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Die Internationale Politische Ökonomie nach der Weltfinanzkrise: Theoretische, geopolitische und politikfeldspezifische Implikationen PDF

249 Pages·2014·1.656 MB·German
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Sonderheft der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik Sonderheft 5 | 2013 Supplement 1 | 2013 Herausgegeben von Th. Jäger, Köln, Deutschland Hans-Jürgen Bieling • Tobias Haas • Julia Lux (Hrsg.) Die Internationale Politische Ökonomie nach der Weltfi nanzkrise Theoretische, geopolitische und politikfeldspezifi sche Implikationen Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZfAS) www.zfas.de Gegründet von Thomas Jäger Herausgeber: Thomas Jäger (Universität zu Köln) Beirat: Heiko Borchert (Luzern), Wilfried von Bredow (Philipps-Universität Marburg), Jürgen Chrobog (München), Peter Croll (Bonn), Michael Dauderstädt (Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn), Beatrice de Graaf (Campus The Hague, Universität Leiden), Tobias Debiel (Institut für Entwicklung und Frieden, Universität Duisburg-Essen), Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (Guttenberg), Hans J. Gießmann (Berg- hof Research Center for Constructive Con(cid:192) ict Management, Berlin), Christian Hacke (Universität Bonn), Beatrice Heuser (University of Reading), Hartwig Hummel (Universität Düsseldorf), Jackson Janes (American Institute for Contemporary German Studies, Washing- ton), Josef Janning (Bertelsmann Stiftung, Gütersloh), Mathias Jopp (Institut für Europäische Politik, Berlin und Universität Tübingen), Karl-Heinz Kamp (BAKS, Berlin), Roland Kaestner (Institut für strategische Zukunftsanalyse, Hamburg), Martin Kobler (Auswärtiges Amt, Berlin), Friedrich Wilhelm Kriesel (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Köln), Gerhard Kümmel (Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam), Hans-Jürgen Lange (Private Universität Witten/Herdecke), Marika Lerch (Europäisches Parlament, Ausschuss für Entwicklungspolitik, Brüssel), Peter Lock (European Association for Research on Transformation, Hamburg), Reinhard C. Meier-Walser (Hanns-Seidel-Stiftung, München), Dirk Messner (Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Bonn), Holger Mey (CASSIDIAN, München), Rolf Mützenich (MdB, Berlin), Melanie Piepenschneider (Konrad-Adenauer-Stiftung, Wesseling b. Köln), Hans- Joachim Preuß (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Eschborn), Karl Rose (Shell International, Den Haag), Lothar Rühl (Universität zu Köln), Peter Runge (CARE Deutschland-Luxemburg, Bonn), Thomas Saalfeld (Otto-Friedrich Universität, Bamberg), Eberhard Sandschneider (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Berlin), Hans-Peter Schwarz (Universität Bonn/München), Horst Teltschik (Rottach-Egern), Ralph Thiele (Politisch-Militärische Gesellschaft e.V., Köln), Claudia Wörmann (Bundesverband der Deutschen Industrie, Berlin). Redaktion: Simon Ruhnke (Leitender Redakteur), Danae Ankel, Anna Daun, Mischa Hansel, Miriam Möller, Friederike Sawatzki (alle Universität zu Köln). Redaktionsassistenz: Yvonne van Diepen, Rainer Lenzen, Frank Pastusiak Facebook: Simon Ruhnke, Rainer Lenzen Anschrift der Redaktion: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik, Lehrstuhl für Internationale Politik und Außenpolitik, Universität zu Köln, Gottfried-Keller-Straße 6, 50931 Köln. E-Mail: [email protected] Tel.: (02 21) 4 70-2122, Fax: (02 21) 4 70-6732. Springer VS | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH Abraham-Lincoln-Straße 46 | 65189 Wiesbaden Amtsgericht Wiesbaden, HRB 9754 USt-IdNr. DE 811148419 Geschäftsführer: Armin Gross | Peter Hendriks | Joachim Krieger Direktor Sozialwissenschaften & Forschungspublikationen: Dr. Reinald Klockenbusch Programmleitung: Dr. Andreas Beierwaltes Gesamtleitung Marketing: Rolf-Günther Hobbeling Gesamtleitung Anzeigen und Märkte: Armin Gross Leserservice: Springer Customer Service Center GmbH, Service VS Verlag, Haberstr. 