der Art, Form und Lokalisation des morphologischen Effektes von vornherein eine Begriindung zu geben. Uberdies sind wesentliche Ziige'der Pathogenese der geweblichen Veranderungen in den Durchblutungsstorungen einer direkten Veranschaulichung zuganglich und miissen nicht erst durch Riick schliisse yom geweblichen Effekt her gewonnen werden. A. Die pathogenetische Situation im Gehirn. Als SPIELMEYER 1927 die Pathogenese der Ammonshorn- und Kleinhirn veranderungen erorterte, hatte er sich auf die Natur der frischen Gewebsverande rungen und die Beobachtungen der Chirugen am freiliegenden Gehirn bei generali sierten Krampfen gestiitzt. Die Art des Nervenzellunterganges innerhalb "unvoll standiger" Gewebsnekrosen, wie er es nannte, war dieselbe, die er bei funktionellen Kreislaufstorungen der verschiedensten Genese beobachtet hatte. Er hatte ihr den Namen "ischamische Nervenzellveranderung" gegeben, nachdem sich gezeigt hatte, daB ihr Vorkommen auf die Wirksamkeit dieses pathogenetischen Faktors beschrankt zu sein schien. Mit dem RiickschluB einer kreislaufbedingten Genese dieser Gewebsveranderungen standen die von chirurgischer Seite beobachteten schweren Storungen der Blutzirkulation vor und im Krampfanfall im Einklang. Das wesentliche Moment schien SPIELMEYER die von HORSLEY, FOERSTER, HARTWELL u. KENNEDY, LERICHE u. a. beobachtete praparoxysmale Anamie mit Vo lumensverringerung des Gehirns zu sein, und er sah deshalb in dieser dem Krampfv orausgehenden angiospastischenAnamie nicht nurdas auslOsende Moment fUr den Krampf, sondern auch die Ursache fUr die im Zusammenhang damit auftretenden Hirngewebsveranderungen. Freilich konnten andere Chirurgen wie F. KRAUSE in der alsbald von schweren paroxysmalen Stauungen abgelosten praparoxysmalen Anamie kein obligates Phanomen sehen. Konstant war nur die im Anfall auftretende massive Fiillung der cerebralen BlutgefaBe, wobei es nach PENFIELD sagar zur Eroffnung arteriovenoser Anastomosen kommt. Auf die aufschluBreiche Studie PENFIELDS iiber die vascularen Vorgange beim Krampf

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