7, D-69126 Heidelberg, Telefon +49 (0)6221/345-4303; Telefax +49 (0)6221/345-4229; Montag bis Freitag 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr E-Mail: [email protected] Marketing: Ronald Schmidt-Serrière M.A., Telefon (06 11) 78 78-280; Telefax (06 11) 78 78-440; E-Mail: [email protected] Anzeigenleitung: Yvonne Guderjahn, Telefon (06 11) 78 78-155; Telefax (06 11) 78 78-430; E-Mail: [email protected] Anzeigendisposition: Monika Dannenberger, Telefon (06 11) 78 78-148; Telefax (06 11) 78 78-443; E-Mail: [email protected] Anzeigenpreise: Es gelten die Mediadaten vom 1.11.2009 Produktion: Dr. Andreas Vogel E-Mail: [email protected] Bezugsmöglichkeiten 2013: Jährlich erscheinen 4 Hefte. Jahresabonnement/privat (print+online) Euro 129,–; Jahresabonnement/ privat (nur online) Euro 128,–; Mitglieder der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) erhalten 25% Rabatt auf den Abonnement-Preis privat; Jahresabonnement/Bibliotheken Euro 398,–; Jahresabonnement Institutionen/Unternehmen (nur print) Euro 298,–; Jahresabonnement Studenten/Emeritus (print+online) – bei Vorlage einer Studienbescheinigung Euro 74,–. Alle Print-Preise zuzüg- lich Versandkosten. Jedes Abonnement Print und Online beinhaltet eine Freischaltung für das ZfAS-Archiv. Der Zugang gilt ausschließlich für den einzelnen Empfänger des Abonnements. Für eine Freischaltung des Unternehmens/Bibliothek/Institution wenden Sie sich bitte an Herrn Rüdiger Schwenk (Tel.: +49(0)611-7878357 oder [email protected]). Alle Preise und Versandkosten unterliegen der Preisbindung. Die Bezugspreise enthalten die gültige Mehrwertsteuer. Kündigungen des Abonnements müssen spätestens 6 Wochen vor Ablauf des Bezugszeitraumes schriftlich mit Nennung der Kundennummer erfolgen. Jährlich können Sonderhefte erscheinen, die nach Umfang berechnet und den Abonnenten des laufenden Jahrgangs mit einem Nachlass von 25% des jeweiligen Ladenpreises geliefert werden. Bei Nichtgefallen können die Sonderhefte innerhalb einer Frist von 3 Wochen zurück- gegeben werden. © Springer VS|Springer Fachmedien Wiesbaden. Alle Rechte vorbehalten. KeinTeil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfältigt oder verbreitet werden. Unter dieses Verbot fällt insbesondere die gewerbliche Vervielfältigung per Kopie, die Aufnahme in elektronische Datenbanken und die Vervielfältigung auf CD-ROM und alle anderen elektronischen Datenträgern. Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. Satz: Crest Premedia Solutions, Pune, India Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. ISSN 1866-2188 (Print); ISSN 1866-2196 (Online) Inhalt Einleitung: Entwicklung und Perspektiven der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) nach der Welt(cid:191) nanzkrise H ans-Jürgen Bieling / Tobias Haas / Julia Lux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Neue Fragestellungen, theoretische Konzeptionen und Herausforderungen der IPÖ Gesellschaftliche Präferenzbildung in der Global Economic Governance M ichael M. Franke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Der Konstruktivismus als Ansatz der Globalen Politischen Ökonomie? O liver Kessler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Vergleichende Kapitalismusforschung im Zeitalter der Krise der Finanzialisierung: Vom inter-nationalen zum inter-temporalen Studium ökonomischer Institutionen A ndreas Nölke / Christian May . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Zur Herrschaftssoziologie und Geopolitik der Krise: Perspektiven einer historisch materialistischen Internationalen Politischen Ökonomie S tefan Schmalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Die Welt(cid:191) nanz- und Wirtschaftskrise und ihre regionalen/geopolitischen Folgen Die Post-hegemoniale USA? C hristoph Scherrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Weltmacht EU? Die Folgen der Eurokrise für die globale Stellung der EU H ubert Zimmerman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Identität und Außenwirtschaftspolitik der Volksrepublik China in Jahrzehnten der Krise D irk Nabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Die Welt(cid:191) nanzkrise in Lateinamerika: Fragile Stabilität? J oachim Becker / Johannes Jäger / Bernhard Leubolt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Die Welt(cid:191) nanzkrise im Kontext weiterer Krisen-, Problem- und Kon(cid:192) iktfelder Zwischen Erwartung und Realität – Eine kritische Bilanz der G20 Finanzmarkt- und Wirtschaftsreformen B rigitte Young . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Business as usual – Der ausbleibende Protektionismus in der Wirtschaftskrise M aria Behrens / Holger Janusch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Agrarpolitik und Ernährungssicherheit im Strudel der Finanzkrise M arian Feist / Doris Fuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Die Klima- und Energiepolitik in der Krise? Zu Kohärenzproblemen am Beispiel der EU A chim Brunnengräber / Tobias Haas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 Die Krise als Auslöser eines neuen europäischen Kon(cid:192) iktzyklus? H ans-Jürgen Bieling / Tobias Haas / Julia Lux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 . Z Außen Sicherheitspolit (2013) 6:1–10 DOI 10.1007/s12399-013-0366-8 Einleitung: Entwicklung und Perspektiven der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) nach der Welt(cid:191) nanzkrise Hans-Jürgen Bieling · Tobias Haas · Julia Lux 1 Die Genese einer neuen Interdisziplin B ei der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) handelt es sich sowohl um eine sehr alte als auch recht junge Disziplin im Schnittfeld von politik- und wirtschaftswissen- schaftlichen Themen und Fragestellungen. Sie ist sehr alt, da sich bereits die Klassiker der Politischen Ökonomie – Adam Smith, David Ricardo, Friedrich List, Karl Marx, Karl Polanyi etc. – mit grenzüberschreitenden, mithin trans- und internationalen Dynamiken befasst hatten. Sie ist aber insofern recht jung, als die IPÖ erst seit den 1970er Jahren als ein klar identi(cid:191) zierbarer Forschungsbereich in der akademischen Welt institutionalisiert wurde. Dieser Institutionalisierungsprozess erfolgte zunächst im anglo-amerikanischen Raum und re(cid:192) ektierte insbesondere die sich mehrenden internationalen politökonomi- schen Umbruchtendenzen, etwa den raschen Aufholprozess Westeuropas und Japans gegenüber den USA, die wachsende Bedeutung transnationaler Konzerne, den Zusam- menbruch des Bretton-Woods-Systems oder auch die weltwirtschaftlichen Krisenpro- zesse der 1970er Jahre. Diese und andere Entwicklungen veranlassten zunächst einige – Benjamin Cohen ( 2008 ) identi(cid:191) ziert sieben „glorreiche Gründungs(cid:191) guren“: Robert Keohane, Robert Gilpin, Susan Strange, Charles Kindleberger, Robert Cox, Steven Kras- ner und Peter Katzenstein – und schließlich mehr und mehr WissenschaftlerInnen, sich der Analyse politökonomischer Phänomene zuzuwenden und die IPÖ als aufkeimende Interdisziplin durch Publikationen, Forschungsprojekte, akademische Sektionen und neue Studiengänge im Wissenschaftssystem zu verankern. Online publiziert: 13.11.2013 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 Prof. Dr. H.-J. Bieling ( (cid:13) ) · T. Haas · J. Lux Institut für Politikwissenschaft, Universität Tübingen , M elanchthonstr. 36, 7 2072 T übingen, D eutschland E-Mail: [email protected] T. Haas E-Mail: [email protected] J. Lux E-Mail: [email protected] Hans-Jürgen Bieling et al. (Hrsg.), Die Internationale Politische Ökonomie nach der Weltfi nanzkrise, DOI 10.1007/978-3-658-04120-5_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013 2 H.-J. Bieling et al. I m Vergleich zur anglo-amerikanischen Diskussion erfolgte die Institutionalisierung der IPÖ in Kontinentaleuropa, so auch in Deutschland, mit einer gewissen Zeitverzöge- rung (Bieling 2011; Schirm 2013 ). Um nicht missverstanden zu werden: An Debatten und analytischen Beiträgen bestand auch hier in den 1970er Jahren kein Mangel. Als eine eigenständige Interdisziplin konnte sich die (Internationale) Politische Ökonomie aber nicht etablieren, da der Begriff aufgrund der Assoziation mit neo-marxistischen Analyse- perspektiven vielfach Abwehrreaktionen hervorrief. Diese Abwehrhaltung ließ in dem Maße nach, wie auch hierzulande die mitunter sehr inspirierenden internationalen Dis- kussionen zur Kenntnis genommen wurden und die forcierte Globalisierungsdynamik seit den 1980er Jahren die sozialwissenschaftliche Forschung mit politökonomischen Prob- lemen und Krisenprozessen konfrontierte. Gestützt auf einige Professuren, Forschungs- und Arbeitszusammenhänge sowie eine wachsende Zahl an Publikationen, Tagungen und einzelnen Studiengängen schreitet die Etablierung der IPÖ auch in Deutschland seit eini- ger Zeit voran. T hematisch ist die IPÖ sehr breit aufgestellt. Sie befasst sich im Prinzip mit allen Phänomenen der Globalisierung, von den Handelsbeziehungen, der Produktionsorgani- sation und den Finanzmärkten über die Arbeitsbeziehungen und Wohlfahrtsstaaten bis hin zu internationalen Übereinkommen und Regimen, einschließlich der veränderten Formen der staatlich-privaten Kooperation und der Herausbildung transnationaler poli- tischer Autorität und Kontrolle. Auch räumliche, mithin geographische oder sozialkul- turelle Aspekte spielen vielfach eine Rolle. Dies lässt erkennen, dass sich die IPÖ als Interdisziplin keineswegs nur an der Schnittstelle von Ökonomie und Politikwissenschaft bewegt, sondern auch – zumindest zum Teil – Fragestellungen und Impulse benachbarter Fächer wie etwa der Soziologie, der Wirtschafts- und Humangeographie oder auch der Geschichtswissenschaft aufgreift. Die interdisziplinären Anregungen mögen eine strikte De(cid:191) nition oder sogar Kanonisierung des Forschungsfeldes erschweren. Vor allem aber stimulieren sie lebhafte Diskussionen und neue Forschungspraktiken. Hierbei werden auch die alten Pfade, die die IPÖ-Debatte über einen langen Zeitraum geprägt hatten, d. h. die Untergliederung des Forschungsfeldes in eine merkantilistisch-realistische, eine liberal-institutionalistische und eine historisch-materialistische IPÖ (Gilpin 1 987; Bier- stecker 1 993) , vielfach verlassen. In diesem Prozess sind freilich auch neue Trennlinien und Abgrenzungen entstanden. So wurde in den vergangenen Jahren wiederholt darüber debattiert, ob, inwiefern und warum das Forschungsfeld durch eine transatlantische Kluft geprägt ist (Cohen 2 007; Phillips und Weaver 2 011) . Auf der einen Seite ist die amerika- nische IPÖ tendenziell durch ein akteurszentriertes Paradigma gekennzeichnet, das mit Blick auf die Trennung und Interaktion von Staaten und Märkten insbesondere die Inte- ressen und zum Teil auch Diskurse der beteiligten AkteurInnen beleuchtet. Deren Rele- vanz wird dabei mithilfe spezi(cid:191) scher Modelle und Hypothesen empirisch erforscht und belegt. Diesem eher rationalistisch-positivistischen Zugriff steht auf der anderen Seite eine von Großbritannien ausgehende post-positivistische IPÖ gegenüber, die sehr viel stärker auch (trans-)nationale gesellschaftliche Strukturen und diesen eingeschriebene, d. h. durch Klassen, Gender und Ethnien konstituierte Machtbeziehungen und Diskurse in die Analysen mit einbezieht. Diese Gegenüberstellung ist sicherlich – die kontroversen Reaktionen vieler promi- nenter WissenschaftlerInnen haben dies deutlich gemacht – stilisiert und etwas überzo- Einleitung: Entwicklung und Perspektiven 3 gen. Sie verdeutlicht zugleich aber auch, dass in der IPÖ sehr heterogene, nicht selten stark divergierende Analysen und Interpretationsangebote konkurrieren. Das vorliegende ZfAS-Sonderheft verfolgt in diesem Zusammenhang vor allem zwei Ziele. Das erste Ziel besteht darin, im Sinne eines s tate of the art ohne Anspruch auf Vollständigkeit1 einen breiten Überblick über die teils konkurrierenden, teils komplementären Perspektiven der deutschsprachigen IPÖ-Debatte zu geben. Das zweite, hiermit verknüpfte Ziel, macht darauf aufmerksam, dass ein solches Unterfangen derzeit nicht ganz leicht zu bewerk- stelligen ist. Schließlich be(cid:191) nden wir uns in einer durch die Welt(cid:191) nanzkrise von 2008/09 ausgelösten Krisen- und Transformationsphase, deren weiterer Verlauf in vielfacher Hin- sicht ungewiss ist. Unter Berücksichtigung der offenkundigen Unsicherheiten geht es demzufolge darum, in einer Art Zwischenbilanz die Implikationen der Krisenprozesse für die Forschung und die IPÖ als Interdisziplin wie auch für den Forschungsgegenstand selbst, also die internationale politische Ökonomie (ipÖ), auszuleuchten. 2 Die Welt(cid:191) nanzkrise und die Folgen D ie in diesem Heft versammelten Beiträge haben zwar jeweils einen spezi(cid:191) schen Fokus, wenden sich darüber hinaus aber allesamt den anhaltenden Krisenprozessen zu, über deren Ursachen und Charakter keineswegs Einigkeit besteht. In gewisser Weise ist dieser Sachverhalt in der Krise selbst angelegt. Denn per de(cid:191) nitionem sind Krisen Phasen einer tiefen Erschütterung und Verunsicherung, also Zeiträume der Entscheidung oder poten- ziellen Wende, in der auch die tradierten Interpretationsmuster in Frage gestellt, zumin- dest aber überprüft werden. Im Unterschied zu den HistorikerInnen, die den Charakter und Verlauf einer Krise von ihrem Ende her bestimmen können, bewegen sich die übrigen Sozialwissenschaften, so auch die IPÖ, in der Jetztzeit. Dies hat den Nachteil, dass die unterbreiteten Krisendiagnosen unter den Bedingungen erhöhter Unsicherheit erfolgen und sich gegenüber konkurrierenden Analysen und Interpretationsangeboten behaupten müssen. Dies verdeutlicht: Krisen sind nicht einfach gegeben. Als Referenzpunkt der gesellschaftlichen Kommunikation und als Medium der Bearbeitung sozialer Prozesse, so bereits Reinhart Koselleck ( 1973 , S. 105–146), sind sie vielmehr – nicht nur, aber auch – sozial konstruiert, ohne dass bereits klar ist, ob und in welche Richtung die diskursiven Konstruktionen letztlich wirken. U ngeachtet der angesprochenen Unsicherheiten, analytischen Schwierigkeiten und kontroversen Interpretationen sind die politökonomischen Diskussionen durch eine über- greifende Grundauffassung gekennzeichnet. So wird allgemein davon ausgegangen, dass die Welt(cid:191) nanzkrise der Jahre 2008/09 und die an sie anschließenden Krisendynamiken kein gewöhnliches, d. h. rasch vorbeiziehendes Phänomen darstellen. Es handelt sich nicht einfach nur um ein reinigendes Gewitter, nach dem b usiness as usual betrieben werden kann, sondern vielmehr um einen Einschnitt, in dem die gesellschaftlichen Akteu- 1 D er Band beinhaltet keine Artikel, die sich schwerpunktmäßig mit Geschlechterverhältnissen, der Rolle Afrikas und den Nord-Süd-Beziehungen im Allgemeinen beschäftigen. Auch ist ein gewisser Eurozentrismus bei der Repräsentation der deutschsprachigen Debatte nicht zu ver- meiden. 4 H.-J. Bieling et al. rInnen und politischen EntscheidungsträgerInnen nicht umhin kommen, neue Weichen zu stellen und unbetretene Pfade zu beschreiten. Gerafft stellt sich der Krisenverlauf wie folgt dar (Bieling 2009 ): Zunächst hatte die Fed, die US-amerikanische Zentralbank, nach dem Platzen der Dotcom-Blase zu Beginn des Jahrtausends das Wachstum durch niedrige Zinsen befeuert. In Verbindung mit der Deregulierung der Hypothekenkredite trug diese Politik des billigen Geldes mit dazu bei, dass sich eine Immobilienblase bildete. Als die ersten Kredite nicht mehr bedient werden konnten, folgte eine Kettenreaktion: Die Banken liehen sich kaum noch Geld, Immo- biliengesellschaften mussten Insolvenz anmelden, Banken gerieten in Schie(cid:192) age, die Investmentbank Lehman Brothers ging im September 2008 gar in Konkurs. Die Immobi- lienkrise weitete sich schnell zu einer Banken-, Finanz- und schließlich einer Wirtschafts- krise aus. Bereits im Jahr 2008 sank das BIP in den USA um 0,4 % , im Jahr darauf gar um 3,5 % . Im selben Jahr schrumpfte die Weltwirtschaft um 2,2 % , was verdeutlicht, dass die Krise globale Ausmaße erreicht hatte. D ie Übertragung der Krise auf andere Weltregionen verlief vornehmlich über zwei Kanäle: über die Kapitalmärkte und die Handelsbeziehungen (Bello(cid:191) ore et al. 2010 ; Becker und Jäger 2012) . Was die Kapitalmärkte betrifft, so waren vor dem Ausbruch der Krise die Forderungen aus Immobilienkrediten verbrieft und international gehandelt worden. Zahlreiche ausländische Banken, bis hin zu deutschen Landesbanken, besaßen solche Forderungen, die sie dann in erheblichem Maße abschreiben mussten. Neben den Kapitalmärkten sorgten auch die Handelsbeziehungen dafür, dass die Krise auf andere Weltregionen „überschwappte“. Im Zuge der Krise drosselten die USA ihre Importe zunächst deutlich, was sich insbesondere in exportorientierten, stark auf die USA aus- gerichteten Volkswirtschaften niederschlug. In der Europäischen Union betrug der Rück- gang des BIP im Jahr 2009 4,3 %, in Deutschland 5,1 %. Diese Zahlen deuten an, dass die Krise im atlantischen Raum stärker durchschlug als in anderen Weltregionen. A ufgrund des globalen Charakters der Krise wurden vor allem im Rahmen der G20- Gipfeltreffen die Maßnahmen zur Bearbeitung der Krise koordiniert. Dabei lassen sich zwei Phasen der Krisenbearbeitung unterscheiden. In einer ersten Phase versuchten die Regierungen durch die Sozialisierung der Verluste der Banken den Finanzsektor zu stabi- lisieren und durch Konjunkturpakete Impulse für ein Anspringen des Konjunkturmotors zu setzen. Allerdings hat die massive Ausweitung der öffentlichen Verschuldung zumin- dest in den USA und besonders in der EU mit dazu beigetragen, dass diese erste Phase der Krisenbearbeitung von einer zweiten abgelöst wurde, die auf eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte mittels austeritätspolitischer Maßnahmen abzielt. Besonders in den Staaten der europäischen Peripherie, die aufgrund deutlich negativer Leistungsbi- lanzen ihre Staatsde(cid:191) zite mittels eines „Risikoaufschlags“ re(cid:191) nanzieren mussten, wurden und werden strikte Austeritätsmaßnahmen durchgesetzt. Im Unterschied hierzu wurde die Krise in den aufstrebenden BRIC-Staaten relativ rasch überwunden und keine austeritäts- politische Konsolidierung eingeleitet. Die Folgen der Welt(cid:191) nanzkrise sind also räumlich höchst ungleich verteilt und unter- scheiden sich erheblich von vorangegangenen Finanzkrisen. Die Finanzkrisen der ver- gangenen Jahrzehnte hatten alle ihr Epizentrum in der „Peripherie“ und konnten lokal begrenzt werden. Die aktuelle Welt(cid:191) nanzkrise entwickelte sich hingegen vom Zentrum

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